Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.27/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_27/2013

Urteil vom 5. März 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Keller.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Benedikt Schneider-Koch,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6003 Luzern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mehrfache Widerhandlung gegen das BetmG; Strafzumessung; Beweiswürdigung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Luzern, 4. Abteilung,
vom 23. August 2012.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern wirft X.________ vor, zwischen dem
19. Februar 2008 und dem 29. März 2010 mit Unterbrüchen erheblichen
Kokainhandel betrieben zu haben. Er habe mindestens 1615 Gramm Kokaingemisch
verkauft und einen Umsatz von über Fr. 100'000.-- bzw. einen Gewinn von mehr
als Fr. 10'000.-- erzielt. Überdies habe er von zwei Personen insgesamt 30 bis
50 Kügelchen sowie 40 Gramm Kokaingemisch erworben.

B.
Das Kriminalgericht Luzern verurteilte X.________ am 11. November 2011 wegen
mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Gesamtstrafe
von vier Jahren Freiheitsstrafe, unter Anrechnung von 148 Tagen
Untersuchungshaft. Es widerrief die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug
vom 19. Februar 2008 und berücksichtigte die Reststrafe von 72 Tagen.
Auf Berufung des Angeschuldigten bestätigte das Obergericht des Kantons Luzern
am 23. August 2012 den Schuldspruch. Es verurteilte ihn zu einer unbedingten
Freiheitsstrafe von drei Jahren unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Von
einem Widerruf der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug sah es ab.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben, eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Er sei wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz zu verurteilen, jedoch nach Art. 19 Ziff. 3 lit. b BetmG
mit einer bedingten, eventuell teilbedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten zu
bestrafen. X.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer rügt, mehrere wichtige Zeugen seien aus verschiedenen
Gründen unter polizeilichem Druck gestanden und hätten zweifelhafte Aussagen
gemacht. A.________ sei zu Unrecht in antizipierter Beweiswürdigung nach der
Entlassung aus dem Gefängnis nicht nochmals befragt worden. Die Vorinstanz habe
es ausserdem unterlassen, neben den belastenden auch die entlastenden Umstände
abzuklären. So seien entlastende Beweise, wie eine Haaranalyse, nicht
vorgenommen worden, um seine eigene Drogensucht zu untersuchen. Auch sei nicht
geklärt worden, wann er genau im Spital und im Ausland gewesen sei (Beschwerde,
S. 5 f.). B.________ habe ihn mit einem anderen "Kügelidealer" verwechselt. Die
Vorinstanz relativiere denn auch zu Recht dessen Angaben zur insgesamt
verkauften Drogenmenge, begründe aber nicht, weshalb sie dennoch auf seine
Angabe abstelle, wonach er täglich Kokain-Fingerlinge bei ihm erworben habe
(Beschwerde, S. 10 f.).
Der Beschwerdeführer räumt ein, er habe sich regelmässig in der Bar
"C.________" in Luzern aufgehalten. Es sei nicht verwunderlich, wenn er
verschiedenen Stammgästen bekannt sei. Er habe dort auch manchmal Kokain
verkauft, um sich seinen Eigenbedarf zu finanzieren. Er wehre sich aber gegen
den Vorwurf der Gewerbsmässigkeit. Er habe nie einen Gewinn von Fr. 10'000.--
bzw. einen Umsatz von Fr. 100'000.-- erzielt. Es bestünden wesentliche Zweifel,
ob die berechnete nachgewiesene Menge tatsächlich zutreffe. Ein im Jahr 2008
publizierter Artikel in der NZZ gehe von einem Grammpreis von Fr. 50.-- aus.
Selbst wenn die eingeklagte Drogenmenge zuträfe, hätte er lediglich einen
Umsatz von Fr. 20'000.-- und einen Gewinn von Fr. 4'000.-- bis Fr. 5'000.--
erzielen können. Er habe weder aus niederen Motiven noch aus Gewinnsucht Kokain
verkauft, sondern weil er am untersten Rand der Gesellschaft gelebt, mit diesen
Leuten verkehrt und selbst Drogen konsumiert habe. Deshalb sei er in die Szene
hineingerutscht (Beschwerde, S. 7 ff.).

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig
im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie
willkürlich ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür
BGE 138 I 49 E. 7.1; 136 III 552 E. 4.2; je mit Hinweisen). Eine entsprechende
Rüge muss klar und substantiiert begründet werden (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106
Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 I 65 E. 1.3.1; je mit Hinweisen).

1.3 Der Beschwerdeführer legt in seiner Sachverhaltsrüge lediglich die eigene
Sicht der Dinge dar, ohne sich detailliert mit der sorgfältigen Beweiswürdigung
der Vorinstanz, auf die verwiesen werden kann (Urteil, S. 6-19; Art. 109 Abs. 3
BGG), auseinanderzusetzen (BGE 138 I 49 E. 7.1). Das reicht nicht, um Willkür
darzutun. Auf seine appellatorische Kritik an den vorinstanzlichen
Sachverhaltsfeststellungen ist nicht einzutreten.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz berücksichtige zu Unrecht Art. 19
Ziff. 3 lit. b BetmG nicht, wonach das Gericht die Strafe nach freiem Ermessen
mildern kann, wenn der Täter drogensüchtig ist. Sie missachte damit die
Grundsätze der "lex mitior". Er habe mehrfach geltend gemacht, selber
regelmässig Kokain konsumiert zu haben (Beschwerde, S. 8 f.).

2.2 Das Vorbringen des Beschwerdeführers geht an der Sache vorbei. Die
Vorinstanz hat willkürfrei festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht
drogensüchtig ist, auch wenn er - zumindest in der Vergangenheit - gelegentlich
Drogen konsumiert hat. Bei dieser Sachlage findet Art. 19 Ziff. 3 lit. b BetmG
von vornherein keine Anwendung, weshalb sich auch die Frage nach der lex mitior
nicht stellt.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Strafzumessung der Vorinstanz.
Aufgrund des Umsatzes, des Gewinns und seines Eigenkonsums hätte nicht auf
gewerbsmässigen Drogenhandel geschlossen werden dürfen. Zudem habe er sich am
untersten Rand der Händlerkette befunden. Der Beschwerdeführer erachtet eine
Strafe von 20 Monaten als angemessen. Wegen seiner HIV-Erkrankung im
fortgeschrittenen Stadium und den Bemühungen, den Lebensunterhalt durch Arbeit
zu verdienen, sowie der Reue und seinem bald dreijährigen Wohlverhalten sei ihm
eine gute Prognose zu stellen. Die Strafe sei daher bedingt, eventualiter
teilbedingt auszusprechen (Beschwerde, S. 12 f.).

3.2 Gemäss Art. 47 StGB misst der Richter die Strafe nach dem Verschulden des
Täters zu. Er beurteilt die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen
Verhältnisse des Schuldigen. Es liegt im Ermessen des Sachrichters, in welchem
Umfang er die verschiedenen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt. Das
Bundesgericht greift nur in die Strafzumessung ein, wenn die Vorinstanz den
gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich
nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte
ausser Acht gelassen beziehungsweise in Überschreitung oder Missbrauch ihres
Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 135 IV 130 E. 5.3.1; 134 IV 17 E. 2.1; je
mit Hinweisen).

3.3 Die Strafzumessung der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden. Sie enthält die
wesentlichen Tat- und Täterkomponenten sowie die nachvollziehbaren Schlüsse.
Auf die appellatorischen Rügen des Beschwerdeführers, weshalb die Strafe zu
senken sei, ist nicht einzutreten. An der Sache vorbei geht sein Vorbringen,
ihm sei eine bedingte oder teilbedingte Strafe zu gewähren. Da er am 12.
Dezember 2007 bereits zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten
verurteilt worden ist, ist der Strafaufschub nur zulässig, wenn besonders
günstige Umstände vorliegen (Art. 42 Abs. 2 StGB). Er legt nicht dar, inwiefern
solche Umstände vorliegen. Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, indem sie
bei ihm eine besonders günstige Prognose verneint.

4.
4.1 Der Beschwerdeführer beanstandet die Kostenauflage. Obwohl die Vorinstanz
das Strafmass von vier auf drei Jahre reduziert habe und seine Vorbringen
teilweise erfolgreich gewesen seien, habe er die erstinstanzlichen Gerichts-
und Anwaltskosten vollständig tragen müssen. Zudem habe ihm die Vorinstanz
keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.2 Der Beschwerdeführer beantragte weder im Rahmen seiner Berufungsbegründung
noch während der vorinstanzlichen Hauptverhandlung im Falle des Obsiegens eine
Änderung der erstinstanzlichen Kostenverteilung. Damit ist der kantonale
Instanzenzug nicht erschöpft bzw. der Entscheid nicht letztinstanzlich im Sinne
von Art. 80 Abs. 1 BGG. Darauf ist nicht einzutreten. Die Vorinstanz trug
ihrerseits dem teilweisen Erfolg des Beschwerdeführers Rechnung und reduzierte
die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- auf Fr. 3'500.-- (Urteil, S. 25). Er
begründet nicht, weshalb sich eine zusätzliche Parteientschädigung
rechtfertigen würde. Dies ist auch nicht ersichtlich.

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde von
vornherein aussichtslos erschien. Seiner finanziellen Lage ist mit
herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, 4.
Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. März 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Keller