Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.266/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_266/2013

Urteil vom 13. Juni 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Keller.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse
28, Postfach 157, 4502 Solothurn,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Einstellungsverfügung; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn,
Beschwerdekammer, vom 7. Februar 2013.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn ordnete am 20. April 2012 wegen
Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz eine Untersuchung gegen Unbekannt an.
Am gleichen Tag verfügte sie, die Wohnräume von X.________, ihrem Lebenspartner
und dem gemeinsamen Sohn zu durchsuchen und führte diese Personen vor. Am 29.
Mai 2012 erliess die Staatsanwaltschaft einen Beschlagnahmebefehl über die
polizeilich sichergestellten Gegenstände und Vermögenswerte.
Das Obergericht des Kantons Solothurn wies die von X.________ gegen den
Beschlagnahmebefehl eingereichte Beschwerde ab, soweit sie darauf eintrat und
soweit sie nicht gegenstandslos geworden war. X.________ focht das Urteil nicht
an. Die Staatsanwaltschaft eröffnete am 7. August 2012 gegen sie eine
Untersuchung wegen Gehilfenschaft zu Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Am folgenden Tag gab die zuständige Staatsanwältin bekannt, sie beabsichtige
das Verfahren einzustellen und gab X.________ Gelegenheit, allfällige
Entschädigungsbegehren nach Art. 429-431 StPO anzumelden und zu begründen.

B.
Am 13. November 2012 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein, wies das
Gesuch, einen unentgeltlichen Rechtsbeistand beizuordnen ab und hob die
Beschlagnahme verschiedener Gegenstände auf. Sie richtete X.________ eine
Entschädigung von Fr. 250.-- nach Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO und eine
Genugtuung von Fr. 100.-- aus. Von einer Entschädigung nach Art. 429 Abs. 1
lit. b StPO sah die Staatsanwaltschaft ab. Die Verfahrenskosten trug der Kanton
Solothurn.
Die von X.________ erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons
Solothurn am 7. Februar 2013 ab, soweit es darauf eintrat.

C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und "verfassungsrechtliche
Beschwerde". Sie beantragt sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen
Entscheids, eine Entschädigung für die entstandenen wirtschaftlichen Verluste
und für die gesundheitlichen Folgen der psychischen Belastungen. Ausserdem
verlangt sie, über den Verlauf ihrer Strafanzeige wegen Brandgefährdung
informiert zu werden und dass die Willkür "offiziell zu rügen" sei. Sie ersucht
ausserdem um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

Erwägungen:

1.

1.1. Mit Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 ff. BGG kann grundsätzlich
jede Rechtsverletzung geltend gemacht werden, die bei der Anwendung von
materiellem Strafrecht oder Strafprozessrecht begangen wird (BGE 134 IV 36 E.
1.4.3 S. 41). Dies gilt auch für die Verletzung von Verfassungsrecht (Art. 95
lit. a BGG). Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist somit ausgeschlossen
(Art. 113 BGG). Sie ist als Beschwerde in Strafsachen entgegenzunehmen. Im
Übrigen ist auf sie nicht einzutreten.

1.2. Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG hat die Rechtsschrift die Begehren und deren
Begründung zu enthalten. Im Rahmen der Begründung ist in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2
BGG). Die Vorbringen müssen sachbezogen sein, damit aus der Beschwerdeschrift
ersichtlich ist, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid
beanstandet wird. Dies setzt voraus, dass sich der Beschwerdeführer wenigstens
kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheides auseinandersetzt (BGE 134
II 244). Insoweit die Beschwerdeführerin das Vorgehen der Polizei und der
Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit der Hausdurchsuchung kritisiert
(Beschwerde, S. 5 ff., Ziff. 3-5 sowie die ergänzenden Anmerkungen) und sich
nicht mit den diesbezüglichen Ausführungen der Vorinstanz auseinandersetzt, ist
auf ihre Beschwerde nicht einzutreten.

1.3. Ebenfalls nicht einzutreten ist auf ihr Vorbringen, sie habe durch die
Hausdurchsuchung und die Beschlagnahmen materielle und immaterielle Schäden
erlitten (Beschwerde, S. 3 ff.). Sie erwähnt zwar, es hätte eine "willkürliche
und arbiträre Beweiswürdigung" stattgefunden (Beschwerde, S. 3 unten), zählt in
der folgenden Begründung jedoch lediglich die angeblichen Verfehlungen der
Untersuchungsbehörden auf, ohne auf die vorinstanzlichen Erwägungen einzugehen.
Eine Ausnahme bildet die Bemerkung (Beschwerde, S. 4 lit. h.), die Vorinstanz
behaupte tatsachenwidrig, ihre finanziellen Forderungen gingen über die
ursprünglich gestellten Forderungen hinaus. Diese Ausführung genügt den
Begründungsanforderungen jedoch nicht.

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin rügt sinngemäss, die Vorinstanz verweigere ihr zu
Unrecht einen unentgeltlichen Rechtsbeistand. Damit verletze sie Art. 29 Abs. 3
BV. Ihre Existenzgrundlage sei durch die Beschlagnahme ihres Eigentums in
Gefahr geraten, weshalb sie nicht in der Lage sei, die Kosten für einen
Rechtsbeistand selbst zu tragen und ihre Rechte wirksam wahrzunehmen
(Beschwerde, S. 3).

2.2. Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführerin sei kein Schaden erwachsen,
da die zuständige Staatsanwältin bereits am 8. August 2012 ihre Absicht bekannt
gegeben habe, das Verfahren einzustellen. Die von der Beschwerdeführerin
beauftragte Verteidigerin habe jedoch erst am 15. August 2012 interveniert als
die Verfahrenseinstellung bereits angekündigt gewesen sei. In diesem Zeitpunkt
seien die Voraussetzungen für eine amtliche Verteidigung nicht mehr gegeben
gewesen. Eine Entschädigung für Aufwendungen zur angemessenen Ausübung von
Verfahrensrechten gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO sei ebenfalls nicht
geschuldet, da nach der angekündigten Einstellung des Verfahrens keine
Verteidigung mehr angebracht gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe mit ihrer
Eingabe vom 12. August 2012 an die Staatsanwaltschaft im Übrigen aufgezeigt,
dass sie selber in der Lage sei, ihre Rechte wahrzunehmen. Sie habe eigenen
Angaben zufolge den anwaltlichen Beistand lediglich gebraucht, um finanzielle
Ansprüche geltend zu machen. Diese seien jedoch im konkreten Fall nicht
nachvollziehbar. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen rührten gemäss
Arztzeugnis vom 25. Mai 2012 und zweier weiterer Zeugnisse im Übrigen nicht von
den Folgen der polizeilichen Untersuchungsmassnahmen her. Besonders schwere
Verletzungen ihrer persönlichen Verhältnisse im Sinne von Art. 429 Abs. 1 lit.
c StPO lägen nicht vor (Urteil, S. 6 ff.).

2.3. Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird
das Verfahren gegen sie eingestellt, so hat sie nach Art. 429 Abs. 1 lit. a
StPO Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung
ihrer Verfahrensrechte und gemäss lit. c derselben Bestimmung Anspruch auf
Genugtuung für besonders schwere Verletzungen ihrer persönlichen Verhältnisse,
insbesondere bei Freiheitsentzug.

2.4. Das Bundesgericht hat sich in einem neueren Leitentscheid ausführlich mit
Art. 429 Abs. 1 lit a StPO auseinandergesetzt (vgl. BGE 138 IV 197 E. 2.3 mit
zahlreichen Hinweisen). Der Staat übernimmt die entsprechenden Kosten nur, wenn
der Beistand angesichts der tatsächlichen oder rechtlichen Komplexität
notwendig war und der Arbeitsaufwand sowie das Honorar des Anwalts
gerechtfertigt waren. Ein Anspruch auf Entschädigung für Verteidigungskosten im
Falle einer Verfahrenseinstellung oder eines Freispruchs gestützt auf Art. 429
Abs. 1 lit. a StPO besteht nicht nur in den Fällen der notwendigen
Verteidigung, sondern auch, wenn eine amtliche Verteidigung hätte angeordnet
werden müssen. Ob der Beizug eines Wahlverteidigers und der von diesem
betriebene Aufwand eine angemessene Ausübung der Verfahrensrechte im Sinne von
Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO darstellen, prüft das Bundesgericht frei. Es
auferlegt sich indessen eine gewisse Zurückhaltung gegenüber der
vorinstanzlichen Einschätzung, insbesondere hinsichtlich der Frage, welcher
Aufwand des Verteidigers im konkreten Fall noch als angemessen zu bezeichnen
ist.
Das Bundesgericht führt im erwähnten Entscheid weiter aus, dass das materielle
Strafrecht und das Strafprozessrecht für prozessungewohnte Personen eine
Belastung und grosse Herausforderung darstellen. Wer sich selbst verteidigt,
dürfte deshalb prinzipiell schlechter gestellt sein. Dies gilt grundsätzlich
unabhängig von der Schwere des Deliktsvorwurfs. Im Übrigen sind beim Entscheid
über die Angemessenheit des Beizugs eines Anwalts neben der Schwere des
Tatvorwurfs und der tatsächlichen sowie rechtlichen Komplexität des Falls
insbesondere auch die Dauer des Verfahrens und dessen Auswirkungen auf die
persönlichen und beruflichen Verhältnisse der beschuldigten Person zu
berücksichtigen.

2.5. Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, indem sie von einer
Entschädigung für die Anwaltskosten der Beschwerdeführerin absah. Sie führt
zutreffend aus, dass die Verfahrenseinstellung bereits angekündigt gewesen war
als die Verteidigerin der Beschwerdeführerin ihre erste Rechtsschrift
einreichte. Die Vorinstanz verletzt auch nicht das ihr zustehende Ermessen,
weil sie der Beschwerdeführerin mit Blick auf ihre eigene Eingabe vom 12.
August 2012 an die Staatsanwaltschaft zubilligte, ihre Rechte selber wahrnehmen
zu können. Die Vorinstanz verneint zudem zu Recht einen Genugtuungsanspruch der
Beschwerdeführerin für besonders schwere Verletzungen ihrer persönlichen
Verhältnisse. Diese legt denn auch nicht dar, inwiefern die drei Arztzeugnisse,
die eine Kausalität zwischen den gesundheitlichen Beeinträchtigungen und den
polizeilichen Untersuchungsmassnahmen verneinen, unzutreffend wären. Dies ist
auch nicht ersichtlich.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihr Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen, da die
Beschwerde von vornherein aussichtslos erschien. Ihrer finanziellen Lage ist
mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn,
Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Juni 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Keller

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