Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.215/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_215/2013

Urteil vom 27. Januar 2014

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte
Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Hohler,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Schuldfähigkeit, Willkür; mehrfache fahrlässige sexuelle Handlung mit einem
Kind; Wiedergutmachung,

Beschwerde gegen das Urteil und den Beschluss des Obergerichts des Kantons
Zürich, II. Strafkammer, vom 21. November 2012.

Sachverhalt:

A.

 Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat erhob am 30. November 2010 Anklage gegen
Y.________ wegen mehrfacher sexueller Nötigung, mehrfacher sexueller Handlungen
mit einem Kind, mehrfacher, teilweise versuchter Nötigung, mehrfacher einfacher
Körperverletzung und Tätlichkeiten zum Nachteil verschiedener Opfer.

B.

 Das Bezirksgericht Zürich sprach Y.________ am 9. September 2011 wegen
mehrfacher sexueller Nötigung, mehrfacher sexueller Handlungen mit einem Kind,
mehrfacher versuchter Nötigung, einfacher Körperverletzung sowie Tätlichkeiten
schuldig. Vom Vorwurf der versuchten Nötigung betreffend die Ereignisse vom 8.
Dezember 2008 und 24. August 2009 (Anklageziffern 4.2 und 4.5) sprach es in
frei. Auf die Vorwürfe der Nötigung, Körperverletzung und Tätlichkeiten
betreffend die Ereignisse vom 12. November 2008 sowie vom 19./20. Juli 2009
(Anklagepunkte 4.1 und 4.3) trat es nicht ein. Es verurteilte Y.________ zu
einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 33 Monaten, unter Anrechnung der
Untersuchungshaft von 7 Tagen, und zu einer Busse von Fr. 4'000.--. Den Vollzug
der Strafe schob es im Umfang von 19 Monaten auf. Die Probezeit setzte es auf
zwei Jahre fest.
Gegen das bezirksgerichtliche Urteil legten die Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich und Y.________ Berufung ein.
Das Obergericht des Kantons Zürich stellte am 21. November 2012 die teilweise
Rechtskraft des bezirksgerichtlichen Urteils fest (Beschlussziffer 3 betreffend
Schuldsprüche wegen Tätlichkeiten und mehrfacher versuchter Nötigung in den
Anklagepunkten 4.4, 4.6 und 4.7). Überdies sprach es Y.________ der sexuellen
Nötigung (Dispositivziffer 1 zum Anklagepunkt 1) und der mehrfachen sexuellen
Handlungen mit einem Kind (Dispositivziffer 1 zum Anklagepunkt 3) schuldig. Von
den Vorwürfen der sexuellen Nötigung (Dispositivziffer 2 zum Anklagepunkt 2)
und der mehrfachen, teilweise versuchten Nötigung (Dispositivziffer 2 zu den
Anklagepunkten 4.1, 4.2, 4.3 und 4.5) sprach es ihn frei. Das Verfahren wegen
einfacher Körperverletzung (Beschlussziffer 2 zu Anklagepunkt 4.3) stellte es
ein. Das Obergericht bestrafte Y.________ mit 32 Monaten Freiheitsstrafe unter
Anrechnung von 7 Tagen Untersuchungshaft sowie mit Fr. 4'000.-- Busse
(Dispositivziffer 4). Es schob den Vollzug der Freiheitsstrafe im Umfang von 20
Monaten bei einer Probezeit von drei Jahren auf. Im Übrigen (12 Monate)
erklärte es die Strafe für vollziehbar (Dispositivziffer 5).

C.

 Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt Y.________, es seien die
Dispositivziffern 1 Abs. 2, 4 und 5 des obergerichtlichen Urteils aufzuheben.
Das Verfahren wegen sexueller Handlungen mit einem Kind im Sinne von Art. 187
Ziff. 4 StGB sei einzustellen. Er sei mit einer bedingten Freiheitsstrafe von
12 Monaten bei einer Probezeit von drei Jahren zu bestrafen und mit Fr.
4'000.-- zu büssen. Eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer macht Willkür (Art. 9 BV i.V.m. Art. 189 StPO und
Art. 19 Abs. 2 StGB) sowie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs.
2 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO) geltend. Die Vorinstanz stelle auf das in
formeller und materieller Hinsicht mangelhafte Gutachten des amtlichen
Sachverständigen ab, ohne die umfangreiche Kritik der Privatgutachter zu
überprüfen und deren Erkenntnisse inhaltlich zu würdigen (Beschwerde, S. 20-30
sowie S. 33-37). Sie habe seine Anträge auf Anhörung und Einvernahme der
Privatgutachter in Verletzung des rechtlichen Gehörs abgewiesen (Beschwerde, S.
31-33). Im Übrigen habe der amtliche Sachverständige das Privatgutachten von PD
Dr. med. A.________ nicht vorurteilslos und unbefangen gewürdigt. Jener habe
als Mitglied der Fachkommission für psychiatrische Gutachten am Beschluss
mitgewirkt, PD Dr. med. A.________ nicht in die "Kategorie A" des
Sachverständigenverzeichnisses des Kantons Zürich aufzunehmen (vgl. Beschwerde,
S. 38; Beschwerdebeilage 5). Die Vorinstanz hätte sich deshalb besonders
intensiv mit dem Privatgutachten und der darin geäusserten Kritik an den
Schlussfolgerungen des amtlichen Experten befassen müssen. Das habe sie
willkürlich nicht getan (Beschwerde, S. 37-39).

1.2. Ob ein Gericht die in einem Gutachten oder Fachbericht enthaltenen
Erörterungen für überzeugend hält oder nicht und ob es dementsprechend den
Schlussfolgerungen der Experten folgen soll, ist eine Frage der
Beweiswürdigung, die mit Beschwerde an das Bundesgericht wegen Verletzung des
Willkürverbots aufgeworfen werden kann. Dasselbe gilt für die Frage, ob ein
Gutachten in sich schlüssig ist. Das Gericht darf in Fachfragen nicht ohne
triftige Gründe von unabhängigen Gutachten abweichen und muss Abweichungen
begründen. Erscheint dem Gericht die Schlüssigkeit eines Gutachtens in
wesentlichen Punkten zweifelhaft, hat es nötigenfalls ergänzende Beweise zur
Klärung dieser Zweifel zu erheben. Das Abstellen auf eine nicht schlüssige
Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen
kann gegen das Verbot der Willkür verstossen (BGE 136 II 539 E. 3.2 S. 547 f.;
130 I 337 E. 5.4.2 S. 345).
Privatgutachten haben nicht den gleichen Stellenwert wie ein Gutachten, das von
der Untersuchungsbehörde oder vom Gericht eingeholt wurde. Nach der konstanten
Praxis des Bundesgerichts, welche auch unter der Geltung der StPO nicht in
Frage gestellt wird, bilden Privatgutachten blossen Bestandteil der
Parteivorbringen. Die Qualität von Beweismitteln kommt ihnen nicht zu (BGE 132
III 83 E. 3.4 S. 87 f. mit Hinweisen; vgl. Urteil 6B_49/2011 vom vom 4. April
2011 E. 1.4). Ein Parteigutachten ist (nur) geeignet, die Erstellung eines
(zusätzlichen) Gutachtens zu rechtfertigen oder darzulegen, dass das
gerichtliche oder amtliche Gutachten mangelhaft (im Sinne von Art. 189 lit. a-c
StPO) oder nicht schlüssig ist (Urteile 6B_272/2012 vom 29. Oktober 2012 E.
2.3; 6B_48/2009 vom 11. Juni 2009 E. 4.2 mit Hinweisen). Ob es die
Überzeugungskraft eines gerichtlichen oder amtlichen Gutachtens zu erschüttern
vermag, ist fraglich (Urteil 6B_283/2007 vom 5. Oktober 2007 E. 2 mit
Hinweisen).
Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 29 Abs. 2 BV liegt
vor, wenn ein Gericht auf die Abnahme beantragter Beweismittel verzichtet, weil
es aufgrund der bereits abgenommenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und
ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine
Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht erschüttert würde (BGE 136 I
229 E. 5.2 und 5.3 S. 236 f.; 134 I 140 E. 5.3. mit Hinweisen).

1.3.

1.3.1. Das amtliche Gutachten von PD Dr. med. B.________ datiert vom 16.
Dezember 2010. Darin werden dem Beschwerdeführer eine
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und eine kombinierte
Persönlichkeitsstörung mit narzisstisch-histrionischen Merkmalen
diagnostiziert. Der Sachverständige schätzt die beiden Störungen auch in ihrer
Kombination nicht als schwerwiegend ein. Die ADHS-Symptomatik falle in einen
Grenzbereich psychischer Störungen. Zwischen der ADHS-Symptomatik des
Beschwerdeführers und den Deliktvorwürfen sei ein relevanter Zusammenhang nicht
erkennbar. Der Beschwerdeführer sei im Tatzeitpunkt trotz der vorgenannten
Störungen zur Einsicht in das Unrecht der Taten und zum Handeln gemäss dieser
Einsicht fähig gewesen (Entscheid, S. 151).

1.3.2. Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer focht das amtliche Gutachten
vor erster Instanz nicht an (erstinstanzlicher Entscheid, S. 83). Er
unterbreitete es im Berufungsverfahren jedoch drei Privatgutachtern. Ihrer
Auffassung zufolge genügt das amtliche Gutachten den Anforderungen an ein
fachgerechtes psychiatrisches Gutachten nicht. Sie bezeichnen die
Schussfolgerungen des amtlichen Experten insbesondere zur Frage der Schwere der
ADHS und der Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers als unvollständig und
unzutreffend (vgl. Entscheid, S. 22 mit Hinweis auf die Behandlungsberichte von
Prof. Dr. med. C.________ vom 22. Januar und 14. Juni 2012, die fachärztliche
Stellungnahme von Dr. med. D.________ vom 21. August 2012 und das
Privatgutachten [mit eigener psychiatrischer Beurteilung des Beschwerdeführers]
von PD Dr. med. A.________ vom 25. September 2012).

1.3.3. Der amtliche Gutachter nahm am 31. Oktober 2012 schriftlich Stellung zu
den Einwendungen der Privatgutachter und beantwortete die Fragen, welche ihm
die Vorinstanz in Ergänzung seines Gutachtens zur Beantwortung unterbreitete
(Entscheid, S. 22 f. mit Hinweis auf das Instruktionsschreiben vom 14.
September 2012). Diese Gutachtensergänzung wurde der Verteidigung des
Beschwerdeführers zugestellt. Die Privatgutachter liessen sich mit
umfangreichen Eingaben zur Gutachtensergänzung des amtlichen Experten vernehmen
(Entscheid, S. 23).

1.3.4. Anlässlich der Berufungsverhandlung vom 21. November 2012 wurde der
amtliche Gutachter als sachverständige Person eingehend befragt. Der
Beschwerdeführer konnte Ergänzungsfragen stellen (Entscheid, S. 23).

1.4.

1.4.1. Die Vorinstanz durfte das amtliche Gutachten vom 16. Dezember 2010
entgegen dem Standpunkt in der Beschwerde (S. 33-37) willkürfrei als schlüssig
qualifizieren. Es beruht auf der Aktenlage, eigenen Untersuchungen des
amtlichen Sachverständigen sowie zusätzlichen testpsychologischen Abklärungen
durch eine weitere Fachperson. Die Ausführungen des Sachverständigen zur
Diagnose sowie zum Schweregrad der festgestellten psychischen Störungen
(Quantifizierung) und zu deren Auswirkungen auf die Handlungskompetenz des
Beschwerdeführers sind plausibel und in sich widerspruchsfrei.
In seiner schriftlichen Gutachtensergänzung vom 31. Oktober 2012 beantwortet
der amtliche Sachverständige die Fragen, welche ihm die Vorinstanz gestützt auf
die fachlichen Einwendungen der Privatgutachter u.a. zu seiner Kompetenz und zu
angeblichen formellen und materiellen Mängeln seines Gutachtens (u.a. zur
fehlenden Fremdanamnese, zur unvollständigen Medikationsanamnese und zu
angeblich ungenügenden Abklärungen des Behandlungsverlaufs etc.) unterbreitete.
Er tut dies in objektiver und anschaulicher Weise (vgl. kantonale Akten, act.
240, Stellungnahme vom 31. Oktober 2012, S. 26 beispielsweise zur fehlenden
Fremdanamnese oder zur Medikationsanamnese S. 26 f.). Gleichzeitig nimmt er
Stellung zu den Eingaben der Privatgutachter, deren Einwendungen er in den
zentralen Punkten mit sachlichen Argumenten entkräftet (vgl. kantonale Akten,
act. 240, beispielsweise S. 5 f. zur Verlaufsform der ADHS und zur Problematik
ihrer Schwere; S. 6 f. zur Bedeutung der ADHS für die vorgeworfenen Delikte).
Insbesondere geht er auf die psychiatrische Beurteilung des Beschwerdeführers
durch PD Dr. med. A.________ ein und zeigt plausibel auf, weshalb er dessen
fachärztliche Meinung nicht teilt (vgl. kantonale Akten, act. 240, S. 19-25).
Dass der amtliche Gutachter die privatgutachterlichen Einwendungen in einem
"eigentlichen Rundumschlag" zurückwies und sich damit inhaltlich nicht oder nur
am Rande befasste, ist nicht ersichtlich (so aber Beschwerde, S. 37). Die
diesbezügliche Kritik des Beschwerdeführers ist appellatorisch.
In seinen Ausführungen anlässlich der Befragung vor Vorinstanz am 21. November
2012 spricht sich der amtliche Sachverständige erneut zur Schwere der
ADHS-Problematik aus sowie zur Auswirkung von Alkohol auf die Wissens- und
Steuerungsfähigkeit eines Menschen mit einem ADHS (vgl. kantonale Akten, act.
252, Einvernahme des amtlichen Gutachters, beispielsweise S. 5 ff. und S. 8
ff.). Seine Aussagen sind wiederum klar und verständlich. Sie zeichnen im
Verbund mit dem Gutachten vom 16. Dezember 2010 und dessen Ergänzung vom 31.
Oktober 2012 ein vollständiges und differenziertes Bild. Die Einwendungen in
den Privatgutachten vermögen die Qualität der Ausführungen des amtlichen
Sachverständigen und dessen Kompetenz nicht in Frage zu stellen. Die Vorinstanz
hatte keine Veranlassung, vom amtlichen Gutachten abzuweichen. Sie durfte ohne
Verfassungsverletzung darauf abstellen.

1.4.2. Die Vorinstanz setzte sich bereits im Rahmen des Instruktions- und
Beweisverfahrens einlässlich mit der Kritik der Privatgutachter am amtlichen
Gutachten auseinander (vgl. vorstehend E. 1.3.3 und 1.3.4). Das ergibt sich
nicht nur aus ihrem Fragenkatalog, den sie dem amtlichen Sachverständigen
gemäss Instruktionsschreiben vom 14. September 2012 in Ergänzung seines
Gutachtens zur Beantwortung unterbreitete, sondern auch aus der Einvernahme des
amtlichen Sachverständigen anlässlich der Berufungsverhandlung. Mit ihren
Fragen nahm die Vorinstanz gezielt auf, was Kern der privatgutachterlichen
Beanstandungen bildet. Dem amtlichen Gutachter wurde dadurch ermöglicht, auf
die Vorwürfe und Argumente der Privatgutachter zu reagieren. Schon aus diesen
Gründen ist der Vorwurf, die Vorinstanz habe sich in Verletzung des rechtlichen
Gehörs mit den Privatgutachten inhaltlich nur rudimentär und nicht ernsthaft
auseinandergesetzt, ungerechtfertigt.
Die Vorinstanz befasst sich aber auch im angefochtenen Entscheid eingehend mit
der Kritik, welche die Privatgutachter am amtlichen Gutachten üben (vgl. u.a.
Entscheid, S. 153 f. zur Kritik, der amtliche Gutachter verfüge nicht über
vertiefte klinisch-therapeutische Erfahrungen mit ADHS; Entscheid, S. 154 f.
zum Vorwurf, es seien keine Abklärungen über die bisherigen therapeutischen
Behandlungen des Beschwerdeführers und zur Medikationsanamnese vorgenommen
worden; Entscheid, S. 155 f. zur Kritik der fehlenden Fremdanamnese; Entscheid,
S. 157 f., zur Frage der Bedeutung der ADHS im bisherigen Leben des
Beschwerdeführers). Dass sie bei ihrer Überprüfung massgeblich auf die
Ausführungen des amtlichen Sachverständigen zurückgreift, liegt mit Blick auf
die im Streite liegenden psychiatrisch-forensischen Fachfragen in der Natur der
Sache. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist - auch im Sinne der
richterlichen Begründungspflicht (Beschwerde, S. 33) - nicht erkennbar.

1.4.3. Soweit der Beschwerdeführer einwendet, die Vorinstanz hätte sich wegen
Befangenheit des amtlichen Sachverständigen besonders gründlich mit den
Privatgutachten auseinandersetzen müssen (Beschwerde, S. 37 f., S. 38), bleibt
unklar, was er rügen will. Einen formellen Befangenheitsantrag stellt er nicht.
Ebenso wenig macht er geltend, das Gutachten vom 16. Dezember 2010 sowie die
Gutachtensergänzung vom 31. Oktober 2012 könnten wegen Befangenheit des
amtlichen Sachverständigen nicht verwertet werden. Der Beschwerdeführer
vermengt Fragen der Befangenheit mit Aspekten der Beweiswürdigung. Im Ergebnis
will er den Privatgutachten wegen der angeblichen Voreingenommenheit des
amtlichen Gutachters erhöhte Beweiskraft zuerkennen. Abgesehen davon, dass eine
Befangenheit des amtlichen Sachverständigen gestützt auf die Ausführungen in
der Beschwerde nicht ersichtlich ist, befasst sich die Vorinstanz mit den
Privatgutachten in den zentralen Punkten eingehend und ohne
Verfassungsverletzung (vorstehend E. 1.4.2). Das Vorbringen geht fehl.

1.4.4. Keinen Verstoss gegen das rechtliche Gehör und die Verfahrensfairness
begründet der Umstand, dass die Vorinstanz die Beweisanträge des
Beschwerdeführers auf Einvernahme der Privatgutachter abwies und anlässlich der
Berufungsverhandlung einzig den amtlichen Sachverständigen befragte
(Beschwerde, S. 31 ff.). Die Privatgutachter hatten die Möglichkeit, sich
schriftlich zum amtlichen Gutachten vom 16. Dezember 2010 zu äusseren. Die
Vorinstanz konfrontierte den amtlichen Sachverständigen mit deren fachlichen
Einwendungen (vgl. kantonale Akten, act. 226, vorinstanzliches
Instruktionsschreiben vom 14. September 2012, s.a. kantonale Akten, act. 252;
vorinstanzliche Einvernahme des amtlichen Gutachters, S. 5). Zu der
Gutachtensergänzung des amtlichen Experten vom 31. Oktober 2012 liessen sich
die Privatgutachter erneut ausführlich vernehmen. Die Vorinstanz kannte deshalb
deren Standpunkt, insbesondere auch in Bezug auf die Beurteilung des
Schweregrades der diagnostizierten ADHS, hinlänglich. Sie durfte ohne
Verfassungsverletzung von einer Befragung der Privatgutachter in der
Berufungsverhandlung absehen (vgl. im Übrigen zum - abgelehnten - Recht auf
Replik des Privatgutachters zum Gerichtsgutachten: BGE 127 I 73). Die Kritik
des Beschwerdeführers stösst ins Leere. Der angefochtene Entscheid ist nicht zu
beanstanden.

2.

2.1. Die Vorinstanz verurteilte den Beschwerdeführer wegen mehrfacher
fahrlässiger sexueller Handlungen mit einem Kind gemäss Art. 187 Ziff. 4 StGB.
Eine Strafbefreiung wegen Wiedergutmachung im Sinne von Art. 53 StGB fällt
ihrer Ansicht nach ausser Betracht (Entscheid, S. 29-41). Der Beschwerdeführer
rügt eine Verletzung von Art. 53 StGB und Art. 8 StPO (Beschwerde, S. 40-49).

2.2. Art. 53 StGB regelt die Strafbefreiung bei Wiedergutmachung: Hat der Täter
den Schaden gedeckt oder alle zumutbaren Anstrengungen unternommen, um das von
ihm bewirkte Unrecht auszugleichen, so sieht die zuständige Behörde von einer
Strafverfolgung, einer Überweisung an das Gericht oder einer Bestrafung ab,
wenn die Voraussetzungen für die bedingte Strafe nach Art. 42 StGB erfüllt
(lit. a) und das Interesse der Öffentlichkeit und des Geschädigten an der
Strafverfolgung gering sind (lit. b).
Bei Strafbefreiung gemäss Art. 53 StGB ist nur ein Schuldspruch unter Verzicht
auf Strafe möglich. Eine Verfahrenseinstellung, wie sie der Beschwerdeführer
beantragt, fällt ebenso wie ein Freispruch ausser Betracht (BGE 135 IV 27 E.
2.3). Art. 8 StPO ändert hieran nichts (BGE 139 IV 220 E. 3.3. und 3.4).

2.3. Der Beschwerdeführer hatte mit E.________ vor deren 16. Geburtstag
mehrfach oralen und vaginalen sexuellen Verkehr (Entscheid, S. 170 ff., S. 172;
vgl. nachstehend E. 2.5.4).
Unbestritten ist, dass sich der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 53 StGB
ernsthaft darum bemühte, das von ihm begangene Unrecht auszugleichen. Er deckte
den immateriellen Schaden finanziell, suchte das Gespräch mit E.________ und
ihrer Mutter und entschuldigte sich bei dem Mädchen. Damit und mit seinem
vollumfänglichen Geständnis anlässlich der Hauptverhandlung übernahm er die
Verantwortung für die Tat (Entscheid, S. 31 ff.). Ebenfalls unbestritten ist,
dass einer Anwendung von Art. 53 StGB keine privaten Interessen entgegenstehen.
Das Mädchen E.________ bekräftigte mehrfach, sie hätte nie Strafanzeige gegen
den Beschwerdeführer erhoben. Die sexuellen Handlungen seien im gegenseitigen
Einverständnis erfolgt. Sie und ihre sorgeberechtigte Mutter unterzeichneten
neben einer "Vereinbarung im Rahmen der Versöhnung und Wiedergutmachung" eine
Desinteresseerklärung an der Strafverfolgung (Entscheid, S. 32 und 37).
Streitig ist einzig, ob die Voraussetzungen für eine bedingte Strafe vorliegen
und das Interesse der Öffentlichkeit an der Strafverfolgung gering ist.

2.4. Art. 53 lit. a StGB verlangt, dass die Voraussetzungen für die bedingte
Strafe erfüllt sind (Art. 42 Abs. 1 StGB). Wiedergutmachung ist mithin bis zu
einer Freiheitsstrafe von höchstens zwei Jahren möglich. Der Strafverzicht wird
damit bis in den Bereich der mittleren Kriminalität hinein erlaubt. Er scheidet
aus, wenn eine auch nur teilbedingte Strafe für das Delikt angezeigt erscheint.
Damit stellt Art. 53 StGB sicher, dass bei schwereren Strafen keine
Wiedergutmachung erfolgen kann (BGE 135 IV 12 E. 3.4.3).
Beim Erfordernis des geringen öffentlichen Strafverfolgungsinteresses im Sinne
von Art. 53 lit. b StGB geht es um das infolge der Unrechtswiedergutmachung
verringerte Strafbedürfnis der Allgemeinheit. Selbst wenn sich die Tatschwere
im Rahmen von Art. 53 lit. a StGB hält und volle Wiedergutmachung geleistet
wurde, entfällt das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nicht zwingend
(BGE 135 IV 12 E. 3.4.3). Zu beurteilen bleibt, ob die Verhängung einer Strafe
unter spezial- oder generalpräventiven Gesichtspunkten noch notwendig
erscheint. Während die Strafzwecke ganz allgemein zu berücksichtigen sind, ist
bei der Beurteilung der öffentlichen Strafverfolgungsinteressen auch nach den
betroffenen Rechtsgütern zu unterscheiden. Deshalb kann auch bei voller
Wiedergutmachung eine Strafbefreiung aus general- oder spezialpräventiven
Gründen unerwünscht sein oder, etwa im Bereich der Körperverletzung - oder
Sexualdelikte, nur zu einer Strafmilderung führen (vgl. BGE 135 IV 12 E. 3.4.3;
FRANZ RIKLIN, in: Basler Kommentar, Strafrecht I, 3. Aufl. 2013, Art. 53 Rz.
29; FELIX BOMMER, Bemerkungen zur Wiedergutmachung (Art. 53 StGB), in
forumpoenale 3/2008, S. 171 ff., S.174).

2.5. Die Vorinstanz verneint die Voraussetzungen für eine bedingte Strafe nach
Art. 53 lit. a StGB. Sie stellt für die Beurteilung dieser Frage nicht auf die
konkrete Straftat ab, für welche Wiedergutmachung im Sinne eines
Unrechtsausgleichs geleistet wurde, sondern auf die Gesamtheit der dem
Beschwerdeführer vorgeworfenen und zu einer Verurteilung führenden Straftaten
(Entscheid, S. 38 f.). Ob diese Rechtsauffassung richtig ist, erscheint
fraglich, kann aber dahingestellt bleiben, weil der Anwendung von Art. 53 StGB
ein nicht geringes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung entgegensteht
(Entscheid, S. 39 ff.).

2.5.1. Das Verbot sexueller Handlungen mit Kindern unter 16 Jahren nach Art.
187 StGB will die Gefährdung von Kindern oder Jugendlichen infolge verfrühter
sexueller Erfahrungen verhindern. Es geht in erster Linie darum, eine
ungestörte psychisch-emotionale Entwicklung des Kindes zu gewährleisten, bis es
die notwendige Reife erlangt hat, damit es zur freiverantwortlichen
Einwilligung in sexuelle Handlungen in der Lage ist. Insoweit handelt es sich
um einen generellen Schutz von Kindern unter 16 Jahren vor verfrühter und
deshalb ihre Entwicklung (möglicherweise) schädigender Sexualität (BGE 120 IV 6
E. 2c/aa; STEFANIA SUTER-ZÜRCHER, Die Strafbarkeit der sexuellen Handlungen mit
Kindern nach Art. 187 StGB, Diss. Zürich 2003, S. 32; PHILIPP MAIER, in: Basler
Kommentar, Strafrecht II, 3. Aufl., 2013, Art. 187 Rz. 1, ANDREAS DONATSCH,
Strafrecht III, 10. Aufl., Zürich 2013, § 58, S. 488).

2.5.2. Das geschützte Rechtsgut - die ungestörte sexuelle Entwicklung des
Kindes - ist ein hochwertiges Gut. Verfrühte bzw. nicht altersgemässe
Sexualkontakte bergen für jedes Kind das Risiko, in seiner
Persönlichkeitsbildung und Sexualentwicklung durch das Erlebte in irgendeiner
Form beeinträchtigt zu werden. Solche negativen Folgen werden beim Opfer oft
erst nach Jahren manifest, können dann aber gravierende und lang anhaltende
Wirkungen zeitigen (vgl. PHILIPP MAIER, a.a.O., Art. 187 Rz. 2; DERSELBE, Die
Nötigungsdelikte im neuen Sexualstrafrecht, Diss. Zürich 1994, S. 137 ff., S.
170 ff.). Welcher Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern
eingeräumt bzw. umgekehrt welcher Stellenwert der Verfolgung solcher Delikte
beigemessen wird und wie lange es dauern kann, bis das Opfer allfällige Folgen
überhaupt (umfassend) realisiert und sich für oder gegen eine Strafanzeige
entscheiden kann, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass der Gesetzgeber die
Verfolgungsverjährung bei allen unter Art. 187 StGB fallenden Delikten, also
auch bei der fahrlässigen Tatbegehung nach Ziff. 4, speziell regelte und stark
ausdehnte (vgl. BBl 2001 5738; zur Verjährungsregelung siehe DONATSCH, a.a.O.,
§ 57, S. 486 f.).

2.5.3. Angesichts der Hochwertigkeit des Rechtsgutes besteht aus
generalpräventiven Gründen ein eminentes Interesse der Öffentlichkeit, dass
sexueller Kindsmissbrauch grundsätzlich nicht straflos bleibt. Das wäre aber
sehr häufig der Fall, wenn bei der Frage der Wiedergutmachung das Interesse der
geschädigten Person ins Zentrum der Beurteilung gestellt würde. Denn das Opfer
willigt im Anwendungsbereich von Art. 187 StGB regelmässig in die sexuellen
Handlungen ein. Aus diesem Grund und weil es die möglicherweise drohenden
Langzeitfolgen noch nicht zu erkennen vermag, wird es in einem Strafverfahren
oft ohne weiteres Hand zu einer Wiedergutmachung bieten und ein Absehen von
Strafe befürworten. Auch der gesetzliche Vertreter wird wie hier in diesem
Zeitraum eine Strafverfolgung oft für nicht tunlich erachten, weil negative
Folgen (noch) nicht feststellbar sind und allfällig weiter reichende
Belastungen für das Opfer aus dem Strafverfahren befürchtet werden (Entscheid,
S. 40). Aus diesen Gründen ist bei der Straftat der sexuellen Handlungen mit
Kindern, auch wenn eine Strafbefreiung im Einzelfall nicht ausgeschlossen ist,
ein geringes Interesse der Öffentlichkeit an der Strafverfolgung im Sinne von
Art. 53 lit. b StGB nur mit grosser Zurückhaltung anzunehmen. Es kommt insoweit
massgeblich auf die konkreten Umstände des Tatgeschehens an. Dazu gehören u.a.
Alter, Altersdifferenz zwischen Täter und Opfer, Art und Umstände der
Tathandlungen sowie die Frage, ob allenfalls eine Liebesbeziehung zwischen den
Betroffenen besteht.

2.5.4. Vorliegend geht es um mehrfache sexuelle Handlungen mit einem Kind von
hoher Intensität, welche sich über eine knappe Woche erstreckten. Der
30-jährige Beschwerdeführer lernte die gerade 15 Jahre alt gewordene E.________
in dem von ihm betriebenen Nachtclub "F.________" kennen. In der Folge liess er
sich von ihr (zum Teil im Beisein eines weiteren Mädchens, welches ihn auf die
gleiche Weise bediente) mehrfach oral befriedigen. Nach den Feststellungen der
Vorinstanz war E.________ im Tatzeitpunkt "enthemmt" und "angeheitert". Der
Beschwerdeführer vollzog mit ihr überdies zweimal den vaginalen
Geschlechtsverkehr. Er wusste vor dem ersten Verkehr, dass das Mädchen noch
Jungfrau war (Entscheid, S. 41, S. 170 f.). Nach den vorinstanzlichen
Ausführungen handelte er knapp an der Grenze zum Eventualvorsatz, da er schon
frühzeitig den starken Verdacht hatte, dass E.________ noch nicht 16 Jahre alt
sein könnte (Entscheid, a.a.O.). Angesichts des konkreten Tatgeschehens,
insbesondere der Ausgestaltung der Tathandlungen und der Umstände, unter
welchen sie stattfanden, durfte die Vorinstanz aus generalpräventiven Gründen
ein gewichtiges Interesse an der Strafverfolgung bejahen und Art. 53 StGB nicht
anwenden. Die Bemühungen des Beschwerdeführers um Wiedergutmachung hat sie
unter dem Gesichtspunkt der aufrichtigen Reue im Sinne von Art. 48 lit. d StGB
stark strafsenkend berücksichtigt (Entscheid, S. 173). Der angefochtene
Entscheid verletzt kein Bundesrecht.

3.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die
Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Januar 2014

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill

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