Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.372/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_372/2013

Urteil vom 23. August 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Faga.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Beat Hauri,
Beschwerdeführer,

gegen

Statthalteramt des Bezirkes Bülach,
Bahnhofstrasse 3, 8180 Bülach,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Gültigkeit des Einspracherückzugs,

Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, vom 27. Februar 2013.

Sachverhalt:

A.

 Das Statthalteramt des Bezirks Bülach verurteilte X.________ mit Strafbefehl
vom 18. Juni 2012 wegen SVG-Widerhandlungen zu einer Busse von Fr. 400.--.
X.________ erhob dagegen am 28. Juni 2012 fristgerecht Einsprache.

 Das Statthalteramt stellte Busse und Kosten des Zahlungsbefehls am 18. Juni
2012 in Rechnung. Es liess X.________ am 22. August 2012 eine
Zahlungserinnerung zukommen und forderte ihn auf, den ausstehenden Betrag
innert zehn Tagen zu bezahlen. Nach Ablauf dieser Frist werde die Betreibung
eingeleitet bzw. der Vollzug der festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafe von vier
Tagen verfügt. X.________ bezahlte die Rechnung am 10. September 2012.
Gleichentags mandatierte er seine Rechtsvertreterin, welche am 12. September
2012 die Akten anforderte und sich am 1. Oktober 2012 beim Statthalteramt des
Bezirks Bülach über den bisherigen Gang des Einspracheverfahrens beschwerte.

B.

 Das Statthalteramt des Bezirks Bülach behandelte die Eingabe des
Beschwerdeführers als Gesuch um Wiederherstellung der Einsprachefrist und gab
diesem am 8. Oktober 2012 nicht statt. Das Obergericht des Kantons Zürich
qualifizierte den Entscheid des Statthalteramts als Abschreibung des
Strafbefehlsverfahrens und wies die vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde am
27. Februar 2013 ab.

C.

 X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, die angefochtene
Verfügung sei aufzuheben, das Statthalteramt sei anzuweisen, die Einsprache
gegen den Strafbefehl materiell zu behandeln, die Kosten des kantonalen
Verfahrens seien dem Kanton Zürich aufzuerlegen und es sei ihm dafür eine
Entschädigung von Fr. 1'620.-- zuzusprechen. Eventuell sei die Sache zu neuer
Entscheidung an das Obergericht des Kantons Zürich zurückzuweisen.

 Das Statthalteramt des Bezirks Bülach und die Vorinstanz verzichteten auf eine
Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
Die Vorinstanz erachtet die Voraussetzungen für eine Abschreibung des
Strafbefehlsverfahrens als erfüllt und geht von einem stillschweigenden Rückzug
der Einsprache aus. Der Beschwerdeführer habe am 10. September 2012 Busse und
Kosten bezahlt und demzufolge den Strafbefehl akzeptiert.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Annahme eines konkludenten Rückzugs.
Die Bezahlung sei nicht freiwillig, sondern allein deshalb erfolgt, weil ihm
für den Fall der Nichtbezahlung die Betreibung und der Vollzug der
Ersatzfreiheitsstrafe angedroht worden seien.

2.

2.1. Das Statthalteramt liess dem Beschwerdeführer während des hängigen
Einspracheverfahrens eine Zahlungserinnerung zukommen und drohte ihm für den
Fall der Nichtbezahlung von Busse und Kosten die Einleitung der Betreibung bzw.
den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe an. Die Zahlungserinnerung befindet sich
weder in den Akten, noch wurde sie von der Vorinstanz, nachdem der
Beschwerdeführer einen entsprechenden Editionsantrag gestellt hatte,
beigezogen. Die vom Beschwerdeführer erst im Verfahren vor Bundesgericht
eingereichte Kopie (Beilage 2) stellt deshalb ein zulässiges neues Beweismittel
dar (Art. 99 Abs. 1 BGG).

2.2. Der Strafbefehl wird ohne gültige Einsprache zum rechtskräftigen Urteil
(Art. 354 Abs. 3 StPO). Die Einsprache ist schriftlich zu erheben (Art. 354
Abs. 1 StPO). Ein Verzicht vor Ablauf der Einsprachefrist und ein späterer
Rückzug sind zulässig, doch setzen sie eine klare und unmissverständliche
Erklärung voraus. Ein konkludenter Rückzug der gültig erhobenen Einsprache darf
nur angenommen werden, wenn sich aus dem gesamten Verhalten des Betroffenen der
Schluss aufdrängt, er verzichte mit seinem Desinteresse am weiteren Gang des
Verfahrens bewusst auf den ihm zustehenden Rechtsschutz (vgl. Urteil 6B_152/
2013 vom 27. Mai 2013 E. 4).

2.3. Die Strafbehörden achten in allen Verfahrensstadien die Würde der vom
Verfahren betroffenen Menschen und beachten namentlich den Grundsatz von Treu
und Glauben und das Verbot des Rechtsmissbrauchs (Art. 3 StPO).

 Der Beschwerdeführer hatte fristgerecht Einsprache erhoben. Die Bezahlung von
Busse und Kosten während des hängigen Einspracheverfahrens erfolgte keineswegs
freiwillig. Der Beschwerdeführer sah sich vielmehr dazu gezwungen, nachdem ihm
für den Fall der Nichtbezahlung die Einleitung der Betreibung bzw. der Vollzug
der Ersatzfreiheitsstrafe angedroht worden war. Die Annahme der Vorinstanz, der
Beschwerdeführer habe mit der Bezahlung von Busse und Kosten stillschweigend
auf die Behandlung seiner Einsprache verzichtet, stellt unter diesen Umständen
einen Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar.

3.

 Die Beschwerde ist gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und
die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das
Statthalteramt des Bezirks Bülach wird die Einsprache gegen den Strafbefehl
materiell zu beurteilen und die Vorinstanz die Kosten des Beschwerdeverfahrens
neu zu verlegen haben.

 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art.
66 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 BGG). Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer eine
angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Die Verfügung des Obergerichts des Kantons
Zürich, III. Strafkammer, vom 27. Februar 2013 wird aufgehoben und die Sache zu
neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Der Kanton Zürich hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr.
2'000.-- auszurichten.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. August 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Faga

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