Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.446/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_446/2013

Urteil vom 17. Dezember 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Held.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Advokat Christoph Dumartheray,
Beschwerdeführerin,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001
Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Raub; Verletzung des rechtlichen Gehörs, Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt,
Ausschuss, vom 8. Februar 2013.

Sachverhalt:

A.

 Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte X.________ am 7. April
2011 in Abwesenheit wegen Raubes, Drohung, mehrfachen Hausfriedensbruchs und
mehrfachen geringfügigen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten
und einer Busse von Fr. 500.-- als teilweise Zusatzstrafe zum Urteil vom 28.
Januar 2010 und als Zusatzstrafe zum Urteil vom 22. Februar 2010. Gegen die
Verurteilung wegen Raubes erhob X.________ am 14. Juni 2011 Berufung.

B.

 Am 26. September 2011 verurteilte das Strafgericht X.________ wegen
gewerbsmässigen Diebstahls, Tätlichkeiten, mehrfacher Sachbeschädigung,
mehrfachen Hausfriedensbruchs und mehrfacher Übertretungen des
Betäubungsmittelgesetzes zu zwei Jahren Freiheitsstrafe und einer Busse von Fr.
400.--.

C.

 Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte am 8. Februar 2013
den im Abwesenheitsverfahren ergangenen Schuldspruch wegen Raubes und
verurteilte X.________ zu sieben Monaten Freiheitsstrafe als teilweise
Zusatzstrafe zum Urteil vom 28. Januar 2010 (bezüglich Busse) und als
Zusatzstrafe zu den Urteilen vom 22. Februar 2010 (bezüglich Busse) und vom 26.
September 2011 (bezüglich Freiheitsstrafe und Busse).

D.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil des
Appellationsgerichts sei bezüglich der unbedingt ausgesprochenen
Freiheitsstrafe von sieben Monaten aufzuheben, und sie sei als Zusatzstrafe zu
einer unbedingten Freiheitsstrafe von weniger als sieben Monaten zu
verurteilen. Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. X.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung.

E.

 Das Appellationsgericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt
beantragen die Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Strafzumessung und rügt eine
Verletzung von Art. 49 Abs. 2 StGB und Art. 50 StGB. Die Vorinstanz habe bei
der Bemessung der Zusatzstrafe das Asperationsprinzip ausser Acht gelassen und
stattdessen die Strafen kumuliert. Zudem sei die Strafzumessung ungenügend
begründet.

1.2. Die Vorinstanz erwägt, das Verschulden der Beschwerdeführerin bewege sich
(hinsichtlich des Raubes) im unteren Bereich. Angesichts mehrerer, teilweise
einschlägiger Vorstrafen und der während eines laufenden Gerichtsverfahrens
verübten Delikte könne weder eine Geldstrafe noch der bedingte Vollzug gewährt
werden. Eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten erscheine angemessen. Das
Urteil vom 26. September 2011, bei dem es im Wesentlichen um gewerbsmässigen
Diebstahl gegangen sei, führe aufgrund der unterschiedlichen Delikte mit
verschiedenen Geschädigten bei einer Gesamtbetrachtung in retrospektiver
Konkurrenz nicht zu einer spürbaren Strafminderung, weshalb es bei einer
Zusatzstrafe von sieben Monaten bleibe.

1.3.

1.3.1. Hat das Gericht eine Tat zu beurteilen, die der Täter begangen hat,
bevor er wegen einer andern Tat verurteilt worden ist, so bestimmt es die
Zusatzstrafe in der Weise, dass der Täter nicht schwerer bestraft wird, als
wenn die strafbaren Handlungen gleichzeitig beurteilt worden wären (Art. 49
Abs. 2 StGB). Das Strafgesetz will im Wesentlichen das Asperationsprinzip auch
bei retrospektiver Konkurrenz gewährleisten, so dass der Täter nicht schwerer
bestraft wird, als wenn die mehreren strafbaren Handlungen gleichzeitig
beurteilt worden wären. Der Täter, der mehrere Freiheitsstrafen verwirkt hat,
soll nach einem einheitlichen Prinzip der Strafschärfung beurteilt werden. Er
soll trotz Aufteilung der Strafverfolgung in mehrere Verfahren gegenüber jenem
Täter, dessen Taten gleichzeitig beurteilt wurden, nicht benachteiligt und so
weit als möglich auch nicht bessergestellt werden (BGE 138 IV 113 E. 3.4.1; 132
IV 102 E. 8.2; je mit Hinweisen).
Bei der Bemessung der Zusatzstrafe gemäss Art. 49 Abs. 2 StGB setzt das Gericht
zunächst eine hypothetische Gesamtstrafe fest. Es hat sich zu fragen, welche
Strafe es ausgesprochen hätte, wenn es sämtliche Delikte gleichzeitig beurteilt
hätte. Dabei hat es nach den Grundsätzen von Art. 49 Abs. 1 StGB zu verfahren
(vgl. BGE 138 IV 120 E. 5.2; Urteil 6B_460/2010 vom 4. Februar 2011 E. 3.3.4,
nicht publ. in: BGE 137 IV 57; je mit Hinweisen). Die Einsatzstrafe ist die
Strafe für die schwerste Tat, die nach dem Asperationsprinzip zu erhöhen ist
(vgl. BGE 132 IV 102 E. 8.1). Anschliessend ist von dieser hypothetischen
Gesamtstrafe die im früheren Urteil ausgesprochene Strafe abzuziehen. Bei
retrospektiver Konkurrenz hat der Richter ausnahmsweise mittels Zahlenangaben
offen zu legen, wie sich die von ihm zugemessene Strafe quotenmässig
zusammensetzt (BGE 132 IV 102 E. 8.3; Urteil 6B_460/2010 vom 4. Februar 2011 E.
2.2, nicht publ. in: BGE 137 IV 57; je mit Hinweisen).

1.3.2. Ist ein Urteil zu begründen, hat der Richter auch die für die Zumessung
der Strafe erheblichen Umstände und deren Gewichtung festzuhalten (Art. 50
StGB; BGE 134 IV 17 E. 2.1 mit Hinweisen).

1.4. Die Vorinstanz bejaht zutreffend die Voraussetzungen für die Bildung einer
Zusatzstrafe. Nach ihren verbindlichen Feststellungen bezieht sich das Urteil
vom 26. September 2011 auf Taten, die vor Erlass des von ihr im
Berufungsverfahren zu behandelnden erstinstanzlichen Urteils vom 7. April 2011
begangen wurden (angefochtenes Urteil E. 5 S. 5). Die Vorinstanz weicht jedoch
von den Grundsätzen für die Strafzumessung bei retrospektiver Konkurrenz ab.
Sie beurteilt die Angemessenheit der Zusatzstrafe isoliert und versäumt es,
alle mit Freiheitsstrafen geahndeten Delikte beider Urteile unter der Fiktion
gleichzeitiger Beurteilung zu gewichten. Dies führt zu einer Schlechterstellung
des Beschwerdeführers, weil das für den Täter günstige Asperationsprinzip, bei
dem sich jede zusätzliche Straftat nur unterproportional erschwerend auswirkt
(vgl. Urteil 6P.127/2006 vom 20. Oktober 2006 E. 5.3), nicht zur Anwendung
gelangt. Dies will Art. 49 Abs. 2 StGB aber gerade verhindern.
Mit Blick auf Art. 50 StGB wird die Vorinstanz darlegen müssen, wie sie die
hypothetische Einsatzstrafe von sieben Monaten für den Raub als schwerste
Straftat in Beachtung des Asperationsprinzips wegen der zu begründenden übrigen
Freiheitsstrafen angemessen erhöht. Das angefochtene Urteil verletzt
Bundesrecht.

2.

 Die Beschwerde ist gutzuheissen. Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art.
66 Abs. 4 BGG). Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche
Rechtspflege wird gegenstandslos. Der Kanton Basel-Stadt hat die
Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu
entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Die Entschädigung ist praxisgemäss
ihrem Rechtsvertreter auszurichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil das Appellationsgerichts
Basel-Stadt vom 8. Februar 2013 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung
an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Kosten erhoben.

3. 
Der Kanton Basel-Stadt hat dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin,
Rechtsanwalt Christoph Dumartheray, für das bundesgerichtliche Verfahren eine
Entschädigung von Fr. 2'000.-- auszurichten.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Dezember 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Held

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