Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.433/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]               
{T 0/2}
                             
6B_433/2013, 6B_452/2013

Urteil vom 23. September 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Unseld.

Verfahrensbeteiligte
6B_433/2013
B.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Adriel Caro,
Beschwerdeführer,

und

6B_452/2013
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Linus Jaeggi,
Beschwerdeführerin,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
6B_433/2013
Mehrfacher Steuerbetrug, Verletzung des Anklagegrundsatzes und des Grundsatzes
ne bis in idem,

6B_452/2013
Mehrfacher Steuerbetrug, Verletzung des Anklagegrundsatzes und des Grundsatzes
ne bis in idem, Strafzumessung,

Beschwerden gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 30. Januar 2013.

Sachverhalt:

A.

 A.________ und B.________ waren Aktionäre und Mitglieder des Verwaltungsrats
der X.________ AG, einem unabhängigen Internet Service Provider. Sie verbuchten
in den Jahresrechnungen der X.________ AG für die Geschäftsjahre 2002 bis 2004
private Aufwendungen betreffend eine Geburtstagsfeier, Wellnesskosten sowie
Kosten einer Laufbahn- und einer Paarberatung als Geschäftsaufwand. Die
inhaltlich unwahren Jahresrechnungen reichten sie den Steuerbehörden ein.

B.

 Das Bezirksgericht Zürich verurteilte A.________ und B.________ am 14.
September 2010 wegen mehrfachen Steuerbetrugs (Art. 186 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR
642.11] und § 261 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Zürich vom 8. Juni 1997
[StG/ZH]) sowie mehrfacher Urkundenfälschung (Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) zu
einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 150.-- (A.________) bzw.
von 60 Tagessätzen zu Fr. 700.-- (B.________).

C.

 Auf Berufung von A.________ und B.________ sprach das Obergericht des Kantons
Zürich diese am 11. Mai 2011 von sämtlichen Anklagevorwürfen frei. Das
Bundesgericht hiess am 20. Dezember 2011 die Beschwerde in Strafsachen der
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen diesen Entscheid teilweise gut
und wies die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück (Urteil
6B_453/2011).

D.

 Mit Urteil vom 30. Januar 2013 stellte das Obergericht des Kantons Zürich die
teilweise Rechtskraft des Entscheids vom 11. Mai 2011 fest. Es sprach
A.________ und B.________ des mehrfachen Steuerbetrugs im Sinne von § 261 Abs.
1 StG/ZH und Art. 186 Abs. 1 DBG schuldig und verurteilte sie zu bedingten
Geldstrafen von je 30 Tagessätzen zu Fr. 150.-- (A.________) bzw. Fr. 700.--
(B.________).

E.

 A.________ und B.________ führen je mit separater Eingabe Beschwerde in
Strafsachen und beantragen einen vollumfänglichen Freispruch. A.________
verlangt im Eventualantrag zudem eine Reduktion des Strafmasses.

Erwägungen:

1.

 Die beiden Beschwerden richten sich gegen den gleichen Entscheid und betreffen
weitgehend die gleichen Rechtsfragen. Es rechtfertigt sich daher, sie gemeinsam
zu behandeln und die Verfahren zu vereinigen (vgl. BGE 126 V 283 E. 1; 113 Ia
390 E. 1; je mit Hinweisen).

2.

2.1. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen den Schuldspruch wegen
Steuerbetrugs. Die X.________ AG habe in den Geschäftsjahren 2002 und 2003
Verluste erlitten. Nach den von der Vorinstanz vorgenommen Korrekturen habe
sich der steuerbare Gewinn für das Geschäftsjahr 2004 immer noch auf Fr. 0.--
belaufen. Erst im Jahre 2005 habe sich der Gewinn durch die Kürzung des
Verlustvortrags aufgrund der aufgerechneten geldwerten Leistungen erhöht. Die
Jahresrechnung 2005 sei inhaltlich nicht unwahr gewesen, da sie keine zu
Unrecht verbuchten Privataufwendungen enthalten habe. Folglich sei in dieser
Steuerperiode der objektive Tatbestand des Steuerbetrugs nicht erfüllt. In den
Jahren 2002 bis 2004 hätten sie Privataufwand zu Unrecht als Geschäftsaufwand
verbucht. Bezüglich dieser Steuerperioden fehle es jedoch an dem für den
Steuerbetrug erforderlichen Vorsatz, da der Gewinn für diese Geschäftsjahre von
den Steuerbehörden angesichts der in den Jahren 2002 und 2003 erlittenen
Verluste auch bei korrekter Verbuchung der Privataufwendungen auf Fr. 0.--
festgesetzt worden wäre.

2.2. Den Tatbestand des Steuerbetrugs gemäss Art. 186 Abs. 1 DBG erfüllt, wer
zum Zwecke einer Steuerhinterziehung gefälschte, verfälschte oder inhaltlich
unwahre Urkunden wie Geschäftsbücher, Bilanzen, Erfolgsrechnungen oder
Lohnausweise und andere Bescheinigungen Dritter zur Täuschung gebraucht. Eine
Steuerhinterziehung begeht in objektiver Hinsicht unter anderem, wer als
Steuerpflichtiger bewirkt, dass eine Veranlagung zu Unrecht unterbleibt oder
dass eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist (Art. 175 Abs. 1 DBG).

 In subjektiver Hinsicht setzt der Steuerbetrug ein vorsätzliches Handeln
voraus, wobei auch der Eventualvorsatz strafbar ist (Art. 333 Abs. 1 i.V.m.
Art. 12 Abs. 1 und 2 StGB). Erforderlich ist zudem, dass der Täter die
zumindest möglicherweise falsche Urkunde zum Zwecke, d.h. in der Absicht
verwendet, die Steuerbehörde in einen Irrtum über die für die Veranlagung
massgebenden Tatsachen zu versetzen (Urteil 6B_453/2011 vom 20. Dezember 2011
E. 5.2). Der Tatbestand des Steuerbetrugs ist bereits mit der Einreichung der
unechten oder unwahren Urkunde beim Steueramt in der Absicht der
Steuerhinterziehung vollendet. Der Eintritt eines Erfolgs etwa im Sinne einer
unvollständigen Veranlagung ist nicht erforderlich (Urteile 6B_453/2011 vom 20.
Dezember 2011 E. 5.2; 6S.147/2003 vom 30. April 2005 E. 2.4.1).

 Art. 59 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die
Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14)
entspricht inhaltlich Art. 186 Abs. 1 DBG. Da die Kantone verpflichtet sind,
Art. 59 Abs. 1 StHG in der Sache unverändert zu übernehmen, überprüft das
Bundesgericht die Anwendung von § 261 Abs. 1 StG/ZH im Ergebnis mit voller
Kognition (Urteil 6B_453/2011 vom 20. Dezember 2011 E. 5.1).

2.3. Der Argumentation der Beschwerdeführer kann nicht gefolgt werden. Die
Vorinstanz erwägt zutreffend, dass sich die Steuerhinterziehungsabsicht nicht
zwingend auf die laufende Steuerperiode beziehen muss. Die allgemeine
Formulierung in § 261 Abs. 1 StG/ZH und Art. 186 Abs. 1 DBG setzt nicht voraus,
dass eine Steuerhinterziehung in derselben Steuerperiode angestrebt war.
Angesichts der Möglichkeit des Verlustvortrags auf kommende Steuerjahre (Art.
31 DBG; § 29 StG/ZH) kann die Steuerhinterziehungsabsicht vielmehr auch gegeben
sein, wenn die Gesellschaft in der betreffenden Steuererklärung Verluste
ausweist (vgl. Urteil E. 3.1 f. S. 23 f.). Die Schuldsprüche wegen mehrfachen
Steuerbetrugs sind bundesrechtskonform.

3.

3.1. Die Beschwerdeführer machen eine Verletzung des Anklagegrundsatzes
geltend. Gegenstand der Anklage sei einzig der Gebrauch der unwahren
Jahresrechnung im Veranlagungsverfahren betreffend die X.________ AG. Der
Vorwurf, sie hätten die Absicht gehabt, ihre privaten Steuern zu verkürzen, sei
von der Anklage nicht erfasst.

3.2. Der Einwand ist unbegründet. Die Vorinstanz wirft den Beschwerdeführern
nicht vor, sie hätten auch im Veranlagungsverfahren betreffend ihre privaten
Steuern inhaltlich unwahre Urkunden verwendet. Eine andere Frage ist, worauf
sich die Steuerhinterziehungsabsicht der Beschwerdeführer bezog. Selbst wenn
diese mit der inhaltlich unwahren Jahresrechnung der X.________ AG auch eine
Hinterziehung der persönlichen Einkommenssteuern hätten erleichtern wollen, so
ändert dies nichts daran, dass sie in der Absicht handelten, die Gewinnsteuern
der X.________ AG zu hinterziehen (oben E. 2.3). Der Anklagegrundsatz ist nicht
verletzt.

4.

4.1. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung des Grundsatzes "ne bis in
idem". Sie berufen sich auf die Entscheide des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte (EGMR) in Sachen  Zolotukhin gegen Russland vom 10. Februar 2009
sowie  Maresti gegen Kroatien vom 25. Juni 2009.

4.2. Der Grundsatz "ne bis in idem" ist in Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK
(SR 0.101.07) und Art. 14 Abs. 7 UNO-Pakt II (SR 0.103.2) verankert. Er lässt
sich zudem aus der Bundesverfassung sowie aus Art. 11 Abs. 1 StPO ableiten (BGE
137 I 363 E. 2.1 mit Hinweisen). Nach der neueren Rechtsprechung des EGMR ist
der Grundsatz verletzt, wenn dieselbe Person nach einer rechtskräftigen
Verurteilung gestützt auf einen identischen oder im Wesentlichen identischen
Sachverhalt ein zweites Mal bestraft wird (Urteil des EGMR  Zolotukhin gegen
Russland vom 10. Februar 2009, § 82 f.; vgl. auch BGE 137 I 363 E. 2.2).

4.3. Das Bundesgericht wies bereits im Urteil 6B_453/2011 vom 20. Dezember 2011
(E. 5.7.5) darauf hin, dass es beim vorliegend zu beurteilenden Steuerbetrug im
Zusammenhang mit den Gewinnsteuern der X.________ AG und der zuvor erfolgten
Verurteilung der Beschwerdeführer wegen Hinterziehung von persönlichen
Einkommenssteuern nicht um die gleiche Steuer geht. Die Vorinstanz erwägt zudem
zutreffend, dass die beiden Verfahren auch verschiedene Steuersubjekte
betreffen (Urteil S. 16). Eine Verletzung des Grundsatzes "ne bis in idem" ist
nicht ersichtlich, da den Vorwürfen unterschiedliche
Steuerveranlagungsverfahren zugrunde lagen, die überdies zu verschiedenen
Zeitpunkten stattgefunden haben können. Dass das Protokoll des Kantonalen
Steueramtes Zürich über die Buchprüfung bei der X.________ AG für die
Steuerjahre 2004 und 2005 gemäss den Beschwerdeführern bereits im Verfahren
betreffend ihre persönlichen Einkommenssteuern als Beweis herangezogen wurde,
kann entgegen deren Ansicht für die Annahme einer Verletzung des Grundsatzes
"ne bis in idem" nicht entscheidend sein. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht
aus dem von den Beschwerdeführern zitierten Entscheid des EGMR  Maresti gegen
Kroatien vom 25. Juni 2009, der einen anders gelagerten Sachverhalt betraf.

5.

5.1. Die Beschwerdeführerin beanstandet im Strafpunkt, die Geldstrafe von 30
Tagessätzen entspreche der vom Bezirksgericht ausgesprochenen Strafe, obschon
sie zwischenzeitlich von einem Teil der Anklagevorwürfe freigesprochen worden
sei und die Vorinstanz zudem die lange Verfahrensdauer strafmindernd
berücksichtigt habe. Die Vorinstanz halte für die verbleibenden Vorwürfe
implizit eine höhere Strafe für angemessen. Damit verletze sie das Verbot der
reformatio in peius. Der erstinstanzliche Entscheid sei von der
Staatsanwaltschaft nicht angefochten worden.

5.2. Der Einwand ist unbegründet. Die Rechtsprechung hat wiederholt betont,
dass bei einem teilweisen Freispruch gestützt auf das Verbot der reformatio in
peius nicht automatisch eine mildere Bestrafung erfolgen muss (Urteile 6B_670/
2009 vom 17. November 2009 E. 3.2; 6B_332/2009 vom 4. August 2009 E. 4.2;
6B_495/2008 vom 27. Dezember 2008 E. 1.4). An dieser Rechtsprechung ist auch
unter der vorliegend anwendbaren (Art. 453 Abs. 2 StPO; Urteil 6B_425/2011 vom
10. April 2012 E. 2.2) Bestimmung von Art. 391 Abs. 2 StPO festzuhalten (vgl.
Niklaus Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, N. 1635 S.
577 f.; Viktor Lieber, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung,
Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2010, N. 13 zu Art. 391 StPO; Richard
Calame, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 9 zu
Art. 391 StPO).

5.3. Die Vorinstanz erwägt, die Beschwerdeführerin habe Kenntnis von den
Falschbuchungen gehabt und die Belege damals auch nach Geschäfts- und
Privataufwand sortiert (Urteil E. 3.3 S. 24). Zwar sei primär der
Beschwerdeführer für die Buchhaltung und die Steuererklärung verantwortlich
gewesen. Mit der Tat seien jedoch hauptsächlich finanzielle Vorteile für die
Beschwerdeführerin bezweckt worden. Wer letztlich die treibende Kraft hinter
dem Tun war, bleibe infolge spärlicher Angaben der Beschwerdeführer hierzu im
Dunkeln. Aus diesem Grund rechtfertige sich auch keine unterschiedliche
Bewertung des Tatverschuldens. Insgesamt sei bei beiden Beschwerdeführern noch
von einem leichten Verschulden auszugehen (Urteil E. 2.3 S. 26). Darin liegt
entgegen dem Einwand der Beschwerdeführerin keine Verletzung des Grundsatzes
"ne bis in idem" (Beschwerde Ziff. 78 S. 19 f.). Die Vorinstanz prüfte
lediglich, in welchem Umfang die beiden Beschwerdeführer als Verwaltungsräte an
der Tat beteiligt waren.

6.

 Die Beschwerden sind abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Gerichtskosten sind den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

 Die Verfahren 6B_433/2013 und 6B_452/2013 werden vereinigt.

2.

 Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

3.

 Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Beschwerdeführern je zur Hälfte
auferlegt, unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag.

4.

 Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. September 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Unseld

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