Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.391/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_391/2013

Urteil vom 27. Juni 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Keller.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Werner Schmid-Lenz,
Beschwerdeführer,

gegen

1.  Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
2.  Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Brunner,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Freiheitsberaubung, Amtsmissbrauch, Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 8. März 2013.

Sachverhalt:

A.
Die Anklage wirft X.________ vor, er habe am 20. Juli 2007 im Rahmen eines
polizeilichen Einsatzes den Privatkläger Y.________, der sich in die
polizeiliche Kontrolle eines Drogenkonsumenten eingemischt, das polizeiliche
Vorgehen kritisiert und kommentiert hat, festgenommen und die Verbringung auf
den Polizeiposten angeordnet. Die Festnahme erfolgte gemäss Anklage zu Unrecht,
da die Identität des Privatklägers durch Vorlage der Identitätskarte überprüft
werden konnte, und er nach anfänglicher Weigerung, die Hände aus den
Hosentaschen zu ziehen, diesem Begehren nachgekommen war. Zudem hätten keine
Anzeichen bestanden, dass er durch fortgesetztes Verhalten die öffentliche
Ordnung und Sicherheit störend beeinträchtigte. Die Festnahme dauerte von 15.30
Uhr bis 16.53 Uhr und sei deutlich über ein kurzfristiges, vorübergehendes
Festhalten hinausgegangen. X.________ wird ferner vorgeworfen, die von ihm
angeordnete Leibesvisitation, bei der sich der Privatkläger nackt ausziehen
musste, sei unangemessen und missbräuchlich gewesen, da keinerlei
Verdachtsmomente auf Drogenbesitz oder gefährliche Gegenstände bestanden
hätten.

B.
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte den Beschuldigten am 8. März
2013 im Berufungsverfahren wegen Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauchs zu
einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 110.-- bei einer Probezeit
von zwei Jahren.

C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben, und er sei unter Kosten- und Entschädigungsfolgen
zulasten des Kantons Zürich freizusprechen. Der Beschwerde sei die
aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Schuldsprüche wegen
Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauchs. Der Privatkläger habe sich zunächst
lautstark widersetzt, habe keinen Ausweis vorzeigen können und sich zweimal
geweigert, die Hände aus den Taschen zu nehmen. Es habe für den
Beschwerdeführer keine Veranlassung bestanden, die Verdachtslage auf eine
blosse Übertretung des Strafgesetzbuches einzugrenzen und von einer
vorübergehenden Festnahme abzusehen. Sein Entschluss, die Personenkontrolle des
Privatklägers nach der notwendigen Fesselung auf dem Polizeiposten
durchzuführen, habe auf dessen ungewöhnlichem Benehmen beruht und sei
verhältnismässig gewesen. Es sei zu befürchten gewesen, dass dieser ein Messer,
Feuerwerk oder Drogen auf seinem Körper tragen würde. Er (der Beschwerdeführer)
habe den Fall anschliessend ordnungsgemäss protokolliert und eine mündliche
Befragung durchgeführt. Er habe weiter entschieden, den Privatkläger wegen
Verstosses gegen die kommunale Polizeiverordnung zu verzeigen. Dass er
schliesslich den Verdachtsgrund der Hinderung einer Amtshandlung nicht für
begründet gehalten habe, könne die Rechtmässigkeit der Amtshandlungen nicht in
Frage stellen. Die Störungslage sei wegen der geschilderten Sachumstände nicht
unbedeutend gewesen. Er habe sein Handlungsermessen nicht überschritten, als er
die notwendigen Abklärungen auf dem Polizeiposten vorgenommen habe. Selbst im
Zeitpunkt, als ihm der Privatkläger die Identitätskarte übergeben habe, habe er
nicht wissen können, ob jener etwa polizeilich gesucht werde. Der Transport auf
den Polizeiposten sei also auch zu diesem Zeitpunkt gerechtfertigt gewesen. Im
Übrigen habe die Vorinstanz die Rechtfertigungsgründe gemäss aArt. 32 StGB
nicht berücksichtigt (Beschwerde, S. 7 ff. und S. 11).
Der Beschwerdeführer beanstandet weiter, die Vorinstanz habe die polizeiliche
Dienstanweisung des Polizeikommandos vom 5. Januar 2007 nicht in Erwägung
gezogen. Dort seien bei Störung der polizeilichen Tätigkeit die betreffenden
Personen nicht auf der Strasse, sondern auf der Polizeiwache zu überprüfen.
Eine anschliessende Verzeigung sei nicht notwendig, und ein strafprozessualer
Haftgrund müsse nicht vorliegen. Er habe diese Verhaltensanweisungen
buchstabengetreu und schulbuchmässig eingehalten. Die Handfesselung und das
Verbringen des Privatklägers auf den Polizeiposten seien angezeigt gewesen. Der
Freiheitsentzug habe nicht länger als notwendig gedauert. Zudem dürfe nicht
jeder noch so geringe angebliche Verstoss gegen die Verhältnismässigkeit als
Amtsmissbrauch bestraft werden (Beschwerde, S. 9 ff.).

1.2. Die Vorinstanz erwägt, der Privatkläger habe durch das Nichtbefolgen einer
polizeilichen Anordnung (Hände nicht aus den Hosentaschen herausnehmen) eine
Übertretung begangen. Diese Übertretung sei abgeschlossen gewesen. Es habe kein
Grund zur Annahme bestanden, der Privatkläger werde weiteren polizeilichen
Anordnungen keine Folge leisten. Zudem seien keine Anzeichen vorhanden gewesen,
dass die vorgezeigte Identitätskarte gefälscht sein könnte. Eine weitere
Festnahme und die Verbringung auf den Polizeiposten seien klar
unverhältnismässig gewesen. Die genaue Wohnsitzadresse hätte auch vor Ort oder
ohne Festnahme und Fesselung auf dem Polizeiposten verifiziert werden können.
Der objektive Tatbestand der Freiheitsberaubung sei daher erfüllt. Als
Polizeibeamter mit 10-jähriger Berufserfahrung sei der Beschwerdeführer mit den
Voraussetzungen für eine Verhaftung vertraut gewesen. Er habe in Kauf genommen,
den Privatkläger unrechtmässig festzuhalten. Somit sei auch der subjektive
Tatbestand der Freiheitsberaubung gegeben (Urteil, S. 11 ff.).
Der Beschwerdeführer erfüllt gemäss Vorinstanz auch den Tatbestand des
Amtsmissbrauchs. Die auf der Polizeiwache durchgeführte Leibesvisitation, bei
welcher sich der Privatkläger habe nackt ausziehen müssen, sei mit Blick auf
den konkreten Tatvorwurf (Nichtentfernen der Hände aus den Hosentaschen) nicht
angezeigt, unangemessen, unverhältnismässig und damit missbräuchlich gewesen.
Es hätten keine Verdachtsmomente bestanden, dass der Privatkläger Drogen oder
gefährliche Gegenstände auf sich tragen könnte, die nicht mit einem Abtasten
über der Kleidung hätten gefunden werden können. Eine Leibesvisitation sei nur
rechtmässig, wenn sie dringend erforderlich und durch die Bedeutung der
Übertretung gerechtfertigt sei, was nur in Ausnahmefällen zutreffend sei. Der
Privatkläger hätte vor Ort über den Kleidern auf Waffen oder anderen
Gegenständen durchsucht werden können. Der Beschwerdeführer habe eine
unrechtmässige Zwangsmassnahme veranlasst. Der subjektive Tatbestand sei wie
bei der Freiheitsberaubung aufgrund der Berufserfahrung des Beschwerdeführers
erfüllt (Urteil, S. 17 ff.).

1.3. Eine Freiheitsberaubung begeht, wer jemanden unrechtmässig festnimmt oder
gefangen hält oder jemandem in anderer Weise unrechtmässig die Freiheit
entzieht (Art. 183 Ziff. 1 StGB).
Gemäss Art. 312 StGB machen sich Mitglieder einer Behörde oder Beamte strafbar,
die ihre Amtsgewalt missbrauchen, um sich oder einem andern einen
unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil
zuzufügen. Amtsmissbrauch ist der zweckentfremdete Einsatz staatlicher Macht.
Art. 312 StGB schützt einerseits das Interesse des Staates an zuverlässigen
Beamten, welche mit der ihnen anvertrauten Machtposition pflichtbewusst
umgehen, und andererseits das Interesse der Bürger, nicht unkontrollierter und
willkürlicher staatlicher Machtentfaltung ausgesetzt zu werden (BGE 127 IV 209
E. 1b; vgl. auch Urteil 6B_831/2011 vom 14. Februar 2012 E. 1.2). Nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist der Straftatbestand angesichts der
unbestimmt umschriebenen Tathandlung einschränkend auszulegen. Seine Amtsgewalt
missbraucht etwa derjenige, welcher die Machtbefugnisse, die ihm sein Amt
verleiht, unrechtmässig anwendet, d.h. kraft seines Amtes verfügt oder Zwang
ausübt, wo dies nicht geschehen dürfte. Amtsmissbrauch liegt ausserdem vor,
wenn der Einsatz des Machtmittels zwar rechtmässig gewesen ist, hierbei das
erlaubte Mass an Zwang jedoch überschritten wurde (hierzu sowie zu weiteren
Formen des Amtsmissbrauchs (BGE 127 IV 209 E. 1b; Urteile 6B_831/2011 vom 14.
Februar 2012 E. 1.2 und 6B_560/2010 vom 13. Dezember 2010 E. 2.3; je mit
Hinweisen).

1.4. Steht - wie vorliegend - eine Übertretungshandlung im Raum, setzt die
Befugnis, den Betroffenen auf den Polizeiposten zur Personenkontrolle zu
verbringen, nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 197 StPO) voraus,
dass der Betroffene den Polizeibeamten die Personalien vor Ort nicht bekannt
gibt (Urteil 1B_534/2012 vom 7. Juni 2013 unter anderem mit Hinweis auf BGE 109
Ia 146 E. 5a f. und 136 I 87 E. 5.3 und 5.4; in diesem Sinne auch die Art. 215
Abs. 1 lit. a und Art. 217 Abs. 3 lit. a StPO). Nach unbestrittener
Sachverhaltsfeststellung zeigte der Beschwerdeführer seine Identitätskarte vor.
Gemäss Vorinstanz bestanden keine Anhaltspunkte, dass die Personalien gefälscht
waren, so dass die Identitätskontrolle an Ort und Stelle möglich war. Eine
Verbringung auf den Polizeiposten erübrigte sich. Fehlende Adressdaten hätten
auch telefonisch beigebracht werden können.
Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind unbehelflich. Es ist nicht zu
beanstanden, wenn die Vorinstanz die Übertretungshandlung des Privatklägers als
abgeschlossen einstufte, als dieser die Hände schliesslich aus den Hosentaschen
herausnahm. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, und es ist nach den
vorinstanzlichen Feststellungen nicht ersichtlich, inwiefern weitere
Deliktshandlungen zu erwarten gewesen wären, die eine Verbringung des
Privatklägers auf den Polizeiposten nach sich hätten ziehen müssen. Der
Beschwerdeführer hätte die von ihm beim Privatkläger befürchteten gefährlichen
Gegenstände wie Messer und Feuerwerk sowie allfällige Drogen durch Abtasten
über der Kleidung finden können. Das von ihm erwähnte Merkblatt vom 5. Januar
2007, wonach die polizeiliche Tätigkeit störende Personen nicht auf der
Strasse, sondern auf der Polizeiwache zu überprüfen seien, ist nicht
aktenkundig und wurde vom Beschwerdeführer auch nicht beigebracht. Aus den
Dienstanweisungen über die Arrestation, Effektenabnahme, Personenkontrolle und
den Verhaftsrapport (kantonale Akten, act. 7/5, 7/6 und 7/7) kann der
Beschwerdeführer vielmehr nichts zu seinen Gunsten ableiten. Da keine
gesetzliche Bestimmung gebietet oder erlaubt, wie der Beschwerdeführer
handelte, verhielt er sich nicht rechtmässig gemäss Art. 14 StGB bzw. aArt. 32
StGB, indem er eine Freiheitsberaubung zum Nachteil des Privatklägers beging.
Die Vorinstanz subsumiert die Tathandlungen des Beschwerdeführers mit
ausführlicher Begründung korrekt unter die Tatbestände der Freiheitsberaubung
und des Amtsmissbrauchs (Urteil, S. 11 ff. bzw. S. 16 ff.). Sie verletzt
dadurch kein Bundesrecht.

1.5. Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die
bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG). Mit dem Entscheid in der Sache selbst wird sein Antrag um aufschiebende
Wirkung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Juni 2013
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Keller

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