Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.174/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_174/2013

Urteil vom 20. Juni 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
nebenamtlicher Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiber Briw.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ueli Vogel-Etienne,
Beschwerdeführerin,

gegen

Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, Postfach 6250,
3001 Bern,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Fahrlässige Tötung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung,
1. Strafkammer, vom 10. Januar 2013.

Sachverhalt:

A.

 X.________ arbeitete seit dem 1. September 2008 in ihrem zweiten Assistenzjahr
im Spital Q.________ auf der Anästhesie. Das erste Assistenzjahr hatte sie in
einem anderen Spital auf der Inneren Medizin verbracht.

A.a. Die 72-jährige A.________ (nachfolgend: Patientin) trat wegen einer
Oberarmfraktur, die sie sich bei einem Sturz am Vortag zugezogen hatte, am 27.
April 2009 in das Spital ein. Wegen ihres gesundheitlichen Zustandes wurde sie
zuerst auf die Medizinische Abteilung verlegt. Die Ärzte entschieden sich erst
am 18. Mai 2009 zur Operation. Die Patientin wurde als schwerstkrank eingestuft
(ASA-Score 5). Während der Operation erfolgte eine Bluttransfusion. Dabei
ereignete sich ein sogenannter Transfusionszwischenfall. Der Patientin mit der
Blutgruppe 0+ wurde die nicht kompatible Erythrozytenkonzentration A+
verabreicht.

 An der Operation waren einerseits ein chirurgisch-orthopädisches und
andererseits ein Anästhesie-Team beteiligt. Dieses Anästhesie- oder Narkoseteam
war für die Infusionen und Blutkonserven zuständig. Der Leitende Arzt für
Anästhesie und Schmerztherapie, Dr. C.________, leitete die Narkose ein. Er
hatte zuvor im Labor angerufen, wo ihm bestätigt wurde, dass es mit der
Besorgung des Blutes keine Probleme gebe und die Patientin schon früher Blut
erhalten hatte. Nach der Narkoseeinleitung übergab Dr. C.________ an den
Oberarzt für Anästhesie, Dr. D.________, und verliess den Operationssaal. Bis
zu diesem Zeitpunkt wurden keine Blutprodukte verabreicht. Der Oberarzt blieb
nicht im Operationssaal, kam aber zwischenzeitlich vorbei. Nach seinem
Gedächtnisprotokoll war die Bluttransfusion bereits im Gange, als er um 12.40
Uhr kurz im Operationssaal anwesend war.

A.b. Während der Operation holten die Assistenzärztin X.________ und die
Unterassistentin E.________ das im Labor bereitgestellte Blut für die Patientin
ab, nämlich zwei Beutel mit der Blutgruppe A+ und zwei mit der Blutgruppe A-.
Diese stellten sie in den Kühlschrank des Operationssaals. Für die Transfusion
nahmen sie zuerst einen Beutel der Blutgruppe A+ mit und kontrollierten ihn im
Operationssaal, indem sie die Angaben auf der gelben Transfusionskarte mit
denjenigen auf dem Blutbeutel verglichen. Sie stellten keine
Unregelmässigkeiten fest und transfundierten das Blut der Patientin. In
gleicher Weise gingen sie bei der Transfusion des zweiten Beutels der
Blutgruppe A+ vor. Für E.________ war dies die erste Bluttransfusion, an der
sie beteiligt war. X.________ hatte bereits viermal an einer Transfusion
mitgewirkt.

 Nach Aussagen der beiden Pflegefachfrauen auf der Intensivstation wurde die
Patientin in einem instabilen Zustand vom Operationssaal verlegt. Es gelang
ihnen nicht, den Kreislauf zu stabilisieren. Die Pflegefachfrauen stellten
fest, dass die zwei mitgelieferten Blutkonserven, die bei der Operation nicht
verwendet worden waren, die Blutgruppe A- aufwiesen, und gingen von einem
Transfusionsfehler aus. Um 18.11 Uhr wurde der Tod der Patientin festgestellt.
Todesursache war ein Herzkreislaufversagen infolge eines durch die
Blutgruppeninkompatibilität ausgelösten allergischen Schocks.

A.c. Wie sich herausstellte, hatte die Laborantin F.________ am 18. Mai 2009
den Auftrag erhalten, für die Patientin Blutkonserven bereit zu stellen.
Gleichzeitig musste sie Blut für zwei weitere Patienten testen. F.________
druckte zuerst die Blutgruppenkarte der Patientin mit der korrekten Angabe der
Blutgruppe 0+ auf einem weissen A4-Blatt aus. Danach führte sie die Kontrolle
der drei Blutproben durch. Sie pipettierte das Blut in eine Test-Batterie, eine
sogenannte Testkarte. Diese steckte sie anschliessend in einen ID-Reader. Dort
wurde sie eingescannt, visuell geprüft und an das Computersystem geschickt. Die
Testung hatte für die Patientin die Blutgruppe A+ ergeben. F.________ stellte
hierauf die erwähnten vier Blutbeutel bereit. Jedem Blutbeutel legte sie eine
gelbe Transfusionskarte bei. Nach ihrer Aussage fügte sie zu den beiden
Blutbeuteln A- auch die zusammengefaltete weisse Blutgruppenkarte mit der
korrekt eingetragenen Blutgruppe 0+ der Patientin hinzu. Diese vier Blutbeutel
stellte sie in den Kühlschrank, von wo sie - wie erwähnt - während der
Operation von der Assistenzärztin X.________ und der Unterassistentin
E.________ abgeholt wurden.

 Die weitere Abklärung ergab, dass die Blutgruppe A+ infolge eines
Pipettierfehlers fälschlicherweise für die Patientin ermittelt und an das
Labor-Informationssystem übermittelt worden war. Das System überschrieb
automatisch und ohne Warnanzeige die früher korrekt eingetragene Blutgruppe 0+
der Patientin. Als die Pflegefachfrauen um 14.30 Uhr dem Labor die Diskrepanz
zwischen der Blutgruppenkarte der Patientin (0+) und den aus dem Operationssaal
mitgelieferten Blutbeuteln (A-) mitteilten, ging das Labor von einer
Fehltransfusion aus. Die erneute Testung des Blutes bestätigte diese Vermutung.

B.

 Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern bestrafte X.________ am 20. April 2011
wegen fahrlässiger Tötung mit einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu
Fr. 150.--.

 Das Regionalgericht Emmental-Oberaargau verurteilte X.________ auf ihre
Einsprache hin am 20. Oktober 2011 wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingten
Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 150.--.

 Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte das Urteil auf Berufung von
X.________ am 10. Januar 2013.

C.

 X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das
obergerichtliche Urteil aufzuheben, sie von Schuld und Strafe freizusprechen,
eventualiter die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen,
die Kosten dem Kanton Bern aufzuerlegen, sie für das Strafverfahren mit Fr.
30'000.-- zu entschädigen sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu
erteilen.

Erwägungen:

1.

 Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Anklagegrundsatzes.

1.1. Die Vorinstanz führt aus, angesichts des schwerwiegenden Vorwurfs
erscheine die Anklageschrift als knapp. Die Beschwerdeführerin habe aber ohne
Weiteres erkennen können, welcher Sachverhalt und welche Straftat ihr
vorgeworfen wurden. Dabei stünden weder die gängigen Standards noch die
Handlungsanweisung im Vordergrund. Vielmehr gehe aus der Anklageschrift hervor,
dass ihr vorgeworfen werde, sie habe als Assistenzärztin die Blutkonserven vor
deren Verabreichung nicht mit der Blutgruppenkarte der Patientin verglichen.
Die Plädoyernotizen zeigten, dass über den Vorwurf keine Zweifel bestanden.

1.2. Gemäss Art. 9 Abs. 1 StPO kann eine Straftat nur gerichtlich beurteilt
werden, wenn die Staatsanwaltschaft gegen eine bestimmte Person wegen eines
genau umschriebenen Sachverhalts beim zuständigen Gericht Anklage erhoben hat.
Die Anklageschrift bezeichnet "möglichst kurz, aber genau die der beschuldigten
Person vorgeworfene Tat" (Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO). Der Anklagegrundsatz
bestimmt den Prozessgegenstand (Umgrenzungsfunktion) und bezweckt den Schutz
der Verteidigungsrechte (Informationsfunktion). Er garantiert den Anspruch auf
rechtliches Gehör (BGE 133 IV 235 E. 6.2; 126 I 19 E. 2a). Erhöhte
Anforderungen können sich bei Unterlassungs- und Fahrlässigkeitstaten stellen,
beim unechten Unterlassungsdelikt insbesondere hinsichtlich des (im früheren
Recht ungeschriebenen) Tatbestandsmerkmals der Garantenstellung (BGE 116 Ia 202
E. 2).

 Die Sache wurde zunächst im Strafbefehlsverfahren beurteilt (vgl. dazu Urteil
6B_152/2013 vom 27. Mai 2013 E. 3). Die Beschwerdeführerin erhob gegen den
Strafbefehl vom 20. April 2011 Einsprache (Art. 354 Abs. 1 lit. a StPO). Die
Staatsanwaltschaft hielt am Strafbefehl fest und überwies die Akten an das
erstinstanzliche Gericht. In diesem Fall gilt der Strafbefehl als
Anklageschrift (Art. 356 Abs. 1 StPO). Das erstinstanzliche Gericht entscheidet
"über die Gültigkeit des Strafbefehls" (Art. 356 Abs. 2 StPO). Falls
erforderlich, weist es die Anklage zur Ergänzung oder Berichtigung an die
Staatsanwaltschaft zurück (Art. 329 Abs. 2 StPO). Das erstinstanzliche Gericht
verneinte die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Verletzung des
Anklagegrundsatzes. Die Vorinstanz bestätigte diese Entscheidung.

1.3. Im Strafbefehl wurde der Beschwerdeführerin vorgeworfen, sie habe "als
verantwortliche Assistenzärztin bei der Kontrolle der für (die Patientin)
bestimmten Blutkonserven diese - entgegen der Handlungsanweisung (des Spitals)
vom 28.12.2005 und den gängigen Standards - nicht mit der Blutgruppe bzw. der
Blutgruppenkarte (der Patientin) verglichen und die Blutkonserven
transfundiert, wodurch sie (der Patientin) Blut einer inkompatiblen Blutgruppe
verabreichte, weshalb diese starb" (kantonale Akten, act. 442).

 Die Anklage verweist auf die "Handlungsanweisung" vom 28. Dezember 2005
(Version 3). Diese betrifft nach ihrer Überschrift die "Bluttransfusion" und
hält unter dem Randtitel "Durchführung" insbesondere fest: " (...)
Sicherheitskontrolle (siehe Weisung, Verabreichung von Blutprodukten) :
Übereinstimmung von Name, Vorname und Geburtsdatum des Patienten mit den
Angaben des Transfusionszettels und der Blutgruppenkarte kontrollieren.
Kompatibilität von Blutgruppe und Rhesusfaktor des Blutpräparates mit den
Angaben auf dem Transfusionszettel und der Blutgruppenkarte kontrollieren"
(act. 28).

 Eine Verletzung des Anklagegrundsatzes ist trotz der summarischen
Sachverhaltsumschreibung zu verneinen. Die Beschwerdeführerin wird
unmissverständlich als verantwortliche Assistenzärztin für die Kontrolle der
Blutprodukte und die Bluttransfusion bezeichnet. Es wird ihr vorgeworfen, sie
habe die Blutkonserven "nicht mit der Blutgruppe bzw. der Blutgruppenkarte der
Patientin verglichen". Dabei wird auf die Handlungsanweisung Bezug genommen,
welche die Kontrolle präzisiert. Weiter ergibt sich aus dem Strafbefehl der
nach Auffassung der Staatsanwaltschaft erfüllte Straftatbestand unter Angabe
der anwendbaren Gesetzesbestimmungen. Die Anklageschrift erfüllt die
Mindestanforderungen gemäss Art. 325 StPO.

 Zutreffend weist die Vorinstanz darauf hin, dass entgegen der
Beschwerdeführerin weder die gängigen Standards noch die Handlungsanweisung im
Vordergrund standen, sondern der Anklagevorwurf, sie habe die Blutkonserven
nicht mit der Blutgruppenkarte verglichen (Urteil S. 6). Bereits die
Untersuchungsrichterin wies die Beschwerdeführerin bei der Abweisung eines
Teils der Ergänzungsfragen zum Gutachten darauf hin, dass es nicht um
schweizerische oder kantonale Standards gehe, sondern um das Prozedere im
Spital (act. 267).

2.

 Die Beschwerdeführerin rügt ausführlich eine offensichtlich unrichtige
Sachverhaltsfeststellung und die Verletzung des Grundsatzes in dubio pro reo.

2.1. Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig bedeutet
"willkürlich" im Sinne von Art. 9 BV (BGE 136 II 304 E. 2.4). Die Willkürrüge
muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht
und begründet werden (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 171 E.
1.4; 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5).

 Die Beweiswürdigung ist willkürlich, wenn sie unhaltbar ist oder mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht (BGE 135 I 313 E. 1.3). Das
Bundesgericht hebt einen Entscheid nur auf, wenn er nicht bloss in der
Begründung, sondern im Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung
ebenfalls vertretbar oder zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 134 I 140
E. 5.4). Hinsichtlich des Grundsatzes in dubio pro reo in seiner
Beweiswürdigungs- und Beweislastfunktion kann auf BGE 127 I 38 E. 2a verwiesen
werden.

2.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Vorinstanz nehme willkürlich an,
sie habe die Weisung vom 21. September 2005 (act. 27; unten E. 3.3.2) bzw. die
Handlungsanweisung vom 28. Dezember 2005 (oben E. 1.3) am Tag der Operation
gekannt. Die Weisung sei erst nach der Operation am Kühlschrank des
Operationssaals angebracht worden.

2.2.1. Die Vorinstanz führt aus, die Beschwerdeführerin habe am 22. Juni 2009,
rund einen Monat nach der Operation, ausgesagt, die Weisung zu kennen, weil sie
am Kühlschrank im Operationssaal aufgemacht sei. Am 20. Oktober 2010 habe sie
diese Aussage bestätigt. Erst an der Hauptverhandlung vom 20. Oktober 2011 habe
sie erklärt, sie habe die Weisung am Tag der Operation nicht gekannt, weil sie
erst nach dem 18. Mai 2009 aufgehängt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe
bei der Befragung vom 22. Juni 2009 im Präsens zu Protokoll gegeben, die
Weisung zu kennen (act. 100). Damit beziehe sich die isolierte Aussage
vordergründig auf den Zeitpunkt der Befragung. Werde die im Präteritum
gestellte Frage ("Kannten Sie diese Weisung bzw. Handlungsanweisung?") sowie
der Kontext dieser Frage gewürdigt, werde klar, dass sie sich auf den
Kenntnisstand der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Operation am 18. Mai 2009
bezog. Weiter sei anzunehmen, dass sie unverzüglich darauf hingewiesen hätte,
dass sie die Weisung im Zeitpunkt der Befragung kenne, aber zum Zeitpunkt der
Operation nicht gekannt habe. Die Aussage an der Hauptverhandlung vom 20.
Oktober 2011 sei eine Schutzbehauptung. Unter Berücksichtigung der zentralen
Bedeutung der Erstaussage im Rahmen der Glaubhaftigkeitsprüfung sei auf die
Einvernahme vom 22. Juni 2009 abzustellen (Urteil S. 19).

2.2.2. In der Einvernahme wurde dem Leitenden Arzt, Dr. C.________, die Aussage
der Beschwerdeführerin vorgelegt, wonach sie nicht gewusst habe, dass sie die
Blutkonserven mit der Blutgruppenkarte vergleichen musste. Er antwortete:
"Peinlich. Wenn sie das nicht wusste, hätte sie jemanden fragen müssen, wie sie
es machen muss" (act. 166/12). Auf die Frage, wie die Einführung/Anleitung/
Ausbildung der Assistenzärzte der Anästhesie im Spital zur fraglichen Zeit
erfolgte, erklärte Dr. C.________, er sei mehrheitlich in einem anderen Spital
aktiv. Wie das hier jeweils ausgesehen hatte, habe er nicht genau mitbekommen
(act. 166/11). Die Transfusionsmedizin gehöre zur Grundausbildung. Es gebe
Handlungsanweisungen. Ansonsten müsse man fragen (act. 166/14). Verbindlich sei
die Blutgruppenkarte (act. 166/12).

 Die Zeugin G.________ hatte bis in den Juni 2009 in der gleichen Funktion als
Assistenzärztin gearbeitet wie die Beschwerdeführerin. Sie erklärte, die
Einführung im Spital sei dürftig gewesen, einfach ein "learning by doing". Die
Handlungsanweisung habe sie nicht gekannt. Die Weisung habe sie nie bekommen.
Sie sei nicht auf solche Arbeitsunterlagen oder Checklisten hingewiesen worden.
Sie habe immer die Transfusionskarte und den Blutbeutel miteinander verglichen
(act. 166/1 ff.).

 Die Unterassistentin E.________ antwortete auf die Frage nach einer Kenntnis
der Weisung und Handlungsanweisung, sie habe erst im Nachhinein erfahren, "dass
es so etwas gibt" (act. 114).

 Wie die Pflegefachfrau ausführte, war die Handlungsanweisung in einem Ordner
auf der Intensivstation abgelegt und befindet sich heute auch im Intranet,
damals aber nicht (act. 139).

 Weder Dr. C.________ noch G.________ und E.________ kannten nach ihren
Aussagen die Weisung. Das spricht gegen die vorinstanzliche Annahme, dass sie
im fraglichen Zeitpunkt am Kühlschrank des Operationssaals angebracht war.
Diese Aussagen berücksichtigt die Vorinstanz nicht. Sie stützt sich einzig auf
die erwähnte Befragung der Beschwerdeführerin vom 22. Juni 2009 (oben E. 2.2.1;
Urteil S. 19 mit Verweisung auf act. 100 [recte]). Weisung und
Handlungsanweisung richten sich an die "Akutpflege" sowie die
"Pflegefachfrauen". Die Dokumente wurden vom "Departementsleiter Kliniken" und
der "Departementsleiterin Pflege und Behandlungen" erstellt. Direkte Adressaten
sind die Pflegefachleute. Diesem Umstand dürfte es (auch) geschuldet sein, dass
sie nicht unmittelbar Eingang in die Instruktion der beiden Assistenzärztinnen
fanden. Der Oberarzt wurde - soweit ersichtlich - nicht befragt. Die
Beschwerdeführerin hatte bereits dem Kreisärztlichen Dienst bei der
Rechtsmedizinischen Untersuchung am 19. Mai 2009 erklärt, es habe keine
Arbeitsanweisung bestanden, die einen Vergleich von gelber Begleitkarte und
Blutkonserve mit dem Blutgruppenausweis der Patientin vorschrieb (act. 24).

 Somit erweisen sich die Aussagen der Beschwerdeführerin als konsistent,
schlüssig und glaubhaft, dass sie weder die Weisung noch die Handlungsanweisung
gekannt hatte und auch nicht darauf hingewiesen worden war. Ferner bestätigte
G.________ die von der Beschwerdeführerin behauptete Praxis, dass bei der
Kontrolle nur Transfusionskarte und Blutbeutel verglichen wurden.

2.2.3. Unbestritten ist, dass Weisung und Handlungsanweisung im Zeitpunkt der
Operation im Spital massgebend waren und die Pflegefachfrauen auf der
Intensivpflegestation diese kannten und sich danach richteten. Aus dieser
Tatsache und der zweifelhaften Aussage der Beschwerdeführerin vom 22. Juni 2009
lässt sich angesichts des Grundsatzes in dubio pro reo nicht mit haltbaren
Gründen schliessen, dass die Beschwerdeführerin die Weisung im Zeitpunkt der
Operation kannte (entgegen Urteil S. 20).

 Hingegen lässt die Vorinstanz offen, ob die Beschwerdeführerin die
Handlungsanweisung kannte (Urteil S. 21), und geht bei der rechtlichen
Würdigung davon aus, dass ihr die Handlungsanweisung "hätte bekannt sein
müssen" (Urteil S. 27). Somit ist eine Kenntnis der Weisung und der
Handlungsanweisung durch die Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen.

2.3. Die Beschwerdeführerin beanstandet die vorinstanzlichen Feststellungen zur
Kontrolle von Blutkonserven vor der Transfusion. Einen Standard habe es
allenfalls auf der Intensivstation gegeben, nicht in der Anästhesie, wo es
nicht üblich gewesen sei, Blutkonserven auch anhand der Blutgruppenkarte zu
überprüfen.

2.3.1. Die Vorinstanz stellt fest (Urteil S. 21), es gehöre zum gängigen Ablauf
einer Bluttransfusion, das zu verabreichende Blut mit der Blutgruppenkarte des
Patienten zu vergleichen. Sie stützt sich auf das Gutachten des Instituts für
Rechtsmedizin der Universität Bern. Nach diesem ergibt sich das
Standardprozedere aus der spitalinternen Weisung und Handlungsanweisung. Vor
der Verabreichung von Blut muss überprüft werden, ob die Beschriftungen der
Blutkonserven mit den dazugehörigen Transfusionskarten übereinstimmen. Diese
Blutgruppen sind anschliessend mit der Blutgruppe des Empfängers mittels
Blutgruppenkarte zu vergleichen (act. 232). Nach dem Gutachten ist nicht
nachvollziehbar, warum die Beschwerdeführerin das nicht getan hatte. Dass sie
keine Blutgruppenkarte gesehen hatte, hätte sie veranlassen müssen, eine solche
anzufordern (act. 234).

2.3.2. Das Gutachten stützt sich auch auf die Weisung und die
Handlungsanweisung, die im Spital massgebend waren (vgl. act. 227, 232, 234).
Wie dargelegt (oben E. 2.2.3), kann in dubio pro reo nicht davon ausgegangen
werden, dass die Beschwerdeführerin die beiden Dokumente kannte. Wie der
Leitende Arzt erklärte (oben E. 2.2.2), hätte sie aber in ihrer Funktion wissen
müssen, dass die Blutgruppenkarte der Patientin zur Kontrolle beizuziehen war.

 Das ist ebenfalls die Ansicht der Gutachter. Sie halten im Gutachten fest,
"aus rechtsmedizinischer und klinischer Sicht (müssen) nicht nur die auf den
Blutkonserven aufgedruckten Blutgruppen mit den Blutkonservenkarten verglichen
werden, sondern zwingend auch mit der Blutgruppe resp. mit der Blutgruppenkarte
der Patientin, für welche die Blutkonserven bestimmt sind" (act. 230). Die
Beschwerdeführerin "war während der Anästhesie direkt für die Gabe einer
korrekten Blutgruppe (...) zuständig" (act. 232).

 Die Gutachter beziehen sich entgegen der Beschwerdeführerin nicht nur abstrakt
auf den Stand der medizinischen Wissenschaften oder auf die Weisung und die
Handlungsanweisung des Spitals, sondern beantworten unmissverständlich die
Frage nach den "Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten" für die Gabe der
"korrekten Blutgruppe" im Operationssaal in der konkreten Situation. Zu dieser
Aussage waren die Gutachter aufgrund ihrer Fachkompetenz befähigt. Sie haben
das Gutachten im Hinblick auf die Anforderungen an die Beschwerdeführerin in
der zu beurteilenden Strafsache erstellt. Die Vorinstanz folgte zu Recht dem
Gutachten und schloss willkürfrei auf einen entsprechenden "gängigen Ablauf im
Vorfeld einer Bluttransfusion", auch wenn sie die Frage eines "allgemein
gültigen Verfahrens" nicht abschliessend beantworten konnte (Urteil S. 21). Das
war nicht Beweisthema. Unter Einhaltung der gängigen Standards versteht die
Vorinstanz zutreffend ein Vorgehen "lege artis" (Urteil S. 26).

 Das Gutachten stellt im entscheidenden Punkt fest, aus "rechtsmedizinischer
und klinischer Sicht" sei der Vergleich mit der Blutgruppenkarte für die
Beschwerdeführerin "zwingend" gewesen. Ein Hinweis auf diesbezügliche Literatur
oder anerkannte Richtlinien wäre der Nachvollziehbarkeit des Gutachtens
dienlich gewesen wie auch ein Nachweis universitärer Lernzielkataloge oder von
Anforderungen der Weiterbildung. Das Medizinalberufegesetz (MedBG; unten E.
3.2) und die entsprechende Botschaft (BBl 2005 173) enthalten Grundsätze und
Ziele der Aus-, Weiter- und Fortbildung. Diese bedürfen der gutachterlichen
Konkretisierung hinsichtlich der Anforderungen an eine Assistenzärztin in der
zu beurteilenden Situation. Die Beschwerdeführerin kritisiert das Gutachten,
belegt aber nicht, dass die Sicht des Gutachtens nicht richtig sein könnte.
Dafür liegen keine Anhaltspunkte vor.

2.3.3. Nach ihren Angaben hatte die Laborantin F.________ den beiden
Blutbeuteln der Gruppe A- die ausgedruckte weisse Blutgruppenkarte mit der
korrekt eingetragenen Blutgruppe 0+ der Patientin beigelegt, als sie diese in
den Kühlschrank stellte (oben Bst. A.c). Die Laborantin faltete die
Blutgruppenkarte zusammen und legte sie in eine der ebenfalls
zusammengefalteten Transfusionskarten für die Blutbeutel mit der Blutgruppe A-.
Sie war davon ausgegangen, dass diese (wegen der geringeren Haltbarkeit) zuerst
transfundiert würden. Die Beschwerdeführerin verwendete aber die beiden
Blutbeutel mit der Blutgruppe A+ zuerst. Die beiden anderen Blutbeutel nahm
eine Pflegeassistentin nach der Operation mit auf die Intensivstation. Weil
zuerst die Blutgruppe A+ transfundiert wurde, blieb die Blutgruppenkarte von
der Beschwerdeführerin unentdeckt und eine Abgleichung mit den Blutkonserven
und der Transfusionskarte unterblieb (Urteil S. 19). Erst die Pflegefachfrauen
verglichen die Blutkonserven mit der mitgelieferten Blutgruppenkarte (Urteil S.
33).

 Die Beschwerdeführerin erklärte, sie habe keine Blutgruppenkarte gesehen. Sie
habe die gelbe Transfusionskarte nicht "rückkontrolliert". Sie habe die
Kontrolle "einfach gemacht, wie ich es gelernt habe" (act. 294 und 295). Diese
Aussage wurde von der Unterassistentin E.________ bestätigt, die mit der
Beschwerdeführerin zusammen die Blutbeutel abgeholt und kontrolliert hatte. Sie
habe "jedenfalls keinen weissen Zettel gesehen" (act. 297).

 Somit ergibt sich, dass den vier Blutkonserven nach den Aussagen der
Pflegefachfrau und der Laborantin eine Blutgruppenkarte der Patientin beilag.
Es darf nicht unterstellt werden, dass die Beschwerdeführerin und die
Unterassistentin die Blutgruppenkarte bei ihrem Ansichtigwerden nicht
berücksichtigt hätten. Auch diesbezüglich ist von der Darstellung der
Beschwerdeführerin auszugehen.

2.4. Zusammengefasst fehlt der Nachweis, dass die Beschwerdeführerin die
Weisung oder die Handlungsanweisung kannte. Weiter muss in dubio pro reo
angenommen werden, dass die Kontrolle im massgeblichen Zeitraum so vorgenommen
wurde, wie das die Beschwerdeführerin schilderte. Indessen hätte die
Beschwerdeführerin nach der Ansicht des Gutachtens und des Leitenden Arztes der
Anästhesie in ihrer Funktion wissen oder in Erfahrung bringen müssen, dass die
Blutgruppenkarte für die Kontrolle zwingend war.

 Die Sachverhaltsfeststellung ist im entscheidrelevanten Ergebnis, der
Zuständigkeit der Beschwerdeführerin für die Letztkontrolle im Operationssaal,
nicht unhaltbar, weshalb eine Aufhebung des Urteils nicht in Betracht kommt.

3.

 Die Beschwerdeführerin wendet sich in umfangreichen Ausführungen gegen den
Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung. Sie wirft zwei "Kernfragen" auf.
Erstens, ob die gebotene Sorgfalt erfordert hätte, auch die Blutgruppenkarte
beizuziehen, und zweitens, wer die Verantwortung für eine mangelhafte
Einführung und Instruktion trage, sie selber oder die Ärzte.

3.1. Gemäss Art. 117 StGB wird bestraft, wer fahrlässig den Tod eines Menschen
verursacht. Der Tatbestand setzt den Tod einer Person, eine
Sorgfaltspflichtverletzung sowie den Kausalzusammenhang zwischen Tod und
Sorgfaltswidrigkeit voraus (Urteil 6S.570/2006 vom 6. März 2007 E. 3
[Freispruch von Ärzten mangels Adäquanz] mit Hinweis auf BGE 122 IV 145
[Freispruch eines unerfahrenen Arbeiters]).

 Nach Art. 12 Abs. 3 StGB handelt fahrlässig, wer die Folge seines Verhaltens
aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht Rücksicht
nimmt (Satz 1). Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn die beschuldigte
Person die Vorsicht nicht beachtet, zu der sie nach den Umständen und nach
ihren persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Satz 2).

 Fahrlässige Tötung kann durch Unterlassen begangen werden. Es handelt sich um
ein unechtes Unterlassungsdelikt (vgl. BGE 113 IV 68 E. 5a). Pflichtwidrig
untätig bleibt, wer die Gefährdung oder Verletzung eines strafrechtlich
geschützten Rechtsgutes nicht verhindert, obwohl er aufgrund seiner
Rechtstellung dazu verpflichtet ist (Art. 11 Abs. 2 StGB; zum früheren Recht
BGE 117 IV 130 E. 2a).

 Die ärztliche Sorgfaltspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls
(BGE 130 IV 7 E. 3.3). Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten,
bestimmt sich das Mass der Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften (
BGE 135 IV 56 E. 2.1). Der Arzt handelt unsorgfältig, wenn sich sein Vorgehen
nicht nach den durch die medizinischen Wissenschaften aufgestellten und
generell anerkannten Regeln richtet und dem jeweiligen Stand der Wissenschaft
nicht entspricht (BGE 134 IV 175 E. 3.2).

3.2. Assistenzärzte befinden sich in der Weiterbildung. Sie unterstehen der
unmittelbaren Aufsicht von Kaderärzten (z.B. dem Leitenden Arzt) und
Oberärzten. Zudem sollte das Weiterbildungsziel im Vordergrund stehen ( THOMAS
EICHENBERGER, in: Moritz W. Kuhn/Thomas Poledna [Hrsg.], Arztrecht in der
Praxis, 2. Aufl. 2007, S. 367).

 Die Anforderungen an die universitäre Ausbildung und die berufliche
Weiterbildung umschreibt das Bundesgesetz über die universitären
Medizinalberufe (Medizinalberufegesetz, MedBG; SR 811.11). Nach Art. 8 lit. b
und c MedBG beherrschen Absolventinnen und Absolventen des Studiums der
Humanmedizin die Diagnose und die Behandlung der häufigen und der dringlich zu
behandelnden Gesundheitsstörungen und Krankheiten in ihrem Berufsfeld und sind
fähig, mit Arzneimitteln fachgerecht umzugehen. Die Weiterbildung erweitert und
vertieft die in der universitären Ausbildung erworbenen Kenntnisse, so dass die
Absolventinnen und Absolventen die berufliche Tätigkeit im betreffenden
Fachgebiet eigenverantwortlich ausüben können (Art. 17 Abs. 1 MedBG). Wer mit
Heilmitteln umgeht, muss gemäss Art. 3 Heilmittelgesetz (HMG; SR 812.21) alle
Massnahmen treffen, die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik
erforderlich sind, damit die Gesundheit von Menschen nicht gefährdet wird. Blut
und Blutprodukte gelten als Heilmittel (Art. 2 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 4 Abs.
1 lit. a HMG). Art. 3 HMG statuiert eine spezifische Sorgfaltspflicht, weil der
Umgang mit Heilmitteln risikobehaftet und komplex ist. Die Verantwortung liegt
primär bei demjenigen, der die erforderlichen Massnahmen zu treffen hat (Urs
Jaisli, in: Basler Kommentar, Heilmittelgesetz, 2006, NN. 5 und 6 zu Art. 3
HMG).

 Gemäss Art. 15 Abs. 2 lit. d der regierungsrätlichen Verordnung des Kantons
Bern vom 24. Oktober 2001 über die beruflichen Tätigkeiten im Gesundheitswesen
(Gesundheitsverordnung, GesV; BSG 811.111, in der im Jahre 2009 geltenden
Fassung) sind Ärztinnen und Ärzte allein berechtigt, anästhesiologische
Verrichtungen vorzunehmen, soweit die kantonale oder eidgenössische
Gesetzgebung nichts anderes bestimmt. Assistenzärzte dürfen die
Berufsbezeichnung "Ärztin" oder "Arzt" nicht verwenden (Art. 15 Abs. 3 GesV, e
contrario) und sind folglich nur unter Aufsicht von Ärzten zu
anästhesiologischen Verrichtungen berechtigt (zur vergleichbaren Rechtslage in
Deutschland vgl. Burkhard Madea, Praxis Rechtsmedizin, 2. Aufl. 2007, S. 542).

 Aufgrund dieser Rechtslage geht der Bericht des Kreisärztlichen Dienstes vom
20. Mai 2009 zur Rechtsmedizinischen Untersuchung zutreffend davon aus, dass
der Leitende Arzt und, nach der Übergabe um 12 Uhr, der Oberarzt die
hauptverantwortlichen Anästhesieärzte waren (act. 24). Nach dem Gutachten war
die Beschwerdeführerin während der Anästhesie direkt für die Gabe einer
korrekten Blutgruppe zuständig (oben E. 2.3.2).

3.3. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass sie eine Kontrolle
durchzuführen hatte. Sie sei aber nicht verpflichtet gewesen, die Bestimmung
der Blutgruppe durch das Labor zu überprüfen (Beschwerde S. 37).

3.3.1. Die Bestreitung ist nicht berechtigt. Die Beschwerdeführerin hatte nicht
das Labor zu überprüfen. Sie musste die Kontrolle der Blutprodukte lege artis
durchführen. Sie war für die intraoperative Kontrolle der Blutkonserven zum
Zwecke der Transfusion zuständig und dafür verantwortlich (oben E. 2.3.2). Sie
hatte damit eine Garantenstellung inne und die erforderlichen Massnahmen zu
treffen. Sie kontrollierte einzig, ob die Beschriftungen der Blutkonserven mit
den dazugehörigen Transfusionskarten übereinstimmten. Entscheidend aber war, ob
das bereitgestellte Blut mit dem Blut der Empfängerin kompatibel war. Nur in
diesem Fall durfte es transfundiert werden. Das war die eigentliche
Fragestellung für die verantwortliche Assistenzärztin der Anästhesie. Denn es
kam letztlich nicht auf den Abgleich der Transfusionskarten mit den Blutbeuteln
an, sondern auf die Sicherstellung, dass die Patientin kein inkompatibles Blut
erhielt.

 Die Beschwerdeführerin gab sich nicht Rechenschaft über diese entscheidende
Frage. Sie hatte damit die Vorsicht nicht beachtet, zu der sie nach den
Umständen und nach ihren persönlichen Verhältnissen verpflichtet war. Sie hätte
nach der Ansicht des Gutachtens und des Leitenden Arztes aufgrund ihrer
Ausbildung und Funktion im Anästhesieteam von sich aus wissen oder in Erfahrung
bringen müssen, dass die Blutgruppenkarte für die Kontrolle "zwingend" war.
Diese Tatsache bedachte sie nicht (Art. 12 Abs. 3 StGB) und verhielt sich nach
der juristischen Terminologie unbewusst fahrlässig.

3.3.2. Die Vorinstanz geht anders als das Bundesgericht (oben E. 2.4) von einer
Kenntnis der "Weisung Verabreichung von Blutprodukten" vom 21. September 2005
durch die Beschwerdeführerin im Operationszeitpunkt aus (Urteil S. 26). Dieses
Dokument verweist für die Durchführung der Bluttransfusion auf die
"Handlungsanweisung Bluttransfusion" vom 28. Dezember 2005. Entsprechend wäre
von der Vorinstanz unter ihren Voraussetzungen nicht unbewusste (Urteil S. 35),
sondern bewusste Fahrlässigkeit anzunehmen gewesen, weil die Beschwerdeführerin
auf die ihr bekannte Weisung "nicht Rücksicht nahm" (Art. 12 Abs. 3 StGB). Es
macht verschuldensmässig einen Unterschied, ob die Beschwerdeführerin als
verantwortliche Assistenzärztin eine Tatbestandsverwirklichung mangels Kenntnis
der beiden Dokumente nicht bedachte (unbewusste Fahrlässigkeit), oder ob sie -
bei Kenntnis - sich darüber hinwegsetzte im Vertrauen darauf, dass schon nichts
geschehen werde (bewusste Fahrlässigkeit). Im Ergebnis schloss die Vorinstanz
richtig auf unbewusste Fahrlässigkeit (und wertete dies zugunsten der
Beschwerdeführerin).

3.3.3. Nach der Vorinstanz steht nicht die Bluttransfusion, sondern die
vorgängig fehlende Kontrolle der Blutkonserven anhand der Blutgruppenkarte und
damit ein Unterlassen und kein aktives Tun im Vordergrund (Urteil S. 22).

 Die Beschwerdeführerin prüfte die Blutkonserven vor der Transfusion nicht
gemäss der (unter anderem) im Heilmittelgesetz statuierten spezifischen
Sorgfaltspflicht nach dem Stand von Wissenschaft und Technik. Sie kontrollierte
die Blutkonserven zwar, führte aber die Kontrolle nicht lege artis durch,
weshalb sie nicht kompatibles Blut transfundierte, was den Tod der Patientin
verursachte. Ihr Verhalten ist nach dem für die Abgrenzung von Tun und
Unterlassen massgebenden Subsidiaritätsprinzip (BGE 129 IV 119 E. 2.2) als Tun
zu qualifizieren (nicht als Unterlassen). Das unsorgfältige Handeln bildete die
"causa" für den Erfolgseintritt (vgl. Seelmann, in: Basler Kommentar,
Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 19 zu Art. 11 StGB). Die Qualifikation als
fahrlässiges Handlungsdelikt führt im Ergebnis nicht zu einer von der
Vorinstanz abweichenden Beurteilung.

 Die Vorinstanz begründet die Garantenstellung der Beschwerdeführerin mit der
Übernahme einer Obhutspflicht gegenüber der Patientin, welche einen Vertrag mit
dem Spital abgeschlossen hatte (Urteil S. 23). Das ist der gesetzliche Fall von
Art. 11 Abs. 2 lit. a StGB. Dies beurteilt sich in der Regel nach kantonalem
Recht (BGE 139 III 252; 133 III 462 E. 2.1; 111 II 149 E. 3; Botschaft zur
Änderung des Medizinalberufegesetzes vom 3. Juli 2013, BBl 2013 6223). Die
Garantenstellung lässt sich indessen bereits damit begründen, dass die
Beschwerdeführerin als für die Kontrolle und die Transfusion der Blutkonserven
verantwortliche Assistenzärztin im Anästhesieteam unmittelbar eine Sicherungs-
und Obhutsgarantenpflicht für die Patientin übernahm. Für die Anwendung des
allgemeinen Gefahrensatzes (Art. 11 Abs. 2 lit. d StGB) bleibt angesichts der
spezifischen Sorgfaltspflichtenregelung kein Raum. Weil unzweifelhaft eine
Garantenstellung bestand, führt die vorinstanzliche Annahme fahrlässigen
Unterlassens ebenfalls und insoweit zutreffend zur Tatbestandsverwirklichung
gemäss Art. 117 in Verbindung mit Art. 11 StGB.

3.3.4. Unbehelflich ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin, es sei ihr
angesichts ihres Ausbildungsstandes, ihrer hierarchischen Einordnung und ihrer
Instruktion nicht möglich gewesen, anders zu handeln.

 Wie die Vorinstanz feststellt, sprechen gewisse Indizien dafür, dass der
Informationsfluss und die organisatorischen Abläufe im Spital nicht optimal
waren und die Beschwerdeführerin nicht genügend instruiert wurde (Urteil S. 28
und 35). Die Indizien einer nicht optimalen Compliance bilden keinen
Rechtfertigungs- oder Schuldausschliessungsgrund (Urteil S. 33).

 Beim fahrlässigen Handlungs- wie Unterlassungsdelikt kommt es auf die
individuelle Fähigkeit an, die gebotene Handlung vorzunehmen (Stratenwerth,
Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 4. Aufl. 2011, S. 518). Die
Handlungsmöglichkeit ist bei individueller Unkenntnis der zur Erfolgsabwendung
erforderlichen Massnahmen zu verneinen. War die Handlungsmöglichkeit jedoch
erkennbar, weil sie längst bekannt war, und blieb sie dem Pflichtigen nur
deshalb unbekannt, weil er sich nicht sachkundig machte, ist ihm die fehlende
Handlungsmöglichkeit vorwerfbar (vgl. Seelmann, a.a.O., N. 31 zu Art. 11 StGB).
Der Beschwerdeführerin war die fachspezifische Kenntnisnahme möglich und
zumutbar. Sie hatte ihre Funktion im Anästhesieteam nach einem Medizinstudium
und insgesamt 21 Monaten Praxiserfahrung, davon neun auf der Anästhesie,
ausgeübt (das lässt sich nicht mit der Stellung etwa eines ungelernten und
unerfahrenen Arbeiters wie in BGE 122 IV 145 vergleichen). Sie durfte als
angehende Ärztin nicht unhinterfragt auf eine vorgefundene, vermeintliche
Praxis abstellen. Gemäss Art. 6 Abs. 1 lit. e MedBG sind Absolventen der
universitären Ausbildung fähig, medizinische Informationen sowie die Ergebnisse
der Forschung zu analysieren, deren Erkenntnisse kritisch zu werten und in der
beruflichen Tätigkeit umzusetzen.

 Nach Reinhard Larsen (Anästhesie, 10. Aufl. 2013) beruhen über 90% aller
schweren hämolytischen Transfusionsreaktionen auf einer Unverträglichkeit von
Spender- und Empfängerblut. Häufigste Ursache ist die versehentliche
Transfusion einer Konserve mit falscher Blutgruppe (S. 767) infolge von
Verwechslungen (S. 789). Genau diese Gefahr hatte sich realisiert. Es handelte
sich um einen bekannten Kunstfehler. Damit wird ohne Weiteres klar, dass die
Kontrolle mit der Blutgruppenkarte der Patientin aus klinischer und
rechtsmedizinischer Sicht zwingend war. Die Einvernahmen des Leitenden Arztes
sowie der Fachleute im Labor und auf der Intensivstation ergaben, dass dies
eigentlich im Spital so vorgesehen war. Dass auch andere Kontrollsysteme
existieren (vgl. Larsen, a.a.O.), entlastet nicht. Jedes System muss den
Anforderungen der guten ärztlichen Praxis genügen.

3.4. Aufgrund der prozessualen Situation ist unter dem Gesichtspunkt des
Kausalzusammenhangs einzig das Verhalten der Beschwerdeführerin zu beurteilen.
Delegationsbefugnis und Vorgesetztenverantwortung als solche sind nicht
Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens.

3.4.1. Ein Verhalten ist im natürlichen Sinne kausal, wenn es nicht weggedacht
werden kann, ohne dass auch der eingetretene Erfolg entfiele. Dieses Verhalten
muss nicht alleinige oder unmittelbare Ursache sein (BGE 125 IV 195 E. 2b).
Beliebige Mitursachen können gemäss dieser Äquivalenztheorie zur
strafrechtlichen Zurechnung führen.

 Die Transfusion der nicht kompatiblen Erythrozytenkonzentration A+ durch die
Beschwerdeführerin verursachte den Tod der Patientin. Bei Beachtung der
gebotenen Sorgfalt hätte sie die Inkompatibilität festgestellt und das Blut der
Patientin nicht transfundiert. Die Sorgfaltspflichtverletzung kann "nicht
weggedacht werden, ohne dass auch der eingetretene Erfolg entfiele". Die
sogenannte "natürliche" Kausalität ist gegeben.

3.4.2. Die Rechtserheblichkeit einer äquivalenten Ursache beurteilt sich nach
der Adäquanztheorie. Für die Beschwerdeführerin waren die Folgen einer
Transfusion von inkompatiblem Blut ohne Weiteres vorhersehbar. Vorhersehbarkeit
und Vermeidbarkeit (ausführlich BGE 135 IV 56 E. 2.1 und E. 2.2) betreffen ihr
eigenes Verhalten. Sie musste entgegen der Beschwerde nicht die Ereignisse im
Labor voraussehen. Diese werden ihr nicht zugerechnet. Bei einer lege artis
vorgenommenen Kontrolle wären die Folgen vermeidbar gewesen. Die Vorgänge im
Labor (Pipettierfehler, automatische Mutation der korrekt gespeicherten
Blutgruppe ohne Bestätigungsrückfrage im Laborinformationssystem, keine
Abschlusskontrolle) können den Kausalzusammenhang nicht unterbrechen. Wer eine
spezifische Kontrollverantwortung innehat, muss mit Fehlern rechnen. Das
(unbewusst) sorgfaltswidrige Handeln der Beschwerdeführerin war geeignet, "nach
dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie
den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen" (BGE 135 IV 56
E. 2.1 und E. 2.2).

3.4.3. Die Beschwerdeführerin kann sich nicht auf den allgemeinen
Vertrauensgrundsatz berufen, weil sie eine eigenständige Kontroll- und
Sicherungsfunktion innehatte (ausführlich BGE 120 IV 300 E. 3d/bb,
Mehrfachsicherungssystem). Die Letztverantwortung bei einer Transfusion tragen
die Ärzte und in der zu beurteilenden Sache die unter ihrer Aufsicht wirkende
Beschwerdeführerin. Die Fehler des Labors hätten durch die ärztliche
Letztkontrolle im Operationssaal erkannt und damit vermieden werden können und
müssen.

3.5. Der tatbestandsmässige Erfolg wäre bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt
nicht eingetreten. Er ist der Beschwerdeführerin zuzurechnen.

4.

 Die Beschwerdeführerin stellt die Rechtsbegehren zu Kosten und Entschädigung
für den Fall eines Freispruchs und begründet sie nicht weiter. Darauf ist nicht
einzutreten.

5.

 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der
Beschwerdeführerin sind die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

 Das Bundesgericht erteilte der Beschwerde superprovisorisch die aufschiebende
Wirkung (Art. 103 Abs. 3 BGG). Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch
gegenstandslos geworden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Strafabteilung, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Juni 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Briw

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