Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.475/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_475/2013

Urteil vom 3. Dezember 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Siegenthaler.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christian Affentranger,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Obwalden,
Postfach 1561, 6060 Sarnen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Willkür, Verletzung des Grundsatzes in dubio pro reo (Grobe Verletzung von
Strassenverkehrsregeln)

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Obwalden vom 11.
April 2013.

Sachverhalt:

A.

 X.________ soll am 2. April 2011 mit seinem Ducati-Motorrad, Kennzeichen
A.________, eine grobe Verkehrsregelverletzung begangen haben, indem er die
zulässige Höchstgeschwindigkeit ausserorts von 80 km/h um 43 km/h überschritt.

B.

 Die Staatsanwaltschaft Obwalden verurteilte X.________ mit Strafbefehl vom 4.
Juli 2011 wegen grober Verkehrsregelverletzung zu einer bedingten Geldstrafe
von 20 Tagessätzen zu Fr. 150.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren sowie zu
einer Busse von Fr. 600.--. Auf Einsprache hin erhob die Staatsanwaltschaft
Obwalden weitere Beweise und verurteilte X.________ mit Strafbefehl vom 2.
Dezember 2011 erneut wegen grober Verkehrsregelverletzung zur gleichen Strafe.
Dagegen reichte X.________ wiederum Einsprache ein. Das
Kantonsgerichtspräsidium des Kantons Obwalden bestätigte am 12. April 2012 den
Schuldspruch ebenso wie das Strafmass. Die Berufung von X.________ wies das
Obergericht des Kantons Obwalden am 11. April 2013 ab.

C.

 Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, er sei vom Vorwurf der
groben Verletzung von Verkehrsregeln freizusprechen. Eventualiter sei das
Urteil des Obergerichts des Kantons Obwalden vom 11. April 2013 aufzuheben und
die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es seien
keine Gerichtskosten zu erheben und der Kanton Obwalden sei zu verpflichten,
ihm eine angemessene Entschädigung zu bezahlen.

 In seiner Vernehmlassung vom 23. Oktober 2013 beantragt das Obergericht des
Kantons Obwalden die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft des
Kantons Obwalden verzichtet auf eine Vernehmlassung.

 Mit Stellungnahme vom 15. November 2013 hält X.________ an seinen Anträgen
fest.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer rügt, auf der Grundlage eines willkürlich
festgestellten Sachverhalts verurteilt worden zu sein. Dieser beruhe ausserdem
auf einer Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes sowie des Grundsatzes "in
dubio pro reo" (Beschwerde, S. 3 f.).

1.2. Die Vorinstanz erachtet den Anklagesachverhalt als erwiesen. Verschiedene
gewichtige Indizien sprächen für die Täterschaft des Beschwerdeführers. Das auf
dem Radarfoto abgebildete Motorrad könne ohne vernünftige Zweifel dem
Beschwerdeführer als Halter zugeordnet werden, und die Haltereigenschaft
wiederum sei als wesentlicher Anhaltspunkt für seine Täterschaft zu werten.
Dies insbesondere weil er verneine, jemand anders könnte sein Motorrad im
Tatzeitpunkt gefahren haben.

1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung
kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich im
Sinne von Art. 9 BV ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 mit Hinweisen; zum Begriff der
Willkür BGE 138 I 49 E. 7.1; 136 III 552 E. 4.2; je mit Hinweisen) oder wenn
sie auf einer Verletzung von schweizerischem Recht im Sinne von Art. 95 BGG
beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge muss klar
vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106
Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 I 65 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Auf
eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das
Bundesgericht nicht ein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 II 489 E. 2.8; je mit
Hinweisen). Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als
Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das
Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (vgl. BGE 138 V 74 E. 7;
127 I 38 E. 2a; je mit Hinweisen; Urteil 6B_730/2012 vom 24. Juni 2013 E. 1.2).

1.4. Was der Beschwerdeführer vorbringt, vermag weder Willkür bei der
Sachverhaltsfeststellung noch eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro
reo" oder des Untersuchungsgrundsatzes zu begründen.

1.4.1. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers (Beschwerde, Ziffer 9)
gelangt die Vorinstanz nicht willkürlich zur Überzeugung, das auf dem Radarfoto
nur verschwommen erkennbare Nummernschild laute A.________ und nicht
B.________. Sie stützt sich auf die Abklärungen von Polizei und
Staatsanwaltschaft, wonach auf kein auch nur annähernd ähnliches oder
verwechselbares Kennzeichen ein Motorrad der Marke Ducati eingelöst ist. Mit
den Möglichkeiten, dass das Kennzeichen eine Fälschung sein oder
verbotenerweise an einem nicht darauf eingelösten Motorrad befestigt bzw. die
fragliche Ziffer manipuliert worden sein könnte, setzt sich die Vorinstanz
auseinander. Wenn sie diese Optionen schliesslich als rein theoretisch
verwirft, weil sie eine unwahrscheinliche Häufung von Zufällen bedingten (vgl.
Urteil, Ziffern 3.2 und 4.7), ist dies keineswegs unhaltbar.

1.4.2. Der Beschwerdeführer macht geltend (Beschwerde, Ziffer 11), die
Vorinstanz unterstelle ihm, in Bezug auf das Modell seines Motorrads nicht die
Wahrheit gesagt zu haben. Daraus schliesse sie auf die generelle
Unglaubhaftigkeit seiner Aussagen. Dabei verkenne sie, dass die in seinem
Fahrzeugausweis eingetragene Modellangabe 750 S einen Typenschein bezeichne,
der mehrere Fahrzeugmodelle, unter anderem die Modelle 750 S und 750 GT,
umfasse. Somit hätten seine Aussagen der Wahrheit entsprochen. Die Vorinstanz
gehe deshalb auch zu Unrecht davon aus, eine Ducati 750 S lasse sich in ein
Modell 750 GT umbauen (Beschwerde, Ziffer 12).

 Die Vorinstanz gelangt gestützt auf polizeiliche Abklärungen und eigene
Internetrecherchen zum Schluss, der Umbau einer Ducati 750 S auf das Modell 750
GT sei möglich. Dieses Fazit erachtet sie als zusätzlich untermauert durch den
Umstand, dass das Fahrzeug des Beschwerdeführers ursprünglich als Ducati 750 S
im Fahrzeugausweis eingetragen wurde, heute aber als Maschine des Typs 750 GT
zu erkennen ist. Damit sei insgesamt erstellt, dass ein solcher Umbau im
Bereich des Möglichen liege.

 Das Argument des Typenscheins bringt der Beschwerdeführer im
bundesgerichtlichen Verfahren erstmals vor und belegt es in keiner Weise. Die
Begründung der Vorinstanz hingegen ist plausibel und stimmt mit der Aktenlage
überein. Wenn die Vorinstanz die Angaben des Beschwerdeführers zum Modelltyp
seines Motorrads als wahrheitswidrig erachtet, erscheint dies nachvollziehbar
und nicht willkürlich. Durch blosse gegenteilige Behauptungen vermag der
Beschwerdeführer keine Willkür zu begründen.

 Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers schliesst die Vorinstanz nicht
allein aus seiner wahrheitswidrigen Angabe betreffend Modelltyp seines
Motorrads auf die Unglaubhaftigkeit seiner gesamten Aussagen. Sie wertet sie
zwar als entscheidendes Indiz dafür, dass der Beschwerdeführer auch den
Zeitpunkt der Umlackierung seiner Ducati nicht korrekt bezeichnete. Indem sie
dabei aber auch verschiedene andere Aspekte in ihre Erwägungen miteinbezieht
(vorab die bis nach dem Tatzeitpunkt im Fahrzeugausweis eingetragene Farbe
Rot), verletzen ihre Erwägungen und der daraus gezogene Schluss das
Willkürverbot nicht.

1.4.3. Zu Recht bringt der Beschwerdeführer vor, der genaue Zeitpunkt der
Umlackierung seines (ursprünglich roten, aktuell blauen) Motorrads habe nicht
eruiert werden können, woraus die Vorinstanz nichts zu seinen Ungunsten
ableiten dürfe (Beschwerde, Ziffer 15).

 Dass die Vorinstanz trotz fehlenden Nachweises davon ausgeht, das Motorrad des
Beschwerdeführers sei im Tatzeitpunkt (wie das Tatfahrzeug) rot gewesen,
verletzt isoliert betrachtet den Grundsatz in dubio pro reo. Willkür liegt nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts allerdings nur vor, wenn der
kantonale Entscheid im Ergebnis offensichtlich unhaltbar bzw. mit vernünftigen
Gründen schlechterdings nicht zu vertreten ist (BGE 127 I 38 E. 2a mit
Hinweisen).

 Der vorinstanzliche Entscheid erweist sich zwar in der erwähnten Begründung
als unhaltbar, nicht aber im Resultat. Das Beweisergebnis, beim Fahrzeug auf
dem Radarfoto handle es sich um das Motorrad des Beschwerdeführers, ist
aufgrund der gesamten Aktenlage ohne Weiteres vertretbar. Anlass zu ernsthaften
und nicht nur rein theoretischen Zweifeln besteht nicht (vgl. Urteil, Ziffer
4.7).

1.4.4. Der Begründung des Beschwerdeführers (Beschwerde, Ziffern 16, 18 und
26), weshalb die bundesgerichtliche Rechtsprechung nicht einschlägig sei,
gemäss welcher die Haltereigenschaft ein gewichtiges Indiz für die Täterschaft
ist, kann nicht gefolgt werden. Mit seinen Einwänden hat sich bereits die
Vorinstanz einlässlich (und zutreffend) auseinandergesetzt. Auf die
vorinstanzlichen Ausführungen kann verwiesen werden (Urteil, Ziffer 5.3).

1.4.5. Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers erachtet es die
Vorinstanz nicht leichthin als erwiesen, dass er als Halter des fraglichen
Fahrzeugs derjenige war, der es zur Tatzeit lenkte. Insbesondere sein Einwand,
die Vorinstanz habe die Aussagen des Zeugen Y.________ willkürlich gewürdigt
(Beschwerde, Ziffern 22, 23 und 25), greift nicht. Die Vorinstanz setzt sich
eingehend mit dessen Aussagen auseinander und würdigt sie differenziert
(Urteil, Ziffern 5.4 ff). Sie zeigt nachvollziehbar auf, weshalb sie ihre
Richtigkeit bezweifelt und die Zeugenaussage insgesamt als nicht glaubhaft
einstuft.

1.4.6. Der Beschwerdeführer kritisiert, das Verfahren gegen ihn basiere einzig
auf einer Radaraufnahme, die nicht zur Identifikation des Fahrers tauge, da man
diesen darauf nicht erkenne (Beschwerde, Ziffer 3). Dieser Punkt ist, wie er
selbst festhält, unbestritten. Die Vorinstanz verwendete das Foto folgerichtig
nicht zur Erkennung des Fahrers, sondern des Fahrzeugs. Wie ausgeführt durfte
sie willkürfrei zum Schluss gelangen, dass es sich dabei um das Motorrad des
Beschwerdeführers handelt. Damit läuft dessen Argumentation, dass seine
Täterschaft nach Ausscheiden der Haltereigenschaft nicht rechtsgenügend
nachgewiesen sei (Beschwerde, Ziffer 20), ins Leere.

1.4.7. Wiederholt rügt der Beschwerdeführer, die Vorinstanz habe seine
Beweisanträge unzulässigerweise und ohne Begründung abgewiesen. In seiner
Berufungserklärung vom 19. Juli 2012 führte er verschiedene Personen auf, die
als Zeugen in Frage kämen. Weshalb die Vorinstanz die angebotenen Zeugen nicht
zur Beweisführung heranzog, begründet sie nachvollziehbar (Urteil, Ziffer 4.3).
Willkür ist ihr nicht vorzuwerfen.

1.4.8. Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die Strafverfolgungsbehörden hätten
belastende und entlastende Umstände nicht mit gleicher Sorgfalt untersucht
(Beschwerde, u.a. Ziffer 24), erweist sich als haltlos. Verschiedene
Untersuchungshandlungen dienten der Verifizierung seiner Aussagen (z.B.
betreffend das angebliche Alibi) und damit in erster Linie seiner möglichen
Entlastung. Überdies wurde zu seinen Gunsten beispielsweise in Betracht
gezogen, dass jemand anders als er sein Motorrad im Tatzeitpunkt hätte gefahren
haben können.

 Dass die entsprechenden Ermittlungen nicht zu den vom Beschwerdeführer
gewünschten Ergebnissen führten bzw. die Vorinstanz in (willkür) freier
Beweiswürdigung zu einer ihn belastenden Überzeugung gelangte, bedeutet keine
Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes.

1.4.9. In allen übrigen Punkten beschränken sich die Ausführungen des
Beschwerdeführers auf eine appellatorische Kritik am vorinstanzlichen Urteil
sowie darauf, das Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft zu bemängeln, die
Prozessgeschichte wiederzugeben oder unbestrittene Tatsachen zu schildern
(Beschwerde, Ziffern 4-8, 10, 13-15, 17, 19, 21 und 27). Insoweit bringt der
Beschwerdeführer keine klaren Rügen (und erst recht keine substanziierte
Begründung) vor. Solche Ausführungen sind nicht geeignet, Willkür respektive
eine Verletzung der Unschuldsvermutung darzutun, und genügen den
Begründungsanforderungen nicht. Darauf ist nicht einzutreten.

1.4.10. Insgesamt vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, dass das
vorinstanzliche Beweisergebnis schlechterdings nicht vertretbar ist oder
inwiefern sich ein anderes geradezu aufgedrängt hätte. Die Beschwerde erweist
sich als unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs.
2 und Art. 106 Abs. 2 BGG überhaupt genügt.

2.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Obwalden
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Dezember 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Siegenthaler

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