Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.310/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_310/2013

Urteil vom 30. Juli 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiberin Andres.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

1.  Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St.
Gallen,
2. Y.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Einstellung einer Strafuntersuchung, Verletzung des rechtlichen Gehörs,
Willkür, Beweiswürdigung,

Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 23.
Januar 2013.

Sachverhalt:

A.

 Rechtsanwalt X.________ vertritt Z.________ in einem Zivilverfahren gegen
Y.________. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob Letzterer sein
Besitzesrecht an einem Inhaberschuldbrief, lastend auf einem Grundstück von
Z.________, zu Recht geltend macht. Anlässlich der Schlichtungsverhandlung vom
6. März 2012 sagte Y.________, X.________ wolle das fragliche Grundstück
überbauen, privat eine Wohnung beziehen und sich so an Z.________ bereichern.

1. In der Klageantwort vom 6. Juli 2012 schrieb Y.________ unter anderem:

2. "Aus dem Mail vom 1. September 2010 geht auch hervor, dass der (...) RA Dr.
X.________ Geld organisiert also im Eigeninteresse handelt, die Rede ist von
Fr. 10'000 (Act. 6)."

3. "Herr X.________ würde dann dem Kläger die Liegenschaft abkaufen (nicht zum
selbst bewohnen) sondern um eine Überbauung zu realisieren und dem Kläger eine
Wohnung zu günstigen Mietbedingungen zur Verfügung stellen."

4. "Dem zufolge ist eher wahrscheinlich, dass der echte Kläger Herr Dr.
X.________ ist und nicht Herr Z.________, daher wäre, mangels echtem Kläger auf
diese Klage gar nicht einzutreten."

B.
Am 13. März 2012 stellte X.________ gegen Y.________ Strafantrag wegen übler
Nachrede, evtl. Verleumdung. Mit Schreiben vom 18. September 2012 ersuchte er
bezüglich der Äusserungen in der Klageantwort um Ausdehnung des Verfahrens.
Das Untersuchungsamt St. Gallen stellte das Strafverfahren gegen Y.________ am
2. November 2012 ein.

C.
Die Anklagekammer des Kantons St. Gallen wies die Beschwerde von X.________
gegen die Einstellungsverfügung am 23. Januar 2013 ab.

D.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der angefochtene
Entscheid sei vollständig und Ziff. 1 der Einstellungsverfügung teilweise
aufzuheben. Das Verfahren sei zur ergänzenden Durchführung der
Strafuntersuchung und Neubeurteilung bezüglich des Tatbestands der üblen
Nachrede bzw. Verleumdung an das Untersuchungsamt St. Gallen zurückzuweisen.
Eventualiter sei der angefochtene Entscheid vollständig aufzuheben und zur
neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer, der als Privatkläger im kantonalen Verfahren
Schadenersatz und Genugtuung gefordert hatte, ist zur Beschwerde in Strafsachen
legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG).

1.2. Soweit der Beschwerdeführer beantragt, die Einstellungsverfügung des
Untersuchungsamts St. Gallen sei aufzuheben, ist auf die Beschwerde nicht
einzutreten. Anfechtungsobjekt des bundesgerichtlichen Verfahrens ist einzig
der kantonal letztinstanzliche Entscheid, vorliegend jener der Anklagekammer
St. Gallen vom 23. Januar 2013 (Art. 80 Abs. 1 BGG).

2.

Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdegegner habe an der Schlichtungsverhandlung
seine persönlichen Vermutungen geäussert, welche sachbezogen gewesen seien. Die
Äusserungen seien wertneutral erfolgt und nicht beleidigend gewesen. Es gäbe
keine Anhaltspunkte, dass der Beschwerdegegner wider besseres Wissen gehandelt
habe. Er mache geltend, auf eine Information von Z.________ vertraut zu haben.
Die Einvernahme von Z.________ vermöchte nichts zu ändern. Würde er die
Aussagen des Beschwerdegegners bestätigen, wäre diesem der Gutglaubensbeweis
gelungen. Im gegenteiligen Fall würden die Aussagen einander widersprechen,
wobei wohl keine glaubhafter wäre als die andere. Damit müsste zugunsten des
Beschwerdegegners angenommen werden, dass seine Angaben nicht ausgeschlossen
werden könnten. Das Untersuchungsamt habe den Antrag, Z.________
einzuvernehmen, zu Recht abgelehnt. Die Aussagen des Beschwerdegegners seien
gestützt auf Art. 14 StGB gerechtfertigt (Entscheid S. 5 ff.). Aus den gleichen
Gründen erachtet die Vorinstanz die Ausführungen in der Klageantwort als
gerechtfertigt (Entscheid S. 7 f.).

Die Vorinstanz lässt offen, ob das Teilnahmerecht des Beschwerdeführers
verletzt ist, weil er nicht zur polizeilichen Einvernahme des Beschwerdegegners
eingeladen wurde. Offen bleibt auch, ob die Aussagen des Beschwerdegegners
gestützt auf Art. 147 Abs. 4 StPO zulasten des Beschwerdeführers verwertet
werden dürften (Entscheid S. 8).

2.1. Der Beschwerdeführer erachtet sein rechtliches Gehör als verletzt, da die
antizipierte Beweiswürdigung der Vorinstanz unhaltbar sei. Sie beziehe sich auf
die Angaben des Beschwerdegegners, welcher geltend mache, auf eine Aussage von
Z.________ vertraut zu haben. Wäre dieser einvernommen worden, hätte sich
herausgestellt, dass er gegenüber dem Beschwerdegegner keine solchen Aussagen
gemacht habe, womit dieser wider besseres Wissen gehandelt habe. Es sei
willkürlich, den Beweisantrag abzulehnen. Eine Verfahrenseinstellung wäre nur
geboten, wenn Z.________ die Aussagen des Beschwerdegegners bestätigen würde.
Um dies abzuklären, müsse er zwingend als Zeuge einvernommen werden.

2.2. Die Begründung, mit welcher die Vorinstanz den Beweisantrag des
Beschwerdeführers abweist, überzeugt nicht. W ie eine Aussage zu würdigen ist,
lässt sich erst entscheiden, wenn diese vorliegt (vgl. Urteil 6B_680/2009 vom
11. Dezember 2009 E. 2.4). Für die ausführliche Aussagenwürdigung ist das
urteilende Gericht zuständig (vgl. BGE 137 IV 122 E. 3.3 S. 127). Im Übrigen
ist der Grundsatz "in dubio pro reo" im Vorverfahren nicht anwendbar. Der
Entscheid über die Einstellung eines Verfahrens hat sich nach dem Grundsatz "in
dubio pro duriore" zu richten (vgl. BGE 138 IV 186 E. 4.1 S. 190 mit
Hinweisen).

Das Bundesgericht hebt einen Entscheid wegen Willkür nur auf, wenn nicht bloss
die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (vgl. BGE 138 I 49 E.
7.1 S. 51 mit Hinweisen).

2.3. Die Vorinstanz beurteilt die Äusserung des Beschwerdegegners als
gerechtfertigt (Art. 14 StGB), prüft jedoch nicht, ob der objektive (und
subjektive) Tatbestand von Art. 173 Ziff. 1 und Art. 174 Ziff. 1 StGB erfüllt
ist.

In objektiver Hinsicht setzen beide Bestimmungen voraus, dass der Täter
jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer
Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder
verdächtigt.
Die Ehrverletzungstatbestände schützen den Ruf, ein ehrbarer Mensch zu sein,
d.h. sich so zu benehmen, wie nach allgemeiner Anschauung ein charakterlich
anständiger Mensch sich zu verhalten pflegt. Äusserungen, die sich lediglich
eignen, jemanden in anderer Hinsicht, zum Beispiel als Geschäfts- oder
Berufsmann, als Politiker oder Künstler in der gesellschaftlichen Geltung
herabzusetzen, sind nicht ehrverletzend im Sinne von Art. 173 ff. StGB.
Voraussetzung ist aber, dass die Kritik an den strafrechtlich nicht geschützten
Seiten des Ansehens nicht zugleich die Geltung der Person als ehrbarer Mensch
trifft. Für die Frage, ob die Äusserung ehrenrührig ist, ist massgeblich,
welchen Sinn ihr ein unbefangener Adressat unter den konkreten Umständen
beilegt (BGE 137 IV 313 E. 2.1 S. 315; 119 IV 44 E. 2a S. 46 f.; je mit
Hinweisen).

2.4. Der Beschwerdeführer interpretiert die Äusserungen des Beschwerdegegners
als Vorwurf, er (Beschwerdeführer) handle in Bereicherungsabsicht und
ausschliesslich aus Eigeninteressen.

Welcher Sinn einer Äusserung zukommt, ist eine Rechtsfrage. Gegenstand eines
Strafverfahrens wegen übler Nachrede und Verleumdung sind
Tatsachenbehauptungen, nicht ein Gesamtbild, welches durch mehrere
Tatsachenbehauptungen gezeichnet wird. Ein solches Gesamtbild kann aber für die
Auslegung der einzelnen Äusserungen im Gesamtzusammenhang von Bedeutung sein
(vgl. BGE 124 IV 162 E. 3b S. 167 zu Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. a UWG
betreffend unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen).
Aufgrund ihres Wortlautes sind die einzelnen Äusserungen nicht geeignet, den
Ruf des Beschwerdeführers zu verletzen, ein ehrbarer Mensch zu sein. Die
Behauptung, jemand handle aus Eigeninteresse oder wolle sich bereichern, ist
nicht ehrenrührig.
Im Gesamtkontext sind die Aussagen so zu interpretieren, dass der
Beschwerdegegner dem Beschwerdeführer unterstellte, er habe ebenfalls ein
Interesse am Ausgang des Zivilverfahrens. Er wolle seinem Klienten später das
Grundstück abkaufen und dieses überbauen. Daraus leitete der Beschwerdegegner
ab, Z.________ sei im Zivilprozess nicht aktiv legitimiert.
In einem ähnlich gelagerten Fall hielt das Bundesgericht fest, dass der Anwalt,
der nur deshalb einen Prozess anhebt, weil allein er daraus einen Nutzen zieht
oder ziehen zu können glaubt, ausschliesslich zu seinem eigenen Vorteil und
nicht im Interesse seiner Klientschaft handelt. Er verletzt seine
Standespflichten. Wer einen Anwalt einer solchen Handlungsweise, die sich ein
ehrbarer Mensch nicht zu eigen macht, bezichtigt, greift ihn in seiner
persönlichen Ehre an (BGE 99 IV 148 E. 2 S. 150).
Die zu beurteilenden Sachverhalte unterscheiden sich in massgebender Hinsicht.
Im vorgenannten Fall wurde dem Anwalt vorgeworfen, er habe ein Verfahren nur im
Interesse seiner Honorarforderung eingeleitet ("Es dürfte wohl vor allem in
seinem Interesse liegen, wenn er nun ein gerichtliches Verfahren einleitet,
richten sich doch Anwaltshonorare nach den Streitwerten."). Das Bundesgericht
entschied, dass die Äusserung neben dem Ansehen als Anwalt auch seine Geltung
als ehrbarer Mensch berührte und ehrverletzend war.
Der Beschwerdegegner unterstellte dem Beschwerdeführer, ein Interesse am
Ausgang des Verfahrens zu haben. Da dieses allfällige Interesse des
Beschwerdeführers gleichgelagert ist, wie jenes seines Klienten - Herausgabe
des Inhaberschuldbriefes -, besteht kein Interessenskonflikt (vgl. Art. 11 der
Schweizerischen Standesregeln des Schweizerischen Anwaltsverbands). Dem
Beschwerdeführer wird auch nicht mangelnde Pflichttreue oder fehlendes
Verantwortungsbewusstsein vorgehalten. Die Behauptung, der Beschwerdeführer
wolle das Grundstück erwerben, dieses überbauen und sich bereichern, bezichtigt
ihn nicht der Verletzung der Standesregeln und berührt seine Geltung als
ehrbarer Mensch nicht.

2.5. Da die Äusserungen des Beschwerdegegners nicht ehrverletzend sind, ist der
objektive Tatbestand der üblen Nachrede bzw. der Verleumdung nicht erfüllt.
Daran hätte auch die Aussage von Z.________ nichts geändert. Im Ergebnis
handelt die Vorinstanz nicht willkürlich, wenn sie den Beweisantrag des
Beschwerdeführers abweist.

3.
Der Beschwerdeführer rügt eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung in
Verletzung des Teilnahmerechts nach Art. 147 StPO (Art. 97 i.V.m. Art. 95 BGG).
Da sein Teilnahmerecht verletzt sei, dürften die Aussagen des Beschwerdegegners
nicht zu seinen Lasten verwertet werden. Indem die Vorinstanz seine Rüge nicht
prüfe, jedoch auf die besagten Aussagen abstelle, verletze sie sein rechtliches
Gehör.

Die Äusserungen des Beschwerdegegners sind nicht ehrenrührig. Seine Aussagen
anlässlich der polizeilichen Einvernahme müssen für die rechtliche Würdigung
nicht herangezogen werden. Die Frage, ob das Teilnahmerecht des
Beschwerdeführers verletzt ist und die Aussagen des Beschwerdegegners
verwertbar sind, stellt sich demnach nicht.
Der Beschwerdeführer konnte der vorinstanzlichen Begründung entnehmen, weshalb
seine Rüge nicht geprüft wurde, und war dadurch auch in der Lage, den Entscheid
weiterzuziehen. Das rechtliche Gehör ist nicht verletzt (vgl. BGE 138 IV 81 E.
2.2 S. 84 mit Hinweisen).

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Da die vorinstanzliche Begründung den Beschwerdeführer veranlasste, Beschwerde
zu führen, sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Juli 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Andres

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