Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.115/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_115/2013

Urteil vom 23. August 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Denys,
Gerichtsschreiber Held.

Verfahrensbeteiligte
X.________ AG,
vertreten durch Dr. Caspar Zellweger und Dr. Lienhard Meyer, Advokaten,
Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Matthias Schwaibold,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Unlauterer Wettbewerb (Art. 3 lit. a UWG i.V.m. Art. 23 UWG),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
2. Kammer, vom 4. Dezember 2012.

Sachverhalt:

A.

 Am 20. Oktober 2010 reichte die X.________ AG beim Bezirksgericht Zofingen
Klage gegen den "Z.________"-Redakteur Y.________ wegen unlauteren Wettbewerbs
zwecks Durchführung eines Privatstrafklageverfahrens ein.

B.

 Das Bezirksgericht Zofingen sprach Y.________ am 13. Dezember 2011 frei. Die
hiergegen erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Aargau am 4.
Dezember 2012 im schriftlichen Verfahren ab.

C.

 Die X.________ AG führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das
obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und Y.________ wegen unlauteren
Wettbewerbs zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen unter Ansetzung
einer Probezeit von zwei Jahren zu verurteilen. Eventualiter sei das
obergerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache zu angemessener Bestrafung an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

D.

 Der Beschwerdegegner hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Obergericht
und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau sowie die Beschwerdeführerin
erklärten auf Nachfrage des Bundesgerichts, dass sie die Beteiligung der
Staatsanwaltschaft im Berufungsverfahren für nicht erforderlich halten. Der
Beschwerdegegner hat sich zu den Vernehmlassungen nicht geäussert.

Erwägungen:

1.

1.1. Zur Beschwerde in Strafsachen ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b BGG
berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine
Möglichkeit zur Teilnahme erhalten und ein rechtlich geschütztes Interesse an
der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Ein rechtlich
geschütztes Interesse hat u.a. die Privatklägerschaft, wenn der angefochtene
Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81
Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG; BGE 138 IV 86 E. 3; 138 IV 186 E. 1.4.1; je mit
Hinweisen). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Beschwerdeführerin macht im
Strafverfahren keine Zivilansprüche geltend, was bis zum Abschluss des
erstinstanzlichen Verfahrens erforderlich gewesen wäre (Art. 165 Abs. 1 des
Gesetzes über die Strafrechtspflege des Kantons Aargau vom 11. November 1958
[Strafprozessordnung, StPO/AG; 251.100] i.V.m. Art. 456 Schweizerische
Strafprozessordnung [StPO; SR 312.0]).

1.2. Die Beschwerdeführerin leitet ihre Beschwerdelegitimation im Wege einer
unechten Nachwirkung aus Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 aBGG ab. Danach war zur
Beschwerde in Strafsachen auch die Privatstrafklägerschaft legitimiert, wenn
sie nach kantonalem Recht die Anklage ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft
vertreten hat (vgl. BGE 128 IV 39 E. 2; 127 IV 236 E. 2b/aa; Urteile 6B_358/
2011 und 6B_359/2011 vom 22. August 2011 E. 1.4).

1.3. Am 1. Januar 2011 trat die Schweizerische Strafprozessordnung in Kraft.
Für Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Entscheide, die nach Inkrafttreten der
StPO gefällt werden, gilt neues Recht (vgl. Art. 454 Abs. 1 StPO).
Das in einzelnen kantonalen Strafprozessordnungen, wie auch in derjenigen des
Kantons Aargau, zuvor vorgesehene Privatstrafklageverfahren wurde mit
Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung am 1. Januar 2011
abgeschafft (vgl. Urteil 1B_394/2010 vom 29. Januar 2011 E. 1). Entsprechend
wurde Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 aBGG auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens
der StPO aufgehoben (Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom
21. Dezember 2005, BBl 2006 S. 1336 Ziff. 2.12.1.1). Übergangsrechtlich werden
altrechtliche Privatstrafklageverfahren, die bei Inkrafttreten der
Schweizerischen Strafprozessordnung bei einem erstinstanzlichen Gericht hängig
sind, bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens nach bisherigem
kantonalen Recht, vom bisher zuständigen Gericht, fortgeführt (Art. 456 StPO),
da die StPO keinerlei Regeln für derartige Privatstrafklageverfahren enthält
(BBl 2006 S. 1111 f. Ziff. 1.5.4.1).

1.4.

1.4.1. Die Vorinstanz hält zutreffend fest, dass sich das Berufungsverfahren
nach den Vorschriften der StPO richtet (Art. 454 Abs. 1 StPO), da das
erstinstanzliche Urteil vom 13. Dezember 2011 nach deren Inkrafttreten erging.

1.4.2. Das Privatstraf (klage) verfahren konnte nach aargauischem Prozessrecht
ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden (vgl. Art. 182 ff.
StPO/AG). Mit Inkrafttreten der StPO gilt dies für hängige Verfahren aber nur
noch bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens (Art. 456 StPO). Die
(Privat-) Strafklage (Art. 119 Abs. 2 lit. a StPO) ist nach geltendem Recht als
Nebenstrafklage ausgestaltet, und die Privatklägerschaft kann sich am
Strafverfahren nur noch neben der Staatsanwaltschaft beteiligen, dieses aber
nicht mehr selbstständig führen. Nach Art. 16 Abs. 1 StPO ist die
Staatsanwaltschaft für die gleichmässige Durchsetzung des staatlichen
Strafanspruchs verantwortlich und wird im Rechtsmittelverfahren kraft Gesetzes
Partei im zuvor ausschliesslich von der Privatklägerschaft geführten kantonalen
Privatstrafklageverfahren. Der Privatklägerschaft steht im Schuld- und
Zivilpunkt nach wie vor die gerichtliche Überprüfung durch beide kantonalen
Instanzen offen. So war die Beschwerdeführerin auch nach geltendem Recht im
Berufungsverfahren weiterhin zur Anfechtung des  Freispruchs legitimiert. Dass
sie zur Beschwerde in Strafsachen hingegen nur noch legitimiert ist, wenn der
angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken
kann, ist die Konsequenz des gesetzgeberischen Willens, dass der Strafanspruch
und die Beschwerdelegitimation in Bezug auf eine allfällige Sanktion mit
Einführung der StPO auf die Strafverfolgungsbehörden übergehen und
ausschliesslich von diesen wahrgenommen werden können (vgl. Art. 382 Abs. 2
StPO).

1.4.3. Es besteht keine Notwendigkeit, die Beschwerdelegitimation der
Privatklägerschaft entgegen der gesetzlichen Regelungen (Art. 81 Abs. 1 lit. b
Ziff. 5 BGG) im Wege einer "unechten Nachwirkung" altrechtlicher Vorschriften
zu erweitern. Ein Rechts- oder Instanzverlust ist hiemit - im Unterschied zu
den von der Beschwerdeführerin angeführten bundesgerichtlichen Urteilen 6B_358/
2011 und 6B_359/2011 vom 22. August 2011 (E. 1.4) - nicht verbunden. In den
beiden Fällen war das  gesamte Strafverfahren nach kantonalem Prozessrecht
geführt worden, mit der Folge, dass weder die Staatsanwaltschaft (welche am
kantonalen Privatstrafklageverfahren nicht beteiligt und gemäss dem anwendbaren
kantonalen Verfahrensrecht nicht beschwerdelegitimiert war) noch die
Privatstrafklägerschaft (da sie im kantonalen Verfahren keine Zivilansprüche
geltend gemacht hatte) zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert gewesen wären.
Vorliegend ist die nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens zwingend am
Privat (straf) klageverfahren zu beteiligende Staatsanwaltschaft nach Art. 81
Abs. 1 lit. a , lit. b Ziff. 3 BGG vollumfänglich zur Beschwerde in Strafsachen
legitimiert, so dass der Rechtsweg ans Bundesgericht weiterhin offensteht.

1.5. Der Staatsanwaltschaft ist das im kantonalen Privatstrafklageverfahren
ergangene Urteil grundsätzlich vom erstinstanzlichen Gericht von Amtes wegen
zuzustellen (so auch zutreffend die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid E.
1.2 S. 6, unter Hinweis auf Niklaus Schmid, a.a.O, N. 272 S. 75; in diesem
Sinne wohl auch Viktor Lieber in: Donatsch/Hansjakob/Lieber, Kommentar zur
Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], 2010, N. 2 und 3 zu Art. 456 StPO).
Hierauf konnte entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht verzichtet werden,
denn die Parteistellung der Staatsanwaltschaft entsteht kraft Gesetzes und ist
zwingend.
Die Staatsanwaltschaft blieb, nachdem ihr das Berufungsurteil von der
Vorinstanz zur Kenntnis zugestellt worden war, untätig. Die
Oberstaatsanwaltschaft erachtet in ihrer Vernehmlassung die von der Vorinstanz
getroffene Lösung für sachgerecht und hält eine nachträgliche Beteiligung der
Staatsanwaltschaft im Berufungsverfahren für wenig sinnvoll. Eine Verletzung
ihrer Parteirechte im Berufungsverfahren und im Verfahren vor Bundesgericht
macht sie nicht geltend, weshalb es aus prozessökonomischen Gesichtspunkten
nicht angebracht ist, das Urteil zur Wahrung ihrer Parteirechte an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Dies käme einem formalistischen Leerlauf gleich.

2.

 Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Bei diesem Verfahrensausgang sind
die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 2. Kammer, dem Bezirksgericht Zofingen und der
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. August 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Held

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