Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.247/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_247/2013

Urteil vom 13. Januar 2014

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber Näf.

Verfahrensbeteiligte
D.________,
vertreten durch Fürsprecher Patrick Lafranchi,
Beschwerdeführer,

gegen

Schweizerische Bundesanwaltschaft, 3003 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Kosten- und Entschädigungsfolgen, Genugtuung; Willkür, Unschuldsvermutung,

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesstrafgerichts, Strafkammer, vom 21. März
2012.

Sachverhalt:

A.

 Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts sprach D.________ neben weiteren
Beschuldigten mit Urteil vom 21. März 2012 (von den Vorwürfen der Beteiligung
an einer kriminellen Organisation beziehungsweise der Unterstützung einer
solchen sowie der qualifizierten Geldwäscherei) frei. Sie bestätigte den
Freispruch gemäss ihrem Entscheid vom 8. Juli 2009, welchen das Bundesgericht
mit Urteil vom 22. Februar 2011 in Gutheissung der Beschwerde der
Bundesanwaltschaft aufgehoben hatte. Sie auferlegte D.________ Verfahrenskosten
im Umfang von Fr. 26'381.15. Sie verweigerte ihm die Ausrichtung einer
Entschädigung. Sie ordnete an, dass die bereits verfallene Kaution in der Höhe
von Fr. 500'000.-- zur Deckung der auf ihn entfallenden Kosten und der
Entschädigung verwendet wird und ein allfälliger Überschuss der
Eidgenossenschaft zufällt.

B.

 D.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil der
Strafkammer des Bundesstrafgerichts vom 21. März 2012 sei, soweit ihn
betreffend, in Bezug auf die Kosten- und Entschädigungsfolgen aufzuheben. Die
Verfahrenskosten seien vollumfänglich der Eidgenossenschaft aufzuerlegen. Es
seien ihm Entschädigungen von Fr. 72'300.-- für die zu Unrecht ausgestandene
Untersuchungs- beziehungsweise Sicherheitshaft und von Fr. 1'030'756.60 für die
angefallenen Verteidigungskosten zuzusprechen. Zudem seien ihm Schadenersatz
für die durch das Strafverfahren erlittenen wirtschaftlichen Nachteile und eine
Genugtuung in richterlich zu bestimmender Höhe zuzusprechen.

C.

 Das Bundesstrafgericht beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde sei
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.

 Die Bundesanwaltschaft hat auf eine Stellungnahme zur Beschwerde verzichtet.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Vorinstanz begründet die Kostenauflage trotz Freispruchs sehr
ausführlich. Sie stellt zunächst Erwägungen an, die für alle von ihr
freigesprochenen Beschuldigten gelten (Urteil E. 9.2.4 bis 9.2.6 S. 401 ff.),
und legt sodann dar, weshalb dem Beschwerdeführer trotz Freispruchs Kosten
aufzuerlegen sind (Urteil E. 9.2.10 S. 405).

 Die Vorinstanz erwägt unter anderem Folgendes.

 "Für alle Beschuldigten ... gilt in genereller Hinsicht was folgt: In der
anklagerelevanten Periode waren weder die Steuerhinterziehung zum Nachteil
eines ausländischen Staates noch die einfachen oder qualifizierten
Zollwiderhandlungen als strafrechtliche Tatbestände ausgestaltet. Damit war es
möglich, sich an Steuervergehen zum Nachteil eines ausländischen Staates zu
beteiligen, ohne sich in der Schweiz strafbar zu machen. Der Grund für diese
gesetzliche Regelung hatte indes nicht den Zweck, in der Schweiz eine Basis der
Straflosigkeit für die systematische finanzielle Schädigung anderer Staaten zu
schaffen. ... Die Beschuldigten haben die Schweiz als Basis für die
Organisation des Zigarettenschwarzhandels gewählt im Wissen darum, dass sie
sich in allen umliegenden Staaten als Kriminelle strafbar machen, in der
Schweiz jedoch straflos bleiben würden. Sie agierten deshalb von der Schweiz
aus und sie taten dies in systematischer Weise, im Wissen darum, dass sie den
italienischen Fiskus in enormem Umfang schädigen. Mit dem Aufbau einer
Geschäftsinfrastruktur in der Schweiz einzig zum Zwecke der den italienischen
Staat massiv schädigenden eigenen Bereicherung haben sie insoweit die
schweizerische Rechtsordnung in zweckwidriger Weise benutzt, um straflos zu
bleiben. Indirekt schädigten sie damit auch die in Art. 2 BV rechtlich
verankerten (politischen) Interessen der offiziellen Schweiz gegenüber einem
Nachbarstaat ... und verletzten hiermit ihre individuelle Pflicht zur
Verantwortung gegenüber dem Staat (Art. 6 BV ...) ..." (Urteil E. 9.2.4 S. 401
f.)

 "Die Beschuldigten unterhielten bewusst und in systematischer Weise
Geschäftskontakte zu notwendig kriminellen Milieus, d.h. zu einer Vielzahl von
Personen, gegen welche in Italien Strafverfahren wegen (z.T. organisierten)
Schmuggels, aber auch wegen mafiöser Vereinigung (Art. 416bis CPI) liefen ...
Damit bewegten sie sich bewusst im Grenzbereich, welcher die Gefahr mit sich
brachte, dass früher oder später auch gegen sie selbst strafrechtlich
vorgegangen würde. Diese Gefahr war ihnen stets bewusst und sie haben sie in
Kauf genommen. Das ergibt sich u.a. aus ihren Rückfragen bei Fachleuten ...,
aber auch aus dem Umstand, dass die Schweizer und Tessiner Presse bereits in
den frühen 90-er Jahren immer wieder von den Verknüpfungen des
Zigarettenschmuggels mit dem Drogenhandel und anderer Kriminalität berichtete
..." (Urteil E. 9.2.5 S. 402 f.)

 "... Durch das Verwenden von Decknamen und das Verschleiern der Waren- und
Geldflüsse ... handelten die Beschuldigten in konspirativer Art und Weise,
obschon dies in der Schweiz - im Ausland dagegen schon - nicht notwendig
gewesen wäre ... Dadurch provozierten sie regelrecht die Aufnahme der
Strafverfolgung durch die schweizerischen Behörden ... Mit der Verschleierung
und der unterlassenen Feststellung der Identitäten der Lieferanten, der
Bargeldboten, der wirtschaftlich Berechtigten an Konten und Sitzgesellschaften,
der Geschäftspartner überhaupt wurde gegen Pflichten nach Art. 3 ff. GwG,
welche mindestens A.________ und B.________ trafen, aber auch gegen Regeln der
transparenten Buch- und Geschäftsführung (Art. 959 OR) verstossen. Die
Beschuldigten ... haben überdies mit der Lieferung nach Montenegro bzw. den
damit zusammenhängenden Finanzdienstleistungen systematisch die vom 3. Juli
1992 bis 1998 geltenden Wirtschaftsmassnahmen gegenüber Jugoslawien (Serbien
und Montenegro) verletzt, insb. Art. 3 und 4 der Verordnung über
Wirtschaftsmassnahmen gegenüber Jugoslawien vom 3. Juni 1992 ... Im
Zusammenhang mit der Verschleierung der Warenflüsse wurden überdies
irreführende Rechnungen ... und Zollpapiere ... erstellt. Solche haben das
Verfahren wenn nicht veranlasst, so doch wesentlich erschwert ..." (Urteil E.
9.2.6 S. 403).

 In Bezug auf den Beschwerdeführer im Besonderen erwägt die Vorinstanz
Folgendes.

 "... Er hat von den Dienstleistungen von A.________, ohne welche der Handel
nicht möglich gewesen wäre, über lange Zeit profitiert. Dabei war ihm bewusst,
dass A.________ dadurch seine Pflichten als Finanzintermediär missachtete.
D.________ operierte mit irreführenden Fracht- und Zollpapieren, um den Waren-
und Geldfluss zu verschleiern ... A.________ seinerseits operierte - was
D.________ bekannt war ... - mit Decknamen und dem Splitting von Zahlungen.
Damit machte D.________ sich der Begehung von Urkundenfälschung zumindest
verdächtig. Dasselbe gilt für die zweifache Rechnungsstellung im Wissen darum,
dass damit die ausländischen Behörden in grossem Stil um Zoll- und
Steuerabgaben betrogen wurden. Zu erwähnen ist auch bei ihm die Verletzung der
Embargobestimmungen. D.________ verursachte dadurch die Einleitung und
Fortführung der Strafuntersuchung, da die Verletzung der Embargobestimmungen
verwaltungsstrafrechtlicher Ahndung unterlag. Der Abgabebetrug gegen einen
ausländischen Staat ist zudem ein rechtshilfefähiges Delikt und es fand seit
Jahren ein Rechtshilfeverkehr mit Italien statt, wovon er als Betroffener
wissen musste. Weiter führte das lügnerische Verhalten von D.________ sowie
sein Katz-und-Maus-Spiel mit den Behörden zu einem zusätzlichen
Verfahrensaufwand ..." (Urteil E. 9.2.10 S. 405).

1.2. Der Beschwerdeführer erhebt gegen die Kostenauflage und ihre Begründung
zahlreiche Einwände. Er macht geltend, die Ausführungen der Vorinstanz stellten
blosse Behauptungen dar, und die vorinstanzlichen Feststellungen seien
willkürlich. Weder in der Anklageschrift noch in der Begründung des
vorinstanzlichen Urteils werde ausgeführt, welche Zoll- und Frachtpapiere
inwiefern inhaltlich falsch beziehungsweise irreführend seien und inwiefern er
hiefür verantwortlich sei. Die diesbezüglichen Feststellungen der Vorinstanz
stünden in klarem Widerspruch zur tatsächlichen Situation. Er habe sämtliche
Dokumente seiner Geschäftstätigkeit aufbewahrt, und daher habe die
Bundesanwaltschaft auch noch lange Zeit nach seinem definitiven Ausstieg aus
dem Zigarettenhandel per Ende 1997 die vollständigen Belege über den getätigten
Handel beschlagnahmen können. Die Feststellung, er habe durch zweifache
Rechnungsstellung ausländische Behörden um Zoll- und Steuerabgaben betrogen,
sei willkürlich und werde durch die von der Vorinstanz zitierten Dokumente
nicht belegt. Der Vorwurf, er habe durch lügnerisches Verhalten sowie durch ein
Katz-und-Maus-Spiel einen zusätzlichen Verfahrensaufwand verursacht, werde im
angefochtenen Urteil nicht begründet und sei willkürlich. Unhaltbar sei auch
der Vorwurf, er sei durch das Verwenden von Decknamen und das Verschleiern von
Waren- und Geldflüssen in höchst konspirativer Weise vorgegangen. In Tat und
Wahrheit hätten bei ihm noch sechs Jahre nach Aufgabe der Geschäftstätigkeit
sämtliche Unterlagen jedes einzelnen Zigarettentransports aufgefunden und
beschlagnahmt werden können. Der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs respektive der
Verletzung der Pflicht zur individuellen Verantwortung gegenüber dem Staat sei
unberechtigt. Der schweizerische Gesetzgeber habe in Kenntnis der Auswirkungen
die gesetzliche Regelung aufrechterhalten, wonach Steuerhinterziehung zum
Nachteil eines anderen Staates nicht strafbar war. Die Behauptung, er habe
gegen Artikel 3 ff. GwG beziehungsweise gegen Regeln der transparenten
Buchführung verstossen, sei unhaltbar. Im Weiteren macht der Beschwerdeführer
geltend, selbst auf der Grundlage des von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalts verletzten die Kostenauflage und die Verweigerung einer
Entschädigung Bundesrecht. Die Vorinstanz werfe ihm vor, er habe sich der
Begehung von Urkundendelikten zumindest verdächtig gemacht, und lege ihm zur
Last, er habe gegen Art. 3 ff. GwG, gegen die Regeln der transparenten Buch-
und Geschäftsführung (Art. 959 OR) und gegen die Bestimmungen der Verordnung
über Wirtschaftsmassnahmen gegenüber Jugoslawien verstossen. Diese Vorwürfe
erweckten beim juristischen Laien den Eindruck einer strafrechtlichen
Missbilligung seines Verhaltens durch die Vorinstanz, zumal die genannten
Verstösse allesamt strafbar seien. Die vorinstanzliche Begründung verletze
damit die in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerte
Unschuldsvermutung. Im Weiteren macht der Beschwerdeführer geltend, es bestehe
kein Kausalzusammenhang zwischen seinem Verhalten beziehungsweise den ihm zur
Last gelegten Regelverstössen und der Einleitung eines Strafverfahrens wegen
Beteiligung respektive Unterstützung einer kriminellen Organisation und wegen
qualifizierter Geldwäscherei. Das Strafverfahren sei eingeleitet worden, weil
zum einen die Schweiz sich dem Druck ausländischer Staaten habe beugen müssen,
deren Vertreter nicht länger geduldet hätten, dass die Schweiz Rechtshilfe
unter Hinweis auf das Fehlen der beidseitigen Strafbarkeit weiterhin
verweigerte, und weil zum anderen der Verdacht aufkam, dass italienische
kriminelle Organisationen in den Zigarettenhandel involviert sein könnten. Die
Vorinstanz begründe auch nicht, welches angeblich lügnerische Verhalten des
Beschwerdeführers in welchem Ausmass zu einem zusätzlichen Verfahrensaufwand
geführt habe.

1.3. Wird das Verfahren eingestellt oder die beschuldigte Person
freigesprochen, so können ihr die Verfahrenskosten ganz oder teilweise
auferlegt werden, wenn sie rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des
Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat (Art. 426 Abs. 2
StPO). Die schweizerische Strafprozessordnung übernimmt den gemäss der
Rechtsprechung des Bundesgerichts und der EMRK-Organe geltenden Grundsatz, dass
bei Verfahrenseinstellung und bei Freispruch die Verfahrenskosten der
beschuldigten Person nur auferlegt werden dürfen, wenn sie die Einleitung des
Strafverfahrens in widerrechtlicher und schuldhafter Weise veranlasst oder
dessen Durchführung erschwert hat (Botschaft des Bundesrates vom 21. Dezember
2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085 ff., 1326;
Begleitbericht des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom Juni
2001 zum Vorentwurf für eine Schweizerische Strafprozessordnung, S. 286 f.).
Nach der Rechtsprechung handelt es sich bei der Kostenpflicht im Falle einer
Verfahrenseinstellung oder eines Freispruchs nicht um eine Haftung für ein
strafrechtliches Verschulden, sondern um eine zivilrechtlichen Grundsätzen
angenäherte Haftung für ein fehlerhaftes Verhalten, durch welches die
Einleitung oder Erschwerung eines Strafverfahrens verursacht wurde. Eine
Kostenauflage bei Verfahrenseinstellung oder bei Freispruch verstösst gegen den
Grundsatz der Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK), wenn
der beschuldigten Person in der Begründung des Kostenentscheids direkt oder
indirekt vorgeworfen wird, sie habe sich strafbar gemacht beziehungsweise es
treffe sie ein strafrechtliches Verschulden. Dagegen ist es mit Verfassung und
Konvention vereinbar, einer nicht verurteilten beschuldigten Person Kosten zu
überbinden, wenn sie in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise, d.h. im Sinne einer
analogen Anwendung der sich aus Art. 41 OR ergebenden Grundsätze, gegen eine
geschriebene oder ungeschriebene Verhaltensnorm, die sich aus der Gesamtheit
der schweizerischen Rechtsordnung ergeben kann, klar verstossen und dadurch das
Strafverfahren veranlasst oder dessen Durchführung erschwert hat (BGE 119 Ia
332 E. 1b; 116 Ia 162 E. 2; Urteil 1P.805/2006 vom 14. September 2007 E. 4.2,
in: Pra 2008 Nr. 34 S. 235; Urteil 6B_835/2009 vom 21. Dezember 2009 E. 1.2).
Die Kostenauflage darf sich in tatsächlicher Hinsicht nur auf unbestrittene
oder bereits klar nachgewiesene Umstände stützen (BGE 112 Ia 371 E. 2a; Urteil
1B_180/2012 vom 24. Mai 2012 E. 2.2). Zwischen dem zivilrechtlich vorwerfbaren
Verhalten und den durch die Untersuchung entstandenen Kosten muss ein
Kausalzusammenhang bestehen (BGE 116 Ia 162 E. 2; Urteil 6B_835/2009 vom 21.
Dezember 2009 E. 1.2). Das Sachgericht muss die Kostenauflage bei Freispruch
begründen. Es muss darlegen, inwiefern die beschuldigte Person durch ihr
Handeln in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise gegen eine Verhaltensnorm klar
verstossen hat (Urteil 1P.164/2002 vom 25. Juni 2002 in: Pra 2002 Nr. 203 S.
1067).

1.4.

1.4.1. Die Vorinstanz legt nicht dar, durch welche Verhaltensweisen der
Beschwerdeführer inwiefern gegen Pflichten nach Art. 3 ff. GwG respektive gegen
Regeln der transparenten Buch- und Geschäftsführung (Art. 959 OR)
beziehungsweise gegen Art. 3 und 4 der Verordnung über Wirtschaftsmassnahmen
gegenüber Jugoslawien (Serbien und Montenegro) vom 3. Juni 1992 (AS 1992 1203)
verstiess.

 Im Übrigen wären Verstösse gegen die genannten Bestimmungen strafbar (siehe
Art. 305ter StGB, Art. 6 der Verordnung über Wirtschaftsmassnahmen gegenüber
Jugoslawien, Art. 325 StGB). Gegen den Beschwerdeführer wurden indessen keine
Verfahren wegen derartigen Straftaten eingeleitet.

1.4.2. Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers kann nicht
damit begründet werden, dass dieser durch seine Beteiligung am
Zigarettenschmuggel nach Italien, durch welchen der italienische Fiskus
geschädigt wurde, seine Pflicht zur individuellen Verantwortung gegenüber dem
schweizerischen Staat (Art. 6 BV) verletzt hat. Die gesetzliche Regelung, nach
welcher ein solches Verhalten keine Straftat darstellte, entsprach dem Willen
des schweizerischen Gesetzgebers. Sie wurde aufrechterhalten, obschon auf der
Hand lag und bekannt war, dass davon Personen profitierten, die von der Schweiz
aus den Zigarettenschwarzhandel im Ausland organisierten.

1.4.3. Die Vorinstanz erwägt, dass auch der Beschwerdeführer mit doppelten
Zollpapieren beziehungsweise zweifacher Rechnungsstellung für ein und dieselben
Waren arbeitete und damit unter dem Verdacht der Begehung von Urkundendelikten
steht. Mit einem solchen Argument, wonach der Verdacht einer Straftat bestehe,
darf gemäss der zitierten Rechtsprechung die Kostenauflage nicht begründet
werden.

1.4.4. Es trifft zu, dass der Beschwerdeführer, entsprechend den Ausführungen
der Vorinstanz, Geschäftskontakte zu kriminellen Milieus unterhielt, d.h. zu
Personen, gegen welche in Italien Strafverfahren wegen (z.T. organisierten)
Schmuggels, aber auch wegen mafiöser Vereinigung (Art. 416bis CPI) liefen. Die
Vorinstanz legt indessen nicht dar, inwiefern solche Geschäftskontakte sowie
das Verwenden von Decknamen und das Verschleiern von Waren- und Geldflüssen
gemäss dem damals geltenden schweizerischen Recht rechtswidrig waren. Die
Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit dem Zigarettenschmuggel war nicht schon
rechtswidrig, weil der Beschwerdeführer sich in den Worten der Vorinstanz in
einem Grenzbereich bewegte, welcher die Gefahr mit sich brachte, dass früher
oder später auch gegen ihn strafrechtlich vorgegangen würde, und auch nicht,
weil er in konspirativer Art und Weise handelte.

1.5.

1.5.1. Die Vorinstanz begründet nicht, inwiefern zwischen dem ihres Erachtens
normwidrigen Verhalten des Beschwerdeführers und der übrigen Beschuldigten und
der Einleitung einer Strafuntersuchung ein Kausalzusammenhang besteht. Ein
solcher ist auch nicht ersichtlich. Die Strafuntersuchung wurde nicht
eingeleitet, weil der Beschwerdeführer und die übrigen Beschuldigten durch ihre
Geschäftstätigkeit im Rahmen des Zigarettenschmuggels angeblich gegen
irgendwelche Normen (Art. 959 OR, Art 3 ff. GwG, Art. 3 und 4 der Verordnung
über Wirtschaftsmassnahmen gegenüber Jugoslawien) verstiessen respektive ihre
individuelle Pflicht zur Verantwortung gegenüber dem Staat (Art. 6 BV)
verletzten. Die fragliche Geschäftstätigkeit wurde von den schweizerischen
Behörden, obschon ihnen diese in den Grundzügen bekannt war, während vieler
Jahre nicht verfolgt. Erst nachdem die Geschäftstätigkeit längst aufgegeben
worden war, eröffnete die schweizerische Bundesanwaltschaft am 7. Januar 2003
ein Ermittlungsverfahren zunächst gegen Unbekannt. Dies geschah offenkundig in
der Überlegung, dass italienische kriminelle Organisationen in den lukrativen
Zigarettenschmuggel involviert sein könnten und dass durch die fragliche
Geschäftstätigkeit einerseits der Tatbestand der Beteiligung an einer
kriminellen Organisation respektive der Unterstützung einer kriminellen
Organisation (Art. 260ter StGB) und andererseits der Tatbestand der
Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) durch Waschen von Vermögenswerten krimineller
Organisationen erfüllt worden sein könnte.

1.5.2. Die Vorinstanz begründet auch nicht, inwiefern und in welchem Umfang
durch welches ihres Erachtens normwidrige Verhalten des Beschwerdeführers die
Untersuchung zumindest erschwert wurde und dadurch zusätzliche Kosten
entstanden.

1.6. Die Kostenauflage verstösst gegen Bundesrecht, da nicht ersichtlich ist
beziehungsweise im angefochtenen Urteil nicht hinreichend begründet wird,
inwiefern welches Verhalten des Beschwerdeführers normwidrig war und inwiefern
respektive in welchem Umfang durch welches normwidrige Verhalten das Verfahren
eingeleitet beziehungsweise dessen Durchführung erschwert wurde.

 Die Beschwerde ist in Bezug auf die Kostenauflage gutzuheissen und der
angefochtene Entscheid in diesem Punkt (Dispositiv Ziff. IV/3) aufzuheben.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer beantragte im vorinstanzlichen Verfahren, es sei ihm
für die ausgestandene Untersuchungs- und Auslieferungshaft von 127
beziehungsweise 114 Tagen eine Entschädigung von insgesamt Fr. 72'300.-- zu
bezahlen. Es seien ihm Schadenersatz für die durch das Strafverfahren
erlittenen wirtschaftlichen Nachteile im richterlichen Ermessen sowie eine
Genugtuung in richterlich zu bestimmender Höhe zuzusprechen. Es sei ihm eine
Entschädigung für die Verteidigungskosten gemäss der eingereichten Kostennote
auszurichten (Urteil S. 18).

2.2. Die Vorinstanz entschied, dass dem Beschwerdeführer keine Entschädigung
ausgerichtet wird (Dispositiv Ziff. IV/4). Zur Begründung hält sie unter
Hinweis auf die diesbezüglichen Erwägungen fest, dass der Beschwerdeführer als
kostenpflichtig erkannt worden ist (siehe Urteil E. 10.3 S. 410 i.V.m. E.
9.2.10 S. 405).

2.3. Der Beschwerdeführer ficht die Verweigerung einer Entschädigung für Haft,
wirtschaftliche Nachteile, seelische Unbill und Verteidigungskosten an. Zur
Begründung verweist er auf seine Einwände gegen die Kostenauflage.

2.4. Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird
das Verfahren eingestellt, so hat sie gemäss Art. 429 Abs. 1 StPO Anspruch auf
(a) Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer
Verteidigungsrechte; (b) Entschädigung für wirtschaftliche Einbussen, die ihr
aus ihrer notwendigen Beteiligung am Strafverfahren entstanden sind; (c)
Genugtuung für besonders schwere Verletzungen ihrer persönlichen Verhältnisse,
insbesondere bei Freiheitsentzug. Die Strafbehörde prüft gemäss Art. 429 Abs. 2
StPO den Anspruch von Amtes wegen. Sie kann die beschuldigte Person auffordern,
ihre Ansprüche zu beziffern und zu belegen. Die Strafbehörde kann gemäss Art.
430 Abs. 1 lit. a StPO die Entschädigung oder Genugtuung herabsetzen oder
verweigern, wenn die beschuldigte Person rechtswidrig und schuldhaft die
Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat. Somit
können bei Verfahrenseinstellung und Freispruch Entschädigung und Genugtuung
unter den gleichen Voraussetzungen herabgesetzt oder verweigert werden, unter
welchen gemäss Art. 426 Abs. 2 StPO bei Verfahrenseinstellung und Freispruch
der beschuldigten Person die Verfahrenskosten ganz oder teilweise auferlegt
werden können.

2.5. Es ist nicht ersichtlich beziehungsweise wird im angefochtenen Urteil
nicht hinreichend begründet, inwiefern welches Verhalten normwidrig war und
inwiefern respektive in welchem Umfang durch welches normwidrige Verhalten das
Verfahren eingeleitet beziehungsweise dessen Durchführung erschwert wurde. Zur
Begründung kann auf die vorstehenden Erwägungen zur Kostenauflage (E. 1.4 und
1.5) verwiesen werden. Dispositiv Ziff. IV/4 betreffend Verweigerung einer
Entschädigung ist aufzuheben.

3.

 Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, so entscheidet es in der Sache
selbst oder weist diese zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück (Art. 107
Abs. 2 Satz 1 BGG).

 Der Beschwerdeführer meint, das Bundesgericht könne über die in der Beschwerde
gestellten Begehren, die ausschliesslich den Kosten- und den
Entschädigungspunkt betreffen, reformatorisch selbst entscheiden. Eine
Rückweisung an die Vorinstanz sei auch aus prozessökonomischen Gründen nicht
sinnvoll.

 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Es ist im Gegenteil sachgerecht,
dass die Vorinstanz als Sachgericht über die verschiedenen
Entschädigungsbegehren entscheidet.

4.

 Die Beschwerde ist gutzuheissen, das Urteil der Strafkammer des
Bundesstrafgerichts vom 21. März 2012 aufzuheben und die Sache zur neuen
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

 Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben und hat die
Eidgenossenschaft (Bundesanwaltschaft) dem Beschwerdeführer eine Entschädigung
zu zahlen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der Strafkammer des
Bundesstrafgerichts vom 21. März 2012, soweit den Beschwerdeführer betreffend,
aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

2. 
Es werden keine Kosten erhoben.

3. 
Die Eidgenossenschaft (Bundesanwaltschaft) hat den Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000 zu entschädigen.

4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesstrafgericht, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Januar 2014

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Näf

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