Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.131/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_131/2013

Urteil vom 24. Mai 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiber Keller.

Verfahrensbeteiligte
X.________ GmbH,
vertreten durch Rechtsanwalt Gondini A. Fravi,
Beschwerdeführerin,

gegen

1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin,

2. Y.________, vertreten durch Rechtsanwalt Bernard Rambert,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Einstellung der Untersuchung (Veruntreuung usw.),

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts
des Kantons Zürich, III. Strafkammer,
vom 6. Dezember 2012.

Sachverhalt:

A.
A.________ reichte am 17. März 2011 als Geschäftsführer der Schuhläden
X.________ GmbH Strafanzeige gegen den ehemaligen Leiter der Zürcher Filiale
Y.________ ein. Er wirft diesem vor, zwischen dem 31. August 2010 und dem 24.
Januar 2011 in der Zürcher Filiale der X.________ Tageseinnahmen in Höhe von
Fr. 13'278.80 veruntreut zu haben. Gemäss Strafanzeige werden jeden Abend ein
Tagesabschluss erstellt, die Einnahmen gezählt und in einem Couvert in einer
verschlossenen Schublade aufbewahrt. Es gehört zu den Aufgaben des
Filialleiters, die Einnahmen auf das Konto der X.________ einzuzahlen.

B.
Am 4. Oktober 2011 stellte die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl das Verfahren
ein. Die gegen die Einstellung erhobene Beschwerde hiess das Obergericht des
Kantons Zürich am 6. Januar 2012 gut. Die Staatsanwaltschaft stellte das wieder
aufgenommene Verfahren am 19. Juni 2012 erneut ein. Das Obergericht wies die
Beschwerde der X.________ mit Beschluss vom 6. Dezember 2012 ab.

C.
Die X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt, der
angefochtene Beschluss sei aufzuheben und die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl
sei anzuweisen, das Strafverfahren weiterzuführen und gegen Y.________ Anklage
zu erheben. Eventualiter sei der angefochtene Beschluss aufzuheben und die
Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

D.
Das Obergericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten
auf eine Vernehmlassung. Y.________ beantragt, auf die Beschwerde sei nicht
einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerdeführerin hat sich als Privatklägerschaft konstituiert und
Zivilansprüche geltend gemacht. Sie ist legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. a
BGG).

1.2 Der Beschwerdegegner bringt im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens vor,
die Beschwerdeführerin sei am 19. September 2012 aus dem Handelsregister des
Kantons Luzern gelöscht und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden. Die
Parteibezeichnung und die Geschäftsadresse seien in der Beschwerde ans
Bundesgericht falsch angegeben. Zudem sei A.________, der die Anwaltsvollmacht
unterschrieben habe, für die neue X.________ AG nicht zeichnungsberechtigt
(act. 13).

1.3 Das Bundesgericht gab der Beschwerdeführerin Gelegenheit zu diesen
Vorbringen Stellung zu nehmen. Sie legt dar (act. 16), dass sie in eine
Aktiengesellschaft umgewandelt worden, dadurch jedoch nicht untergegangen sei,
sondern in einer geänderten Rechtsform weiterbestehe. Ein Parteiwechsel habe
nicht stattgefunden. Sie legt ausserdem eine aktualisierte Vollmacht,
unterschrieben von den zeichnungsberechtigten Organen, bei (act. 17).

1.4 Nach Art. 53 des Bundesgesetzes über Fusion, Spaltung, Umwandlung und
Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG) vom 3. Oktober 2003 (SR 221.301)
kann eine Gesellschaft ihre Rechtsform ändern (Umwandlung). Ihre
Rechtsverhältnisse werden davon nicht berührt. An der Legitimation der
Beschwerdeführerin zur Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a
und b Ziff. 5 BGG ändert sich nichts. Der Rechtsvertreter der
Beschwerdeführerin ist im Übrigen ordnungsgemäss bevollmächtigt, weshalb auf
die Beschwerde einzutreten ist.

2.
2.1
2.1.1 Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro
duriore". Das Strafverfahren dürfe nur bei klarer Straflosigkeit bzw.
offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen eingestellt werden. Sei eine
Verurteilung gleich wahrscheinlich oder wahrscheinlicher als ein Freispruch,
sei Anklage zu erheben. Es sei zwar zutreffend, dass jeder Mitarbeiter
Gelegenheit gehabt hätte, Geld aus dem Couvert zu entwenden. Das bedeute jedoch
nicht, dass alle anderen Indizien, die für die Täterschaft des
Beschwerdegegners sprächen, deswegen unbeachtlich seien. Die Vorinstanz habe
nicht berücksichtigt, dass die veruntreuten Beträge exakt den Einnahmen an
bestimmten Tagen entsprochen hätten. Da der Beschwerdegegner als einziger an
all diesen Tagen in der Zürcher Filiale beschäftigt gewesen sei, bestehe nur
gegen ihn ein konkreter Tatverdacht. Weder die Staatsanwaltschaft noch die
Vorinstanz hätten sich mit diesen Indizien auseinandergesetzt und die
Ergebnisse der delegierten Ermittlungen nicht gewürdigt, obwohl der ermittelnde
Polizeibeamte zum Schluss gekommen sei, die Täterschaft des Beschwerdegegners
sei faktisch nachgewiesen (Beschwerde, S. 8 f.).
2.1.2 Die Beschwerdeführerin bringt vor, es bestehe für die Periode zwischen
dem 24. und dem 30. Dezember 2010 ein konkreter Tatverdacht. Sie habe in dieser
Zeit Fr. 280.-- Bareinnahmen erzielt, am 31. Dezember 2010 seien allerdings
lediglich Fr. 61.-- einbezahlt worden. Der Differenzbetrag entspreche den
Einnahmen vom 29. Dezember 2010. An diesem Tag (und bis zur Einzahlung auf der
Bank zwei Tage später) hätten nur der Beschwerdegegner und B.________ in der
Filiale gearbeitet. Diese habe ausgesagt, dass er bei seiner Anwesenheit die
Tagesabrechnungen erstellt und die Einnahmen in den Umschlag gelegt habe. Der
Täterkreis umfasse den Beschwerdegegner und B.________, nicht jedoch sämtliche
Mitarbeiter. Indizien auf die Täterschaft von B.________ hätten sich in den
Untersuchungen nicht ergeben. Ausser dem Beschwerdegegner habe nur A.________,
Alleininhaber der Beschwerdeführerin, vereinzelt das Geld zur Bank gebracht. Es
sei allerdings sinnlos, sich durch Veruntreuung von Geldern der eigenen
Unternehmung selber zu schädigen und anschliessend Strafanzeige zu erheben
(Beschwerde, S. 9 ff.).
2.1.3 In der Periode zwischen dem 31. Dezember 2010 und dem 13. Januar 2011
seien Fr. 936.50 Bareinnahmen erzielt, jedoch lediglich Fr. 698.-- einbezahlt
worden. Der veruntreute Betrag von Fr. 238.-- entspreche den Bareinnahmen vom
31. Dezember 2010. An diesem Tag sei lediglich der Beschwerdegegner in der
Filiale präsent gewesen. An den übrigen Tagen hätten der Beschwerdegegner,
B.________ sowie vereinzelt C.________ und D.________ gearbeitet. Letztere
beiden fielen jedoch ausser Betracht, da sie in der ersten Periode der
Veruntreuungen von Mitte Oktober bis Mitte Dezember 2010 in der Zürcher Filiale
keine Arbeitseinsätze geleistet hätten. Zudem stehe fest, dass C.________
bereits vor der jeweiligen Tagesabrechnung wieder nach Zug gefahren sei
(Beschwerde, S. 12 f.).
2.1.4 Nach der Beschwerdeführerin entsprach auch in der Periode vom 14. bis 27.
Januar 2011 die veruntreute Summe den Bareinnahmen vom 21. Januar 2011, an
welchem Tag der Beschwerdegegner und B.________ im Einsatz standen (Beschwerde,
S. 13 f.). Zwischen dem 17. und dem 24. Dezember seien Fr. 570.20 veruntreut
worden. Der Beschwerdegegner habe am 27. Dezember 2010 Fr. 200.-- in bar auf
sein Konto bei der Migros Bank einbezahlt. Ziehe man diesen Betrag von der
veruntreuten Summe ab, ergäben sich Fr. 370.20. Diese Summe entspreche den
Tageseinnahmen vom 17. Dezember 2010. An diesem Tag habe er mit E.________
gearbeitet, die jedoch weder die Tageseinnahmen abgerechnet noch die Einnahmen
zur Bank gebracht habe (Beschwerde, S. 16 f.).
2.1.5 Die Beschwerdeführerin weist schliesslich darauf hin, dass nach dem
Ausscheiden des Beschwerdegegners aus dem Arbeitsverhältnis keine
Veruntreuungen mehr festgestellt wurden. Zudem sei dieser einschlägig
vorbestraft, habe sich bei A.________ über den zu tiefen Lohn beklagt und sich
ungerecht behandelt gefühlt. Er habe deshalb bereits im September 2010
gekündigt, die Kündigung jedoch einen Monat später wieder zurückgezogen. Der
Beschwerdegegner weise überdies sehr hohe Schulden auf (Beschwerde, S. 17 f.).

2.2 Die Vorinstanz legt die Grundsätze für die Einstellung eines
Strafverfahrens dar. Sie erwägt, alle Mitarbeiter der Zürcher Filiale der
X.________ hätten Zugang zur Schublade mit dem Couvert der Tageseinnahmen
gehabt. Aus den Einvernahmen ergebe sich, dass nicht nur der Beschwerdegegner
die Tageseinnahmen abgerechnet habe. Entscheidend sei, dass das Couvert in
einer allen Mitarbeitern zugänglichen Schublade aufbewahrt worden sei. Es sei
nicht anzunehmen, dass dem Beschwerdegegner anklagegenügend ein strafbares
Verhalten nachgewiesen werden könne. Es stehe fest, dass mehrere Personen
Gelegenheit und die Möglichkeit gehabt hätten, Geld zu entwenden. Die
Beschwerdeführerin habe nichts vorgebracht, das an dieser Beurteilung etwas zu
ändern vermöchte. Weitere zielführende Untersuchungshandlungen seien nicht
ersichtlich. Die Einstellung der Strafuntersuchung sei gerechtfertigt (Urteil,
S. 11 ff.).

2.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend
sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig
im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie
willkürlich ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür
BGE 138 I 49 E. 7.1; 136 III 552 E. 4.2; je mit Hinweisen). Eine entsprechende
Rüge muss klar und substantiiert begründet werden (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106
Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 I 65 E. 1.3.1; je mit Hinweisen).

2.4 Die Staatsanwaltschaft verfügt die vollständige oder teilweise Einstellung
des Verfahrens, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage
rechtfertigt (Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO).
Die Vorinstanz erachtet den Umstand, dass die Tageseinnahmen in einer allen
Mitarbeitern zugänglichen Schublade aufbewahrt wurden und mehrere Personen die
Möglichkeit hatten, Geld zu entwenden, als entscheidend. Dies schliesst jedoch
nicht aus, dass bei gerichtlicher Beurteilung mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit kein anderes Ergebnis als ein Freispruch in Frage kommen
könnte. Die Beschwerdeführerin zeigt in ihrer Eingabe ausführlich auf, weshalb
der Beschwerdegegner mehrere Teilbeträge der Deliktssumme mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu seinen Gunsten verwendet haben könnte. Dies begründet sie
einerseits damit, dass die einzelnen veruntreuten Beträge mehrfach genau den
Tageseinnahmen entsprachen, an denen der Beschwerdegegner alleine oder mit
einer weiteren Mitarbeiterin, die jedoch aus verschiedenen Gründen jeweils
nicht für die Tat in Frage kam, in der Zürcher Filiale anwesend war. Die
Beschwerdeführerin erwähnt weitere Indizien, die sich auch aus den Akten
ergeben. So etwa, dass die Beziehung zwischen dem Beschwerdegegner und
A.________ aus verschiedenen Gründen angespannt war. So war er mit seinem Lohn
unzufrieden, hatte wegen einer verbalen Auseinandersetzung mit seinem
Vorgesetzten unmittelbar vor Beginn der Veruntreuungshandlungen gekündigt, die
Kündigung jedoch später zurückgezogen, und ist einschlägig vorbestraft. Zudem
wies er im Deliktszeitraum offene Betreibungen in Höhe von Fr. 130'000.-- und
offene Verlustscheine von über Fr. 102'000.-- auf (act. 11/31). Konkrete
Indizien für die Täterschaft anderer Mitarbeiter liegen nicht vor. Die
Vorinstanz verletzt Bundesrecht, indem sie den Einstellungsbeschluss der
Staatsanwaltschaft schützt und einen Tatverdacht im Sinne von Art. 319 Abs. 1
lit. a StPO als nicht erhärtet erachtet.

3.
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Der Beschluss des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 6. Dezember 2012 ist aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Bei diesem Verfahrensausgang sind dem Beschwerdegegner die hälftigen
Verfahrenskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin sind
keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Beschwerdegegner unterliegt
mit seinem Antrag auf Nichteintreten, eventualiter kostenfällige Abweisung der
Beschwerde. Er hat, zusammen mit dem Kanton Zürich, der Beschwerdeführerin eine
angemessene Entschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Beschluss des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 6. Dezember 2012 wird aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung
an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Der Beschwerdegegner und der Kanton Zürich haben der Beschwerdeführerin eine
Entschädigung von je Fr. 1'500.-- auszurichten.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Mai 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Schneider

Der Gerichtsschreiber: Keller

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