Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.348/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_348/2013

Urteil vom 12. Juli 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Andres.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Advokat Dr. Carlo Bertossa,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001
Basel,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Gehilfenschaft zur mehrfachen Urkundenfälschung, Verletzung des
Beschleunigungsgebots, Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt,
Ausschuss, vom 11. Januar 2013.

Sachverhalt:

A.

 Am 18. Oktober 1999 übernahm Y.________ von X.________ das (einzige)
Verwaltungsratsmandat der A.________ AG. Y.________ und X.________ standen sich
weiterhin geschäftlich nahe, indem X.________ insbesondere die
Büroräumlichkeiten der A.________ AG mitbenutzte. Y.________ bot
Vermögensanlagen an, wobei er das Geld seiner Kunden nicht wie versprochen
gewinnbringend und risikoarm anlegte, sondern es für eigene Zwecke bzw. Zwecke
der Gesellschaft verwendete. Im Herbst 1999 übergab X.________ Y.________
diverse Unterlagen, lautend auf die nicht existierende "B.________ Ltd.",
namentlich die Vorlage einer Versicherungspolice und spezielles, mit Zierrahmen
versehenes Papier, auf welchem entsprechende Policen ausgestellt werden
konnten. Y.________ erstellte zwei falsche Versicherungspolicen, lautend auf
die "B.________ Ltd." als Versicherer und die späteren Geschädigten als
Versicherungsnehmer. Er beabsichtigte, den Anschein zu erwecken, die
Investitionen der Geschädigten seien vereinbarungsgemäss gegen Verlust
versichert worden.

B.

 Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte X.________ am 10. Juni
2011 wegen Gehilfenschaft zu mehrfacher Urkundenfälschung zu einer bedingten
Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu Fr. 70.--.

 Auf Berufung des X.________ bestätigte das Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt am 11. Januar 2013 den Schuldspruch und setzte die bedingte
Geldstrafe auf 30 Tagessätze zu Fr. 30.-- fest.

C.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt im Hauptpunkt, das
angefochtene Urteil sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der Gehilfenschaft
zu mehrfacher Urkundenfälschung freizusprechen. Er ersucht um unentgeltliche
Rechtspflege.

Erwägungen:

1.

 Der Beschwerdeführer stellt den subjektiven Tatbestand der Gehilfenschaft zur
Urkundenfälschung in Abrede. Als er dem Geschäftspartner Y.________ die
Unterlagen der "B.________ Ltd." übergeben habe, habe er ihm gesagt, es müsse
zuerst geklärt werden, ob eine Versicherung möglich sei. Auch habe er nicht
gewusst, dass es sich bei der Gesellschaft um ein "betrügerisches Konstrukt"
handle. Er habe nicht eventualvorsätzlich gehandelt. Ihm könne nicht
nachgewiesen werden, dass er die Handlungen seines Geschäftspartners gebilligt
habe. Er habe nicht damit rechnen können und müssen, dass sein Geschäftspartner
mit den Unterlagen Versicherungspolicen erstelle, und habe sich auch nicht
damit abgefunden.

1.1. Gemäss Art. 25 StGB ist als Gehilfe strafbar, wer zu einem Verbrechen oder
Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet. Subjektiv ist erforderlich, dass der
Gehilfe weiss oder damit rechnet, eine bestimmt geartete Straftat zu
unterstützen, und dass er dies will oder in Kauf nimmt. Es genügt, wenn der
Gehilfe den Geschehensablauf voraussieht, das heisst, die wesentlichen Merkmale
des vom Täter zu verwirklichenden strafbaren Tuns erkennt. Einzelheiten der Tat
braucht er hingegen nicht zu kennen (vgl. BGE 132 IV 49 E. 1.1 S. 51 f.; 128 IV
53 E. 5f/cc S. 68 f.; je mit Hinweisen).

 Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft so genannte innere
Tatsachen, ist damit Tatfrage und wird vom Bundesgericht nur auf Willkür
überprüft ( zum Willkürbegriff vgl. BGE 138 I 49 E. 7.1 S. 51 mit Hinweisen ).
Rechtsfrage ist hingegen, ob im Lichte der festgestellten Tatsachen der Schluss
auf Vorsatz bzw. Eventualvorsatz begründet ist (vgl. BGE 133 IV 9 E. 4.1 S. 17
mit Hinweisen).

1.2. Die Vorinstanz stellt fest, der Beschwerdeführer habe aufgrund eines
Zeitungsartikels, der ihm ein halbes Jahr vor seinem Kontakt mit seinem
Geschäftspartner zugestellt worden sei, gewusst, dass es sich bei der
"B.________ Ltd." um ein betrügerisches Konstrukt handle. Indem der
Beschwerdeführer seinem Geschäftspartner die Unterlagen dennoch überlassen
habe, habe er in Kauf genommen, dass dieser mit den Blankovorlagen Policen
erstellen würde. Es mache keinen Sinn, Blankounterlagen einem Interessenten
auszuhändigen, um erst danach abzuklären, ob überhaupt eine Versicherung
abgeschlossen werden könne respektive dürfe. Die Erklärungen des
Beschwerdeführers ergäben keinen Sinn und seien nicht glaubhaft.

 Soweit die Vorbringen des Beschwerdeführers diesem Sachverhalt widersprechen,
ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (Art. 105 Abs. 1 BGG), da er keine
Willkürrüge erhebt (Art. 9 BV).

 Der Beschwerdeführer wendet ein, die Dokumente hätten auch für rechtlich
unbedenkliche Ziele genutzt werden können. Es ist nicht nachvollziehbar,
inwiefern Blankounterlagen einer nicht existierenden Versicherungsgesellschaft
in rechtlich zulässiger Weise verwendet werden könnten. Unter diesen Umständen
ist die vorinstanzliche Würdigung nicht zu beanstanden, der Beschwerdeführer
habe damit rechnen müssen, dass sein Geschäftspartner mit dem Blankopapier
anhand der Vorlagen Policen erstellen würde. Dem Beschwerdeführer musste auch
bewusst gewesen sein, dass der Geschäftspartner eine Straftat begeht. Der
Schuldspruch wegen eventualvorsätzlicher Gehilfenschaft zu mehrfacher
Urkundenfälschung ist bundesrechtskonform.

2.

 Der Beschwerdeführer rügt, das Beschleunigungsgebot sei verletzt, da zwischen
der Anklageerhebung und dem erstinstanzlichen Urteil sechs Jahre verstrichen
seien. Es handle sich um einen Extremfall, weshalb das Verfahren eingestellt
werden müsse. Alternativ sei von einer Strafe abzusehen. Die vorinstanzliche
Strafreduktion von 50 % sei ungenügend.

2.1. Das Beschleunigungsgebot (Art. 5 StPO, Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff.
1 EMRK) verpflichtet die Behörden, das Strafverfahren voranzutreiben, um den
Beschuldigten nicht unnötig über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Ungewissen
zu lassen (vgl. BGE 133 IV 158 E. 8 S. 170; 130 IV 54 E. 3.3.1 S. 54 f.; je mit
Hinweisen). Entscheidend für die Beurteilung der Angemessenheit der
Verfahrensdauer ist eine Gesamtbetrachtung des konkreten Einzelfalls. Von den
Behörden und Gerichten kann nicht verlangt werden, dass sie sich ständig einem
einzigen Fall widmen. Zeiten, in denen das Verfahren stillsteht, sind
unumgänglich. Wirkt keiner dieser Zeitabschnitte stossend, ist eine
Gesamtbetrachtung vorzunehmen (BGE 130 IV 54 E. 3.3.3 S. 56 f.; 124 I 139 E. 2c
S. 141 f.; je mit Hinweisen).

 Unbestritten ist, dass das Beschleunigungsgebot vorliegend verletzt ist. Die
Vorinstanz erachtet die Dauer von gut sechs Jahren zwischen Anklageerhebung
(November 2004) und erstinstanzlicher Hauptverhandlung (Mai/Juni 2011) zu Recht
als zu lang. Aus den Akten ergibt sich nicht, was das erstinstanzliche Gericht
in dieser Zeit unternahm. Es reagierte einzig auf Eingaben der Parteien sowie
Behörden und antwortete auf Anfragen, wann mit der Verhandlung gerechnet werden
könne. Die Verhandlung wurde schliesslich auf Ende 2010 festgesetzt, musste
jedoch verschoben werden. Demnach blieb das Gericht während mindestens fünf
Jahren untätig. Die Vorinstanz führt zu Recht aus, das lange
Instruktionsverfahren lasse sich weder durch die Komplexität des Verfahrens
rechtfertigen noch auf das Verhalten des Beschwerdeführers zurückführen.

2.2. Bei der Frage nach der sachgerechten Folge der Verletzung des
Beschleunigungsgebots ist zu berücksichtigen, wie schwer der Beschuldigte durch
die Verfahrensverzögerung getroffen wurde, wie gravierend die ihm vorgeworfenen
Straftaten sind und welche Strafe ausgesprochen werden müsste, wenn das
Beschleunigungsgebot nicht verletzt worden wäre. Rechnung zu tragen ist auch
den Interessen der Geschädigten und der Komplexität des Falles. Schliesslich
ist in Betracht zu ziehen, wer die Verfahrensverzögerung zu vertreten hat (BGE
117 IV 124 E. 4e S. 129 f.; Urteil 6B_338/2012 vom 30. November 2012 E. 9.3 mit
Hinweisen). Folgen einer Verletzung des Beschleunigungsgebots sind die
Strafreduktion, allenfalls der Verzicht auf Strafe. Eine Verfahrenseinstellung
kommt nur in Extremfällen in Betracht, wenn die Verfahrensverzögerung dem
Betroffenen einen Schaden von aussergewöhnlicher Schwere verursachte (BGE 133
IV 158 E. 8 S. 170; Urteil 6B_544/2012 vom 11. Februar 2013 E. 8.2; je mit
Hinweisen).

 Die Vorinstanz erachtet grundsätzlich eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen als
angemessen. Sie trägt der Verletzung des Beschleunigungsgebots Rechnung, indem
sie die Strafe um 50 % reduziert. Da sich die absolute Verjährungsgrenze
nähert, reduziert sie die Strafe um weitere 15 Tagessätze (vgl. Art. 48 lit. e
StGB). Insgesamt erachtet sie eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen als
angemessen.

 Zu Recht macht die Vorinstanz die Strafreduktion davon abhängig, wie schwer
der Beschwerdeführer durch die Verfahrensverzögerung beeinträchtigt wurde. Wie
er selbst ausführt, war er als IV-Rentner durch das Verfahren nicht in der
beruflichen Weiterentwicklung behindert. Er befand sich nie in
Untersuchungshaft. Auch Beeinträchtigungen seines sozialen Ansehens sind nicht
ausgewiesen. Er war wegen gewerbsmässigen Betrugs und mehrfacher
Urkundenfälschung angeklagt und wurde wegen Gehilfenschaft zu mehrfacher
Urkundenfälschung verurteilt. Es ist nachvollziehbar, dass diese Anklage den
Beschwerdeführer verunsicherte und belastete. Soweit ersichtlich, hat er sich
nach der Anklageerhebung jedoch nie erkundigt, wann die Hauptverhandlung
stattfinden werde. Es ist anzunehmen, dass er dies gemacht hätte, wenn seine
Lebensqualität stark unter dem hängigen Verfahren gelitten hätte. Es ist nicht
zu beanstanden, dass die Vorinstanz von einer mittleren Belastung des
Beschwerdeführers ausgeht.

 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er sei wegen der jahrelangen
Untätigkeit mit einem weiteren Strafverfahren konfrontiert worden, entfernt er
sich vom verbindlichen Sachverhalt (Art. 105 Abs. 1 BGG), ohne Willkür
darzutun.

 Unter Berücksichtigung all dieser Umstände durfte die Vorinstanz sowohl einen
Strafverzicht als auch eine Verfahrenseinstellung als mögliche und angemessene
Sanktionsfolgen ablehnen, und die Verletzung des Beschleunigungsgebots mit
einer Strafreduktion berücksichtigen. Die Strafminderung um 50 % liegt
innerhalb des weiten sachrichterlichen Ermessens (vgl. Urteil 6B_711/2012 vom
17. Mai 2013 E. 9; Urteil 6B_676/2011 vom 7. Februar 2012 E. 4.5.2; Urteil
6B_440/2008 vom 11. November 2008 E. 6.5).

3.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

 Mit dem Entscheid im Hauptpunkt werden die übrigen Anträge gegenstandslos.

 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit
abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer hat die
bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seine finanzielle
Situation ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten zu berücksichtigen (Art.
65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Juli 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Andres

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