Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.126/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_126/2013

Urteil vom 28. Mai 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Denys,
Gerichtsschreiberin Andres.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Landolt,
Beschwerdeführer,

gegen

1. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen,
2. Y.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Einstellung (Verleumdung),

Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 28.
November 2012.

Sachverhalt:

A.
Anlässlich eines geschäftlichen Telefonats vom 4. April 2006 soll X.________
als Verwaltungsratspräsident der A.________ AG Y.________, Sachbearbeiter beim
B.________, gedroht haben, ihn umzubringen. Y.________ informierte seinen
Vorgesetzten und den Gemeindepräsidenten von Walenstadt über den Vorfall,
zeigte X.________ jedoch nicht an.
Im Jahr 2011 kandidierte X.________ für den National- und Ständerat. Während
des Wahlkampfs schrieb Y.________ auf seinem Facebook-Profil "Wer X.________
kennt, wählt X.________ nicht." Am 26. September 2011 wurde Y.________ in der
Online-Ausgabe einer Zeitung wie folgt zitiert: "X.________ hat am 4. April
2006 gedroht, mich umzubringen." Eine gedruckte Zeitung publizierte diese
Äusserung am 28. September 2011.

B.
Am 16. Dezember 2011 zeigte X.________ Y.________ wegen Verleumdung, evtl.
übler Nachrede, an.
Das Untersuchungsamt Uznach stellte am 31. August 2012 das Strafverfahren gegen
Y.________ ein.

C.
Die Anklagekammer des Kantons St. Gallen wies die Beschwerde von X.________
gegen die Einstellungsverfügung am 28. November 2012 ab.

D.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die
Vorinstanz, evtl. die erste Instanz, zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer, der als Privatkläger im kantonalen Verfahren eine
Schadenersatz- und Genugtuungsforderung geltend gemacht hat, ist zur Beschwerde
in Strafsachen legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG).

2.
Der Beschwerdeführer rügt, sein rechtliches Gehör sei verletzt (Art. 29 Abs. 2
BV). Die Vorinstanz habe sich nicht mit seinen Einwänden auseinandergesetzt,
wonach der Beschwerdegegner die Kandidatur nur als Vorwand genutzt habe, um
sich zu rächen. Zudem habe sie seine Ausführungen zu den Zeugenaussagen nicht
berücksichtigt.
Aus ihrem Entscheid ergibt sich mit genügender Klarheit, weshalb die Vorinstanz
den Beschwerdegegner zum Entlastungsbeweis zulässt. Auch setzt sie sich mit den
Ausführungen des Beschwerdeführers auseinander, würdigt die Aussagen jedoch
abweichend (Entscheid S. 4 f. Ziff. 3.2.). Es ergibt sich auch zweifelsfrei,
weshalb die Vorinstanz die Zeugenaussagen für glaubhaft und folglich die
Drohung für erstellt erachtet (Entscheid S. 6 f. Ziff. 3.3.4.). Damit ist der
Anspruch auf rechtliches Gehör gewahrt (vgl. BGE 138 IV 81 E. 2.2 S. 84 mit
Hinweis).

3.
Der Beschwerdeführer rügt mehrere Verletzungen des Willkürverbots (Art. 9 BV).

3.1 Die Vorinstanz gehe willkürlich davon aus, er habe gegenüber dem
Beschwerdegegner im Jahr 2006 eine "Morddrohung" ausgesprochen. Das Zitat des
Beschwerdegegners in der Zeitung lasse auf eine Drohung mit einer vorsätzlichen
Tötung (Art. 111 i.V.m. Art. 180 StGB) schliessen. Die angebliche Äusserung
verliere daher erheblich an Bedeutung.
Für den Ausgang des Verfahrens ist es belanglos, wie die fragliche Aussage
rechtlich qualifiziert wird. Auf die Rüge ist nicht einzutreten.

3.2 Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, Beweise falsch (willkürlich)
gewürdigt zu haben. Die Aussagen des Vorgesetzten des Beschwerdegegners seien
widersprüchlich und nicht glaubhaft. Der Vorgesetzte habe nach dem Telefonat,
in welchem die Drohung angeblich geäussert worden sei, im Namen des B.________
einen Brief an den Beschwerdeführer geschrieben, worin die Drohung nicht
erwähnt sei. Im Brief habe er wahrheitswidrig behauptet, der Beschwerdeführer
habe sich gegenüber dem Geschäftsleiter des B.________ ehrverletzend über den
Beschwerdegegner geäussert. Es sei nicht abwegig und denkbar, dass der
Beschwerdegegner eine Äusserung des Beschwerdeführers falsch verstanden habe.
Der Beschwerdeführer habe nie eine "Morddrohung" gegen den Beschwerdegegner
ausgestossen.
Die Vorinstanz erachtet gestützt auf die glaubhaften Aussagen als erstellt,
dass der Beschwerdegegner seinen Vorgesetzten und den Gemeindepräsidenten über
die Drohung informierte. Sie sieht keinen Grund, wieso er dies hätte machen
sollen, wenn er nicht bedroht worden wäre. Folglich habe der Beschwerdegegner
die Aussage ernst genommen. Daran ändere nichts, dass er sie gegenüber dem
Geschäftsleiter des B.________ nicht erwähnt habe. Ebenfalls unerheblich sei,
dass im Schreiben des B.________ an den Beschwerdeführer lediglich von
ehrverletzenden und berufsschädigenden Ausdrücken berichtet werde (Entscheid S.
6 f. Ziff. 3.3.4.).
Der Beschwerdeführer vermag mit seinen Einwänden nicht darzulegen, inwiefern
diese vorinstanzliche Beweiswürdigung unhaltbar sein soll. Er zeigt lediglich
auf, dass man auch zu einem anderen Beweisergebnis hätte gelangen können. Dies
reicht nicht, um Willkür darzutun (vgl. BGE 138 I 49 E. 7.1 S. 51).

4.
Der Beschwerdeführer macht geltend, es lägen keine Einstellungsgründe vor. Die
gegenteilige Ansicht der Vorinstanz verstosse gegen den bundesrechtlichen
Grundsatz "in dubio pro duriore".

4.1 Die kantonalen Behörden stützen ihren Entscheid auf Art. 319 Abs. 1 lit. a
und b StPO. Danach verfügt die Staatsanwaltschaft die vollständige oder
teilweise Einstellung des Verfahrens, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der
eine Anklage rechtfertigt, bzw. kein Straftatbestand erfüllt ist. Demgegenüber
erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage, wenn sie aufgrund der Untersuchung die
Verdachtsgründe als hinreichend erachtet und keinen Strafbefehl erlassen kann
(Art. 324 Abs. 1 StPO).
Der Grundsatz "in dubio pro duriore" fliesst aus dem Legalitätsprinzip (Art. 5
Abs. 1 BV und Art. 2 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 319 Abs. 1 und Art. 324 Abs. 1
StPO). Er bedeutet, dass eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft
grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit bzw. offensichtlich fehlenden
Prozessvoraussetzungen angeordnet werden darf. Bei der Beurteilung dieser Frage
verfügen die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz über einen gewissen
Spielraum, den das Bundesgericht mit Zurückhaltung überprüft. Hingegen ist
(sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in Frage kommt) Anklage zu
erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch (
BGE 138 IV 186 E. 4.1 S. 190 mit Hinweisen).

4.2 Die Vorinstanz lässt den Beschwerdegegner zum Entlastungsbeweis nach Art.
173 Ziff. 3 StGB zu. Sie erachtet als erstellt, dass der Beschwerdegegner
lediglich die Wahl des Beschwerdeführers verhindern, diesen jedoch nicht
persönlich habe verletzen wollen. Eine "Morddrohung" erscheine für die Eignung
eines Wahlkandidaten für ein nationales Amt durchaus von Bedeutung. Der
Beschwerdegegner habe auf den Beschwerdeführer als Politiker abgezielt. Der
Wahlkampf des Beschwerdeführers habe die öffentlichen Vorwürfe des
Beschwerdegegners veranlasst (Entscheid S. 4 f. Ziff. 3.2.).
4.2.1 Der Beschwerdeführer rügt, Art. 173 StGB sei verletzt. Der
Beschwerdegegner sei nicht einem Informationsbedürfnis der Bevölkerung
nachgekommen, sondern habe aus rein persönlicher Motivation (Rache) gehandelt.
Dies ergebe sich aus seinen Aussagen bei der Polizei, wie bereits aus seinem
Brief an das B.________ vom 3. Juli 2006. Er sei daher nicht zum
Entlastungsbeweis zuzulassen.
4.2.2 Gemäss Art. 173 Ziff. 2 StGB ist der Beschuldigte nicht wegen übler
Nachrede strafbar, wenn er beweist, dass die von ihm vorgebrachte Äusserung der
Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen
für wahr zu halten. Der Beschuldigte wird zum Entlastungsbeweis nicht
zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die er ohne Wahrung öffentlicher
Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der
Absicht vorbringt, jemandem Übles vorzuwerfen (Art. 173 Ziff. 3 StGB). Die
beiden Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, damit jemand vom
Wahrheitsbeweis ausgeschlossen werden kann (vgl. BGE 132 IV 112 E. 3.1 S. 116
mit Hinweisen). Ob jemand die Absicht hatte, Übles vorzuwerfen, ist eine
Tatfrage. Rechtsfrage ist, ob eine begründete Veranlassung bestand (vgl. BGE
137 IV 313 E. 2.4.4 S. 321 mit Hinweis).
4.2.3 Die Vorinstanz hat willkürfrei erstellt, dass der Beschwerdegegner den
Beschwerdeführer nicht persönlich angreifen wollte. Daran ist das Bundesgericht
gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dass der Beschwerdeführer für den National- und
Ständerat kandidierte, stellte eine begründete Veranlassung dar, um die
Öffentlichkeit über die fragliche Drohung zu informieren. Damit handelte der
Beschwerdegegner im öffentlichen Interesse. Die Vorinstanz verstösst nicht
gegen Bundesrecht, wenn sie den Beschwerdegegner zum Entlastungsbeweis zulässt.

4.3 Die Vorinstanz erachtet den Wahrheitsbeweis gestützt auf die glaubhaften
Aussagen des Vorgesetzten des Beschwerdegegners und des Gemeindepräsidenten als
erbracht. Da der Vorwurf der Drohung nicht in einem Strafverfahren beurteilt
werde, könne das behauptete Delikt auch ohne entsprechende Verurteilung im
Rahmen des Wahrheitsbeweises nachgewiesen werden (Entscheid S. 5 ff. Ziff.
3.3.).
4.3.1 Unter Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung rügt der
Beschwerdeführer, der Wahrheitsbeweis könne vorliegend nur erbracht werden,
wenn er wegen Drohung verurteilt würde bzw. worden wäre. Der Beschwerdegegner
habe bewusst auf eine Anzeige verzichtet und sich so der Möglichkeit des
Wahrheitsbeweises begeben.
4.3.2 Der Wahrheitsbeweis für die Behauptung oder die Verdächtigung, jemand
habe eine strafbare Handlung begangen, ist grundsätzlich durch eine
entsprechende Verurteilung zu erbringen (BGE 106 IV 115 E. 2c S. 117). Später
hat das Bundesgericht präzisiert, dass der Wahrheitsbeweis bezüglich des
Vorwurfs einer strafbaren Handlung auch ohne entsprechende Verurteilung
erbracht werden kann, wenn aus irgendeinem Grunde, z.B. wegen Verjährung, kein
Strafverfahren durchgeführt werden kann (vgl. BGE 109 IV 36 E. 3b S. 37 f.).
4.3.3 Die fragliche Aussage des Beschwerdeführers gegenüber dem
Beschwerdegegner könnte strafrechtlich als Drohung qualifiziert werden. Gemäss
Art. 180 StGB ist die Drohung ein Antragsdelikt. Der Strafantrag kann während
einer Frist von drei Monaten gestellt werden (Art. 31 StGB) und ist eine
Prozessvoraussetzung. Weil der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer nicht
anzeigte und keinen Strafantrag stellte, kann das Strafverfahren wegen Drohung
nicht mehr durchgeführt werden. Der Beschwerdegegner muss daher den
Wahrheitsbeweis auf andere Weise als durch eine Verurteilung erbringen können
(vgl. BGE 132 IV 112 E. 4.3 S. 119).
4.3.4 Der Einwand des Beschwerdeführers, im Ehrverletzungsverfahren werde
gleichzeitig ein Verfahren gegen ihn wegen Drohung geführt und damit EMRK und
BV verletzt, ist unbegründet. Der angefochtene Entscheid ist kein Urteil gegen
den Beschwerdeführer. Weder wird er darin schuldig gesprochen noch zu einer
Sanktion verurteilt. Die Vorinstanz hat nicht geprüft, ob der Beschwerdeführer
mit seinem Verhalten alle Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 180 StGB erfüllt.
Seine Aussage gegenüber dem Beschwerdegegner wurde nicht strafrechtlich
beurteilt, sondern es wurde festgestellt, dass er die entsprechende Aussage
gemacht hatte. Da der Entscheid der Vorinstanz keine strafrechtlichen
Konsequenzen für den Beschwerdeführer hat, sind seine Verteidigungsrechte nicht
verletzt.

4.4 Die Vorinstanz hat den Beschwerdegegner zu Recht zum Entlastungsbeweis
zugelassen und diesen als erbracht erachtet. Es ist demnach davon auszugehen,
dass der Beschwerdegegner im Falle einer Anklage von der Anschuldigung der
Verleumdung, evtl. üblen Nachrede, freigesprochen würde. Die Einstellung der
Untersuchung hält vor dem Bundesrecht stand.

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Mai 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Schneider

Die Gerichtsschreiberin: Andres

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