Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.479/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_479/2013

Urteil vom 30. Januar 2014

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Denys,
Gerichtsschreiberin Andres.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Philip Stolkin,
Beschwerdeführer,

gegen

1.  Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323, 8510
Frauenfeld,
2. Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stefan Müller,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Nichtanhandnahme einer Strafuntersuchung (Körperverletzung, sexuelle Nötigung
etc.); Rechtsweggarantie, Verjährungsfristen,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 7. März
2013.

Sachverhalt:

A.

 X.________ erstattete am 7. November 2012 gegen Y.________ und unbekannte
Täterschaft Strafanzeige u.a. wegen "Körperverletzung und sexuellen Missbrauchs
mit Kindern". Er ersuchte darum zu prüfen, inwieweit Y.________ oder eine
Drittperson den Art. 188, 189, 192, 193 und 122 respektive 123 StGB
zuwidergehandelt habe. Ferner sei abzuklären, inwieweit eine nicht namentlich
bezeichnete Person des damaligen Sekundarschulinspektorats des Kantons eines
der genannten Tätigkeitsdelikte durch Unterlassen begangen habe. Er sei von
1962 bis 1972 als Zögling im Kinderheim des Vereins Z.________ vor allem durch
Y.________ systematisch körperlich, aber auch sexuell misshandelt worden. Die
Übergriffe hätten bei ihm ein posttraumatisches komplexes Belastungssyndrom
ausgelöst. Auch weitere Personen, welche damals Heiminsassen des Klosters
Z.________ gewesen seien, berichteten über solche Vorfälle.

 Die Staatsanwaltschaft Frauenfeld nahm das Verfahren am 19. November 2012
infolge Verjährung nicht an die Hand.

 Die Beschwerde gegen die Nichtanhandnahmeverfügung wies das Obergericht des
Kantons Thurgau am 7. März 2013 ab.

B.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt in der Hauptsache, es
seien Ziffer 1 und 3 des angefochtenen Entscheids aufzuheben. Die kantonalen
Instanzen seien anzuweisen, gegen Y.________ Anklage zu erheben und X.________
eine Parteientschädigung zuzusprechen. Er ersucht um unentgeltliche
Rechtspflege.

Erwägungen:

1.

1.1. Mit der Beschwerde in Strafsachen kann auch die Verletzung von
Verfassungsrecht gerügt werden (Art. 95 BGG). Für die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde besteht kein Raum. Auf entsprechende Ausführungen ist
nicht einzugehen (Art. 113 ff. BGG; Beschwerde S. 5 Ziff. 9 ff.).

1.2. Zur Beschwerde in Strafsachen ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG berechtigt, wer
vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur
Teilnahme erhalten (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der
Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Nach Art. 81
Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG wird der Privatklägerschaft ein rechtlich geschütztes
Interesse zuerkannt, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung
ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass der
Privatkläger bereits adhäsionsweise Zivilforderungen geltend gemacht hat. Bei
Nichtanhandnahme oder Einstellung der Strafuntersuchung wird auf dieses
Erfordernis verzichtet. In diesen Fällen muss im Verfahren vor Bundesgericht
aber dargelegt werden, aus welchen Gründen sich der angefochtene Entscheid
inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann (BGE 138 IV 186 E. 1.4.1).

 Der Beschwerdeführer hat im kantonalen Verfahren Schadenersatz- und
Genugtuungsansprüche angemeldet, diese jedoch nicht substanziiert. Vor
Bundesgericht äussert er sich nicht näher zur zivilrechtlichen Natur seiner
Ansprüche (Beschwerde S. 4 Ziff. 6). Hingegen führt er aus, das Heim und die
Schule hätten staatliche Aufgaben wahrgenommen und der Beschwerdegegner habe
die fraglichen Taten in seiner amtlichen Eigenschaft als Erzieher, Aufseher und
Lehrer begangen (Beschwerde S. 17 f. Ziff. 50 f., S. 29 Ziff. 73). Der
Beschwerdeführer macht geltend, er habe u.a. gestützt auf Art. 3 EMRK und Art.
10 Abs. 3 BV einen Anspruch darauf, dass die Vorwürfe gegen den
Beschwerdegegner wirksam und vertieft amtlich untersucht werden. Damit ist er
unbesehen der zivilrechtlichen Natur seiner Ansprüche zur Beschwerde
legitimiert (BGE 138 IV 86 E. 3.1.1; 131 I 455 E. 1.2.5 f. mit Hinweisen).

1.3. Der Beschwerdeführer beantragt einen zweiten Schriftenwechsel. Ein solcher
findet in der Regel nicht statt (Art. 102 Abs. 3 BGG). Da keine
Vernehmlassungen eingeholt wurden, erübrigt sich ein zweiter Schriftenwechsel.

2.

2.1. Gemäss Art. 310 Abs. 1 StPO verfügt die Staatsanwaltschaft die
Nichtanhandnahme, wenn aufgrund der Strafanzeige oder des Polizeirapports
feststeht, dass die fraglichen Straftatbestände oder die Prozessvoraussetzungen
eindeutig nicht erfüllt sind (lit. a) oder Verfahrenshindernisse bestehen (lit.
b). In diesem Fall wird keine Strafuntersuchung eröffnet (Art. 309 Abs. 4
StPO). Im Übrigen richtet sich das Verfahren bei Nichtanhandnahme nach den
Bestimmungen über die Verfahrenseinstellung (Art. 310 Abs. 2 StPO; vgl. BGE 137
IV 285 E. 2.2 f.).

 Der Eintritt der Strafverfolgungsverjährung nach Art. 97 ff. StGB bildet ein
dauerndes Prozesshindernis, das in jedem Verfahrensstadium von Amtes wegen zu
berücksichtigen ist (BGE 116 IV 80 E. 2a S. 81 mit Hinweisen; Urteil 6B_277/
2012 vom 14. August 2012 E. 2.3; Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur
Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1278 Ziff. 2.7.1).

2.2. Die Vorinstanz erwägt, bezüglich der angezeigten Delikte sei die
Verfolgungsverjährung eingetreten. Auch aus Art. 101 Abs. 1 lit. e StGB (in
Kraft seit 1. Januar 2013), der Art. 123b BV umsetze, ergebe sich nichts
anderes. Da die Taten bereits am Tag der Annahme der Volksinitiative "Für die
Unverjährbarkeit pornographischer Straftaten an Kindern" (30. November 2008;
nachfolgend Unverjährbarkeitsinitiative) verjährt gewesen seien, gelange Art.
101 Abs. 1 lit. e StGB nicht zur Anwendung (vgl. Art. 101 Abs. 3 StGB). Die
Verurteilung wegen einer Handlung, die durch die Wirkung der Verjährung nicht
mehr strafbar sei, würde das Legalitätsprinzip (Art. 7 EMRK) verletzen. Auch
aus Art. 3, 6 und 8 EMRK und der Garantie der Menschenwürde (Art. 7 BV) ergebe
sich keine Unverjährbarkeit der strafbaren Handlungen. Art. 6 EMRK sei weder
anwendbar noch schliesse er die Verjährung aus. Die sich aus den
Schutzpflichten des Staates gegen Beeinträchtigung durch Private ergebende
Verpflichtung zur Aufklärung und Verfolgung von Delikten sei nicht absolut.
Dass der schweizerische Gesetzgeber auch für schwere Delikte eine Verjährung
vorsehe, beruhe auf sachlichen Gründen, weshalb Art. 3 und 8 EMRK nicht
verletzt seien (Entscheid S. 4-10).

3.

 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die dem Beschwerdegegner
vorgeworfenen Handlungen in Anwendung der Verjährungsbestimmungen des
Strafgesetzbuchs verjährt sind. Ebenso wenig stellt er in Abrede, dass sie im
Zeitpunkt der Annahme der Unverjährbarkeitsinitiative am 30. November 2008
bereits verjährt waren. Auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz und
der Staatsanwaltschaft kann verwiesen werden (Entscheid S. 4;
Nichtanhandnahmeverfügung S. 2-5).

 Der Beschwerdeführer rügt zusammengefasst, die Verjährungsbestimmungen des
Strafgesetzbuchs, insbesondere Art. 101 Abs. 3 StGB, verletzten seine
Verfassungs- und Konventionsrechte (Art. 7, 10 Abs. 3, Art. 29 [recte 29a] BV,
Art. 3, 6 sowie 8 EMRK, Art. 7 und 14 UNO-Pakt II [SR 0.103.2] sowie Art. 2
Übereinkommen vom 10. Dezember 1984 gegen Folter und andere grausame,
unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe [UN-Folterkonvention;
SR 0.105]). Er habe erst im Frühling 2011 erfahren, dass die körperlichen und
sexuellen Misshandlungen die Ursache seines posttraumatischen komplexen
Belastungssyndroms, mithin der schweren Körperverletzung, seien. Die Verjährung
könne erst ab Kenntnis der Rechtsgutverletzung zu laufen beginnen, womit die
Nichtanhandnahme des Verfahrens die Rechtsweggarantie verletze. Die (Miss-)
Handlungen des Beschwerdegegners seien als Folter oder zumindest als
unmenschliche und erniedrigende Behandlung sowie als Eingriff in seine
persönliche Freiheit zu qualifizieren. Das Folterverbot und das Verbot der
unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung gölten absolut. Sie seien
notstandsfest. Der Staat sei verpflichtet, Massnahmen zu treffen, um Eingriffe
in die Grundrechte zu vermeiden und diese gegebenenfalls zu verfolgen. Diese
Verpflichtung lasse keine Ausnahmen zu. Die Verfolungsverjährungsbestimmungen
verletzten die Grundrechte in ihrem Kerngehalt.

3.1. Die Rechtsweggarantie ist nicht verletzt. Art. 29a BV garantiert die
Beurteilung von Rechtsstreitigkeiten durch eine richterliche Behörde. Die
Überprüfung der Nichtanhandnahmeverfügung durch die Vorinstanz genügt diesem
verfassungsrechtlichen Anspruch (siehe Urteil 6B_627/2007 vom 11. August 2008
E. 3 nicht publ. in: BGE 134 IV 297). Auf Art. 6 EMRK kann sich der
Beschwerdeführer als geschädigte Person nicht berufen, um ein Strafverfahren
gegen Dritte einzuleiten. Die Bestimmung bezieht sich auf zivilrechtliche
Ansprüche und auf die Stichhaltigkeit der gegen eine Person gerichteten
strafrechtlichen Anklage. Der Beschwerdeführer kann seine Schadenersatz- und
Genugtuungsansprüche auf dem zivil- oder öffentlichrechtlichen Weg geltend
machen (vgl. BGE 134 IV 297 E. 4.3.5 S. 306; Urteil 6B_724/2010 vom 4. Januar
2011 E. 4; Mark E. Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention
[EMRK], 2. Aufl. 1999, § 18 N. 386). Weshalb Art. 14 UNO-Pakt II anwendbar sein
sollte, dessen vorliegend interessierender Wortlaut mit jenem von Art. 6 Ziff.
1 EMRK übereinstimmt, begründet der Beschwerdeführer nicht. Selbst wenn Art. 6
EMRK bzw. Art. 14 UNO-Pakt II anwendbar wären, würden sie die Verjährung einer
Handlung, bevor deren Erfolg eintritt, nicht ausschliessen (BGE 134 IV 297 E.
4.3.5 S. 306). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom
Beschwerdeführer zitierten Urteil des EGMR, dem im Übrigen ein Zivilverfahren
zu Grunde lag (Urteil  Stubbings et al. gegen Vereinigtes Königreich vom 22.
Oktober 1996, Recueil CourEDH 1996-IV S. 1487 § 50 ff.; siehe auch Frowein/
Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl., Kehl am Rhein 2009, N.
83 zu Art. 6 EMRK).

3.2. Gemäss Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder
erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Dies gewährleisten
auch Art. 10 Abs. 3 BV und Art. 7 UNO-Pakt II. Art. 8 EMRK schützt das Recht
einer Person auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und
ihrer Korrespondenz. Elementarer Bestandteil des von Art. 8 EMRK garantierten
Selbstbestimmungsrechts ist das Verfügungsrecht über den eigenen Körper. Art. 7
BV vermittelt dem Einzelnen einen Anspruch auf Achtung und Schutz seiner Würde.
Weil der Grundrechtskatalog von der Leitvorstellung der Menschenwürde geprägt
und in der aktuellen Fassung recht umfassend ist, kommt der Menschenwürde als
selbständiges Grundrecht in der Praxis zu Art. 7 BV nur geringe praktische
Bedeutung zu (Haefelin/Haller/Keller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 8.
Aufl. 2012, § 10 N. 335f).

3.2.1. Die Grundrechte sind nicht nur Abwehrrechte gegen den Staat, sondern
verpflichten diesen, ihnen in der ganzen Rechtsordnung zum Durchbruch zu
verhelfen und damit das Leben seiner Bürger auch vor Angriffen Privater zu
schützen (Art. 35 BV, siehe auch Art. 2 UN-Folterkonvention). Obwohl dem Staat
ein grosses Ermessen bei der Gestaltung des Schutzes zusteht, ist er
grundsätzlich gehalten, besonders schwerwiegende Eingriffe in die physische und
psychische Integrität von Personen durch Dritte mit strafrechtlichen Sanktionen
zu belegen und eine effektive Strafverfolgung zu gewährleisten (vgl. BGE 135 I
113 E. 2.1; Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Aufl.
2012, § 20 N. 39). Das gesamte Verfahren muss der Verpflichtung entsprechen,
vor einer Verletzung von u.a. Art. 3 EMRK zu schützen. Daraus folgt aber kein
Recht auf Verurteilung eines Täters. Die Ermittlungspflicht kann erfüllt sein,
wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt oder der Täter freigesprochen wird.
Der Staat kann seiner Ermittlungspflicht auch nachkommen, wenn der Betroffene
die Möglichkeit hat, vor Zivilgerichten auf Schadenersatz zu klagen (Jens
Meyer-Ladewig, EMRK, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl.,
Baden-Baden 2011, N. 27 f. zu Art. 2 EMRK und N. 15 zu Art. 3 EMRK).

3.2.2. Das in Art. 10 Abs. 3 BV und Art. 3 EMRK verankerte Recht ist
notstandsfest und gilt absolut, womit keine Einschränkungen oder Ausnahmen
möglich sind (Art. 15 Ziff. 2 EMRK; Haefelin/Haller/Keller, a.a.O., § 11 N.
378). Daraus folgt nicht, dass auch die Verfolgungspflicht absolut ist. Ein
Staat darf aus sachlichen Gründen von der Verfolgung eines Eingriffs in ein
absolutes Recht absehen. Ist ein rechtswidriger Eingriff in ein Grundrecht
erfolgt, ist bei dessen Verfolgung nicht mehr zu unterscheiden, ob dieses
absolut gilt oder nicht. Wie bei Art. 2 und 8 EMRK rechtfertigt es sich,
Ausnahmen von der Verfolgungspflicht zuzulassen und die in BGE 134 IV 297
entwickelte Rechtsprechung auf Art. 10 Abs. 3 BV sowie Art. 3 EMRK anzuwenden
(vgl. E. 4.3.5 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR; siehe auch BGE
135 I 113 E. 2.1; 131 I 455 E. 1.2.5; je mit Hinweisen).

 Es entspricht der allgemeinen Überzeugung in unserem Rechtskreis, dass
Straftaten, abgestuft nach der Schwere der Tat, nach gewisser Zeit nicht mehr
verfolgt werden sollen. Mit der Zeit schwindet einerseits das Bedürfnis, das
begangene Unrecht auszugleichen, andererseits nehmen Beweisschwierigkeiten zu.
Die Verjährung von Straftaten ist ein Gebot der Verfahrensökonomie. Die
Strafverfolgungsbehörden können sich auf die strafrechtliche Verarbeitung von
Fällen konzentrieren, bei denen eine realistische Aussicht auf Aufklärung
besteht und bei denen sich ein hinreichendes Beweisfundament wegen des
Zeitablaufs nicht nur ausnahmsweise erstellen lässt (BGE 134 IV 297 E. 4.3.4
mit Hinweisen).

3.2.3. Die vom Beschwerdeführer angerufenen Bestimmungen sind durch das
Institut der Verjährung nicht verletzt. Der Schweizerische Gesetzgeber ist
seiner Schutzpflicht nachgekommen und bedroht Personen mit Strafe, die u.a.
einen Menschen foltern, erniedrigen oder in seiner Menschenwürde verletzen. Der
Beschwerdeführer macht nicht geltend, der Staat hätte erkennen können, dass er
und andere Kinder im Heim misshandelt würden, womit er konkrete Massnahmen
hätte ergreifen müssen (vgl. Grabenwarter/Pabel, a.a.O., § 20 N. 39). Dass die
Verfolgung der angeblichen Misshandlungen nach über 40 Jahren nicht mehr an die
Hand genommen werden kann, basiert auf sachlichen Gründen. Die Nichtanhandnahme
verletzt weder Bundes- noch Verfassungs- oder Konventionsrecht.

4.

 Die Beschwerde ist unbegründet. Es kann offenbleiben, ob die angeblichen
Handlungen des Beschwerdegegners Folter, eine unmenschliche oder erniedrigende
Behandlung darstellten, die Menschenwürde oder die persönliche Freiheit des
Beschwerdeführers verletzten. Ferner muss nicht abschliessend beurteilt werden,
ob das Heim, die Schule und der Beschwerdegegner staatliche Aufgaben
wahrnahmen.

 Der Beschwerdeführer stellt vorfrageweise den Antrag, es sei der Verstoss der
Verjährungsfristen von Art. 97 ff. StGB, insbesondere des Art. 101 Abs. 3 StGB,
in den Fällen der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Sinne von
Art. 3 sowie 8 EMRK, Art. 2 UN-Folterkonvention und Art. 7 UNO-Pakt II
festzustellen, und die kantonalen Gerichte sowie Staatsanwaltschaften seien
anzuweisen, die Strafuntersuchungen gründlich und ernsthaft an die Hand zu
nehmen sowie die gesetzlichen Verjährungsfristen nicht mehr anzuwenden.

 Da die Grund- und Konventionsrechte nicht verletzt sind, wenn eine Art. 3 und
8 EMRK, Art. 2 UN-Folterkonvention und Art. 7 UNO-Pakt II verletzende Handlung
aufgrund der eingetretenen Verjährung nicht verfolgt werden kann, wird der
Antrag gegenstandslos.

 Ebenfalls nicht einzugehen ist bei diesem Verfahrensausgang auf das Vorbringen
des Beschwerdeführers, eine allfällige Rückwirkung von Art. 101 Abs. 1 lit. e
StGB verstosse nicht gegen Art. 7 EMRK.

5.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

 Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung ist gutzuheissen, da seine Bedürftigkeit ausgewiesen ist und
seine Rechtsbegehren nicht von vornherein aussichtslos waren. Demnach sind
keine Kosten zu erheben und dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers ist eine
angemessene Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse auszurichten (Art. 64
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen, und es wird dem
Beschwerdeführer Rechtsanwalt Philip Stolkin als unentgeltlicher Rechtsbeistand
beigegeben.

3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4. 
Rechtsanwalt Philip Stolkin wird mit Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse
entschädigt.

5. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Januar 2014

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Andres

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