Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.113/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_113/2013

Urteil vom 25. April 2013
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Oberholzer,
Gerichtsschreiber Keller.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Weber,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Strafzumessung (Anstiftung zu Brandstiftung, Betrug)

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer,
vom 8. November 2012.

Sachverhalt:

A.
X.________ erwarb im Jahr 2003 eine Wohnliegenschaft in Suhr/AG und investierte
zusätzlich Fr. 60'000.-- in den Innenausbau. Zusammen mit früheren Schulden
führte der Liegenschaftserwerb zu einer angespannten finanziellen Situation. Im
Sommer 2003 lernte X.________ auf Vermittlung seines Bruders den Feuerwehrmann
A.________ kennen. Die beiden schmiedeten zunächst allgemeine Pläne, wie das
Gebäude mittels Brandstiftung zerstört werden könnte. Einige Tage später lud
X.________ A.________ zu einer Grillparty ein. Dieser erkundete dabei das Haus
und machte sich ein Bild über die geplante Tatausführung. A.________ erklärte
sich gegen Geld bereit, das Haus während der Ferienabwesenheit von X.________
und seiner Familie in Brand zu setzen. Weiter vereinbarten die beiden, dass
X.________ sein Fahrzeug zur Verfügung stellt. Dessen Bruder fuhr mit
A.________ am 5. evtl. 6. Oktober 2003 nach Suhr, händigte diesem die
Hausschlüssel aus und wartete unweit der Liegenschaft, während A.________ sich
in das Haus begab und mit einem Feuerzeug das Fernsehgerät in Brand setzte. Das
Feuer breitete sich auf das Wohnzimmer und später auf die ganze Wohnung aus. Es
zerstörte einen Grossteil des Mobiliars und einen namhaften Teil des Gebäudes.
Konkret gefährdet waren zudem in der Nähe stehende Baumgruppen und benachbarte
Liegenschaften.

B.
Das Bezirksgericht Aarau verurteilte den Beschuldigten wegen Betrugs und
Anstiftung zur Brandstiftung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei
Jahren. Vom Vorwurf der Geldwäscherei sprach es ihn frei. Die Liegenschaft in
Suhr zog es zur Verwertung ein. X.________ und die Staatsanwaltschaft des
Kantons Aargau erhoben Berufung bzw. Anschlussberufung. Das Obergericht des
Kantons Aargau wies die Berufung des Beschuldigten am 8. November 2012 ab. Die
Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft hiess es teilweise gut, bestätigte die
Schuldsprüche sowie den Freispruch und verurteilte X.________ zu einer
(altrechtlichen) Zuchthausstrafe von vier Jahren. Von der Einziehung der
Liegenschaft in Suhr sah es ab.

C.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt sinngemäss die
Aufhebung des angefochtenen Urteils. Er sei zu einer bedingten Freiheitsstrafe
von zwei Jahren, bei einer Probezeit von vier Jahren, zu verurteilen. Der
Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Erwägungen:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz würdige die
Strafzumessungsfaktoren einseitig. Sie überschreite damit ihren
Ermessensspielraum. Sie gestehe ihm ein noch knapp mittelschweres
Tatverschulden zu. Er sei jedoch nicht mit grosser krimineller Energie
vorgegangen, sondern habe eine sich bietende Gelegenheit ausgenützt und das
Angebot des Brandstifters angenommen, gegen Entgelt ein Feuer im eigenen Haus
zu legen. Dieser habe seine "Dienstleistung" damit angepriesen, dass Polizei
und Versicherungen auf einen technischen Defekt schlössen. Es treffe wohl zu,
dass er ausgesprochen egoistisch gehandelt und monetäre Interessen verfolgt
habe. Er habe jedoch keine konkrete Vorstellung gehabt, welchen Schaden das
Feuer anrichten und in welchem Umfang Versicherungsgelder fliessen würden. Eine
Einsatzstrafe von 2 ½ Jahren für die Anstiftung zur Brandstiftung sei
willkürlich. Sie dürfe 1 ½ Jahre nicht überschreiten. Es sei nicht
nachvollziehbar, weshalb ihm ein raffiniertes und heimtückisches Vorgehen
vorgeworfen werde. Er habe seiner Versicherung keine Gegenstände angemeldet,
die nicht effektiv durch das Feuer zerstört worden seien. In Bezug auf die
Brandursache habe er gegenüber den Versicherungen nicht gelogen. Er habe sich
passiv verhalten und lediglich die ihm offerierten Entschädigungszahlungen
unterschriftlich akzeptiert. Eine grosse kriminelle Energie habe er nicht
aufwenden müssen (Beschwerde, S. 6 ff.).
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz begründe ihre hypothetische
Gesamtstrafe von 3 ½ Jahren weitgehend mit dem Deliktsbetrag. Diese
hauptsächlich am Erfolg orientierte Strafe verstosse gegen die
Strafzumessungsregeln. Die Strafe sei nach dem Verschulden und nicht nach dem
Deliktserfolg zu bemessen (Beschwerde, S. 9).
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Feststellung der Vorinstanz, er sei
uneinsichtig und habe keine Reue gezeigt. Die Bemerkung, A.________ sei die
treibende Kraft gewesen und habe ihm seine Dienstleistung auf dem
Präsentierteller vorgehalten, so dass er nur noch habe zugreifen müssen, habe
sein amtlicher Verteidiger vor den kantonalen Gerichten gemacht, weshalb sie
ihm auch nicht zugerechnet werden könne. Im Übrigen habe er bei der
Brandstiftung eine untergeordnete Rolle gespielt. Er habe sich einsichtig und
kooperativ gezeigt und die adhäsionsweisen Zivilforderungen im Umfang von Fr.
593'000.-- anerkannt (Beschwerde, S. 9).
Der Beschwerdeführer macht eine Strafmilderung geltend, weil seit der Tat fast
zwei Drittel der Verjährungsfrist vergangen und die Delinquenz für ihn
untypisch sei. Zudem habe er die Zivilforderungen vollständig anerkannt. Die
Vorinstanz wende den Strafmilderungsgrund der langen Zeit seit der Tat nicht
an, weil er zwei schwere Taten begangen habe. Sie verkenne, dass dieser
Strafmilderungsgrund einen Konnex zwischen Zeitablauf und fehlendem
Strafbedürfnis herstelle. Die Vorinstanz müsse angesichts der Zeitspanne von
neun Jahren und einem Monat seit der Tat zumindest eine Strafminderung
berücksichtigen (Beschwerde, S. 10).
Der Beschwerdeführer legt weiter dar, die Vorinstanz gehe zu Unrecht von einer
lediglich leicht erhöhten Strafempfindlichkeit aus. Er habe eine stark
betreuungsbedürftige Ehefrau, die an einer Kombination psychischer Störungen
leide. Er habe zudem drei betreuungsbedürftige Kinder im Alter zwischen 13 und
16 Jahren. Eine Gefährdung der Kinder bzw. Suizidhandlungen könnten nicht
ausgeschlossen werden, wenn weder eine engmaschige Betreuung noch eine
überwachte Medikamenteneinnahme stattfinde. Die Vorinstanz hätte von einer
markanten Strafempfindlichkeit ausgehen müssen. Seine Frau wäre stationär in
einer Klinik unterzubringen und die Kinder fremd zu platzieren. Weiter würde
das Haupteinkommen jahrelang wegfallen und seine Familie hätte ein Leben am
Existenzminimum zu bestreiten (Beschwerde, S. 11). Insgesamt sei von einer
maximalen Freiheitsstrafe von zwei Jahren auszugehen. Die Voraussetzungen für
einen bedingten Strafvollzug seien vorliegend erfüllt, da es an einer
ungünstigen Prognose fehle (Beschwerde, S. 12).

1.2 Gemäss Art. 47 StGB bzw. aArt. 63 StGB misst der Richter die Strafe nach
dem Verschulden des Täters zu. Er beurteilt die Beweggründe, das Vorleben und
die persönlichen Verhältnisse des Schuldigen. Es liegt im Ermessen des
Sachrichters, in welchem Umfang er die verschiedenen Strafzumessungsfaktoren
berücksichtigt. Das Bundesgericht greift nur in die Strafzumessung ein, wenn
die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn
sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche
Gesichtspunkte ausser Acht gelassen beziehungsweise in Überschreitung oder
Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 135 IV 130 E. 5.3.1; 134
IV 17 E. 2.1; je mit Hinweisen).

1.3 Die Vorinstanz geht zu Recht von einer nur leicht erhöhten
Strafempfindlichkeit aus. Zu der vom Beschwerdeführer geltend gemachten
familiär bedingten Strafempfindlichkeit hat sich das Bundesgericht in
verschiedenen Entscheiden geäussert (vgl. die Übersicht im Urteil 6B_470/2009
vom 23. November 2009 E. 2.5 mit zahlreichen Hinweisen). Es hielt fest, dass
die Verbüssung einer Freiheitsstrafe für jeden in ein familiäres Umfeld
eingebetteten Straftäter mit einer gewissen Härte verbunden ist. Als
unmittelbare gesetzmässige Folge jeder Sanktion darf diese Konsequenz daher nur
bei aussergewöhnlichen Umständen erheblich strafmindernd wirken. Dass seine
Frau wegen psychischer Probleme regelmässig Medikamente einzunehmen hat, stellt
keinen aussergewöhnlichen Umstand dar, lässt sich die Einnahme doch auch durch
Drittpersonen sicherstellen. Entsprechend bleibt auch die Betreuung der
minderjährigen Kinder durch die Ehefrau möglich.

1.4 Die Vorinstanz verzichtet zutreffend auf eine Strafmilderung, obschon seit
der Tat schon neun Jahre vergangen sind. Gemäss aArt. 64 StGB, zweitletzte
Zeile, kann der Richter die Strafe mildern, wenn seit der Tat verhältnismässig
lange Zeit verstrichen ist und der Täter sich während dieser Zeit wohl
verhalten hat. Diese Bestimmung entspricht im Wesentlichen dem heutigen Art. 48
lit. e StGB, wonach das Gericht die Strafe mildert, wenn das Strafbedürfnis
wegen der seit der Tat verstrichenen Zeit deutlich vermindert ist und der Täter
sich in dieser Zeit wohl verhalten hat. Dieser Strafmilderungsgrund ist in
jedem Fall zu beachten, wenn zwei Drittel der Verjährungsfrist verstrichen
sind. Der Richter kann diese Zeitspanne unterschreiten, um Art und Schwere der
Tat Rechnung zu tragen (BGE 132 IV 1 E. 6.2 S. 2 ff. mit Hinweisen). Daraus
ergibt sich, dass der Strafmilderungsgrund der langen Zeit seit der Tat nicht
schematisch anzuwenden ist. Vielmehr sind die konkreten Umstände im Einzelfall
zu beachten. Es ist nicht zu beanstanden und verletzt kein Bundesrecht, wenn
die Vorinstanz auf das Tatverschulden und die Schwere der begangenen Delikte,
welche das Strafbedürfnis massgeblich beeinflussen, abstellt und eine
Strafmilderung vor Ablauf von zwei Dritteln der 15-jährigen Verjährungsfrist
verneint.

1.5 Die Strafzumessung der Vorinstanz ist auch insgesamt nicht zu beanstanden.
Sie enthält die wesentlichen Tat- und Täterkomponenten sowie die logischen
Schlüsse (Urteil, S. 14 ff.). Es ist nachvollziehbar, wenn die Vorinstanz beim
Beschwerdeführer eine grosse kriminelle Energie bejaht und ihm ein raffiniertes
sowie heimtückisches Vorgehen vorwirft. Seine Begründung, er habe eine sich
bietende Gelegenheit ausgenützt und habe gegenüber den Versicherungen nicht
gelogen, geht an der Sache vorbei. Er räumt zudem ein, dass er ausgesprochen
egoistisch gehandelt und monetäre Interessen verfolgt hat. Es ist auch nicht zu
beanstanden, wenn ihn die Vorinstanz als uneinsichtig einstuft. Sie durfte dies
- ohne in Willkür zu verfallen - nicht nur aus den Bemerkungen seines
Rechtsvertreters ableiten, sondern aus den gesamten Umständen. Sie erwähnt denn
auch, der Beschwerdeführer habe wiederholt betont, lediglich eine
untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Die Tat hatte er im Übrigen nach
hartnäckigem Bestreiten erst unter der erdrückenden Beweislage gestanden.
Erweist sich die ausgefällte Freiheitsstrafe von vier Jahren als
bundesrechtskonform, kann die Frage offenbleiben, ob die Vorinstanz
zutreffenderweise altes Recht angewendet hat, fallen doch die Möglichkeiten des
bedingten oder teilbedingten Strafvollzugs ohnehin ausser Betracht.

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die
bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG). Mit dem Entscheid in der Sache selbst wird der Antrag des
Beschwerdeführers um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. Sein Gesuch um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde
von vornherein aussichtslos erschien. Seiner finanziellen Lage ist mit
herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. April 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Der Gerichtsschreiber: Keller