Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.362/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_362/2013

Urteil vom 10. Dezember 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Denys,
Gerichtsschreiberin Unseld.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Heinz-Peter Kühnis,
Beschwerdeführer,

gegen

1.  Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St.
Gallen,
2.  A.________ Genossenschaft,
3.  B.________ Genossenschaft,
Beschwerdegegnerinnen 2 und 3 vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Geiger,
Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
Mehrfache Veruntreuung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom
13. Dezember 2012.

Sachverhalt:

A. 

 X.________ ist Inhaber eines seit dem Jahre 1992 im Handelsregister
eingetragenen Einzelunternehmens mit dem Zweck des Betriebs einer Käserei, der
Schweinemast sowie des Handels. Das Kreisgericht Gaster-See gewährte ihm im
September 2006 die Nachlassstundung. Seit April 2009 ist er zudem einziges
Verwaltungsratsmitglied der im Oktober 2006 gegründeten C.________ AG.
Die Statuten der A.________ Genossenschaft (nachfolgend Privatklägerin 1) und
von deren Vorgängerorganisationen verpflichten bzw. verpflichteten die
Mitglieder zur Leistung milchmengenabhängiger Verbandsbeiträge, in welchen auch
die Beiträge an den nationalen Dachverband B.________ Genossenschaft
(nachfolgend Privatklägerin 2), den D.________-Verband und ab dem Jahre 2006
die E.________ AG enthalten sind bzw. waren. X.________ bezahlte seinen
Milchlieferanten für die Milchforderung jeweils ein um die Verbandsbeiträge
reduziertes Milchgeld, leitete die vom Milchgeld abgezogenen Beträge gemäss der
Anklage in der Zeit von Mai 2003 bis Mai 2009 mit verschiedenen Unterbrüchen
jedoch nicht wie vereinbart oder nur mit Verspätung an die Privatklägerinnen
weiter.

B.

B.a. Das Kreisgericht Gaster-See verurteilte X.________ am 29. September 2011
wegen mehrfacher Veruntreuung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten
und zu einer Busse von Fr. 3'000.--.

B.b. Das Kantonsgericht St. Gallen sprach X.________ am 13. Dezember 2012 in
teilweiser Gutheissung seiner Berufung hinsichtlich des Zeitraums Mai 2009 vom
Vorwurf der Veruntreuung frei. Bezüglich des Zeitraums Mai 2003-Juni 2004,
Oktober 2004-September 2005 und Juli-September 2006 erklärte es ihn der
mehrfachen Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) schuldig und auferlegte
ihm eine bedingte Freiheitsstrafe von 12 Monaten.

C.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, den Entscheid vom
13. Dezember 2012 aufzuheben und ihn von Schuld und Strafe freizusprechen.
Eventualiter sei die Angelegenheit zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

D.

 Die Staatsanwaltschaft stellt Antrag auf Abweisung der Beschwerde. Das
Kantonsgericht verzichtete auf eine Stellungnahme. Die Privatklägerinnen
liessen sich nicht vernehmen.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die rechtliche Qualifikation als
Veruntreuung. Er macht geltend, die vom Milchgeld abgezogenen Beträge seien ihm
nicht anvertraut gewesen.

1.2. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer sei gestützt auf eine mit den
Milchverbänden zumindest konkludent getroffene Vereinbarung berechtigt und
verpflichtet gewesen, vom Milchgeld an seine Milchlieferanten die von diesen
geschuldeten statutarischen Verbandsbeiträge abzuziehen (Urteil E. 1i S. 14; E.
2c S. 16). Als Inkassobevollmächtigter der Milchverbände habe er deren
Forderungen gegenüber den Milchproduzenten (Verbandsbeiträge) mit eigenen
Verbindlichkeiten gegen eben diesen Milchproduzenten verrechnen können.
Wirtschaftlich betrachtet habe dabei keine Rolle gespielt, ob die
Milchlieferanten ihre Verpflichtungen gegenüber den Milchverbänden durch
effektive Zahlung an den inkassobevollmächtigten Beschwerdeführer getilgt oder
aber von diesem ein um den entsprechenden Betrag reduziertes Milchgeld erhalten
hätten. Im einen wie im anderen Fall habe es sich um Vermögenswerte gehandelt,
die nicht dem Beschwerdeführer, sondern einem Dritten zugestanden hätten
(Urteil E. 2c S. 16). Die Milchverbände hätten dem Beschwerdeführer ihre
Vermögenswerte in Form von Forderungen anvertraut. Da es sich hierbei um die
künftigen, an den Beschwerdeführer zu leistenden Verbandsbeiträge gehandelt
habe, habe seitens der Milchverbände die Erwartung an diesen bestanden, dass er
ihnen die Beträge nach ihrer Geltendmachung weiterleiten würde. Aufgrund des
bestehenden Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien und des Umstands,
dass der Beschwerdeführer von den Milchverbänden als Inkassobevollmächtigter
eingesetzt worden sei, sei nicht von einer blossen vertraglichen
Ablieferungspflicht auszugehen. Vielmehr habe von Beginn an eine besondere
Werterhaltungspflicht vorgelegen. Nach Verrechnung mit den Forderungen der
Milchproduzenten aus den Milchlieferungen habe das Vermögen des
Beschwerdeführers um die Verbandsbeiträge zugenommen. Daran ändere nichts, dass
der Vorgang ein rein buchhalterischer gewesen sei. Über diesen wirtschaftlich
fremden Wert habe der Beschwerdeführer erst verfügen können, weil er von den
Privatklägerinnen zum Einzug der Verbandsbeiträge verpflichtet bzw. zu ihrer
Verrechnung mit den eigenen Forderungen der Milchlieferanten ermächtigt worden
sei. Die Vermögenswerte seien ihm mithin im Sinne von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2
StGB anvertraut gewesen (Urteil E. 2d/bb S. 17 f.). Er habe die ihm
anvertrauten Vermögenswerte unrechtmässig verwendet, da er die Gelder
offensichtlich für andere Zwecke ausgegeben habe, andernfalls ihm im September
2006 nicht eine Nachlassstundung hätte gewährt werden müssen (Urteil E. 2e S.
18).

1.3.

1.3.1. Den Tatbestand der Veruntreuung nach Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
erfüllt, wer ihm anvertraute Vermögenswerte unrechtmässig in seinem oder eines
anderen Nutzen verwendet. Die tatbestandsmässige Handlung besteht bei der
Veruntreuung von Vermögenswerten in einem Verhalten, durch welches der Täter
eindeutig seinen Willen bekundet, den obligatorischen Anspruch des Treugebers
zu vereiteln (BGE 133 IV 21 E. 6.1.1). Als anvertraut gilt, was jemand mit der
Verpflichtung empfängt, es in bestimmter Weise im Interesse des Treugebers zu
verwenden, insbesondere es zu verwahren, zu verwalten oder einem anderen
abzuliefern. Der Tatbestand von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfasst Fälle, in
denen - anders als bei der Veruntreuung von Sachen gemäss Abs. 1 derselben
Bestimmung - zivilrechtlich die Fremdheit der anvertrauten Werte nicht gegeben
oder zumindest zweifelhaft ist. Voraussetzung ist aber, dass der Fall mit der
Veruntreuung von Sachen vergleichbar ist. Abs. 2 soll nur jenes Unrecht
erfassen, das mit dem in Abs. 1 umschriebenen strukturell gleichwertig ist. In
den Fällen, in denen Abs. 2 zur Anwendung kommt, erwirbt der Treuhänder an den
erhaltenen Werten Eigentum. Er erlangt daher nicht nur eine tatsächliche,
sondern auch eine rechtliche Verfügungsmacht. Die ins Eigentum des Treuhänders
übergegangenen Werte sind jedoch bestimmt, wieder an den Berechtigten
zurückzufliessen. In diesem Sinne sind sie wirtschaftlich fremd. Der Treuhänder
ist deshalb verpflichtet, dem Treugeber den Wert des Empfangenen ständig zu
erhalten. Die Werterhaltungspflicht, d.h. das Anvertrauen eines Vermögenswerts
im Sinne von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, kann auf ausdrücklicher oder
stillschweigender Abmachung beruhen. Massgeblich ist, ob dem Täter die
Verfügungsmacht über den Vermögenswert von einem anderen bewusst und freiwillig
übertragen wird (zum Ganzen BGE 133 IV 21 E. 6.2 mit Hinweisen). Eine Geldsumme
kann dem Täter auch von der Person anvertraut worden sein, für welche er diese
in Empfang nahm (BGE 118 IV 239 E. 2b). Die anvertrauten Vermögenswerte können
ihm materiell nicht nur vom Treuegeber, sondern auch von einer Drittperson
übergeben worden sein. Dies ist der Fall, wenn ein Inkassogehilfe eine
Geldsumme im Namen des Auftraggebers einnimmt (vgl. BGE 118 IV 239 E. 2a; 118
IV 32 E. 2a mit Hinweisen; Niggli/Riedo, in: Basler Kommentar, Strafrecht II,
3. Aufl. 2013, N. 49 zu Art. 138 StGB; Trechsel/Crameri, Schweizerisches
Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 13 zu Art. 138 StGB).

1.3.2. Die Vorinstanz und die Staatsanwaltschaft stützten sich auf BGE 94 IV
137. Das Bundesgericht hatte in diesem Entscheid das Verhalten eines
Arbeitgebers zu beurteilen, der einer vertraglichen Verpflichtung, einen Teil
des Arbeitslohns zwecks Abzahlung des Kaufpreises für einen Autokauf an einen
Dritten weiterzuleiten, nicht im vollen Umfang nachkam. Es entschied, das
Tatbestandsmerkmal des Anvertrautseins setze nicht die Übergabe der Sache
voraus. Der Arbeitgeber, der Lohnabzüge nicht bestimmungsgemäss im Interesse
des Arbeitnehmers verwende, mache sich der Veruntreuung schuldig.
Dieser Entscheid ist im Schrifttum auf Kritik gestossen. Die Lehre geht davon
aus, Lohnabzüge seien dem Arbeitgeber nicht anvertraut, da das Anvertrauen eine
vorgängige Übertragung des Vermögenswerts an den Täter voraussetze (Niggli/
Riedo, a.a.O., N. 62 und 93 zu Art. 138 StGB; Marcel Alexander Niggli, in:
Basler Kommentar, Strafrecht II, 3. Aufl. 2013, N. 5 zu Art. 159 StGB; Andreas
Donatsch, Strafrecht III, Delikte gegen den Einzelnen, 10. Aufl. 2013, S. 141;
Stratenwerth/Jenny/Bommer, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 7.
Aufl. 2010, § 13 N. 56; Jörg Rehberg, Zum objektiven Tatbestand der
Veruntreuung nach StrGB Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2, ZStrR 92/1976, S. 41 ff.; Hans
Schultz, Die strafrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1968,
ZBJV 105/1969, S. 402 ff.; Peter Noll, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer
Teil I, 1983, S. 154; Stefan Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch,
Kurzkommentar, 1989, N. 14 zu aArt. 140 StGB; Cassani/Roth, Die Veruntreuung,
SJK Nr. 953, 1986, S. 14). Zur Begründung wird namentlich darauf hingewiesen,
dass nicht jede Nichterfüllung einer Forderung als Veruntreuung strafbar sein
soll. Um die blosse Verletzung einer gesetzlichen oder vertraglichen
Ablieferungspflicht von der Veruntreuung abgrenzen zu können, müsse für
Letztere verlangt werden, dass die entsprechenden Vermögenswerte dem Täter
zunächst von einem anderen übertragen worden seien (Stratenwerth/Jenny/Bommer,
a.a.O., S. 313 f.; Schultz, a.a.O., S. 404; Noll, a.a.O., S. 153). Werde auf
die Auszahlung einer Schuld verzichtet, damit ein Teil des Geschuldeten nicht
dem Gläubiger, sondern einer Drittperson zugewendet werde, sei das Unterlassen
dieser Zuwendung eine schlichte Nichterfüllung einer Forderung (Schultz,
a.a.O., S. 404). Betont wird auch, dass dem Arbeitgeber die Gelder, mit denen
er die Lohnforderung der Arbeitnehmer begleicht, nicht fremd sind. Aus Sicht
des Arbeitgebers handle es sich beim Dritten um eine Zahlstelle, an welche er
seine eigenen Leistungen für die Dienste des Arbeitnehmers vereinbarungsgemäss
teilweise zu erbringen habe. Die ihm zur Verfügung stehenden Lohngelder würden
ihm dazu dienen, sich von seinen eigenen Verbindlichkeiten zu befreien,
unabhängig davon, ob sie dem Arbeitnehmer selber oder in dessen Auftrag und zu
dessen Gunsten einem Dritten ausgerichtet werden sollen (Rehberg, a.a.O., S.
49). Kritisiert wird zudem, dass sich der Schuldner gestützt auf BGE 94 IV 137
namentlich auch der Veruntreuung strafbar machen würde, wenn er nicht über die
nötigen Mittel verfügt, um den ganzen Betrag zu begleichen, und deshalb die
Zahlung an den Dritten unterlässt (Schultz, a.a.O., S. 404; Rehberg, a.a.O., S.
47 f.; siehe zu dieser Problematik auch BGE 117 IV 78 E. 2a und b).
Angesichts dieser Kritik und in der Auffassung, die Verletzung der Pflicht zur
Weiterleitung von Lohnabzügen müsse unter Strafe gestellt werden, beschloss der
Gesetzgeber, den Tatbestand des Missbrauchs von Lohnabzügen (Art. 159 StGB) in
das Gesetz aufzunehmen (Botschaft vom 24. April 1991 über die Änderung des
Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes, BBl 1991 1051
f.). Art. 159 StGB ist jedoch als Sonderdelikt ausgestaltet, d.h. als Täter
kommt nur ein Arbeitgeber infrage (BBl 1991 1052). Gemäss der bundesrätlichen
Botschaft hätte eine Minderheit von Vernehmlassern auf diese Einschränkung
verzichten wollen. Der Bundesrat hielt sie jedoch für notwendig, da es nicht
darum gehen könne, den Anwendungsbereich der Bestimmung auf jegliche
Rechtsbeziehungen zwischen zwei Vertragspartnern auszudehnen, von denen sich
der eine gegenüber dem anderen verpflichte, eine Geldsumme zugunsten eines
Dritten zurückzubehalten (BBl 1991 1052). Der Gesetzgeber schloss sich in
dieser Hinsicht folglich der Kritik der Lehre an.

1.4.

1.4.1. Gemäss Art. 120 Abs. 1 OR setzt die Verrechnung die Gegenseitigkeit der
zu verrechnenden Gegenforderung voraus. Die Gläubiger- und die
Schuldnerstellungen zweier Obligationen müssen sich derart auf zwei Personen
verteilen, dass jede der beiden gleichzeitig Gläubiger der einen und Schuldner
der andern ist (BGE 132 III 342 E. 4.3). Dem Beschwerdeführer wurden die
Forderungen der Milchverbände nicht abgetreten. Eine Inkassoabtretung hätte in
schriftlicher Form ergehen müssen (Art. 165 Abs. 1 OR). Da die Milchverbände
Gläubiger der Verbandsbeiträge blieben, war eine Verrechnung im Sinne von Art.
120 OR nicht bzw. nur mit Zustimmung aller Beteiligten, insbesondere aber der
Milchlieferanten zulässig. Dabei handelt es sich nicht mehr um eine Verrechnung
im eigentlichen Sinne, sondern um eine Tilgung durch Vereinbarung (Urteil
4C.374/2001 vom 6. September 2002 E. 2.2; VIKTOR AEPLI, Zürcher Kommentar,
1991, N. 206 Vorbemerkungen zu Art. 120-126 OR; N. 33 zu Art. 120 OR). Das
Kreisgericht, auf dessen Ausführungen die Vorinstanz grundsätzlich verweist
(Urteil E. 2d/bb E. 17), nimmt daher zu Recht an, der Beschwerdeführer habe
auch mit den Milchproduzenten zumindest konkludent eine Vereinbarung
abgeschlossen (Urteil Kreisgericht S. 11 f.). Die konkludente Vereinbarung
zwischen den drei Vertragsparteien bedeutete nichts anderes, als dass der
Beschwerdeführer mit dem Einverständnis der Milchlieferanten einen Teil des
Milchpreises nicht an diese, sondern die Milchverbände ausbezahlen musste. Ihm
wurde weder von den Milchproduzenten noch von den Milchverbänden ein
Vermögenswert übergeben. Durch die Vereinbarung mit den Milchproduzenten und
den Milchverbänden verpflichtete er sich nur, seine Schuld aus der
Milchlieferung durch Zahlung an Dritte zu begleichen. Damit fehlt es an einem
anvertrauten Vermögenswert. Insoweit war die Kritik der Lehre an der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung BGE 94 IV 137 begründet. Diese Sichtweise
entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der den Tatbestand von Art. 159
StGB bewusst als Sonderdelikt ausgestaltete und zivilrechtlich vorwerfbares
Verhalten der vorliegend zu beurteilenden Art nicht unter Strafe stellen
wollte.
Zum gleichen Ergebnis, wenn auch mit einer anderen Begründung, gelangte das
Bundesgericht bereits in BGE 99 IV 206. Es entschied damals, der Arbeitgeber,
der gestützt auf eine Lohnpfändung einen Lohnabzug vornehme, die gepfändete
Lohnquote aber nicht an das Betreibungsamt weiterleite, begehe keine
Veruntreuung. Es erwog namentlich, weder der Arbeitnehmer noch das
Betreibungsamt oder die Gläubiger hätten dem Arbeitgeber etwas anvertraut (E.
1). Die Lehre weist zutreffend darauf hin, dass das Bundesgericht in seiner
späteren Rechtsprechung von der mit BGE 94 IV 137 begründeten Praxis wieder
abrückte (vgl. Stratenwerth/Jenny/Bommer, a.a.O., § 13 N. 56, § 19 N. 30;
Niggli/Riedo, a.a.O., N. 93 zu Art. 138 StGB).

1.4.2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann vorliegend im Übrigen auch
nicht von einem Vertrauensverhältnis gesprochen werden. Die Privatklägerinnen
wussten, welche Beträge der Beschwerdeführer ihnen wann schuldete, oder sie
hätten solches durch Nachfrage bei den Milchproduzenten einfach in Erfahrung
bringen können. Bei Zahlungsschwierigkeiten oder anderweitigen
Zahlungsverzögerungen des Beschwerdeführers hätten sie von der konkludenten
Vereinbarung zurücktreten und ihre Forderungen künftig direkt bei den
Milchproduzenten einziehen können.

1.5. Der Beschwerdeführer ist vom Vorwurf der Veruntreuung freizusprechen, da
ihm weder von den Privatklägerinnen noch von den Milchproduzenten
Vermögenswerte im Sinne von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB anvertraut wurden.
Seine Rüge ist begründet. Damit braucht auf seine weiteren Einwände nicht mehr
eingegangen zu werden.

2.

 Die Beschwerde ist gutzuheissen. Der Kanton St. Gallen hat dem
Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene
Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 BGG). Es werden keine Kosten
erhoben (Art. 66 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen vom
13. Dezember 2012 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die
Vorinstanz zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Kosten erhoben.

3. 
Der Kanton St. Gallen hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Dezember 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Unseld

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