Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.132/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_132/2013

Urteil vom 28. Mai 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Kratz-Ulmer.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Altermatt,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Emma Herwegh-Platz 2a, 4410
Liestal,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mehrfache Widerhandlung gegen das BG über die obligatorische
Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung; Betrug; Willkür,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Strafrecht,
vom 30. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a Das Strafgericht Basel-Landschaft sprach X.________ am 16. Februar 2012 von
den Vorwürfen der mehrfachen Widerhandlung gegen das
Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG) und des gewerbsmässigen Betrugs frei.
A.b Das Kantonsgericht Basel-Landschaft hiess die Berufung der
Staatsanwaltschaft am 30. Oktober 2012 gut. Es verurteilte X.________ wegen
mehrfacher Widerhandlung gegen Art. 105 AVIG sowie wegen Betrugs zu einer
bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten.
Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
X.________ meldete sich im Dezember 2005 beim KIGA Basel-Landschaft,
Öffentliche Arbeitslosenkasse (fortan KIGA) zum Bezug von
Arbeitslosenentschädigung an. Diesem gegenüber verschwieg er, dass er Mitte
2006 eine eigene Garage eröffnet hatte und gab an, er könne im Rahmen seiner
Arbeitsfähigkeit von 50% Reparaturen in der Werkstatt eines Kollegen
durchführen. Sein Einkommen war um ein Vielfaches höher als der deklarierte
Zwischenverdienst. Das KIGA zahlte ihm von November 2006 bis Mai 2007 zu hohe
Arbeitslosengelder aus.
Im Juli 2007 ersuchte er die Sozialhilfebehörde Pratteln um finanzielle
Unterstützung. Dieser verschwieg er sein Einkommen aus der selbstständigen
Tätigkeit als Automechaniker. Als Folge bezog er zu hohe
Unterstützungsleistungen.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des
Kantonsgerichts Basel-Landschaft aufzuheben und ihn von den Vorwürfen der
mehrfachen Widerhandlung gegen Art. 105 AVIG sowie des Betrugs freizusprechen.
Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Beweiswürdigung. Die Vorinstanz
habe seinen Zwischenverdienst falsch ermittelt. Nicht alle beschlagnahmten
Rechnungen seien von ihm ausgestellt worden. Auch habe er nicht alle
fakturierten Beträge erhalten. Er habe an der Hauptverhandlung eine Liste mit
Rechnungen eingereicht, die nicht, nur teilweise oder verspätet bezahlt worden
seien. Aus der Liste gehe auch hervor, dass es sich bei gewissen Rechnungen um
Kostenvoranschläge gehandelt habe. Nicht erwiesen sei, dass er nebst den
fakturierten Beträgen noch weitere Einkünfte gehabt habe.

1.2 Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des
Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; siehe Art. 105 Abs. 1
und 2 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie
willkürlich ist (BGE 137 III 226 E. 4.2). Willkür bei der Beweiswürdigung liegt
vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung
oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für
die Annahme von Willkür nicht (BGE 138 I 305 E. 4.3; 137 I 1 E. 2.4; je mit
Hinweisen).
Die Rüge der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der Willkür bei der
Sachverhaltsfeststellung) muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen
Entscheids präzise vorgebracht und substanziiert begründet werden, andernfalls
darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136
I 65 E. 1.3.1; je mit Hinweisen).

1.3 Die Vorinstanz verglich die vom Beschwerdeführer deklarierten
Zwischenverdienste aus der Periode 2007 mit den sichergestellten Rechnungen.
Sie stellte fest, dass diese in keinem einzigen der stichprobenweise
ausgewählten Fälle übereinstimmten. Dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen,
die fehlende Übereinstimmung anlässlich der vorinstanzlichen Hauptverhandlung
plausibel zu erklären. Seine Vorbringen, nicht alle sichergestellten Rechnungen
seien von ihm ausgestellt worden, stünden im Widerspruch zu den Aussagen des
Zeugen A.________. Dieser habe zu Protokoll gegeben, nicht gleichzeitig mit dem
Beschwerdeführer in der Garage gearbeitet zu haben. Fünf weitere Zeugen, welche
gemäss den beschlagnahmten Rechnungen Kunden der "C.________ Garage" waren,
hätten ausgeführt, nur vom Beschwerdeführer bedient worden zu sein (Urteil S.
9). Des Weiteren führt die Vorinstanz aus, der Beschwerdeführer habe bestätigt,
dass bei ihm grundsätzlich Barzahlung gegolten und er nur zwischendurch
Rechnungen ausgestellt habe. Die Zeugin B.________ habe präzisiert, dass der
Beschwerdeführer Barzahlungen ohne Quittungen entgegengenommen habe (Urteil S.
11).

1.4 Die Vorinstanz kommt willkürfrei zum Schluss, der Beschwerdeführer habe
unwahre und unvollständige Angaben hinsichtlich seines Zwischenverdienstes
gemacht. Sie stellt auf stichprobenweise geprüfte Rechnungen, auf Aussagen von
Zeugen und auf solche des Beschwerdeführers ab. Gestützt auf die Zeugenaussagen
konnte sie ohne Willkür annehmen, der Beschwerdeführer habe die beschlagnahmten
Rechnungen ausgestellt und die von ihm eingereichte Liste sei nicht
vollständig. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, inwiefern das Beweisergebnis
der Vorinstanz nicht vertretbar und damit willkürlich sein soll. Diese verfällt
nicht in Willkür, wenn sie dem Beschwerdeführer vorwirft, er habe dem KIGA
nicht alle Einnahmen aus seiner Tätigkeit als Automechaniker deklariert.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von Art. 105 Abs. 1 AVIG
geltend. Die Vorinstanz erachte den Tatbestand durch unvollständige
beziehungsweise unwahre Angaben als erfüllt und gehe zu Unrecht davon aus, der
unrechtmässige Bezug von Versicherungsleistungen müsse nicht bewiesen sein.

2.2 Den Tatbestand von Art. 105 Abs. 1 AVIG erfüllt, wer durch unwahre oder
unvollständige Angaben oder in anderer Weise für sich zu Unrecht
Versicherungsleistungen erwirkt.

2.3 Die Vorinstanz geht davon aus, der effektive Arbeitslohn des
Beschwerdeführers sei um ein Vielfaches höher gewesen als der dem KIGA
deklarierte Zwischenverdienst. Dies hatte zur Folge, dass der Beschwerdeführer
zu hohe Versicherungsleistungen bezog, welche ihm nicht zustanden. Der
Schuldspruch im Sinne von Art. 105 Abs. 1 AVIG ist bundesrechtskonform.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine Verletzung von Art. 146 StGB
vor. Er beanstandet, die Tatbestandsmerkmale der Arglist und des
Vermögensschadens seien nicht gegeben.

3.2 Gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB macht sich des Betrugs strafbar, wer in der
Absicht, sich oder einen anderen unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch
Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in
einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten
bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen anderen am Vermögen schädigt.

3.3 Die Vorinstanz stellt verbindlich fest, der Beschwerdeführer habe sein
Einkommen falsch deklariert. Als Folge davon habe ihm die Sozialhilfebehörde zu
hohe Leistungen ausbezahlt (Urteil S. 15). Gestützt darauf bejaht die
Vorinstanz zu Recht das Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens.
3.4
3.4.1 Der Tatbestand des Betrugs erfordert eine arglistige Täuschung. Einfache
falsche Angaben sind arglistig, wenn ihre Überprüfung nicht oder nur mit
besonderer Mühe möglich oder nicht zumutbar ist, wenn der Täter den Getäuschten
von der möglichen Überprüfung abhält oder nach den Umständen voraussieht, dass
dieser die Überprüfung der Angaben aufgrund eines besonderen
Vertrauensverhältnisses unterlassen werde. Das Täuschungsopfer ist dabei zu
einem Mindestmass an Aufmerksamkeit verpflichtet. Die Arglist scheidet aus,
wenn der Getäuschte die grundlegendsten Vorsichtsmassnahmen nicht beachtet hat.
Dabei ist im Einzelfall der jeweiligen Lage und Schutzbedürftigkeit des
Betroffenen bzw. seiner Fachkenntnis und Geschäftserfahrung Rechnung zu tragen
(BGE 135 IV 76 E. 5.2; 126 IV 165 E. 2a; 122 IV 246 E. 3a).

Nach der im Bereich der Sozialhilfe ergangenen Rechtsprechung handelt eine
Behörde leichtfertig, wenn sie die eingereichten Belege nicht prüft oder es
unterlässt, die um Sozialhilfe ersuchende Person aufzufordern, die für die
Abklärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse relevanten Unterlagen wie
beispielsweise die letzte Steuererklärung und Steuerveranlagung oder
Kontoauszüge einzureichen. Hingegen kann ihr eine solche Unterlassung nicht zum
Vorwurf gemacht werden, wenn diese Unterlagen keine oder voraussichtlich keine
Hinweise auf nicht deklarierte Einkommens- und Vermögenswerte enthalten.
Leichtfertigkeit wird namentlich angenommen, wenn die Behörde den Gesuchsteller
nicht zu den von ihm vorgetragenen widersprüchlichen Angaben befragt (vgl.
Urteil 6B_531/2012 vom 23. April 2013 E. 3.3 mit Hinweisen).
3.4.2 Der Beschwerdeführer argumentiert, die Sozialhilfebehörde sei informiert
gewesen, dass er einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Er habe angegeben,
bei der Arbeitslosenversicherung einen Zwischenverdienst als Automechaniker
erzielt zu haben. Er habe offengelegt, dass er "zeitweise 50% arbeitsfähig"
gewesen sei.
3.4.3 Die Vorbringen des Beschwerdeführers vermögen nicht zu überzeugen. Bei
den Fragen nach dem Einkommen aus beruflicher Tätigkeit resp. nach einem Lohn
antwortete er im Unterstützungsgesuch vom 26. Juli 2007 mit "Nein". Auch
sonstiges Einkommen deklarierte er mit "Nein". Auf die Frage, wann er das
letzte Mal gearbeitet habe, gab er den "Zwischenverdienst ALV 06.2006" an
(Urteil S. 15). Zwar teilte er der Sozialhilfebehörde mit, trotz seiner
Krankheit seinen Möglichkeiten entsprechend arbeiten zu wollen. Bei einem
Automechaniker in Muttenz habe er grundsätzlich die Gelegenheit dazu. Dies
würde ihm beim KIGA als Zwischenverdienst angerechnet (kantonale Akten, act.
457). Damit brachte er nur zum Ausdruck, dass er bereit war, einer
Arbeitstätigkeit nachzugehen. Hingegen verschwieg er, dass er tatsächlich
Einkommen erzielte. Die Behörde hatte auch keine Kenntnis, dass er
selbstständig eine Garage führte (Urteil S. 17). Aufgrund der Schilderung des
Beschwerdeführers musste die Sozialhilfebehörde nicht von sich aus
Nachforschungen über die Richtigkeit seiner Einkunftsdeklaration anstellen. Sie
konnte davon ausgehen, dass diese vollständig waren. Die Offenlegung der
50%-igen Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers sagt nichts über seine
tatsächlich erwirtschafteten Verdienste aus. Der Sozialhilfebehörde kann kein
leichtfertiges Verhalten zur Last gelegt werden. Die Vorinstanz verletzt Art.
146 Abs. 1 StGB nicht, indem sie die Arglist bejaht. Der Schuldspruch wegen
Betrugs ist bundesrechtskonform.

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der
Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der finanziellen Lage des
Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen
(Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Mai 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Schneider

Die Gerichtsschreiberin: Kratz-Ulmer

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