Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.48/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_48/2013

Urteil vom 13. Juni 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Faga.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Entschädigung der amtlichen Verteidigung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau,
Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 18. Dezember 2012.

Sachverhalt:

A.
Das Gerichtspräsidium Baden setzte X.________ als amtlichen Verteidiger im
Strafverfahren gegen A.________ wegen des Verdachts auf mehrfache Widerhandlung
gegen das Strassenverkehrsgesetz ein. Im Urteil vom 17. August 2012 sprach es
X.________ eine Entschädigung von Fr. 9'729.30 zu. Zugleich verzichtete es auf
eine Rückforderung des dem amtlichen Verteidiger zugesprochenen Honorars.

B.
Das Obergericht des Kantons Aargau hiess die von der Staatsanwaltschaft gegen
den Entschädigungsentscheid erhobene Beschwerde am 18. Dezember 2012 gut. Es
setzte die Entschädigung der amtlichen Verteidigung auf Fr. 3'880.-- fest und
auferlegte die Verfahrenskosten von Fr. 940.-- X.________.

C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben und die Vorinstanz sei anzuweisen, ihm für das
erstinstanzliche Verfahren eine Entschädigung aus amtlicher Verteidigung von
Fr. 9'729.30 zuzusprechen sowie für das Beschwerdeverfahren eine
Parteientschädigung von Fr. 2'574.30 auszurichten.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer rügt, dass die Vorinstanz zu Unrecht auf die
Beschwerde der Staatsanwaltschaft eingetreten ist. Nach Art. 135 Abs. 3 lit. a
StPO könne allein die amtliche Verteidigung, nicht aber auch die
Staatsanwaltschaft, Beschwerde gegen die vom urteilenden Gericht festgesetzte
Entschädigung erheben. Die Staatsanwaltschaft sei vom Entschädigungsentscheid
nicht berührt und nehme am Verfahren zur Festsetzung der Entschädigung auch
nicht teil.

 Die Vorinstanz stützt die Beschwerdelegitimation der Staatsanwaltschaft auf
die allgemeine Bestimmung von Art. 381 Abs. 1 StPO und misst der separaten
Erwähnung der Beschwerdebefugnis der amtlichen Verteidigung in Art. 135 Abs. 3
StPO lediglich deklaratorische Bedeutung zu. Damit werde nur klargestellt, dass
die amtliche Verteidigung neben den Parteien in eigenem Namen Beschwerde gegen
die Festsetzung des amtlichen Honorars erheben kann.

1.2. Gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen
Entscheide in Strafsachen. Der Begriff "Entscheide in Strafsachen" umfasst
sämtliche Entscheidungen, denen materielles Strafrecht oder Strafprozessrecht
zugrunde liegt (BGE 134 IV 36 E. 1.1). Zum Kreis der beschwerdebefugten
Parteien zählt namentlich die Staatsanwaltschaft (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 3
BGG). Ihr steht das Beschwerderecht uneingeschränkt zu (BGE 134 IV 36 E.
1.4.3). Sie kann namentlich auch die Höhe der Entschädigung für die private
Verteidigung anfechten (Urteil 6B_168/2012 vom 27. August 2012 E. 2 und 3).
Gleich zu entscheiden ist, wenn es um die Entschädigung der amtlichen
Verteidigung geht (Urteil 6B_611/2012, 6B_693/2012 vom 19. April 2013 E. 2;
vgl. auch Urteil 6B_168/2012 vom 27. August 2012 E. 3).

1.3. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Entschädigung für die amtliche
Verteidigung mit Beschwerde in Strafsachen anfechten kann, muss ihr auch der
Rechtsmittelweg im Kanton offenstehen (vgl. Art. 80 Abs. 2 Satz 1 BGG). Die
Rechtsmittellegitimation der Staatsanwaltschaft nach Art. 381 Abs. 1 StPO
bezieht sich auf alle Punkte des angefochtenen Entscheids mit Ausnahme des
Zivilpunkts. Sie ist berechtigt, ein Rechtsmittel zugunsten oder zuungunsten
der beschuldigten Person zu ergreifen (Art. 381 Abs. 1 StPO).

2.

2.1. Die Auslagen für die amtliche Verteidigung (und die unentgeltliche
Rechtspflege) bilden Bestandteil der Verfahrenskosten (Art. 422 Abs. 2 lit. a
StPO). Über die Kosten- und Entschädigungsfolgen und damit auch über die
Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsvertreters ist im Endentscheid zu
befinden (Art. 81 Abs. 4 lit. b StPO).

2.2. Gegen Urteile erstinstanzlicher Gerichte, mit denen das Verfahren ganz
oder teilweise abgeschlossen wurde, steht die Berufung offen (Art. 398 Abs. 1
StPO). Dies gilt auch, wenn ausschliesslich die Kosten-, Entschädigungs- und
Genugtuungsfolgen streitig sind (Art. 399 Abs. 4 lit. f StPO). Da die
Beschwerde im Vergleich zur Berufung subsidiär ist (Art. 394 lit. a StPO),
müssen die Staatsanwaltschaft und die anderen Parteien, die für die
Verfahrenskosten aufzukommen haben, eine Änderung der Entschädigung für die
amtliche Verteidigung oder die unentgeltliche Rechtspflege im
Berufungsverfahren verlangen.

2.3. Der amtliche Verteidiger und der unentgeltliche Rechtsbeistand der
Privatklägerschaft zählen nicht zu den Verfahrensparteien (Art. 104 Abs. 1
StPO). Ihre Rechtsmittellegitimation hinsichtlich der Festsetzung des Honorars
ergibt sich nicht aus Art. 382 StPO, sondern aus der besonderen Regelung in
Art. 135 Abs. 3 lit. a StPO bzw. Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Art. 135 Abs. 3 lit. a
StPO. Ihnen steht gegen den Entschädigungsentscheid die strafprozessuale
Beschwerde offen (vgl. Urteil 6B_611/2012, 6B_693/2012 vom 19. April 2013 E. 5
mit Hinweisen).

3.

3.1. Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem
Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer macht nicht
geltend, die Vorinstanz sei zur Beurteilung der Entschädigung für die amtliche
Verteidigung in sachlicher Hinsicht nicht zuständig gewesen. Das Bundesgericht
wendet aber das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).

3.2. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Festsetzung der Entschädigung
Beschwerde und nicht Berufung erhoben. Die Beschwerdekammer in Strafsachen hat
darüber in Anwendung der prozessualen Bestimmungen über das Beschwerdeverfahren
entschieden.

 Der Kanton Aargau hat die Befugnisse von Beschwerdeinstanz und
Berufungsgericht dem Strafgericht des Obergerichts übertragen. Dieses
entscheidet sowohl über Berufungen wie auch über Beschwerden (§ 13 des
Einführungsgesetzes des Kantons Aargau vom 16. März 2010 zur Schweizerischen
Strafprozessordnung [EG StPO; SAR 251.200]).

 Das Obergericht ist in Abteilungen gegliedert (§ 65 des aargauischen
Gerichtsorganisationsgesetzes vom 6. Dezember 2011 [GOG; SAR 155.200]). Die
Abteilung Strafgericht umfasst drei Strafkammern, eine Jugendstrafkammer und
zwei Beschwerdekammern. Die hauptamtlichen Richter des Obergerichts sind einer
Kammer zugewiesen (§ 11 der Geschäftsordnung des Obergerichts des Kantons
Aargau vom 21. November 2012 [GKA 155.200.3.101]). Innerhalb der Abteilung
werden die zugeteilten Richter durch andere hauptamtliche Oberrichter oder
durch Ersatzrichter vertreten (§ 12 der Geschäftsordnung).

 Eine sachliche Unzuständigkeit des Spruchkörpers der Beschwerdekammer in
Strafsachen liegt nicht vor. Die am angefochtenen Entscheid beteiligten Richter
sind zwar der Beschwerdekammer zugeteilt. Als Mitglieder des Strafgerichts sind
sie als Ersatzrichter auch zur Mitwirkung in den Strafkammern befugt.

 Soweit ausschliesslich Kosten-, Entschädigungs- und Genugtuungsfolgen eines
Urteils angefochten sind, ist das Berufungsverfahren weitgehend gleich
ausgestaltet wie das Beschwerdeverfahren. Es findet keine mündliche Verhandlung
statt und das Gericht kann die Berufung in einem schriftlichen Verfahren
behandeln (Art. 406 Abs. 1 lit. d StPO). Indem die Einwendungen der
Staatsanwaltschaft im Beschwerde- statt im Berufungsverfahren beurteilt worden
sind, erleidet der Beschwerdeführer keinen Rechtsverlust.

 Der dem vorinstanzlichen Verfahren anhaftende Mangel wiegt nicht derart
schwer, dass ausnahmsweise eine Nichtigkeit des angefochtenen Entscheids
angenommen werden müsste (vgl. dazu Urteil 6B_339/2012 vom 11. Oktober 2012 E.
1.2 mit Hinweisen).

4.
Es ergibt sich somit, dass die Staatsanwaltschaft berechtigt ist, die
Entschädigung für die amtliche Verteidigung anzufechten. Einwendungen gegen die
von der Vorinstanz vorgenommene Kürzung des Honorars bringt der
Beschwerdeführer nicht vor. Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem
Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Juni 2013
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Faga

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