Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.283/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_283/2013

Urteil vom 23. September 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Kratz-Ulmer.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Fürsprecher Philippe Landtwing,
Beschwerdeführer,

gegen

Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Grobe Verletzung der Verkehrsregeln, Willkür, Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Bern, Strafabteilung, 2. Strafkammer, vom 13. Februar 2013.

Sachverhalt:

A.

 X.________ fuhr am 6. Februar 2012 auf der Worbstrasse innerorts in Rüfenacht
Richtung Gümlingen. Er überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50
km/h nach Abzug der Messtoleranz um 36 km/h.

B.

 Das Einzelgericht Bern-Mittelland verurteilte X.________ am 22. August 2012
wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG zu
einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 210.-- und einer
Verbindungsbusse von Fr. 1'050.--. Auf Berufung von X.________ bestätigte das
Obergericht des Kantons Bern am 13. Februar 2013 das erstinstanzliche Urteil.

C.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der Entscheid des
Obergerichts des Kantons Bern sei aufzuheben, und er sei wegen einfacher
Verkehrsregelverletzung angemessen zu bestrafen. Eventualiter sei die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerde sei die
aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Erwägungen:

1.

 Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Beschwerde an das
Bundesgericht in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt
Recht verletzt. Dies setzt voraus, dass sich der Beschwerdeführer wenigstens
kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzt. Soweit
der Beschwerdeführer auf seine Eingabe vor Vorinstanz verweist, ist darauf
nicht einzutreten. Die Beschwerde muss die Begründung selber enthalten (vgl.
BGE 133 II 396 E. 3.1; 131 III 384 E. 2.3).

2.

2.1. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine willkürliche
Beweiswürdigung und eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" als
Beweislast- und Beweiswürdigungsregel vor. Der Ortsunkundigkeit komme
beweiserhebliche Bedeutung zu. Seine angebliche Ortskundigkeit werde nicht
begründet, ausser mit der Tatsache, dass er in Muri wohnhaft sei. Der Vorwurf
der Vorinstanz, er habe den defekten Katalysator und seine Ortsunkundigkeit zu
spät, nämlich anlässlich der Hauptverhandlung vorgebracht, verletze auch das
Unmittelbarkeitsprinzip. Dies dürfe ihm nicht nachträglich vorgeworfen werden,
da sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Gericht auf ein eigentliches
Beweisverfahren verzichtet hätten.

2.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich
unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 137
III 226 E. 4.2). Dem vom Beschwerdeführer angerufenen Grundsatz "in dubio pro
reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem
Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende
Bedeutung zu (BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweisen). Willkür bei der
Beweiswürdigung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich
unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht.
Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar
zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 138 I 305
E. 4.3; 137 I 1 E. 2.4; je mit Hinweisen).

 Die Rüge der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der Willkür bei der
Sachverhaltsfeststellung) muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen
Entscheids präzise vorgebracht und substanziiert begründet werden, andernfalls
darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136
I 65 E. 1.3.1; je mit Hinweisen).

2.3. Die Vorinstanz führt aus, es könne dahingestellt bleiben, wie ortskundig
oder ortsunkundig der Bescherdeführer gewesen sei (Urteil S. 7). Des Weiteren
erläutert sie, weshalb sie zum Ergebnis kommt, der Beschwerdeführer habe den
defekten Katalysator für das starke Beschleunigen als Schutzbehauptung
vorgebracht (Urteil S. 6 ff.). Er habe im Rahmen der Lenkerermittlung am 7.
Februar 2012 einzig die Probleme mit der Batterie des Fahrzeugs und den
Leistungsunterschied seiner beiden Fahrzeuge erwähnt. Ähnliche Gründe für die
Geschwindigkeitsüberschreitung habe er im Brief vom selben Tag an das
Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt (SVSA) geltend gemacht. Selbst in der
Einsprache vom 23. April 2012 gegen den Strafbefehl seien keine technischen
Probleme mit dem Fahrzeug thematisiert worden (Urteil S. 7 f.). An der
Hauptverhandlung habe er vorgebracht, sein Katalysator sei verstopft gewesen.
Er habe beschleunigt, um einen schädlichen Druck zu verhindern. Diese späte
Erklärung wirke nachgeschoben. Dazu passe, dass die
Geschwindigkeitsüberschreitung für den Beschwerdeführer auch an der
Hauptverhandlung "völlig unerklärlich" gewesen sei. Ein solches Verhalten sei
nicht glaubwürdig (Urteil S. 8).

2.4. Die Vorinstanz behauptet nicht, der Beschwerdeführer sei ortskundig
gewesen. Sie lässt die Frage der Ortskundigkeit vielmehr offen. Sie legt
willkürfrei dar, weshalb sie die an der Hauptverhandlung für die
Geschwindigkeitsüberschreitung abgegebene Erklärung als nachgeschoben würdigt.
Der Beschwerdeführer schwieg anfänglich nicht, sondern machte andere Gründe für
die Geschwindigkeitsüberschreitung geltend. Er zeigt nicht auf, dass und
inwiefern das Beweisergebnis der Vorinstanz im Ergebnis nicht vertretbar und
willkürlich sein soll. Seine Rüge erweist sich als unbegründet, soweit sie den
Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG zu genügen vermag. Inwiefern
die Vorinstanz die Unschuldsvermutung als Beweislastregel missachtet haben
könnte (vgl. BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweis), ist nicht ersichtlich. Sie wirft
dem Beschwerdeführer nicht vor, seine Unschuld nicht bewiesen zu haben.

3.

3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verurteilung wegen grober
Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG. Er bestreitet mit Hinweis auf
das Urteil 6B_109/2008 in subjektiver Hinsicht, rücksichtslos gehandelt zu
haben. Er habe die geltende Geschwindigkeitsbegrenzung übersehen. Angesichts
der vor ihm liegenden schnurgeraden, mit Eisenbahn und Schutzwänden gesäumten
Strecke und der sich im Blick befindlichen 60-er Tafel sei er der irrigen
Meinung gewesen, er befände sich ausserorts. Mental sei er mit verschiedenen
Konfliktsituationen belastet gewesen. Er sei pflichtwidrig unachtsam gefahren.
Dies sei zwar als Fehlverhalten einzustufen, doch zeuge diese Unachtsamkeit
weder von Rücksichtslosigkeit noch offenbare sie ein bedenkenloses Verhalten
gegenüber fremden Rechtsgütern. Er habe vielmehr durch die Vermeidung eines
plötzlichen Stopps aufgrund des defekten Katalysators fremde Rechtsgüter
schützen wollen.

3.2. Nach Art. 90 Ziff. 2 SVG macht sich strafbar, wer durch grobe Verletzung
von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft
oder in Kauf nimmt. Der objektive Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG ist
erfüllt, wenn der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer
Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine
ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer ist bereits bei einer erhöhten
abstrakten Gefährdung gegeben. Diese bedingt die naheliegende Möglichkeit einer
konkreten Gefährdung oder Verletzung. Subjektiv erfordert der Tatbestand ein
rücksichtsloses oder sonst schwerwiegend verkehrsregelwidriges Verhalten, d.h.
ein schweres Verschulden, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe
Fahrlässigkeit. Diese ist zu bejahen, wenn der Täter sich der allgemeinen
Gefährlichkeit seiner verkehrsregelwidrigen Fahrweise bewusst ist. Grobe
Fahrlässigkeit kann aber auch vorliegen, wenn der Täter die Gefährdung anderer
Verkehrsteilnehmer pflichtwidrig gar nicht in Betracht zieht. Die Annahme einer
groben Verkehrsregelverletzung setzt in diesem Fall voraus, dass das
Nichtbedenken der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf Rücksichtslosigkeit
beruht (BGE 131 IV 133 E. 3.2; 130 IV 32 E. 5.1; je mit Hinweisen).

 Nach der Rechtsprechung sind die objektiven und grundsätzlich auch die
subjektiven Voraussetzungen der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von
Art. 90 Ziff. 2 SVG ungeachtet der konkreten Umstände zu bejahen, wenn die
zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts um 25 km/h oder mehr überschritten
wird (BGE 132 II 234 E. 3; 123 II 106 E. 2c; je mit Hinweisen). Die
Rücksichtslosigkeit ist ausnahmsweise zu verneinen, wenn besondere Umstände
vorliegen, die das Verhalten subjektiv in einem milderen Licht erscheinen
lassen. Dies wurde beispielsweise bezüglich eines Fahrzeugführers angenommen,
der die während einer Woche geltende, örtlich begrenzte
Geschwindigkeitsreduktion übersehen hatte (Urteil 6B_50/2013 vom 4. April 2013
E. 1.3 mit Hinweisen).

3.3. Indem der Beschwerdeführer die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 50
km/h innerorts um 36 km/h überschritt, missachtete er eine wichtige
Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise und bewirkte dadurch eine erhöhte
abstrakte Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer. Die Strecke, auf welcher
er die Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat, verläuft durch
Siedlungsgebiet. Sie weist zudem verschiedene potenzielle Gefahrenherde auf,
wie zu überquerende Bahngleise, Radstreifen, Ausfahrten, die Einmündung
Hühnliweg und einen unbewachten Fussgängerübergang über die Bahngleise. Die
Vorinstanz weist überdies darauf hin, dass die Signalisationstafel
"Höchstgeschwindigkeit 60" mit der Tafel "Ortsende auf Hauptstrasse" kombiniert
und das Ende des Innerortsbereichs somit klar signalisiert war. Der
Beschwerdeführer durfte nicht den Schluss ziehen, er befände sich auf einem
Ausserorts-Abschnitt (Urteil S. 7). Der Streckenabschnitt hat
Innerortscharakter, was auch für eine ortsunkundige Person erkennbar war.
Besondere Umstände, welche die Geschwindigkeitsübertretung des
Beschwerdeführers subjektiv in einem milderen Licht erscheinen liessen, sind
nicht ersichtlich. Die Vorinstanz legt dar, es lägen keine Anhaltspunkte vor,
dass der Beschwerdeführer auf seiner Fahrt durch Konfliktsituationen belastet
gewesen wäre (Urteil S. 10). Sie zeigt zudem willkürfrei auf, dass die
Erklärung betreffend den defekten Katalysator als Schutzbehauptung zu werten
ist (oben E. 2.3). Der Beschwerdeführer kann aus dem Urteil 6B_109/2008 vom 13.
Juni 2008 nichts für sich ableiten. Die vorinstanzliche Qualifikation des
Verhaltens des Beschwerdeführers als grobfahrlässig im Sinne von Art. 90 Ziff.
2 SVG ist nicht zu beanstanden (Urteil S. 11). Auf die zutreffenden
Ausführungen im angefochtenen Urteil kann verwiesen werden. Der Schuldspruch
wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG ist
bundesrechtskonform. Die Rüge des Beschwerdeführers ist unbegründet.

4.

4.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung. Er rügt, durch
die Anwendung der per 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Richtlinien des VBRS
(Verband Bernischer Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und
Staatsanwälte) sei Art. 2 StGB verletzt worden.

4.2. Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff.
StGB (BGE 136 IV 55 E. 5.4 und 5.5 mit Hinweisen) wiederholt dargelegt. Das
Sachgericht verfügt auf dem Gebiet der Strafzumessung über einen
Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift auf Beschwerde in Strafsachen hin
nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder
unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien
ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen bzw. durch
Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 136 IV
55 E. 5.6; 135 IV 130 E. 5.3.1; 134 IV 17 E. 2.1).

4.3. Die Vorinstanz verweist für die Strafzumessung auf die Ausführungen des
erstinstanzlichen Gerichts. Ergänzend hält sie fest, die von der ersten Instanz
ausgesprochene Sanktion entspräche den per 1. Januar 2013 in Kraft getretenen
neuen Richtlinien des VBRS (Urteil S. 13).

4.4. Die vorinstanzliche Strafzumessung ist nicht zu beanstanden. Sie
berücksichtigt sämtliche relevanten Strafzumessungskriterien. Ihre Erwägungen
und die daraus gezogenen Schlüsse sind nachvollziehbar. Sie verletzt das ihr
bei der Strafzumessung zustehende Ermessen nicht (Art. 47 StGB). Dem
ergänzenden Hinweis auf die Richtlinien des VBRS kommt keine eigenständige
Bedeutung zu (vgl. Urteil 6P.161/2004 vom 16. März 2005 E. 3.4.6).

5.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
bundesgerichtlichen Kosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs.
1 BGG). Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wird mit dem Entscheid in der Sache
gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
 Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
 Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
 Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Strafabteilung, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. September 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Kratz-Ulmer

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