Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.286/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_286/2013

Urteil vom 14. Oktober 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Bühler, Grendelmeier Jenny & Partner,
Rechtsanwälte,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Fahrlässige Körperverletzung, Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 12. November 2012.

Sachverhalt:

A.

 Nach der Anklageschrift verweigerte X.________ am 11. Mai 2010 um 16.29 Uhr
auf der Schaffhauserstrasse in Zürich mit seinem Lieferwagen stadtauswärts
fahrend einem in gleicher Richtung fahrenden Linienbus den Vortritt, indem er
an einem Haltebalken kurz anhielt und anschliessend - da er den von hinten
herannahenden Bus übersah - auf die Buslinie fuhr. Zur Kollisionsvermeidung
wich der korrekt fahrende Buschauffeur aus und bremste, wobei eine
Buspassagierin stürzte und sich verletzte.

B.

 Das Bezirksgericht Zürich verurteilte am 5. März 2012 X.________ wegen
fahrlässiger Körperverletzung gemäss Art. 125 Abs. 1 StGB zu einer bedingten
Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 90.-- und einer Busse von Fr. 300.--. Es
wies das Genugtuungsbegehren der Privatklägerin ab und ihr
Schadenersatzbegehren auf den Zivilweg.

 Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte auf Berufung von X.________ am
12. November 2012 das bezirksgerichtliche Urteil.

C.

 X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, ihn freizusprechen,
eventualiter die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 9 und 29 BV (Beschwerde S.
3). Er begründet die Verfassungsverletzungen mit einer ungenügenden
Rechtsvertretung im Untersuchungsverfahren und einer Unterbrechung des
Kausalzusammenhangs.

1.1. Vor Bundesgericht gilt das Rügeprinzip. Der Beschwerdeführer setzt sich
mit dem ausführlichen Urteil und den Akten nicht auseinander, so dass die
Beschwerde in weiten Teilen den Begründungsanforderungen nicht genügt (Art. 42
Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 135 I 313 E. 1.3; 134 II 244 E. 2.1
und 2.2).

1.2. Der Beschwerdeführer wurde vor dem Bezirksgericht durch den heutigen
Rechtsanwalt verteidigt. Er machte eine ungenügende Verteidigung im
Untersuchungsverfahren geltend. Die damalige Rechtsanwältin der Assista TCS AG
habe ihn nicht vertreten können (Art. 127 Abs. 5 StPO). Seine Rechte seien
massiv verletzt worden. Das Bezirksgericht prüfte diese Vorwürfe. Die
Vorinstanz verweist auf dessen Erwägungen und stellt fest, es bestünden
keinerlei Anzeichen für eine ungehörige Befragung. Die Aussagen seien
verwertbar. Es liege weder der Fall einer amtlichen noch einer notwendigen
Verteidigung vor (Urteil S. 5). Das trifft zu. Die amtliche Verteidigung ist
bei Bagatellfällen nicht geboten (Art. 132 Abs. 2 und 3 StPO; Urteil 6B_695/
2012 vom 9. April 2013 E. 1.2).

 Eine ungenügende Verteidigung ist bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen
anzunehmen (6B_105/2013 vom 28. Mai 2013 E. 3.2). Das ist nicht der Fall. An
der ersten staatsanwaltschaftlichen Einvernahme wurde der Teilnahmeverzicht der
Rechtsanwältin thematisiert und dem Beschwerdeführer die Möglichkeit der
amtlichen Verteidigung erläutert (kantonale Akten, act. 9). In beiden
Einvernahmen finden sich weder Suggestivfragen noch nötigende Formulierungen
(act. 9 und 13; bezirksgerichtliches Urteil S. 5). Die Beschwerde ist
unbegründet.

1.3. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Fakten seien nicht zutreffend
festgestellt worden. "Ein schlagendes Beispiel dafür beispielsweise sind die
Zeichnungen, welche der Beschwerdeführer unter Ägide des Staatsanwalts machen
musste, bei denen der Staatsanwalt bestimmte bzw. den Beschwerdeführer
anleitete, sein Fahrzeug so auf der Fahrbahn einzuzeichnen, wie sich dies die
Staatsanwaltschaft vorstellte. Der eingeschüchterte Beschwerdeführer war nicht
in der Lage, einem solchen Druck Stand zu halten" (Beschwerde S. 4).

 Entgegen diesem Vorwurf stellte der Beschwerdeführer im vorinstanzlichen
Verfahren keinen Beweisergänzungsantrag, um die kritisierte Skizzierung zu
analysieren (Urteil S. 4). Er wurde vor beiden kantonalen Instanzen durch den
heutigen Rechtsanwalt verteidigt und konnte alle Einwände vortragen. Die
Vorinstanz prüfte die Vorbringen zum Standort des Fahrzeugs sorgfältig.
Rechtsverweigerung oder Willkür sind nicht ersichtlich.

1.4. Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt des adäquaten
Kausalzusammenhangs geltend, es sei nicht geklärt worden, warum der Linienbus,
der problemlos hätte ausweichen können, eine Vollbremsung einleitete. Der
Buschauffeur habe angegeben, das Fahrzeug schon früh gesehen zu haben.

 Für die Vorinstanz ist das eine beliebige entlastende Hypothese, die in den
Akten keinerlei Stütze findet und bereits durch die Aussagen des
Beschwerdeführers selber widerlegt wird. Die vorne im Bus sitzende Zeugin sagte
aus, der Lieferwagen sei "auf ein Mal" losgefahren, weshalb der Buschauffeur
bremsen musste (Urteil S. 6).

 Nach dem Beweisergebnis fuhr der Beschwerdeführer seinen Lieferwagen so weit
auf die Busspur, dass der Buschauffeur eine Kollision nur noch durch ein
Ausweich- und Bremsmanöver verhindern konnte, wobei die Privatklägerin zu Fall
kam (Urteil S. 7 ff. mit eingehender Würdigung der Aussage des Buschauffeurs,
der Zeugin und des Beschwerdeführers sowie des Fahrtenschreibers). Daraus
ergibt sich, dass der Buschauffeur die Fahrt verlangsamte, als er des
Lieferwagens ansichtig wurde, und anschliessend wegen dessen plötzlichen
Losfahrens bei gleichzeitigem Ausweichmanöver von ca. 37 km/h auf 0 km/h
abbremste, wodurch die Passagierin zu Fall kam. Inwiefern diese Beweiswürdigung
unhaltbar sein sollte, ist unerfindlich.

1.5. Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei unbestritten, dass er einen Fehler
beging, als er losfuhr, bevor er den Bus sah, und stoppte. Jedoch rechtfertige
dies nicht, "dass man ihm das ganze Verschulden am Unfall der Buspassagiere
zuschiebt". Es müsse die Frage gestellt werden, "wie weit denn die Adäquanz in
einem solchen Fall gehen kann", und "ob es nicht zum immanenten Risiko eines
Buspassagiers gehört, der sich nicht festhält" (Beschwerde S. 7).

 Die Beschwerde ist unbegründet. Das Strafrecht kennt keine
Verschuldenskompensation. Die Vorinstanz verweist zutreffend auf das Urteil
6B_826/2011 vom 13. April 2012 E. 2.4. Ein allfälliges Mitverschulden eines
Passagiers betrifft vor allem die zivilrechtliche Haftungsfrage. Eine
Unterbrechung des strafrechtlichen Kausalzusammenhangs "durch die kumulierten
Fehler des Buschauffeurs und der Geschädigten" (Beschwerde S. 8) ist
auszuschliessen. Gemäss der massgebenden Adäquanztheorie muss das Verhalten
geeignet sein, "nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des
Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu
begünstigen. Die Adäquanz ist nur zu verneinen, wenn ganz aussergewöhnliche
Umstände wie das Mitverschulden des Opfers bzw. eines Dritten oder Material-
oder Konstruktionsfehler als Mitursache hinzutreten, mit denen schlechthin
nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als
wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolgs erscheinen und so alle
anderen mitverursachenden Faktoren - namentlich das Verhalten des
Angeschuldigten - in den Hintergrund drängen" (BGE 135 IV 56 E. 2.1).

 Zu beurteilen sind keine "aussergewöhnlichen Umstände", sondern eine
alltägliche Verkehrssituation. Der Beschwerdeführer beging schlicht eine
Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 34 Abs. 3 SVG (Urteil S. 7).

2.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der
Beschwerdeführer hat die Kosten vor Bundesgericht zu tragen (Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Oktober 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Briw

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