Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.292/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_292/2013

Urteil vom 15. Juli 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiberin Kratz-Ulmer.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Beat Hauri,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Grobe Verletzung der Verkehrsregeln,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 4. Februar 2013.

Sachverhalt:

A.

 X.________ fuhr am 9. November 2010, um 13.57 Uhr, auf der richtungsgetrennten
Autostrasse A52 in Richtung Zürich. Dabei überschritt er die signalisierte
Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h auf einer Distanz von 500 Metern um
durchschnittlich 35 km/h (nach Abzug der Messtoleranz).

B.

 Das Bezirksgericht Hinwil verurteilte X.________ am 19. April 2012 wegen
grober Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG in
Verbindung mit Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 4a Abs. 1 lit. c VRV zu einer
bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 30.-- und einer Busse von Fr.
300.--. Auf Berufung von X.________ bestätigte das Obergericht des Kantons
Zürich am 4. Februar 2013 das erstinstanzliche Urteil.

C.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, er sei vom Vorhalt
der groben Verletzung von Verkehrsregeln freizusprechen und wegen einfacher
Verkehrsregelverletzung zu einer Busse von Fr. 500.-- zu verurteilen.
Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Beschwerde an das
Bundesgericht in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt
Recht verletzt. Dies setzt voraus, dass sich der Beschwerdeführer wenigstens
kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzt. Soweit
der Beschwerdeführer auf seine Eingabe vor Vorinstanz verweist, ist darauf
nicht einzutreten. Die Beschwerde muss die Begründung selber enthalten (vgl.
BGE 133 II 396 E. 3.1; 131 III 384 E. 2.3).

2.

2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verurteilung wegen grober
Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG. Er fordert eine Änderung der
Rechtsprechung. Er rügt, die vom Bundesgericht entwickelte Praxis, nach welcher
die Grenze zwischen mittelschwerem und schwerem Fall bei
Geschwindigkeitsüberschreitungen auf richtungsgetrennten Strassen zwischen 34
und 35 km/h liegen soll, sei systemwidrig und willkürlich. Führe man die im
Ordnungsbussenkatalog geltende Fünferreihe fort, läge zwischen 31 bis 35 km/h
ein mittelschwerer und ab 36 km/h ein schwerer Fall vor. Es gebe keinen
sachlichen Grund, von diesen Fünferschritten bei der sanktionsmässig
bedeutungsvollsten Schwelle zur schweren Verkehrsregelverletzung abzuweichen.
Zudem sei der Verweis auf die Regelung der polizeilichen Konfiskation des
Führerausweises (aArt. 38 Abs. 2 lit. a VZV, neu Art. 31 Abs. 2 lit. a SKV) in
BGE 132 II 234 E. 3.2 falsch, da die Gesetzesstelle das Gegenteil belege. Die
polizeiliche Abnahme des Ausweises erfolge erst bei Überschreitungen um "mehr
als" und nicht "ab" diesem Wert. Die Vorinstanz stelle sich für die Abgrenzung
von Art. 90 Ziff. 1 und 2 SVG nicht die Frage, ob tatsächlich eine qualifiziert
erhöhte abstrakte Gefährdung der Gesundheit oder gar des Lebens anderer
Verkehrsteilnehmer vorliege. Sie verweigere ihm die Beantwortung dieser Frage
unter Hinweis auf die langjährige, wenn auch in BGE 132 II 234 falsch
verteidigte Praxis.

2.2. Den Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG erfüllt, wer durch grobe Verletzung
von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft
oder in Kauf nimmt. Art. 90 SVG wurde gestützt auf das Bundesgesetz vom 15.
Juni 2012 über die Änderung des Strassenverkehrsgesetzes (AS 2012 6291 ff.) neu
gefasst. Art. 90 Ziff. 2 SVG ist mit Ausnahme redaktioneller Anpassungen
unverändert geblieben (Urteil 6B_121/2013 vom 8. April 2013 E. 2).

2.3. Der objektive Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG ist erfüllt, wenn der
Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet
und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine ernstliche Gefahr für die
Sicherheit anderer ist bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung
gegeben. Diese setzt die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung
oder Verletzung voraus. Subjektiv erfordert der Tatbestand ein rücksichtsloses
oder sonst schwerwiegend verkehrsregelwidriges Verhalten, d.h. ein schweres
Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit (BGE 131
IV 133 E. 3.2; 130 IV 32 E. 5.1; je mit Hinweisen).

2.4. Nach ständiger Rechtsprechung sind die objektiven und grundsätzlich auch
die subjektiven Voraussetzungen der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von
Art. 90 Ziff. 2 SVG ungeachtet der konkreten Umstände zu bejahen, wenn die
zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn um 35 km/h oder mehr (BGE 132
II 234 E. 3.1; 124 II 475 E. 2a; je mit Hinweisen) und auf einer nicht
richtungsgetrennten Autostrasse um 30 km/h überschritten ist (vgl. BGE 123 II
106 E. 2c).
Im vorliegenden Fall geht es um eine richtungsgetrennte Autostrasse, bei
welcher sich die Gefahrenlage ähnlich wie bei der richtungsgetrennten Autobahn
präsentiert. Aus diesem Grunde rechtfertigt es sich, die für Letztere
entwickelte Rechtsprechung anzuwenden ( YVAN JEANNERET, Les dispositions
pénales de la Loi sur la circulation routière [LCR], 2007, S. 53 N. 48; JÜRG
BOLL, Grobe Verkehrsregelverletzung, 1999, S. 28). Daher ist bei einer
Geschwindigkeitsüberschreitung um 35 km/h auf einer richtungsgetrennten
Autostrasse objektiv und grundsätzlich auch subjektiv eine grobe
Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Ziff. 2 SVG gegeben.

2.5. Eine Änderung der Rechtsprechung lässt sich regelmässig nur begründen,
wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren
Verhältnissen oder gewandelter Rechtsanschauung entspricht. Andernfalls ist die
bisherige Praxis beizubehalten. Eine Praxisänderung muss sich auf ernsthafte
sachliche Gründe stützen können, die vor allem im Interesse der
Rechtssicherheit umso gewichtiger sein müssen, je länger die als falsch oder
nicht mehr zeitgemäss erachtete Rechtsanwendung gehandhabt wurde (Urteil 6B_771
/2011 vom 11. Dezember 2012 E. 1.5.2, zur Publikation vorgesehen; BGE 137 III
352 E. 4.6; 136 III 6 E. 3; 135 I 79 E. 3; je mit Hinweisen).

2.6. Ernsthafte sachliche Gründe, welche eine Praxisänderung verlangen, sind
nicht gegeben. Die Vorinstanz weist zu Recht darauf hin, dass ein Grund,
weshalb sämtliche Kategorien von Geschwindigkeitsüberschreitungen zwingend fünf
Einheiten aufweisen sollten, abgesehen vom vermeintlichen Zwang der
Zahlenlogik, nicht auszumachen ist. Sie erwägt zutreffend, dass sich mit
zunehmender Höhe einer Geschwindigkeitsüberschreitung auch die Gefährdungslage
erheblich steigert, weshalb eine auf vier Einheiten verkürzte Kategorie der
Geschwindigkeitsüberschreitung an der Schwelle zur schweren Verkehrsgefährdung
bzw. groben Verletzung der Verkehrsregeln vernünftig erscheint. Die schärfere
Gruppenbildung im oberen Bereich des Spektrums im Gegensatz zu den weniger
drastischen Geschwindigkeitsüberschreitungen, welche mit Ordnungs- oder
Übertretungsbussen zu ahnden sind, ist nachvollziehbar. Die gerügte
Rechtsprechung ist bis heute immer wieder ausdrücklich bestätigt worden (vgl.
auch Urteile 6B_104/2012 vom 26. September 2012 E. 2.2 und 6B_568/2012 vom 16.
November 2012 E. 1.3 mit Hinweisen), womit sich eine langjährige, einheitliche
und konstante Praxis etabliert hat. Die schematische Rechtsprechung hat zu
einer grossen Rechtssicherheit geführt (Urteil S. 8 f.). Der Beschwerdeführer
kann aus dem Hinweis in BGE 132 II 124 E. 3.2 auf aArt. 38 Abs. 2 lit. a VZV
nichts zu seinen Gunsten ableiten. Daraus ergeben sich keine anderen
rechtlichen Anforderungen an eine grobe Verkehrsregelverletzung auf
richtungsgetrennten Autostrassen.

2.7. Der Beschwerdeführer überschritt die signalisierte Höchstgeschwindigkeit
nach Abzug der Sicherheitsmarge um 35 km/h. Die Vorinstanz nimmt im Lichte der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Recht objektiv eine grobe
Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Ziff. 2 SVG an.
Der Schuldspruch verstösst auch in subjektiver Hinsicht nicht gegen
Bundesrecht. Wer die Höchstgeschwindigkeit in derart massiver Weise
überschreitet, handelt in aller Regel vorsätzlich oder mindestens
grobfahrlässig (vgl. BGE 123 II 37 E. 1 f.; Urteil 6B_104/2012 vom 26.
September 2012 E. 2.4 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer macht keine Gründe
geltend, die sein Verhalten subjektiv in einem milderen Licht erscheinen lassen
könnten.

2.8. Der Schuldspruch wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von
Art. 90 Ziff. 2 SVG ist bundesrechtskonform. Die Rüge des Beschwerdeführers ist
unbegründet.

3.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Juli 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Kratz-Ulmer

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