Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.477/2013
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2013
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2013


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_477/2013

Urteil vom 12. September 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Denys,
Gerichtsschreiberin Andres.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt André Keller,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Vergehen gegen das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (Art. 70 Abs. 1
GSchG); Strafzumessung; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, vom 19. März 2013.

Sachverhalt:

A.

 X.________ brachte am 3. Januar 2011 auf zwei Parzellen in A.________
stickstoffhaltige Jauche aus.

 Die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm verurteilte X.________ mit Strafbefehl
wegen Vergehens gegen das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (GSchG; SR
814.20) zu einer bedingten Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu Fr. 110.-- sowie
einer Busse von Fr. 500.--.

B.

 Auf Einsprache von X.________ hin sprach ihn das Bezirksgericht Zofingen von
der Anklage frei. Die Staatsanwaltschaft meldete gegen dieses Urteil Berufung
an.

 Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte X.________ wegen Vergehens
gegen das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer zu einer bedingten
Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu Fr. 50.-- und einer Verbindungsbusse von Fr.
400.--.

C.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben, und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen.
Eventualiter sei er im Sinne der Anklage schuldig zu sprechen und mit einer
bedingten Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu Fr. 50.-- und einer Verbindungsbusse
von Fr. 400.-- zu verurteilen.

Erwägungen:

1.

 Der Beschwerdeführer rügt, die vorinstanzliche Feststellung sei unrichtig,
wonach er die Jauche auf ein gefrorenes Feld ausgebracht habe und diese im
gefrorenen Boden nicht habe versickern können, womit die konkrete Gefahr einer
Auswaschung bestanden habe. Die Vorinstanz stütze sich auf den Polizeirapport
sowie den Bericht der Fachstelle Umwelt der Kantonspolizei Aargau, die
fälschlicherweise davon ausgegangen seien, dass die Jauche auf gefrorenen Boden
ausgeführt worden sei. Die vorinstanzliche Feststellung, es seien weder
Hinweise ersichtlich noch vom Beschwerdeführer dargetan, die auf die
mangelhafte Beurteilung der Lage durch die Fachstelle schliessen liessen, sei
offensichtlich unrichtig. Die Vorinstanz setze sich nicht mit den Aussagen der
Zeugen Y.________ und Z.________ auseinander, die bestätigten, dass der Boden
der Felder am 3. Januar 2011 nicht gefroren war.

1.1. Gemäss Art. 70 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 6 GSchG wird bestraft, wer
vorsätzlich Stoffe, die das Wasser verunreinigen können, widerrechtlich
mittelbar oder unmittelbar in ein Gewässer einbringt, versickern lässt oder
ausserhalb eines Gewässers ablagert oder ausbringt und dadurch die Gefahr einer
Verunreinigung des Wassers schafft. Vorausgesetzt ist eine konkrete Gefahr,
eine - selbst erhöhte - abstrakte Gefahr genügt nicht. Eine konkrete Gefahr ist
gegeben, wenn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die Wahrscheinlichkeit oder
nahe Möglichkeit einer Verletzung des geschützten Rechtsguts besteht (vgl.
Botschaft vom 29. April 1987 zur Volksinitiative "zur Rettung unserer Gewässer"
und zur Revision des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer, BBl 1987 II
1109 Ziff. 322.1; Urteile 6B_642/2008 vom 9. Januar 2009 E. 3 und 6S.520/2001
vom 27. September 2002 E. 1.2; je mit Hinweisen).

1.2. Die Verordnung zur Reduktion von Risiken beim Umgang mit bestimmten
besonders gefährlichen Stoffen, Zubereitungen und Gegenständen (ChemRRV; SR
814.81) hält in ihrem Anhang 2.6 die notwendigen Anforderungen an den Umgang
mit Dünger fest (vgl. BGE 137 II 182 E. 3.2.4.1 S. 188). Stickstoffhaltige
Dünger dürfen - sofern keine besondere Bedürfnisse des Pflanzenbaus vorliegen -
nur zu Zeiten ausgebracht werden, in denen die Pflanzen den Stickstoff
aufnehmen können (Ziff. 3.2.1 Abs. 1 ChemRRV). Bei Tagesmitteltemperaturen
unter 5° Celsius können die Pflanzen keinen Nährstoff aufnehmen bzw. benötigen
diesen nicht. Entscheidend sind die langfristigen Witterungsverhältnisse (vgl.
Urteil 6S.362/1997 vom 26. August 1997 E. 1b und E. 4a/aa). Flüssige Dünger
dürfen nur ausgebracht werden, wenn der Boden saug- und aufnahmefähig ist. Sie
dürfen vor allem nicht ausgebracht werden, wenn der Boden wassergesättigt,
gefroren, schneebedeckt oder ausgetrocknet ist (Ziff. 3.2.1 Abs. 2 ChemRRV;
vgl. Merkblatt 96, kantonale Akten, act. 54 ff.).

1.3. Die Rügen gehen grösstenteils an der Sache vorbei. Die Vorinstanz lässt
offen, ob der Boden gefroren war, als der Beschwerdeführer am 3. Januar 2011
die Jauche austrug (Urteil S. 8). Sie verfällt nicht in Willkür, wenn sie
gestützt auf die Berichte der Polizei sowie das Temperaturdiagramm davon
ausgeht, der Boden sei spätestens nach dem Jaucheaustrag gefroren und habe
aufgrund der tiefen Temperaturen die Jauche nicht aufnehmen können (Urteil S.
7). Dies wird zusätzlich durch das Temperaturdiagramm bestätigt, das dem
Bericht des Departements Bau, Verkehr und Umwelt beiliegt (kantonale Akten,
Bericht Departement Bau, Verkehr und Umwelt). Danach lagen die
Tagesmitteltemperaturen in B.________ und Umgebung in der Zeit vom 15. Dezember
2010 bis 5. Januar 2011 durchschnittlich unter dem Gefrierpunkt. Mit einer
Ausnahme stieg die Temperatur nie über 5° Celsius, der negative Spitzenwert
betrug minus 8° Celsius. Am 3. Januar 2011 lag die Tagesmitteltemperatur bei
minus 4° Celsius.

 Der Beschwerdeführer argumentiert mit Zeugenangaben, der Boden sei am 3.
Januar 2011 nicht gefroren gewesen. Da jedoch die langfristigen
Witterungsverhältnisse massgebend sind, durfte die Vorinstanz die Aussagen
unberücksichtigt lassen, ohne in Willkür zu verfallen.

 Rein appellatorisch ist auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, aus dem
Temperaturdiagramm von B.________ könne nicht gefolgert werden, der Boden sei
bereits am 3. Januar 2011 gefroren gewesen, da es sich um eine standortfremde
Messung handle. Er zeigt nicht auf, dass bzw. inwiefern das Klima im wenige
Kilometer entfernten A.________ massgeblich anders war.

2.

 Der Beschwerdeführer wendet ein, er habe durch den Jaucheaustrag am 3. Januar
2011 keine konkrete Gefahr der Verunreinigung des Wassers geschaffen. Der Boden
sei nicht gefroren gewesen und habe den Flüssiganteil der Jauche aufnehmen
können. Dieser sei bis am 5. Januar 2011 in der Humusschicht des Bodens
gefroren. Ab dem 6. Januar 2011 seien die Temperaturen sehr stark angestiegen
und die Pflanzen hätten die frei werdenden Nährstoffe problemlos aufnehmen
können. Der Festanteil der Jauche könne physikalisch zu keiner Jahreszeit
versickern.

 Indem der Beschwerdeführer die Jauche ausbrachte, obwohl die
Tagesmitteltemperaturen in den Tagen zuvor um den Gefrierpunkt gelegen hatten,
hat er eine konkrete Verunreinigungsgefahr geschaffen. Da die Pflanzen keinen
Nährstoff aufnehmen konnten, bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die
Stoffe beim nächsten Niederschlag ausgewaschen und ins Grundwasser gelangen
würden.

3.

 In subjektiver Hinsicht bringt der Beschwerdeführer vor, er habe nicht
eventualvorsätzlich gehandelt.

 Eventualvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs für
möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines
Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht
sein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 4 mit Hinweis). Was der Täter wusste, wollte und
in Kauf nahm, betrifft so genannte innere Tatsachen, ist damit Tatfrage und
wird vom Bundesgericht nur auf Willkür überprüft (zum Willkürbegriff vgl. BGE
138 I 49 E. 7.1 S. 51 mit Hinweisen). Rechtsfrage ist hingegen, ob im Lichte
der festgestellten Tatsachen der Schluss auf Vorsatz bzw. Eventualvorsatz
begründet ist (vgl. BGE 133 IV 9 E. 4.1 S. 17 mit Hinweisen).

 Die Vorinstanz stellt fest, dem Beschwerdeführer sei bewusst gewesen, dass der
Boden spätestens nach dem Jaucheaustrag gefrieren würde. Nach der Lektüre des
Merkblatts Nr. 96 des Departements Finanzen und Ressourcen, Landwirtschaft
Aargau, habe er gewusst, dass der gefrorene respektive der gefrierende Boden
die Jauche nicht würde aufnehmen können, und er durch den Austrag die Gefahr
der Auswaschung schaffen würde. Damit habe er zumindest in Kauf genommen, durch
sein Verhalten eine konkrete Verunreinigungsgefahr zu schaffen (Urteil S. 8).

 Der Beschwerdeführer wiederholt, da der Boden am 3. Januar 2011 nicht gefroren
gewesen sei, habe er den Flüssiganteil der Jauche aufnehmen können. Es habe
keine Gefahr einer Auswaschung bestanden und er habe eine solche auch nicht in
Kauf genommen. Damit widerspricht der Beschwerdeführer dem festgestellten
Sachverhalt, ohne Willkür zu rügen bzw. darzutun (Art. 9 BV). Auf die
Beschwerde ist in diesem Punkt nicht einzutreten.

4.

 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung. Die Vorinstanz sei
deutlich über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinausgegangen, ohne dies zu
begründen. Sie gehe mit der Staatsanwaltschaft von einem leichten Verschulden
aus, senke die Busse gegenüber dem Strafbefehl von Fr. 500.-- auf Fr. 400.--,
erhöhe jedoch die Anzahl Tagessätze von 15 auf 50, was nicht schuldangemessen
sei.

 Der Richter muss die Überlegungen, die er bei der Bemessung der Strafe
vorgenommen hat, in den Grundzügen wiedergeben, so dass die Strafzumessung
nachvollziehbar ist (Art. 50 StGB; BGE 134 IV 17 E. 2.1 S. 20 mit Hinweisen).
Die Vorinstanz begründet einleuchtend, weshalb das Verschulden des
Beschwerdeführers "noch knapp leicht" wiegt (Urteil S. 9 f.). Der Strafrahmen
von Art. 70 Abs. 1 GSchG geht von Geldstrafe von einem Tagessatz bis zu
Freiheitsstrafe von drei Jahren. Die Vorinstanz bleibt im Rahmen ihres
Ermessens, wenn sie für das leichte Verschulden des Beschwerdeführers eine
Geldstrafe von 50 Tagessätzen festlegt (vgl. BGE 136 IV 55 E. 5.6 S. 61 mit
Hinweis). Sie braucht nicht ausdrücklich zu begründen, weshalb sie über den
Antrag der Staatsanwaltschaft hinausgeht, was zulässig ist (vgl. Art. 391 Abs.
1 lit. b StPO). Die Rüge ist unbegründet.

5.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

 Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

 Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

 Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.

 Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. September 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Andres

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben