Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.374/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_374/2013

Urteil vom 19. September 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber Held.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Kenad Melunovic,
Beschwerdeführer,

gegen

1.  Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
2. Y.________
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Einstellung des Strafverfahrens,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, vom 1. März 2013.

Sachverhalt:

A.

 Am 26. Juni 2012 stellte X.________ Strafantrag gegen Y.________ wegen Drohung
und Tätlichkeiten respektive Körperverletzung.

B.

 Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland lud X.________ und Y.________
unter Hinweis auf die Folgen unentschuldigten Ausbleibens persönlich zu einer
Vergleichsverhandlung auf den 31. Oktober 2012 vor. X.________ erschien nicht
persönlich, sondern lies sich durch eine juristische Mitarbeiterin seines
mandatierten Rechtsbeistandes vertreten.

C.

 Die Staatsanwaltschaft wertete das Ausbleiben von X.________ an der
Vergleichsverhandlung als Rückzug des Strafantrags und stellte das Verfahren am
14. November 2012 ein. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht
des Kantons Zürich am 1. März 2013 ab.

D.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Beschluss des
Obergerichts sowie die Verfügung der Staatsanwaltschaft seien aufzuheben, und
die Sache sei zur Weiterführung der Strafuntersuchung an die Staatsanwaltschaft
zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

 Die Beschwerde ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und
des Bundesstrafgerichts (Art. 80 Abs. 1 BGG). Anfechtungsobjekt ist demnach
einzig der Beschluss der Vorinstanz vom 1. März 2013. Soweit der
Beschwerdeführer die Aufhebung der staatsanwaltlichen Nichtanhandnahmeverfügung
verlangt, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 316 Abs. 1 StPO. Er sei
der Vergleichsverhandlung nicht unentschuldigt ferngeblieben, da er sich durch
seinen Rechtsbeistand habe vertreten lassen und hierdurch sein Interesse am
Fortgang des Strafverfahrens bekundet habe.

2.2. Die Vorinstanz erwägt, nach dem klaren Wortlaut von Art. 316 Abs. 1 StPO
bestehe für die antragstellende Person eine "faktische Erscheinungspflicht" für
die Vergleichsverhandlung, mithin sei eine Vertretung ausgeschlossen. Der
Beschwerdeführer sei von der Beschwerdegegnerin persönlich vorgeladen und
darauf hingewiesen worden, dass sein Strafantrag als zurückgezogen gelte, falls
er nicht zur Verhandlung erscheine. Dieser Pflicht sei er nicht nachgekommen,
weshalb das Strafverfahren entsprechend der gesetzlichen Regelung eingestellt
worden sei.

2.3. Soweit Antragsdelikte Gegenstand des Verfahrens sind, kann die
Staatsanwaltschaft die antragstellende und die beschuldigte Person zu einer
Verhandlung vorladen mit dem Ziel, einen Vergleich zu erzielen. Bleibt die
antragstellende Person aus, so gilt der Strafantrag als zurückgezogen (Art. 316
Abs. 1 StPO).

2.4.

2.4.1. Eine Vertretung der Parteien anlässlich von Vergleichsverhandlungen
widerspricht dem klaren Sinn und Zweck von Art. 316 Abs. 1 StPO und ist
grundsätzlich ausgeschlossen. Der Vergleich stellt eine aussergerichtliche Form
der Konfliktbewältigung dar, die es den Parteien ermöglicht, eine Lösung zu
finden, die ihnen besser entspricht als eine strafrechtliche Sanktion. Die
Verfahrensleitung versucht, eine Einigung zwischen den Parteien in Form einer
übereinstimmenden Willenserklärung herbeizuführen, mit dem Ziel, dass die
antragstellende Person ihren Strafantrag zurückzieht und die beschuldigte
Person als Ausgleich eine Entschuldigung, Genugtuung oder Schadenersatz
leistet. In der Praxis erfordert das Vergleichsverfahren regelmässig eine
Gegenüberstellung und das Mitwirken der geschädigten und der beschuldigten
Person, um das Verfahren aussergerichtlich zu beenden (vgl. Botschaft zur
Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005 [Botschaft
StPO], BBl 2006 1267 Ziff. 2.6.3.3; Michel Riedo, in: Basler Kommentar,
Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 4 zu Art. 316 StPO). Die direkte
Konfrontation zwingt die Parteien, sich mit den Standpunkten des Gegenübers
auseinanderzusetzen und darauf einzugehen. Dies erleichtert erfahrungsgemäss
die Konfliktbewältigung. Eine gemeinsam gefundene Lösung findet bei den
Parteien eine stärkere Akzeptanz als ein von staatlicher Seite "aufgezwungenes
Ergebnis".

2.4.2. Auch der Wortlaut von Art. 316 Abs. 1 StPO spricht gegen die Möglichkeit
einer Stellvertretung. Die Vergleichsverhandlung ist ein interner Verfahrensakt
der Strafuntersuchung. Ob und in welchem Verfahrensstadium die
Staatsanwaltschaft eine Vergleichsverhandlung (hoheitlich) anordnet, bleibt ihr
überlassen (Botschaft StPO, BBl 2006 1268 Ziff. 2.6.3.3; Michel Riedo, a.a.O.,
N. 6 zu Art. 316 StPO). Erachtet sie eine Vergleichsverhandlung als sinnvoll,
haben die Parteien der Vorladung Folge zu leisten und persönlich zu erscheinen.
Das Gesetz statuiert bei Vorladungen eine formale, unbedingte, d.h. nicht
ersetzbare persönliche Erscheinungspflicht der vorgeladenen Person (Art. 205
Abs. 1 StPO; Botschaft StPO, BBl 2006 1268 Ziff. 2.5.2; vgl. statt vieler:
Sararard Arquint, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung,
2011, N. 1 zu Art. 205 StPO). Kommt die antragstellende Person in dem von ihr
angestossenen Strafverfahren ihrer prozessualen Erscheinungspflicht nicht nach,
drohen ihr zwar im Gegensatz zum ordentlichen Verfahren (Art. 205 Abs. 4 StPO)
weder eine Ordnungsbusse noch Zwangsmassnahmen (polizeiliche Vorführung),
hingegen gilt der Strafantrag von Gesetzes wegen als zurückgezogen (Art. 316
Abs. 1 Satz 2 StPO), mit der Folge, dass die Staatsanwaltschaft wegen Fehlens
einer Prozessvoraussetzung die Verfahrenseinstellung verfügt (Art. 319 Abs. 1
lit. d StPO). Die gesetzliche Anordnung der Rechtsfolgen ermöglicht eine
spürbare Entlastung der Justiz (vgl. zum Ganzen: Botschaft StPO, BBl 2006 1268
Ziff. 2.6.3.3; Nathan Landshut, in: Kommentar zur Schweizerischen
Strafprozessordnung, 2010, N. 7 zu Art. 316 StPO) und dient der Förderung der
Prozessökonomie (Michel Riedo, a.a.O., N. 6 zu Art. 316 StPO).

2.4.3. Gründe, warum ausnahmsweise auf sein Erscheinen hätte verzichtet werden
können oder die sein Fernbleiben entschuldigen, bringt der Beschwerdeführer
nicht vor und sind auch nicht ersichtlich. Der zu beurteilende Sachverhalt
(verbaler Streit mit gegenseitigen Provokationen wegen unterschiedlicher
Ansichten über Arbeitsleistungen, der mit Tätlichkeiten und Todesdrohungen
endete) stellt einen typischen Fall dar, in dem eine Vergleichsverhandlung nur
Aussicht auf Erfolg hat, wenn "Täter und Opfer" eine gemeinsame Lösung finden,
zumal sich die Parteien persönlich kennen und beruflich miteinander zu tun
haben.

 Darüber hinaus hat die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer vorgeladen ,
"persönlich - mit oder ohne Rechtsbeistand - zu einer Vergleichsverhandlung zu
erscheinen". Selbst für einen juristischen Laien ergibt sich aus dem
eindeutigen Wortlaut der Vorladung, dass ein allfälliges Mitwirken des
Rechtsbeistands das persönliche Erscheinen des Beschwerdeführers nicht ersetzt.
Der Rechtsbeistand kann lediglich neben der antragstellenden Person an der
Vergleichsverhandlung teilnehmen. In der Vorladung wird zudem ausdrücklich auf
die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens an der Vergleichsverhandlung
hingewiesen. Dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer hätte bewusst sein
müssen, dass das Verfahren eingestellt wird, sollte er nicht persönlich
erscheinen. Der Verweis des Beschwerdeführers auf die (internen) Weisungen der
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich für das Vorverfahren (WOSTA, Ziff.
12.9.1), wonach es zulässig ist, dass die Staatsanwaltschaft mit den
Parteivertretern und -vertreterinnen verhandelt, ist aufgrund der vorstehenden
Ausführungen unbehelflich. Der Beschwerdeführer hat seine Teilnahme vorgängig
telefonisch zugesagt und somit seine grundsätzliche Bereitschaft an einer
aussergerichtlichen Einigung signalisiert. Die Vorinstanz durfte die Säumnis
des Beschwerdeführers einem Rückzug seines Strafantrags gleichsetzen. Der
angefochtene Entscheid verletzt kein Bundesrecht.

3.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Gerichtskosten sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

 Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.

 Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.

 Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. September 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Held

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