Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.182/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_182/2013

Urteil vom 18. Juli 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Andres.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Bernard Rambert,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Befreiung von der Arbeitspflicht,

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3.
Abteilung, vom 10. Januar 2013.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X.________ am 4. Juli 2003 wegen
mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern und mehrfacher sexueller Nötigung
zu vier Jahren und vier Monaten Zuchthaus als Zusatzstrafe zu einem Urteil des
Pariser Appellationsgerichts vom 16. Juni 1995. Es schob den Vollzug der
Freiheitsstrafe zugunsten einer Verwahrung auf und beschloss am 1. März 2010,
diese nach neuem Recht weiterzuführen.

B.
X.________ beantragte am 6. Dezember 2011 unter anderem, er sei von der
Arbeitspflicht zu befreien. Diesen Antrag wies das Amt für Justizvollzug des
Kantons Zürich am 19. März 2012 ab.

 Ein Rekurs von X.________ an die Justizdirektion des Kantons Zürich blieb
ebenso ohne Erfolg wie die Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich, welches das Rechtsmittel am 10. Januar 2013 abwies.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben, und er sei von der Arbeitspflicht zu befreien. Zudem sei
ihm für das vorinstanzliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu
gewähren. Dies verlangt er auch vor Bundesgericht.

D.
Das Verwaltungsgericht und das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich wurden
zur Vernehmlassung, beschränkt auf die Frage der unentgeltlichen Rechtspflege,
eingeladen. Beide Behörden beantragen die Abweisung der Beschwerde. Der
Beschwerdeführer hat nicht repliziert.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 1, 74, 75 und 81 StGB, Art.
7 und 10 BV sowie Art. 7 Abs. 1 EMRK. Weil er das 65. Altersjahr überschritten
habe und sich in Sicherheitsverwahrung befinde, dürfe er nicht mehr zur Arbeit
verpflichtet werden.

1.1. Das vorinstanzliche Urteil betrifft eine Frage des Vollzugs von Strafen
und Massnahmen, weshalb es der Beschwerde in Strafsachen unterliegt (Art. 78
Abs. 2 lit. b BGG). Der Beschwerdeführer ist beschwerdeberechtigt, da er ein
rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des
angefochtenen Entscheids hat (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG).

1.2. Gemäss Art. 123 Abs. 2 BV sind die Kantone für den Straf- und
Massnahmenvollzug zuständig, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht. Während
die Grundzüge in Art. 74 bis 92 StGB geregelt sind, hat die kantonale
Gesetzgebung diese Grundsätze umzusetzen (vgl. Botschaft zur Änderung des
Schweizerischen Strafgesetzbuches und Militärstrafgesetzes sowie zu einem
Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht vom 21. September 1998, BBl 1999 2108
Ziff. 214).

1.3. Die Vollzugsgrundsätze in Art. 74 StGB sehen vor, dass die Menschenwürde
des Gefangenen oder Eingewiesenen zu achten ist. Seine Rechte dürfen nur so
weit beschränkt werden, als der Freiheitsentzug und das Zusammenleben in der
Vollzugseinrichtung es erfordern. Letzteres erfordert unter anderem eine
Strukturierung des Tagesablaufs. Der Strafvollzug hat das soziale Verhalten des
Gefangenen zu fördern, insbesondere die Fähigkeit, straffrei zu leben. Der
Gefangene hat bei den Sozialisierungsbemühungen und den
Entlassungsvorbereitungen aktiv mitzuwirken (Art. 75 Abs. 1 und 4 StGB). Neben
dem allgemeinen Vollzugsziel der Wiedereingliederung legt Art. 75 Abs. 1 StGB
vier besondere Vollzugsgrundsätze fest: das Normalisierungsprinzip, das
Entgegenwirkungsprinzip (gegen die schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs),
das Prinzip der besonderen Fürsorgepflicht (Betreuungspflicht) und das
Sicherungsprinzip. Zwischen dem allgemeinen Vollzugsziel und den
Vollzugsgrundsätzen hat der Gesetzgeber keine klare Prioritätenordnung
vorgenommen. Die verschiedenen Interessen müssen unter Berücksichtigung der
konkreten Situation gegeneinander abgewogen werden (vgl. ANDREA BAECHTOLD,
Strafvollzug, Straf- und Massnahmenvollzug an Erwachsenen in der Schweiz, 2.
Aufl. 2009, S. 103 ff. N. 4 ff.; BBl 1999 2109 f. Ziff. 214.21).

 Im Straf- und Massnahmenvollzug befindet sich der Insasse in einem besonderen
Rechtsverhältnis, welches nicht mit jenem in Freiheit vergleichbar ist.
Namentlich hat er teilweise erhebliche Einschränkungen in seiner persönlichen
Freiheit hinzunehmen. Diese sind stets rechtmässig, wenn sie notwendig und
sinnvoll sind, um ein geordnetes Zusammenleben in der Anstalt zu gewährleisten,
den Anspruch des Schutzes der öffentlichen Sicherheit genügend berücksichtigen
und nicht unverhältnismässig sind (Benjamin F. Brägger, in: Basler Kommentar,
Strafgesetzbuch I, 3. Aufl. 2013, N. 9 zu Art. 74 StGB).

1.4. Nach Art. 81 Abs. 1 StGB ist der Gefangene zur Arbeit verpflichtet. Die
Arbeit hat so weit als möglich seinen Fähigkeiten, seiner Ausbildung und seiner
Neigung zu entsprechen. Unter der Marginalie "Vollzug von Massnahmen" wird in
Art. 90 Abs. 3 StGB bestimmt, dass arbeitsfähige Eingewiesene zur Arbeit
angehalten werden, soweit ihre stationäre Behandlung oder Pflege dies erfordert
oder zulässt. Dabei sind Art. 81 bis 83 StGB sinngemäss anwendbar. Gemäss § 103
der Justizvollzugsverordnung des Kantons Zürich vom 6. Dezember 2006 (JVV; LS
331.1) sind die verurteilten Personen im geschlossenen oder offenen Straf- und
Massnahmenvollzug verpflichtet, die ihnen zugewiesene Arbeit zu verrichten. Bei
der Zuweisung wird ihren Fähigkeiten soweit möglich und sinnvoll Rechnung
getragen. Auch die Hausordnung der Justizvollzugsanstalt Pöschwies (Ausgabe
2009) bestimmt in § 22 Abs. 1, dass die Gefangenen verpflichtet sind, die ihnen
zugewiesene Arbeit zu verrichten.

1.5. Nach Art. 4 Abs. 3 lit. a EMRK verstösst die Arbeitspflicht nicht gegen
das Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit, wenn die Person unter den
Voraussetzungen von Art. 5 EMRK verurteilt wurde (vgl. Müller/Schefer,
Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 123 mit Hinweisen). Gemäss dieser
Bestimmung darf die Freiheit unter anderem durch rechtmässige
Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht entzogen
werden. Der Begriff der Verurteilung ist weit auszulegen. Die von einem Gericht
zusätzlich oder anstatt einer Freiheitsstrafe angeordnete Sicherheitsverwahrung
gilt grundsätzlich als "Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein
zuständiges Gericht" (Urteil des EGMR M gegen Deutschland vom 17. Dezember
2009, § 102, in: EuGRZ 2010 S. 25; Urteil des EGMR Grosskopf gegen Deutschland
vom 21. Oktober 2010, § 46-53; Frowein/Peukert, Europäische
Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 3. Aufl. 2009, N. 45 zu Art. 5 EMRK;
Meyer-Ladewig, EMRK, Europäische Menschenrechtskonvention, Handkommentar, 3.
Aufl. 2011, N. 26 zu Art. 5 EMRK; BBl 1999 2192 Ziff. 281.2). Folglich ist die
Arbeitspflicht von Gefangenen und Eingewiesenen grundsätzlich
menschenrechtskonform.

1.6. Die Arbeitspflicht im Straf- und Massnahmenvollzug dient dazu, den
Personen Fähigkeiten zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern, die eine
Eingliederung in die Erwerbstätigkeit nach der Entlassung ermöglichen. Sie
fördert das Vollzugsziel, das soziale Verhalten und die Fähigkeit, straffrei zu
leben. Sinn der Arbeit im Straf- und Massnahmenvollzug ist ebenso, die Personen
zu beschäftigen, deren Alltag zu strukturieren sowie den geordneten
Anstaltsbetrieb zu gewährleisten (vgl. BBl 1999 2115 Ziff. 214.27).

 Während bei jüngeren Personen die Resozialisierung im Vordergrund steht,
verschieben sich mit zunehmendem Alter der Insassen die Schwerpunkte, wobei
schliesslich der besonderen Fürsorgepflicht und dem Entgegenwirkungsprinzip
Vorrang zukommt. Bei älteren Gefangenen und Eingewiesenen dient die Arbeit
dazu, Haftschäden wie Vereinsamung sowie psychische und physische Degeneration
zu vermeiden. Dabei hat die Arbeit stets den Fähigkeiten, der Ausbildung und
den Neigungen der konkreten Person zu entsprechen (vgl. Art. 81 Abs. 1 StGB und
§ 103 JVV). Damit wird eine übermässige Belastung der Insassen verhindert. Für
körperlich und geistig minder leistungsfähige Personen kann die Arbeit auch in
einer arbeitstherapeutischen Beschäftigung bestehen. Unabhängig von Alter und
Fähigkeiten der Insassen dient die Arbeitspflicht im Straf- und
Massnahmenvollzug stets dazu, den Anstaltsbetrieb aufrecht zu erhalten (vgl.
zum Ganzen Benjamin F. Brägger, a.a.O., N. 8 ff. zu Art. 81 StGB; Trechsel/
Aebersold, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N.
1 f. zu Art. 81 StGB).

1.7. Das Institut der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) bezweckt,
Menschen in der freien Wirtschaft, die wegen ihres Alters nicht mehr im Stande
sind zu arbeiten, finanziell zu unterstützen, damit sie weiterhin für ihren
Lebensunterhalt aufkommen können (vgl. Botschaft des Bundesrates an die
Bundesversammlung vom 29. August 1929 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die
Alters- und Hinterlassenenversicherung, BBl 1929 II 169 ff. Ziff. I.2, 175
Ziff. II.B.).

1.8. Der Arbeitseinsatz im Straf- und Massnahmenvollzug ist nicht mit einem
Arbeitsverhältnis auf dem freien Arbeitsmarkt vergleichbar. Es handelt sich um
einen Einsatz in einem geschlossenen System (vgl. Urteil 8C_176/2007 vom 25.
Oktober 2007 E. 4.2). Während die Arbeit im Vollzug den Fähigkeiten der
Personen angepasst wird, müssen die Arbeitnehmer in Freiheit stets dafür Sorge
tragen, dass sie über das in ihrem Arbeitsbereich erforderliche Wissen
verfügen. Zudem existiert im Vollzug kein Konkurrenzdruck. Der Eingewiesene
oder Gefangene muss nicht um seine finanziellen Verhältnisse besorgt sein, da
grösstenteils der Staat für Kost und Logis aufkommt (vgl. jedoch Art. 380 Abs.
2 StGB). Demnach unterscheiden sich die Arbeitsanforderungen in Freiheit
wesentlich von jenen im Vollzug, der eine "geschützte Werkstatt" darstellt. Die
Arbeit im Straf- und Massnahmenvollzug dient der Resozialisierung, der
Vermeidung von Haftschäden und der Aufrechterhaltung der Anstaltsordnung,
während die Arbeit in Freiheit und die anschliessende AHV die Finanzierung des
Lebensunterhaltes bezwecken. Im Unterschied zur Arbeitspflicht im Strafvollzug
besteht auf dem freien Arbeitsmarkt keine Verpflichtung, einer Arbeit
nachzugehen. Die AHV korrespondiert deshalb nicht mit einer vorausgegangenen
Arbeitspflicht und ist auch nicht dazu gedacht, diese in einem
fortgeschritteneren Alter abzulösen. Das Rechtsinstitut der Altersrente ist
nicht in das Vollzugssystem übertragbar, da die Arbeit im Vollzug nicht dazu
dient, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Angesichts ihres Zwecks ist die
Arbeitspflicht im Vollzug altersunabhängig.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, bezüglich der Arbeitspflicht im
AHV-Alter liege eine echte Gesetzeslücke vor, die vom Gericht geschlossen
werden müsse. Die Vorinstanz verletze Art. 81 StGB, indem sie den Sinn dieser
Bestimmung nicht durch Auslegung ermittle.

 Im Sonderrechtsverhältnis des Straf- und Massnahmenvollzugs stellt sich die
Frage der Befreiung von der Arbeitspflicht ab einem bestimmten Alter nicht (E.
1). Demnach liegt keine Gesetzeslücke, sondern ein qualifiziertes Schweigen des
Gesetzgebers vor. Die Rüge ist unbegründet.

2.2. Der Beschwerdeführer rügt weitere Verletzungen von Bundes- und
Verfassungsrecht (Art. 74 und 75 StGB sowie Art. 7 und 10 BV).

 Nach Art. 190 BV sind Bundesgesetze und Völkerrecht für das Bundesgericht und
die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend. Damit kann Bundesgesetzen
weder im Rahmen der abstrakten noch der konkreten Normenkontrolle die Anwendung
versagt werden. Zwar handelt es sich dabei um ein Anwendungsgebot und kein
Prüfungsverbot (BGE 137 I 128 E. 4.3.1 S. 132 f. mit Hinweisen; Yvo Hangartner,
in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender, Die schweizerische
Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 2. Aufl. 2008, Bd. 2, N. 8 zu Art. 190
BV), und es kann sich rechtfertigen, vorfrageweise die Verfassungswidrigkeit
eines Bundesgesetzes zu prüfen. Wird eine solche festgestellt, muss das Gesetz
dennoch angewandt werden, und das Bundesgericht kann lediglich den Gesetzgeber
einladen, die fragliche Bestimmung zu ändern (BGE 136 II 120 E. 3.5.1 S. 130
mit Hinweisen).

 Vorliegend rechtfertigt es sich, die übrigen Rügen in der gebotenen Kürze zu
prüfen.

2.3. Der Beschwerdeführer rügt, die Verpflichtung eines über 65-Jährigen zur
Arbeit verletze Art. 74 und 75 StGB.

 Die Rüge ist unbegründet. Während bei jüngeren Insassen die Resozialisierung
im Vordergrund steht, sind bei älteren Personen in erster Linie Haftschäden zu
vermeiden und der Alltag zu strukturieren (E. 1.6).

2.4. Der Beschwerdeführer macht geltend, ein Gefangener im Rentenalter müsse
von der Arbeitspflicht befreit werden (Art. 74 StGB und Art. 7 BV).

 Er legt nicht dar, inwiefern seine Würde durch die Arbeitspflicht verletzt und
der angebliche Eingriff unverhältnismässig sein soll (vgl. Art. 36 BV). Auf die
Rüge ist nicht einzutreten.

2.5. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Argumentation der Vorinstanz,
bei der Arbeitspflicht gemäss Art. 81 Abs. 1 StGB handle es sich um einen
Arbeitseinsatz in einem geschlossenen System, der mit der Arbeit im
Erwerbsleben nicht vergleichbar sei (vgl. Urteil S. 7 Ziff. 4.2). Er erblickt
darin eine Verletzung von Art. 75 StGB und der Europäischen
Strafvollzugsgrundsätze. Deren Ziff. 26.15 und Ziff. 105.2 seien eine
Konkretisierung des allgemeinen Normalisierungsgrundsatzes in Bezug auf die
Arbeitspflicht der Strafgefangenen.

 Die Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates sind nicht in der Weise
völkerrechtlich verbindlich, dass deren Missachtung für sich allein als
Verstoss gegen verfassungsmässige Rechte der Bürger oder wegen Verletzung eines
Staatsvertrages mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden könnte, und
sie begründen insofern keine subjektiven Rechte und Pflichten (vgl. BGE 122 I
222 E. 2a/aa S. 226; 118 Ia 64 E. 2a S. 70; je mit Hinweisen). Dies gilt auch
bezüglich der neuen Strafvollzugsgrundsätze des Ministerkomitees vom 11. Januar
2006 (Rec[2006]2; vgl. die gemeinsame Übersetzung für Deutschland, Österreich
und die Schweiz, Mönchengladbach 2007; vgl. Urteil 1C_229/2008 vom 18. August
2008 E. 2.3).

 Weil die Strafvollzugsgrundsätze keine subjektiven Rechte begründen, kann
deren Verletzung nicht mit Beschwerde in Strafsachen angefochten werden. Wie
der Beschwerdeführer selbst anerkennt, konkretisieren die Empfehlungen den
allgemeinen Normalisierungsgrundsatz. Da dieser bei älteren Insassen in den
Hintergrund rückt, verlieren auch die Empfehlungen entsprechend an Gewicht.

2.6. Der Beschwerdeführer sieht in der Verpflichtung zur Arbeit eine
unverhältnismässige Verletzung seiner persönlichen Freiheit (Art. 10 BV). Im
Hinblick auf die Resozialisierung müsse ein 65-Jähriger bereits vor seiner
Entlassung lernen, mit der freien Zeit umzugehen. Die gebotene Strukturierung
des Anstaltsalltages könne durch weitere Beschäftigungsmöglichkeiten (Kurse,
Seminare und körperliche Betätigung) erreicht werden. Sofern das bestehende
Angebot der Justizvollzugsanstalt nicht ausreiche, müsse es ausgebaut und auf
die Bedürfnisse der pensionierten Inhaftierten angepasst werden.

2.6.1. Nach Art. 36 BV muss der Eingriff in ein Grundrecht auf einer
gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse erfolgen und
verhältnismässig sein. Nach der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung
verlangt das Gebot der Verhältnismässigkeit, dass eine behördliche Massnahme
für das Erreichen des im öffentlichen oder privaten Interesse liegenden Zieles
geeignet und erforderlich ist und sich für die Betroffenen als zumutbar
erweist. Erforderlich ist eine vernünftige Zweck-Mittel-Relation. Eine
Massnahme ist unverhältnismässig, wenn das Ziel mit einem weniger schweren
Eingriff erreicht werden kann (vgl. BGE 134 I 140 E. 6.2 S. 151 f.; 133 I 77 E.
4.1 S. 81; je mit Hinweis). Betreffend die Haftbedingungen hat das
Bundesgericht festgehalten, dass die Beschränkung der Freiheitsrechte nicht
über das hinausgehen darf, was zur Gewährleistung des Haftzwecks und zur
Aufrechterhaltung eines ordnungsgemässen Anstaltsbetriebs erforderlich ist
(vgl. BGE 124 I 336 E. 4c S. 340; 123 I 221 E. I/4c S. 228; je mit Hinweisen).

2.6.2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die Arbeitspflicht
grundsätzlich einen rechtmässigen Eingriff in die persönliche Freiheit
darstellt. Er erachtet sie bei einem über 65-jährigen Insassen als
unverhältnismässig und zeigt Alternativen auf, die ebenfalls der Strukturierung
des Anstaltsalltags und der Vorbeugung von Haftschäden dienen sollen, jedoch
sein Freiheitsrecht weniger stark einschränken würden.

 Die Arbeitspflicht ist geeignet, erforderlich und grundsätzlich zumutbar, um
die im Alter überwiegenden Vollzugsgrundsätze (Anstaltsordnung, Vermeidung von
Haftschäden, Strukturierung) zu gewährleisten (E. 1.6 und 1.8). Die vom
Beschwerdeführer aufgezeigte Alternative zur Arbeitspflicht erscheint nicht
geeignet, die angestrebten Ziele zu garantieren. Sie würde die ordnungsgemässe
Anstaltsführung erschweren. Diese setzt unter anderem eine Strukturierung des
Alltags der Insassen voraus. Alternative Beschäftigungsmöglichkeiten müssten
freiwillig sein, ansonsten sie einer (ebenfalls verpönten) Verpflichtung
gleichkämen. Stellt man den Gefangenen frei, ob und wann sie an einem
Beschäftigungsprogramm teilnehmen wollen, wäre es unmöglich, die Anstalt
geordnet zu führen. Ebenso wenig könnten Haftschäden vermieden werden, da es
ihnen frei stehen würde, den Tag in ihrem Zimmer zu verbringen, was zu einer
Vereinsamung oder psychischen und physischen Degeneration führen könnte.

2.7. Die altersunabhängige Arbeitspflicht nach Art. 81 Abs. 1 StGB verletzt
weder Bundes- noch Verfassungsrecht.

3.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 1 StGB und Art. 7 Abs. 1
EMRK. Während die Freiheitsstrafe der Vergeltung schuldhaft begangener
Straftaten diene, bezwecke die Sicherheitsverwahrung die Verhinderung künftiger
Straftaten. Der notwendige Abstand in den Vollzugsformen werde in Art. 90 Abs.
3 StGB geregelt. Demnach werde der Verwahrte lediglich zur Arbeit angehalten,
womit keine entsprechende Pflicht bestehe, und das Fernbleiben von der Arbeit
keine disziplinarrechtlichen Folgen haben könne. Indem zwischen dem
Strafvollzug und der Sicherheitsverwahrung nicht klar unterschieden werde,
komme der Massnahme Strafcharakter zu.

3.1. Der Wortlaut von Art. 90 Abs. 3 StGB ("ist der Eingewiesene arbeitsfähig,
so wird er zur Arbeit angehalten, soweit seine stationäre Behandlung oder
Pflege dies erfordert oder zulässt") ist nicht identisch mit jenem von Art. 81
Abs. 1 StGB ("der Gefangene ist zur Arbeit verpflichtet"). Daraus kann nicht
geschlossen werden, Art. 90 Abs. 3 StGB statuiere keine Verpflichtung.

 Das Strafgesetzbuch (in der am 1. Januar 1942 in Kraft getretenen Fassung) sah
vor, dass die Gefangenen "zur Arbeit angehalten" werden (Art. 37 Abs. 3 Satz 1
aStGB). Der Beschwerdeführer selbst bezeichnet dies als Arbeitspflicht (vgl.
Beschwerde Ziff. 27). Die entsprechende Bestimmung für die Verwahrung von
Gewohnheitsverbrechern lautete damals beinahe gleich (Art. 42 Ziff. 3 aStGB).
Für die Haftstrafe sah Art. 39 Ziff. 3 aStGB vor: "Der Haftgefangene wird zur
Arbeit angehalten. Es ist ihm gestattet, sich angemessene Arbeit selbst zu
beschaffen. Macht er von dieser Befugnis keinen Gebrauch, so ist er zur
Leistung der ihm zugewiesenen Arbeit verpflichtet."

 Nach der am 1. Juli 1971 in Kraft getretenen Teilrevision lauteten die
Bestimmungen für Gefangene und Verwahrte identisch: "Der Gefangene (bzw.
Verwahrte) ist zur Arbeit verpflichtet, die ihm zugewiesen wird" (Art. 37 Ziff.
1 Abs. 2 und Art. 42 Ziff. 3 Abs. 1 aStGB [Version in Kraft bis 31.12.2006]).
Gemäss Botschaft des Bundesrates vom 21. September 1998 stellt Art. 90 Abs. 3
StGB (Version in Kraft seit 01.01.2007) eine Relativierung der in Art. 81 Abs.
1 StGB festgehaltenen Verpflichtung dar, weil ein Teil der Eingewiesenen gar
nicht arbeitsfähig ist (BBl 1999 2123 Ziff. 214.4). Hingegen ergibt sich weder
aus der Botschaft noch aus den Protokollen von National- und Ständerat, dass
der Gesetzgeber beabsichtigte, die Arbeitspflicht für Verwahrte abzuschaffen
(vgl. BBl 1999 2123 Ziff. 214.4; AB 2002 S 1060 f., 1306; AB 2002 N 1178 ff.,
1185 ff., 2171; AB 2001 S 507 ff.; AB 2001 N 531 ff., 560 ff., 591 ff.; AB 1999
S 1104 ff.).

 Der Gesetzgeber verwendet die Begriffe "anhalten" und "verpflichten" damals
wie heute synonym. Folglich enthält Art. 90 Abs. 3 StGB eine "eigentliche
Arbeitspflicht", wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind (Urteil 6B_376/
2011 vom 30. Juni 2011 E. 3; vgl. Marianne Heer, in: Basler Kommentar,
Strafgesetzbuch I, 3. Aufl. 2013, N. 33 zu Art. 90 StGB).

3.2. Der Beschwerdeführer rügt, da er seine Strafe bereits verbüsst habe,
verletze die Arbeitspflicht das Rückwirkungsverbot.

 Der Verwahrung kann ein gewisser Strafcharakter nicht abgesprochen werden,
weshalb das Rückwirkungsverbot zu beachten ist (vgl. BGE 134 IV 121 E. 3.3.3 S.
128 f.; vgl. Urteil M gegen Deutschland, a.a.O., § 146). Da die Arbeitspflicht
der Erfüllung der Vollzugsgrundsätze dient, stellt sie keine (zusätzliche)
Bestrafung dar (E. 1 und 2.6). Die Rüge ist unbegründet.

4.
Der Beschwerdeführer rügt die willkürliche Anwendung von § 16 VRG des
Verwaltungsrechtspflegegesetzes des Kantons Zürich vom 24. Mai 1959 (VRG; LS
175.2). Er legt dar, aus seinen Beschwerden ergebe sich, dass sich seine
Rechtsbegehren auf geltendes Recht stützen würden. Auch widerspreche die
vorinstanzliche Begründung, die Beschwerde sei aussichtslos, ihrer
Feststellung, es stelle sich eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, weshalb
die Kammer zuständig sei.

4.1. Nach § 16 VRG wird Privaten die unentgeltliche Rechtspflege gewährt, wenn
sie nicht über die nötigen Mittel verfügen und ihr Begehren nicht
offensichtlich aussichtslos ist. Bei heiklen oder umstrittenen Rechtsfragen ist
die Möglichkeit eines erfolgreichen Verfahrensausgangs durchaus anzunehmen. Es
ist daher sachwidrig, hier zuungunste n des Gesuchstellers Aussichtslosigkeit
anzunehmen (Kölz/Bosshart/Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des
Kantons Zürich, 2. Aufl. 1999, N. 33 zu § 16 VRG). Ob im Einzelfall genügende
Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich aufgrund einer vorläufigen und
summarischen Prüfung der Verhältnisse zur Zeit, in der das Gesuch gestellt
wurde (BGE 133 III 614 E. 5 S. 616 mit Hinweisen).

4.2. Die Vorinstanz erwägt, es sei fraglich, ob der Beschwerdeführer mittellos
sei, da er eine AHV-Rente beziehe und für seine Arbeit im Verwahrungsvollzug
bezahlt werde. Dies könne jedoch offenbleiben, da die Beschwerde aussichtslos
sei. Die Rechtsprechung und Lehre zur Frage der Arbeitspflicht von Inhaftierten
im Pensionsalter sei klar und der Entscheid der Justizdirektion des Kantons
Zürich habe sich als richtig erwiesen (Urteil S. 9 Ziff. 6).

4.3. Indem die Vorinstanz die Entscheidung wegen ihrer grundsätzlichen
Bedeutung der Kammer überträgt (§ 38b Abs. 2 VRG), jedoch nach ergangenem
Urteil die Beschwerde als aussichtslos bezeichnet, handelt sie willkürlich.
Unhaltbar ist ebenso, dass die Vorinstanz die Erfolgsaussichten erst nach der
Urteilsfällung und nicht bereits bei Gesuchseingang beurteilt.

 Das Bundesgericht hebt ein Urteil nur auf, wenn nicht bloss die Begründung,
sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (vgl. BGE 138 I 49 E. 7.1 S. 51 mit
Hinweisen). Die Vorinstanz lässt die Frage der Bedürftigkeit des
Beschwerdeführers offen. Weil das Bundesgericht seinem Urteil den von der
Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde legt (Art. 105 Abs. 1 BGG), kann
nicht geprüft werden, ob die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege
mangels Bedürftigkeit im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils zulässig war.

 Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als begründet.

5.
Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen. Im Übrigen ist sie abzuweisen,
soweit darauf eingetreten werden kann.

 Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Kanton Zürich den Beschwerdeführer
im Rahmen seines Obsiegens für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen
(Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Die Entschädigung ist praxisgemäss seinem
Rechtsvertreter auszurichten. Insofern wird das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege gegenstandslos.

 Soweit der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde unterliegt, wird er
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege ist mangels Bedürftigkeit des Beschwerdeführers
abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Gemäss den vom Amt für Justizvollzug des
Kantons Zürich eingereichten Unterlagen verfügt der Beschwerdeführer neben
seinem Freikonto und dem Sperrkonto bei der Justizvollzugsanstalt Pöschwies
über ein AHV-Konto sowie ein Sammelkonto für Rechtsanwälte mit einem Saldo von
Fr. 16'000.--. Damit kann er nicht als notorisch mittellos bezeichnet werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Verwaltungsgerichts
des Kantons Zürich vom 10. Januar 2013 aufgehoben und die Sache an die
Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit
darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht
gegenstandslos geworden ist.

3.
Dem Beschwerdeführer werden Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- auferlegt.

4.
Der Kanton Zürich hat dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 750.-- auszurichten.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
3. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Juli 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Andres

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