Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.176/2013
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2013
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2013


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_176/2013

Urteil vom 13. Mai 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Keller.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Fortunat L. Schmid,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor Benisowitsch,
Beschwerdegegner

2. Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Sennhofstrasse 17, 7001 Chur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Üble Nachrede (Art. 173 StGB), Genugtuung; Grundsatz eines fairen Verfahrens
etc.,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, I. Strafkammer,
vom 3. Januar 2013.

Sachverhalt:

A.
Y.________ war bis im September 2007 Stiftungsrat der damaligen Stiftung
A.________. Am 20. November 2008 legte er in einem Schreiben an den Chefarzt
der A.________, Dr. med. B.________, die Gründe für seinen Austritt aus dem
Stiftungsrat dar. Dieses lautet wie folgt:
"Sehr geehrter Herr Dr. B.________, lieber B.________
Gerne bestätige ich Dir schriftlich, warum ich am 3. September 2007 aus dem
Stiftungsrat der A.________ ausgetreten bin.
Wie im Schreiben des Kleinen Landrates vom 3. September 2007 an den
Stiftungsratspräsidenten Herrn Dr. X.________ erwähnt, konnte ich mich mit den
Entscheiden von wichtigen Geschäften, die die Zukunft der A.________ betrafen,
nicht mehr einverstanden erklären. Ich beurteilte die finanzielle Lage der
Kinderklinik als sehr kritisch. Auch den erstellten Businessplan taxierte ich
als unrealistisch.
Das Hauptproblem sah ich aber darin, dass der Stiftungsratspräsident
gleichzeitig auch noch Rechtsvertreter von Herrn C.________ war, der in Davos
in den letzten Jahren bereits zwei Kliniken kaufte. Schon beim Verkauf des
"D.________" erschien mir das Vorgehen von Dr. X.________ problematisch. Nach
meiner Meinung befand sich der Stiftungsratspräsident in einem
Interessenskonflikt, da Herr C.________ mindestens involviert war. Bei der
Vermietung der F.________-klinik an die A.________ stellte sich das gleiche
Problem von neuem. Zusätzlich war ich bei diesem Geschäft kritisch bezüglich
des Zeitplanes. Im Weiteren vermutete ich, dass ein Gegengeschäft mit Herrn
C.________ oder einer Firma, mit der er Geschäfte macht, zu erwarten sei.
Leider haben sich meine Befürchtungen bewahrheitet, schlimmer noch, die
F.________-klinik wird gegenwärtig nicht saniert, dafür wird das G.________,
bei dem ebenfalls Herr C.________ die Finger im Spiel hat, scheinbar mit einem
Tauschgeschäft der A.________ verkauft.
Ich verzichte, irgendwelche wertenden Aussagen über Herrn C.________ oder Herrn
Dr. X.________ zu machen. Doch ist es für mich absolut unhaltbar, dass der
Stiftungsratspräsident schaltet und waltet, wie es ihm beliebt, informiert oder
auch nicht informiert und gleichzeitig noch den Mandanten C.________ vertritt.
Ich beurteile den Austritt aus dem Stiftungsrat der A.________ auch nach mehr
als einem Jahr als richtig, als absolut notwendig. Dieser Schritt wird mich
aber nicht davon abhalten, überall dort, wo ich einen Beitrag zur Erhaltung der
A.________ als wirtschaftlich gesundes Unternehmen leisten kann, mich nach
Kräften einzusetzen.
Freundliche Grüsse (...)."
Am 28. November 2008 reichte der Stiftungsratspräsident, X.________, Strafklage
wegen Ehrverletzung und Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs gegen Y.________
ein.

B.
Die Staatsanwaltschaft Graubünden stellte das Verfahren in Bezug auf den
Vorwurf des Amtsmissbrauchs am 13. Februar 2009 ein. Die von X.________ dagegen
erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Graubünden am 29. April 2009 ab.
Dieser Entscheid blieb unangefochten.
Das Bezirksgericht Prättigau/Davos wies die Klage wegen Ehrverletzung am 26.
April 2012 ab und sprach Y.________ von den Anklagevorwürfen frei. Gleichzeitig
verpflichtete es X.________, Y.________ eine ausseramtliche Entschädigung von
Fr. 48'860.60 zu zahlen.
Das Kantonsgericht Graubünden hiess die Berufung von X.________ am 3. Januar
2013 teilweise gut und verneinte eine Entschädigungspflicht, wies die Berufung
im Übrigen jedoch ab.

C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben, und Y.________ sei wegen übler Nachrede gemäss Art. 173
StGB zu bestrafen. Adhäsionsweise sei dieser zu verpflichten, an die A.________
Fr. 5'000.-- Genugtuung zu bezahlen.

Erwägungen:

1.
Wer jemanden bei einem anderen eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer
Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder
verdächtigt, wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung weiterverbreitet,
wird, auf Antrag, wegen übler Nachrede mit Geldstrafe bis 180 Tagessätzen
bestraft (Art. 173 Ziff. 1 StGB). Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm
vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht, oder
dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten, so ist
er nicht strafbar (Art. 173 Ziff. 2 StGB). Der Beschuldigte wird zum Beweis
nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung
öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend
in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen,
insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben
beziehen (Art. 173 Ziff. 3 StGB).
Die Ehrverletzungstatbestände gemäss Art. 173 ff. StGB schützen nach ständiger
Rechtsprechung den Ruf, ein ehrbarer Mensch zu sein, d.h. sich so zu benehmen,
wie nach allgemeiner Anschauung ein charakterlich anständiger Mensch sich zu
verhalten pflegt. Äusserungen, die sich lediglich eignen, jemanden in anderer
Hinsicht, zum Beispiel als Geschäfts- oder Berufsmann, als Politiker oder
Künstler in der gesellschaftlichen Geltung herabzusetzen, sind nicht
ehrverletzend im Sinne von Art. 173 ff. StGB. Voraussetzung ist aber, dass die
Kritik an den strafrechtlich nicht geschützten Seiten des Ansehens nicht
zugleich die Geltung der Person als ehrbarer Mensch trifft (BGE 119 IV 44 E.
2a; 117 IV 27 E. 2c; je mit Hinweisen; ferner das Urteil 6B_333/2008 vom 9.
März 2009 E. 1.1 mit Hinweisen).

2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe zu Unrecht die
Tatbestandsmässigkeit von Art. 173 Abs. 1 StGB verneint und den
Beschwerdegegner freigesprochen. Es werde im Schreiben vom 20. November 2008
mit der Erwähnung eines "Gegengeschäfts" der Eindruck erweckt, es handle sich
um ein dubioses Geschäft. Die Wendung "informiert oder auch nicht informiert"
meine, er habe die Interessen, die er vertrete, im Dunkeln gehalten. Diese
Interessen seien undurchsichtig und sehr wahrscheinlich die eigenen. Der
unbefangene Leser gehe daher davon aus, dass er korrupt sei. Dieser
Korruptionsvorwurf verletze ihn als ehrbaren Menschen, nicht nur sein
berufliches Ansehen. Die Verletzung seines beruflichen Ansehens, wie etwa der
Vorwurf, die Standesregeln und weitere Pflichten zu verletzen, schlage zudem
auf seine Geltung als ehrbarer Mensch durch. Der Vorwurf, er habe sich in einem
Interessenkonflikt befunden, erreiche im Gesamtkontext des Briefes den Grad des
Korruptionsvorwurfes (Beschwerde, S. 5 ff.).

2.2 Welcher Sinn einer Äusserung zukommt, ist eine Rechtsfrage. Gegenstand
eines Strafverfahrens wegen übler Nachrede sind Tatsachenbehauptungen, nicht
ein Gesamtbild, welches durch mehrere Tatsachenbehauptungen gezeichnet wird.
Ein solches Gesamtbild kann aber für die Auslegung der einzelnen Äusserungen im
Gesamtzusammenhang von Bedeutung sein (BGE 124 IV 162 E. 3b S. 167 zu Art. 23
i.V.m. Art. 3 lit. a UWG betreffend unrichtige, irreführende oder unnötig
verletzende Äusserungen).
Den Tatbestand der üblen Nachrede im Sinne von Art. 173 StGB erfüllen
ehrverletzende Tatsachenbehauptungen über den Verletzten gegenüber Dritten. Ob
die Tatsachenbehauptung wahr oder unwahr ist, betrifft nicht die
Tatbestandsmässigkeit, sondern die Strafbarkeit (siehe Art. 173 Ziff. 2 StGB).
Wissentlich unwahre ehrverletzende Tatsachenbehauptungen über den Verletzten
gegenüber Dritten erfüllen nicht den Tatbestand der üblen Nachrede (Art. 173
StGB), sondern den Tatbestand der Verleumdung im Sinne von Art. 174 StGB.

2.3 Auf die ausführlichen und differenzierten Erwägungen der Vorinstanz kann
verwiesen werden. Sie kommt insgesamt zum Schluss, dass der Beschwerdegegner
dem Beschwerdeführer im Schreiben vom 20. November 2008 keine dubiosen
Geschäfte, keine Verfolgung eigener oder undurchsichtiger beziehungsweise die
Vermischung von Interessen, sowie keine Korruption vorwirft.
Die Vorinstanz weist zu Recht auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum
Ehrbegriff hin. Sie verneint zutreffend die erstinstanzliche Auffassung, wonach
das inkriminierte Schreiben als Gesamtheit zu betrachten und der Tatbestand der
üblen Nachrede anhand der Ehrenrührigkeit dieses Gesamtbildes zu beurteilen
ist. Zu untersuchen sind vielmehr stets die einzelnen Äusserungen, wobei deren
Inhalt mithilfe des Kontextes einzuordnen ist (Urteil, S. 15 ff.).
Der Beschwerdegegner wirft dem Beschwerdeführer in den weiteren Absätzen des
Briefes gemäss Vorinstanz einen Interessenkonflikt vor, der jedoch nicht die
Standes- und Berufsregeln als freiberuflicher Anwalt, sondern ausschliesslich
seine Tätigkeit als Stiftungsratspräsident betrifft. Der Interessenkonflikt
bedeutet lediglich, dass der Beschwerdeführer für die Stiftung gewisse
Entscheidungen getroffen und an solchen mitgewirkt hat, mit denen er sich
potentiell in Konflikt zu eigenen oder anderen zur Wahrung übertragenen
Interessen begeben hat. Dies heisst nicht, dass er als Stiftungsratspräsident
bei Entscheidungen für die A.________ deren Interessen zuwidergehandelt, diese
vernachlässigt oder verletzt hat. Ebenso wenig hat er damit seine eigenen
Interessen oder diejenigen seines Mandanten, C.________, vor die Interessen der
A.________ gestellt. Der Beschwerdegegner hat lediglich gerügt, dass bei
gewissen Entscheidungen die Möglichkeit der Beeinträchtigung der
Stiftungsinteressen bestanden habe. Dieser Vorwurf berührt, wenn überhaupt,
höchstens die berufliche Geltung (Urteil, S. 21 f.).
Die Vorinstanz stuft den Vorwurf des Interessenkonflikts zu Recht als nicht
ehrverletzend ein. Weder ist dadurch der Ruf des Beschwerdeführers als ehrbarer
Mensch noch seine sittliche Ehre tangiert. Dies gilt selbst, wenn er allfällige
Ausstandsgründe missachtet hätte. Die vom Beschwerdegegner geäusserte
Vermutung, dass der Beschwerdeführer bei der Vermietung der F.________-klinik
an die A.________ ein Gegengeschäft mit C.________ abschliessen wird, kann als
Prognose über ein zukünftiges Ereignis den Tatbestand der üblen Nachrede nicht
erfüllen.
Ebenfalls nicht ehrenrührig ist die im Brief geäusserte Feststellung, wonach
das G.________, bei dem ebenfalls C.________ die Finger im Spiel habe, mit
einem Tauschgeschäft der A.________ verkauft werden wird. Der Vorwurf,
eigenmächtig gehandelt und informiert zu haben, setzt den Beschwerdeführer als
Geschäfts- und Berufsmann herab, wie die Vorinstanz zutreffend festhält,
berührt jedoch nicht seine ethische Integrität. Dass das Schreiben auf
offiziellem Briefpapier der Gemeinde Davos erfolgte, ist nachvollziehbar, weil
der Beschwerdegegner als offizieller Gemeindevertreter Einsitz im Stiftungsrat
gehabt hat (Urteil, S. 24 f.)

2.4 Da keine strafrechtlich relevante Ehrverletzungshandlung erkennbar ist, ist
auf die Vorbringen des Beschwerdeführers zum Wahrheits- und Gutglaubensbeweis
im Zusammenhang mit der Eventualbegründung der Vorinstanz nicht einzugehen.

2.5 Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die
bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Mai 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Keller

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben