Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.190/2013
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2013
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2013


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_190/2013

Urteil vom 13. Juni 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Keller.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Willy Bolliger-Kunz,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 20, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit; rechtliches
Gehör,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
3. Kammer, vom 8. Januar 2013.

Sachverhalt:

A.
Die Polizei forderte X.________ (Jg. 1938) anlässlich einer Verkehrskontrolle
in einem Kreisel in Möhlin mittels polizeilichem Haltezeichen auf, sein
Motorfahrzeug anzuhalten. X.________ reagierte zunächst nicht. Erst als ihm der
Polizeibeamte nachschrie, hielt er an der Kreiselausfahrt Richtung Zeiningen
kurz an. Als sich der Polizist seinem Fahrzeug näherte, beschleunigte er und
fuhr Richtung Zeinigen davon.

B.
Das Bezirksgericht Rheinfelden verurteilte X.________ am 17. August 2011 wegen
Nichtbeachtens eines polizeilichen Haltezeichens und Vereitelung von Massnahmen
zur Feststellung der Fahrunfähigkeit zu einer (unbedingten) Geldstrafe von 30
Tagessätzen zu Fr. 240.-- und zu einer Busse von Fr. 300.--. Das Obergericht
des Kantons Aargau wies die Berufung des Beschuldigten am 8. Januar 2013 ab.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben, und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen.

Erwägungen:

1.

1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches
Gehör. Zudem habe die Vorinstanz Art. 91a SVG über die Vereitelung von
Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit verletzt. Der Tatbestand sei
nur erfüllt, wenn der Täter nach den Umständen des Falles mit hoher
Wahrscheinlichkeit mit der Anordnung einer Blutprobe habe rechnen müssen. Das
sei insbesondere der Fall, wenn der Fahrer in eine Kollision verwickelt oder
einen nicht unbedeutenden Selbstunfall erleide. Dasselbe gelte, wenn er von
Dritten wegen seines offenbar angetrunkenen Zustandes gestellt und die Polizei
avisiert werde. Der wissentlich angetrunkene Lenker habe jedoch nicht mit einer
Blutprobe zu rechnen, solange er korrekt fahre. Die Missachtung eines
Haltezeichens stelle nicht automatisch eine Handlung nach Art. 91a SVG dar.
Weder habe er jemanden geschädigt noch habe man ihm ein auffälliges Verhalten
im Strassenverkehr vorgeworfen. Selbst wenn er seinen Alkoholkonsum vom Mittag
korrekt angegeben hätte, wäre nicht automatisch eine Kontrolle vorgenommen
worden (Beschwerde, S. 12 ff.).
Der Beschwerdeführer argumentiert weiter, es habe eine unklare und gefährliche
Situation bestanden, die ihn verwirrt habe, da die Polizisten im Kreisel
gestanden seien. Bei früheren Kontrollen seien die Polizisten jeweils vor dem
Kreisel gestanden. Als er damals die Frage nach allfälligem Alkoholkonsum
verneint habe, habe sich der Polizist bedankt und ihm eine gute Nacht
gewünscht. Bei dieser Kontrolle sei er durch das Schreien des Polizeibeamten
erschrocken. Hätte er beim Polizisten angehalten, wäre nicht automatisch eine
Alkoholkontrolle durchgeführt worden. Die Vorinstanz habe sich damit nicht
auseinandergesetzt. Der objektive Tatbestand von Art. 91a SVG sei nicht erfüllt
(Beschwerde, S. 14 f.).
Der Beschwerdeführer stellt in Abrede, dass er sich vorsätzlich einer
Atemalkoholprobe entzogen hat. Er habe den Tatbestand von Art. 91a SVG gar
nicht gekannt. Er habe sich in Panik befunden, da er seiner Frau vorgegaukelt
habe, das vernachlässigte familieneigene Boot im Rheinhafen Rheinfelden auf
Vordermann zu bringen und darauf zu übernachten. Stattdessen habe er seine
Freundin besucht. Hätte er eine Busse bekommen, wäre das fehlende Alibi wohl
aufgeflogen, da seine Frau sowohl im Geschäft wie auch zu Hause den
Bussenbescheid in Empfang genommen hätte. Er sei wegen seines schlechten
Gewissens vorsätzlich geflüchtet, nicht jedoch um sich einer Alkoholkontrolle
zu entziehen. Moralisch sei sein Verhalten wohl verwerflich gewesen,
strafrechtlich jedoch nicht (Beschwerde, S. 7 ff. und S. 16 f.).

1.2. Die Vorinstanz erwägt, stehende Verkehrskontrollen dienten
unterschiedlichen Zwecken. Werde die Fahrfähigkeit kontrolliert, müsse ein
Fahrzeugführer auch ohne Anlassverdacht mit der Anordnung einer
Atemalkoholkontrolle rechnen. Diene die Kontrolle anderen Zielsetzungen (unter
anderem zur Kontrolle der Fahrfähigkeit, der Reifenprofile oder zur Fahndung)
müsse unter besonderen Umständen ebenfalls mit einer Alkoholkontrolle gerechnet
werden. Die Vorinstanz begründet ausführlich, weshalb der Beschwerdeführer in
der vorliegenden Situation mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer
Blutalkoholprobe habe rechnen müssen. Der Beschwerdeführer habe das
polizeiliche Haltezeichen erkannt. Die Missachtung dieses Haltezeichens stelle
eine auffällige Fahrweise dar, die geeignet sei, erhebliche Zweifel an der
Fahrfähigkeit zu wecken. Bereits deshalb sei unabhängig des Zwecks der
Polizeikontrolle mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen gewesen,
dass eine Atemalkoholkontrolle durchgeführt würde. Die Erklärungen des
Beschwerdeführers seien nicht geeignet, eine alkoholbedingte Fahrfähigkeit
auszuschliessen. Er habe an diesem Tag unbestrittenermassen Alkohol konsumiert.
Weil davon auszugehen sei, dass er die Frage nach Alkoholkonsum korrekt
beantwortet hätte, wäre eine Atemalkoholprobe noch wahrscheinlicher geworden.
Die Kontrolle hätte dazu gedient, eine nicht manifeste, aber vermutete
Angetrunkenheit festzustellen oder auszuschliessen (Urteil, S. 7 ff.).
Die Vorinstanz bejaht auch den subjektiven Tatbestand. Die eigentliche
Fluchthandlung sei unbestritten vorsätzlich erfolgt. Da dem Beschwerdeführer
der Zweck der Anhaltung in diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen sei,
habe er mit der Überprüfung seiner Fahrfähigkeit und mit der Anordnung einer
Atemalkoholprobe rechnen müssen. Dies gelte umso mehr, als der Beschwerdeführer
bereits zweimal wegen Alkohol am Steuer verurteilt worden sei. Er habe auch um
seine auffällige Fahrweise anlässlich der Polizeikontrolle gewusst, habe er
doch eingeräumt, Angst vor einer Busse gehabt zu haben. Es sei unbedeutend,
dass er aus den geschilderten persönlichen Gründen in Panik geraten und
deswegen davon gefahren sein will. Es hätten Handlungsalternativen bestanden.
Eine Notstandssituation sei zu verneinen (Urteil, S. 9 ff.).

1.3. Der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit gemäss
Art. 91a SVG macht sich unter anderem strafbar, wer sich als
Motorfahrzeugführer vorsätzlich einer Atemalkoholprobe, die angeordnet wurde
oder mit deren Anordnung gerechnet werden musste, widersetzt oder den Zweck
dieser Massnahmen vereitelt hat. Die bis 31. Dezember 2012 gültige und hier
massgebende Fassung weicht von der aktuellen nur in grammatikalischer Hinsicht
ab. Art. 91a SVG will verhindern, dass der korrekt sich einer solchen Massnahme
unterziehende Führer schlechter wegkommt als derjenige, der sich ihr entzieht
oder sie sonst wie vereitelt (BGE 126 IV 53 E. 2d mit Hinweis).

1.4. Die Vorinstanz verletzt weder Art. 91a SVG noch den Anspruch des
Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör. Sie geht zutreffend davon aus, dass
der Beschwerdeführer in der vorliegenden Situation höchstwahrscheinlich mit
einer Blutalkoholprobe rechnen musste. Der Beschwerdeführer übersieht, dass
Fahrzeugführer sowie an Unfällen beteiligte Strassenbenützer gemäss Art. 55
Abs. 1 SVG in der seit 1. Januar 2005 gültigen Fassung ohne weitere
Voraussetzungen einer Atemalkoholprobe unterzogen werden können. Entsprechend
kann auch der korrekt fahrende Automobilist nicht davon ausgehen, dass er in
keinem Fall einer Alkoholkontrolle unterzogen wird. Die Wahrscheinlichkeit
einer Kontrolle steigt umso mehr - wie die Vorinstanz zutreffend ausführt -
wenn der Fahrzeugführer im Rahmen einer Polizeikontrolle eine
Verkehrsregelverletzung, wie etwa das Missachten eines polizeilichen
Haltezeichens, begeht. Es mag zutreffen, dass auch bei verkehrsregelwidrigem
Verhalten nicht automatisch eine Alkoholkontrolle resultiert hätte. Art. 91a
SVG setzt einen solchen Automatismus, wie der Beschwerdeführer zu meinen
glaubt, allerdings nicht voraus. Es genügt, dass der Betroffene mit einer
Kontrolle zu rechnen hatte. Dies war vorliegend zweifellos der Fall.

1.5. Die Vorinstanz verletzt auch kein Bundesrecht, indem sie den subjektiven
Tatbestand von Art. 91a SVG bejaht. Dass der Beschwerdeführer die Vorschrift
nicht gekannt hat, vermag ihm nicht zu helfen, ergibt sich doch aus seinen
einschlägigen Vorstrafen und seiner automobilistischen Erfahrung, dass ihm die
strassenverkehrsrechtliche Bedeutung seines Handelns bekannt war. Er räumt ein,
vorsätzlich geflüchtet zu sein, um eine Busse, die seiner Frau in die Hände
gefallen wäre, zu verhindern. Damit ist auch die vorinstanzliche Feststellung
ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer um seine auffällige
Fahrweise anlässlich der Polizeikontrolle gewusst hat und mit der Überprüfung
seiner Fahrfähigkeit sowie der Anordnung einer Atemalkoholprobe rechnen musste.
Aus welchen persönlichen Gründen er sich der Kontrolle entzogen hat, ist ohne
Belang.

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die
bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Juni 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Keller

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben