Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.109/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
6B_109/2013

Urteil vom 19. Juli 2013

Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Mathys, Präsident,
Bundesrichter Schneider,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Bundesrichter Denys, Oberholzer,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dieter Aebi,
Beschwerdeführer,

gegen

Amt für Justizvollzug Graubünden, Gäuggelistrasse 16, 7001 Chur,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Bedingte Entlassung aus der Verwahrung; Beschleunigungsgebot,

Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts von Graubünden, I.
Strafkammer, vom 19. Dezember 2012.

Sachverhalt:

A.
X.________ (geb. am xx.xx.1937) wurde mit Urteilen des Bezirksgerichts Zofingen
vom 26. Oktober 1989 und des Kreisgerichts Churwalden vom 11. Dezember 1990
wegen mehrfacher sexueller Handlungen mit Kindern (bzw. dannzumal wegen
wiederholter und fortgesetzter Unzucht mit Kindern) insgesamt zu einer
Freiheitsstrafe von 19 Monaten verurteilt. Sowohl die zunächst angeordnete
ambulante Behandlung als auch die in der Folge verhängte stationäre
therapeutische Massnahme blieben ohne Erfolg. Auf Ersuchen der Schutzaufsicht
Graubünden vom 10. September 1992 entschied das Kantonsgericht von Graubünden
am 12. November 1992, X.________ gestützt auf Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB zu
verwahren. Seine Nichtigkeitsbeschwerde wies das Bundesgericht am 24. März 1993
ab, soweit es darauf eintrat (Urteil 6S.105/1993).
Am 20. Juli 1993 sprach das Kreisgericht Lugnez X.________ erneut der
mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern und der Pornographie schuldig und
bestrafte ihn mit drei Monaten Freiheitsstrafe. Der Vollzug der Strafe wurde
zugunsten der Verwahrung aufgeschoben. Auf Berufung von X.________ hin sprach
ihn das Kantonsgericht von Graubünden am 22. September 1993 vom Vorwurf der
Pornographie frei, reduzierte die Strafe auf zwei Monate und bestätigte die
angeordnete Verwahrung.
Mit Entscheid vom 5. Dezember 2007 beschloss das Kantonsgericht von Graubünden,
die altrechtlich angeordnete Verwahrung mangels Therapierbarkeit von X.________
in Anwendung von Art. 64 StGB und Ziff. 2 Abs. 2 SchlBestStGB nach neuem Recht
weiterzuführen.

B.
Im Rahmen der jährlichen Massnahmeüberprüfung lehnte es das Amt für
Justizvollzug Graubünden jeweils ab, X.________ bedingt aus der Verwahrung zu
entlassen, letztmals am 6. Oktober 2010. Die von X.________ gegen diesen
Entscheid erhobene Beschwerde wies das Departement für Justiz, Sicherheit und
Gesundheit des Kantons Graubünden am 17. Januar 2011 ab. Das Kantonsgericht von
Graubünden hiess die dagegen ergriffene Beschwerde von X.________ am 6. April
2011 insofern gut, als es die angefochtene Verfügung aufhob und die Sache
insbesondere zur Einholung eines psychiatrischen Zusatzgutachtens zwecks
aktueller legalprognostischer Beurteilung und zur Neuentscheidung an das Amt
für Justizvollzug zurückwies.
Nach Eingang des psychiatrischen Zusatzgutachtens vom 31. Oktober 2011 und
eines Vollzugsberichts der Strafanstalt Z.________ sowie nach Gewährung des
rechtlichen Gehörs lehnte es das Amt für Justizvollzug Graubünden am 19. Januar
2012 erneut ab, X.________ bedingt aus der Verwahrung zu entlassen. Die dagegen
geführte Beschwerde wies das Departement für Justiz, Sicherheit und Gesundheit
des Kantons Graubünden am 2. Mai 2012 ab. Das Kantonsgericht von Graubünden
hiess die Berufung von X.________ am 19./21. Dezember 2012 insofern teilweise
gut, als es diesem die amtliche Verteidigung rückwirkend gewährte und über die
Kostenregelung neu befand. Im Übrigen wies es die Berufung in Bestätigung der
Verfügung des Departements für Justiz, Sicherheit und Gesundheit des Kantons
Graubünden vom 2. Mai 2012 ab.

C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, der Beschluss des
Kantonsgerichts von Graubünden sei aufzuheben, und er sei aus der Verwahrung zu
entlassen. Ausserdem sei die Verletzung des Beschleunigungsgebots durch die
Vorinstanzen festzustellen und die Sache zur Festsetzung einer Entschädigung
und Genugtuung für den unrechtmässigen Freiheitsentzug seit 1. Januar 2007,
eventuell seit 12. November 1992, an die Vorinstanz zurückweisen. Eventuell sei
der Kanton Graubünden zu verpflichten, ihm für die unrechtmässige Haft sowie
für die Verletzung des Beschleunigungsgebots eine angemessene Entschädigung/
Genugtuung in der Höhe von mindestens Fr. 500.-- pro Tag zu bezahlen.
X.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

D.
Das Kantonsgericht von Graubünden verzichtet auf die Einreichung einer
Stellungnahme zur Beschwerde. Das Amt für Justizvollzug beantragt, die
Beschwerde abzuweisen.

Erwägungen:

1.
Streitgegenstand bildet die Verweigerung der bedingten Entlassung aus der
Verwahrung. Hingegen ist nicht (mehr) darüber zu befinden, ob die Verwahrung
nach altem Recht gesetzmässig angeordnet und neurechtlich zu Recht
weitergeführt wurde. Es liegen insoweit rechtskräftige Urteile vor. Darauf ist
nicht zurückzukommen, und zwar auch nicht im Rahmen der Prüfung der bedingten
Entlassung nach Art. 64b StGB. Auf die Vorbringen in der Beschwerde (S. 5 ff.,
S. 14), welche sich gegen die Rechtmässigkeit der am 12. November 1992
angeordneten und am 5. Dezember 2007 weitergeführten Verwahrung richten, ist
folglich ebenso wenig einzutreten wie auf die insoweit geltend gemachten
Genugtuungs- und Entschädigungsforderungen (vgl. BGE 135 IV 49 E. 1.1.1 und E.
1.1.2; Urteile 6B_103/2008 vom 9. Oktober 2008 E. 2.1.2.1 und 6A.44/2004 vom 8.
September 2004 E. 3). Entsprechendes gilt, soweit der Beschwerdeführer
Verfahrensfehler in Bezug auf die rechtskräftig abgeschlossenen Straf- oder
Massnahmevollzugsverfahren rügt (Beschwerde, S. 6 f.) oder er die seinen
Verurteilungen zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Würdigungen der
damaligen Sachgerichte beanstandet (Beschwerde, S. 23 ff.). Sie bilden nicht
Gegenstand des Verfahrens.
Ebenfalls nicht einzutreten ist auf die Beschwerde, soweit der Beschwerdeführer
zur Begründung auf seine Rechtsmittelschrift im kantonalen Verfahren verweist
(Beschwerde, S. 13). Die massgeblichen Ausführungen müssen in der
Beschwerdeschrift selber enthalten sein (vgl. BGE 133 II 396 E. 3.1 S. 399 f.).

2.

2.1. Die Vorinstanz lehnt es ab, den Beschwerdeführer bedingt aus der
Verwahrung zu entlassen. Von diesem gehe gemäss Zusatzgutachten vom 31. Oktober
2011 weiterhin eine sehr hohe Rückfallgefahr für einschlägige Straftaten mit
einem Tatspektrum im bisher gezeigten Ausmass aus. Neben vergleichsweise
weniger intensiven Übergriffen sei mit massiv einschneidenden, die sexuelle und
psychische Integrität eines Kindes schwer beeinträchtigenden Straftaten zu
rechnen. Die Anlasstaten seien somit zumindest teilweise als schwer im Sinne
von Art. 64 Abs. 1 StGB einzustufen, selbst wenn mit dem Gutachten vom 2.
Oktober 2007 davon auszugehen sei, dass das einmalige Ausüben (instrumenteller)
körperlicher Gewalt (Würgen, Todesdrohungen) als situativ bedingtes, singuläres
Ereignis zu bewerten sei. Da nach den Gutachtern auch in Zukunft mit
pädosexuellen Straftaten des Beschwerdeführers im Ausmass der bisherigen
Anlasstaten zu rechnen sei, fehle es an der gesetzlich erforderlichen günstigen
Legalprognose und damit an den Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung aus
der Verwahrung. Im Übrigen biete nur diese Massnahme das notwendige
Instrumentarium, um die Sicherheit der Öffentlichkeit zu gewährleisten. Die
persönlichen Interessen des Beschwerdeführers müssten mit Rücksicht auf die von
ihm ausgehende Gefahr dem Recht der Allgemeinheit auf Schutz vor gefährlichen
Tätern zurückstehen. Die Weiterführung der Verwahrung sei deshalb auch
verhältnismässig (Entscheid, S. 17 - 35).

2.2. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Verweigerung der bedingten
Entlassung. Die von ihm ausgehende Gefahr weiterer Straftaten gegen die
sexuelle Integrität von Kindern gehe nicht über das in den Anlasstaten bisher
gezeigte Ausmass hinaus. Die diesbezüglichen Handlungen wögen innerhalb der
Bandbreite möglicher sexueller Übergriffe nicht besonders schwer. Es gehe um
Berührungen der Geschlechtsteile (Küssen, Streicheln) ohne genitale
Penetration, Oralverkehr, Druck, körperliche Gewalt und Aggression, also um
weitgehend erotisch anmutende oder maximal rein oberflächliche Handlungen. In
keinem einzigen Fall hätten geschlechtsverkehrsähnliche Körperkontakte oder
beischlafsähnliche Handlungen stattgefunden. Das ihm zur Last gelegte Verhalten
sei nicht geeignet, die Opfer in ihrer psychischen und/oder sexuellen
Integrität schwer zu beeinträchtigen. Negative psychische Auswirkungen auf
diese seien denn auch nicht belegt. Soweit die Vorinstanz im Zusammenhang mit
den Anlasstaten unter anderem von manueller Penetration, oralgenitalen
Praktiken, geschlechtsverkehrsähnlichen Körperkontakten und teilweise
sadomasochistisch gefärbtem Deliktverhalten spreche, weiche sie von den
massgeblichen Sachverhaltsfeststellungen in den damaligen Urteilen ab und
würdige sie die psychiatrischen Gutachten, insbesondere dasjenige vom 2.
Oktober 2007, willkürlich. Seine bereits über 20 Jahre andauernde Verwahrung
sei weder zulässig noch verhältnismässig und könne mit der Gefahr
vergleichsweise geringfügiger Taten nicht gerechtfertigt werden (Beschwerde, S.
15 ff.).

3.

3.1. Gemäss Art. 56 Abs. 6 StGB ist eine Massnahme, für welche die
Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind, aufzuheben. Dieser Grundsatz wird für
die Verwahrung konkretisiert in Art. 64a StGB. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung
wird der Täter aus der Verwahrung bedingt entlassen, sobald zu erwarten ist,
dass er sich in der Freiheit bewährt. Erforderlich ist eine günstige Prognose
in Bezug auf das künftige Verhalten. Die Anforderungen an die bedingte
Entlassung sind sehr streng. Unter altem Recht war der negative Beweis der
Ungefährlichkeit zu erbringen. Dies stimmt im Wesentlichen mit dem Erfordernis
der günstigen Prognose nach den neuen Bestimmungen überein. Die Voraussetzungen
für eine bedingte Entlassung aus der Verwahrung sind mit dem neuen Recht nicht
verschärft worden (BGE 134 IV 121 E. 3.4.3; Urteil 6B_424/2011 vom 12.
September 2011 E. 4). Die Probezeit beträgt zwei bis fünf Jahre. Für die Dauer
der Probezeit kann Bewährungshilfe angeordnet und können Weisungen erteilt
werden.

3.2. Die in Art. 64a Abs. 1 StGB vorausgesetzte Bewährung bezieht sich auf
Straftaten im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB. Dies ergibt sich sowohl aus Art.
64a Abs. 2 StGB hinsichtlich der Fortführung der Bewährungshilfe und der
Weisungen als auch aus Art. 64a Abs. 3 StGB betreffend die Rückversetzung,
welche ausdrücklich die ernsthafte Erwartung von weiteren Straftaten im Sinne
von Art. 64 Abs. 1 StGB voraussetzen. Nach Sinn und Zweck der Bestimmung ist
das Erfordernis der Bewährung nach Art. 64a Abs. 1 StGB demnach so auszulegen,
dass die Gefahr von weiteren Delikten gemäss Art. 64 Abs. 1 StGB zu verneinen
ist. Ein anderweitiges mögliches Fehlverhalten ist hier nicht relevant (vgl.
BGE 136 IV 165 E. 2.1.1; 135 IV 49 E. 1.1.2.2; MARIANNE HEER, in: Basler
Kommentar, StGB II, 3. Aufl., 2013, Art. 64a N 14; GÜNTER STRATENWERTH,
Schweizerisches Strafrecht, AT II, Strafen und Massnahmen, § 12 N 28; TRECHSEL/
PAUEN BORER, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl., 2013,
Art. 64a N 2).

3.3. Die Verwahrung setzt voraus, dass der Täter eine im Sinne von Art. 64 Abs.
1 StGB ausdrücklich genannte Katalogtat wie beispielsweise Tötung und
Vergewaltigung oder eine im Sinne der Generalklausel mit Freiheitsstrafe von
fünf oder mehr Jahren bedrohte Tat begeht. Die Delikte gemäss der
Generalklausel, worunter gewaltfreie sexuelle Handlungen mit Kindern nach Art.
187 StGB fallen, dürfen insgesamt nicht weniger schwer wiegen als die
Katalogtaten. Art. 64 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass die Anlasstaten und die zu
befürchtenden Folgetaten schwer wiegen und dadurch die körperliche, psychische
oder sexuelle Integrität der Opfer schwer beeinträchtigt werden kann. Von einer
schweren Opferbeeinträchtigung ist unter Zugrundelegung eines objektiven
Massstabs auszugehen, wenn aufgrund der zu beurteilenden Tat nach der
allgemeinen Lebenserfahrung mit einer Traumatisierung des Opfers zu rechnen ist
(BGE 139 IV 57 E. 1.3 und 1.4; HEER, a.a.O., Art. 64 N. 24; QUELOZ/BROSSARD,
in: Commentaire romand, Code pénal I, 2009, Art. 64 N. 18).

3.4. Damit kann die Verwahrung grundsätzlich nur aufrechterhalten werden, wenn
vom Verwahrten in Freiheit weitere schwere Gewalt- und Sexualstraftaten
ernsthaft zu erwarten sind, welche geeignet sind, die physische, psychische
oder sexuelle Integrität der Opfer schwer zu beeinträchtigen. Dass der
Verwahrte in Freiheit andere Delikte begehen könnte, steht seiner bedingten
Entlassung aus der Verwahrung demgegenüber nicht entgegen. Damit wird dem
Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung getragen. Die Verwahrung soll als
"ultima ratio" nur unter qualifizierten Voraussetzungen möglich sein (vgl. BGE
139 IV 57 E. 1.3.1 und 1.3.3.).

3.5. Über die Verwahrung und ihre Aufrechterhaltung entscheidet das Gericht.
Die forensisch-psychiatrischen Risikokalkulationen bilden eine wichtige
Entscheidgrundlage. Nach Art. 64b Abs. 1 lit. a StGB prüft die zuständige
Behörde, auf Gesuch hin oder von Amtes wegen, mindestens einmal jährlich, und
erstmals nach Ablauf von zwei Jahren, ob und wann der Täter aus der Verwahrung
bedingt entlassen werden kann. Gemäss Art. 64b Abs. 2 lit. b StGB trifft sie
ihren Entscheid gestützt auf eine unabhängige sachverständige Begutachtung im
Sinne von Art. 56 Abs. 4 StGB.
Auch wenn ein Gutachten grundsätzlich der freien Beweiswürdigung unterliegt,
darf das Gericht in Fachfragen nicht ohne triftige Gründe von ihm abrücken und
muss Abweichungen begründen. Andererseits kann das Abstellen auf ein nicht
schlüssiges Gutachten willkürlich sein (Art. 9 BV). Ein Gutachten stellt
namentlich keine rechtsgenügende Grundlage dar, wenn gewichtige, zuverlässig
begründete Tatsachen oder Indizien seine Überzeugungskraft ernstlich
erschüttern. Willkür liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von
Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch
stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen (BGE 137 I 1 E. 2.4; 130 I
337 E. 5.4.2; 129 I 49 E. 4; 128 I 81 E. 2).

4.

4.1.

4.1.1. Die Vorinstanz stützt sich bei ihrem Entscheid namentlich auf das
psychiatrische Zusatzgutachten vom 31. Oktober 2011. Dieses ist sorgfältig
abgefasst. Die Diagnose wird nachvollziehbar hergeleitet und begründet. Die
Beurteilung der Rückfallgefahr leuchtet ein. Im Einzelnen werden dem
Beschwerdeführer eine kombinierte Persönlichkeitsstörung und eine
Kernpädophilie diagnostiziert. Die von ihm ausgehende Rückfallgefahr für
Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern im Tatspektrum der bisherigen
Delikthandlungen wird in Übereinstimmung mit den Vorgutachten als sehr hoch
eingeschätzt.

4.1.2. Das Zusatzgutachten vom 31. Oktober 2011 ist weder unstrukturiert noch
einseitig, ungenau, übertrieben, unsinnig oder aktenwidrig (so aber Beschwerde,
S. 12 ff., S. 19). Richtig ist, dass der Sachverständige die beim
Beschwerdeführer festgestellte Pädophilie im Unterschied zu den Vorgutachtern
typologisch als "Kernpädophilie" und nicht als "kompensatorische Pädophilie"
einordnet. Auf diese unterschiedliche Typologisierung des Störungsbilds geht
der Sachverständige differenziert ein und begründet seine abweichende
Auffassung nachvollziehbar. Die typologische Einordnung der Diagnose ist für
die Beurteilung indes nicht entscheidend. Massgeblich ist die Einschätzung der
Rückfallgefahr. Sämtliche Gutachter nehmen insofern an, dass weiterhin ein sehr
grosses Rückfallrisiko für pädosexuelle Handlungen im bisher gezeigten Ausmass
besteht (vgl. Gutachten vom 31. Oktober 2011, S. 48 f.; Gutachten vom 2.
Oktober 2007, S. 72; Gutachten vom 22. Oktober 2003, S. 39; Gutachten vom 19.
Juni 1995, S. 14), wobei der aktenkundige einmalige Einsatz von
(instrumenteller) körperlicher Gewalt (Todesdrohungen, Würgen) als singuläres
Ereignis eingestuft wird (vgl. Gutachten vom 2. Oktober 2007, S. 68, 72). Dass
das zunehmende Alter des Beschwerdeführers sich nicht auf die von ihm
ausgehende Rückfallgefahr auswirkt, wird im Zusatzgutachten nachvollziehbar
begründet und die gegenteilige Annahme im Gutachten vom 19. Juni 1995 schlüssig
entkräftet (vgl. Zusatzgutachten vom 31. Oktober 2011, S. 49, in Verbindung mit
Gutachten vom 22. Oktober 2003, S. 38). Insgesamt zeichnet das Zusatzgutachten
vom 31. Oktober 2011 in sich und im Verbund insbesondere mit dem Gutachten vom
2. Oktober 2007 ein differenziertes Bild. Indizien, die seine Überzeugungskraft
erschüttern könnten, sind gestützt auf die Beschwerdevorbringen nicht
ersichtlich. Die Vorinstanz durfte auf das Zusatzgutachten ohne
Verfassungsverletzung abstellen.

4.1.3. Die Vorinstanz würdigt das Zusatzgutachten vom 31. Oktober 2011 unter
Einbezug desjenigen vom 2. Oktober 2007 ohne Willkür. Sie nimmt an, das mit
hoher Wahrscheinlichkeit in Freiheit zu erwartende künftige Tatverhalten
entspreche auch hinsichtlich der Schwere der Beeinträchtigung der Integrität
der Opfer dem Ausmass des bisherigen Anlasstatverhaltens (Entscheid, S. 23).
Diese Annahme steht im Einklang mit den Gutachten. Soweit die Vorinstanz
allerdings erwägt, auch die Gutachter gingen hinsichtlich der künftig zu
erwartenden pädosexuellen Handlungen von schweren Taten und einer
schwerwiegenden Gefährdung der sexuellen Integrität von Kindern aus (Entscheid,
S. 23), geht sie über die gutachterlichen Schlussfolgerungen hinaus. Diese
sprechen insoweit lediglich von einer "relevanten" Opfergefährdung, die über
das in den bisherigen Tathandlungen gezeigte Ausmass nicht hinausgehen sollte
(vgl. Gutachten vom 2. Oktober 2007, S. 72). Die Kritik des Beschwerdeführers
erscheint insofern zwar verständlich (Beschwerde, S. 17 ff.). Die
vorinstanzliche Interpretation der Gutachten ist jedoch nicht relevant. Die
Fragen nach der Schwere der Anlass- und Folgetaten und der Intensität der
Beeinträchtigung der Opferintegrität sind Rechtsfragen, die vom Richter zu
beantworten sind (vgl. Entscheid, S. 24).

4.2. Die Vorinstanz gibt die strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers im
angefochtenen Entscheid entsprechend den Urteilen des Bezirksgerichts Zofingen
vom 26. Oktober 1989 und des Kreisgerichts Churwalden vom 11. Dezember 1990
wieder. Sie wirft dem Beschwerdeführer keinen andern als den rechtskräftig
abgeurteilten Sachverhalt vor. Von willkürlichen Tatsachenfeststellungen oder
reisserischen Übertreibungen kann keine Rede sein (so aber Beschwerde, S. 19
ff., S. 22, 25; s.a. Eingabe vom 3. Mai 2013). Aus den erwähnten Urteilen geht
hervor, dass sich die Handlungen des Beschwerdeführers nicht auf ein
gegenseitiges Betrachten der Geschlechtsteile, ein Streicheln und
oberflächliches Berühren des Genitalbereichs der Kinder beschränkten (so aber
Beschwerde, S. 19). Der Beschwerdeführer küsste vielmehr Scheide und Penis der
zum Teil sehr jungen Opfer, liess mehrere Kinder an seinem erigierten
entblössten Glied manipulieren und führte einem erst sechsjährigen Mädchen den
Finger mehrfach partiell in die Scheide ein, was dem Kind weh tat. Er brachte
einen 13-jährigen Knaben dazu, den entblössten Penis des Beschwerdeführers zu
reiben und ihm Nadeln in das Gesäss zu stechen. Mit einem 11-jährigen Knaben
führte er nackt aufeinanderliegend geschlechtsverkehrsähnliche Bewegungen im
Sinne einer Beischlafsimulation aus. Vor diesem Knaben masturbierte er nackt
bis zum Samenerguss. Schliesslich missbrauchte er einen Neunjährigen dazu, sich
mit einem Stock ("Stecken") auf das nackte Glied schlagen zu lassen bzw. ihn -
den Beschwerdeführer - auf den entblössten Penis zu schlagen. In Zusammenhang
mit diesen sexuellen Handlungen würgte er das betroffene Kind mindestens einmal
am Hals und drohte ihm mit dem Tod für den Fall, dass es jemandem davon erzähle
(Entscheid, S. 24).

4.3.

4.3.1. Sexuelle Verfehlungen gegenüber Kindern gehören prinzipiell zu den
gravierenden Straftaten. Den Tatbestand von Art. 187 StGB erfüllen Handlungen,
die nach Art und Intensität sehr verschieden sind. Die Tathandlungen des
Beschwerdeführers sind weit gefächert. Zu einem ganz wesentlichen Teil sind sie
in Anbetracht der möglichen Bandbreite sexuellen Kindsmissbrauchs als eher
leicht bis mittelschwer einzustufen. Zu nennen sind hier beispielsweise das
gegenseitige Betrachten der entblössten Geschlechtsteile, deren Betasten über
den Kleidern sowie das (oberflächliche) Berühren und Streicheln der nackten
Genitalien der Kinder. Diese Handlungen erreichen die Erheblichkeitsschwelle
nicht und fallen als Prognosegrundlage für die in Freiheit zu erwartenden
Anlass- und Folgetaten im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB von vornherein ausser
Betracht.

4.3.2. Einzelne Handlungen des Beschwerdeführers sind indes, namentlich in
Anbetracht des zum Teil sehr jungen Alters der Opfer oder des teilweise im
Ansatz sadomasochistisch anmutenden Deliktverhaltens (Stockschläge, Nadeln ins
Gesäss), in ihrer Art und Eingriffsintensität, als ausreichend schwer im Sinne
von Art. 64 Abs. 1 StGB zu bezeichnen (Entscheid, S. 26 f.; S. 30 f.; vgl. zu
schweren Fällen bei sexuellem Missbrauch von Kindern nach deutschem
Recht, TATJANA HÖRNLE, in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., Band 6, § 176
Rz. 60 ff.). Das gilt jedenfalls für das mehrfache, schmerzhafte manuelle
Eindringen in die Scheide eines erst sechsjährigen Mädchens (wobei keine Rolle
spielt, dass der Beschwerdeführer mit seinem Finger nur partiell eindrang) oder
das mit einem 9-jährigen Knaben ausgeführte gegenseitige Schlagen der nackten
Genitalien mit einem Stock. Dahingestellt bleiben kann, ob die
Beischlafsimulation mit einem 11-Jährigen ebenfalls als schwer im Sinne einer
relevanten Anlasstat nach Art. 64 Abs. 1 StGB einzustufen ist (Entscheid, S.
27). Dass der Beschwerdeführer (mit einer Ausnahme) ohne Aggression, Zwang,
Druck oder Gewalt vorging, liegt beim gewaltfreien sexuellen Kindsmissbrauch
nach Art. 187 StGB in der Natur der Sache und ist in diesem Zusammenhang ebenso
wenig relevant wie der Umstand, dass bei Art. 187 StGB noch schwerer wiegendes
Fehlverhalten vorstellbar ist, es hierzu aber nicht kam. Der Beschwerdeführer
verkennt insoweit den Begriff der für die Anwendung von Art. 64 Abs. 1 StGB
relevanten Anlass- und Folgetat (vgl. Beschwerde, S. 26).

4.3.3. Dass nicht jede sexuelle Handlung mit Kindern im Sinne des weit
gefassten Tatbestands von Art. 187 StGB geeignet ist, namentlich die sexuelle
und psychische Integrität des Opfers schwer zu beeinträchtigen, ist
offensichtlich. Bei den als ausreichend schwer im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB
qualifizierten Taten des Beschwerdeführers (vorstehend E. 4.3.2) handelt es
sich mit Blick auf ihre Art und Eingriffsintensität sowie das teilweise sehr
junge Alter der Opfer indes um sexuelle Handlungsweisen, welche eine
schwerwiegende Traumatisierung der Opfer nach sich ziehen können. Der Einwand
des Beschwerdeführers, es seien diesbezüglich, eventuell mit einer Ausnahme,
keine negativen psychischen Folgen auf die Opfer erkennbar gewesen oder belegt
(Beschwerde, S. 18 f.), geht an der Sache vorbei. Massgeblich bei der
Beurteilung der Opferbeeinträchtigung ist weder eine besondere individuelle
Empfindlichkeit noch eine ungewöhnlich robuste psychische Konstitution des
Opfers. Entscheidend ist einzig, ob das konkrete Tatverhalten aufgrund seiner
Eingriffsintensität nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, auf
Seiten der Opfer eine schwerwiegende Integritätsbeeinträchtigung zu bewirken.
Das darf hier angesichts der Art und Intensität der fraglichen Tathandlungen
(mit zum Teil sadomasochistischem Einschlag) und des teilweise sehr jungen
Alters der Opfer bejaht werden.

4.3.4. Gemäss der legalprognostischen Beurteilung ist mithin vom
Beschwerdeführer in Freiheit neben wenig eingriffsintensiven Tathandlungen auch
gravierenderer sexueller Kindsmissbrauch ernsthaft zu erwarten. Das gilt auch,
wenn man mit den Gutachtern davon ausgeht, dass der einmalige Einsatz von
(instrumenteller) körperlicher Gewalt (Todesdrohungen, Würgen) zum Nachteil
eines Kindes ein situativ bedingtes, singuläres Ereignis bildete und keine
nennenswerte Wahrscheinlichkeit für Handlungen besteht, welche zu einer
höhergradigen körperlichen Integritätsverletzung und damit zu einer Gefährdung
von Leib und Leben führen (Entscheid, S. 29 f., Gutachten vom 2. Oktober 2007,
S. 68). Denn auch ein Deliktverhalten, welches alleine die sexuelle und
psychische Integrität der kindlichen Opfer schwerwiegend beeinträchtigt, ohne
zusätzlich in das Rechtsgut Leib und Leben einzugreifen, vermag die
Voraussetzungen von Art. 64 StGB zu erfüllen. Bleibt damit aber zu befürchten,
dass der Beschwerdeführer in Freiheit weiterhin auch gravierendere pädosexuelle
Straftaten in der genannten Art verüben wird, fehlt es an sich nach wie vor an
der erforderlichen günstigen Legalprognose im Sinne von Art. 64a Abs. 1 StGB
und durfte die Vorinstanz die Voraussetzungen der bedingten Entlassung insoweit
verneinen.

4.4.

4.4.1. Bei jeder strafrechtlichen Sanktion, die in verfassungsmässig
garantierte Grundrechte eingreift, bleibt zu fragen, ob sie dem Gebot der
Verhältnismässigkeit entspricht (Art. 36 Abs. 2 sowie Abs. 3 BV). Dieser
Grundsatz gilt im gesamten Massnahmerecht, sowohl bei der Anordnung von
Massnahmen als auch bei den Folgeentscheidungen. Er wird im StGB konkretisiert.
Art. 56 Abs. 2 StGB besagt, dass der mit einer Massnahme verbundene Eingriff in
die Persönlichkeitsrechte des Täters im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und
Schwere weiterer Straftaten nicht unverhältnismässig sein darf. Was das konkret
bedeutet, hängt entscheidend von der Gewichtung der im Einzelfall einander
widerstreitenden Interessen ab, d.h. insbesondere von der Grösse der Gefahr,
der die Massnahme begegnen soll, und der Schwere des Eingriffs in die Rechte
des Betroffenen, der mit ihr verbunden ist ( STRATENWERTH, Schweizerisches
Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Strafen und Massnahmen, 2. Aufl., Bern 2006, §
8 Rz. 12 ff., siehe auch HEER, a.a.O., Vor Art. 56 Rz. 8; Art. 56 Rz. 36). Eine
unverhältnismässige Massnahme darf nicht angeordnet oder weiter vollzogen
werden.

4.4.2. Der Verhältnismässigkeitsgrundsatz verlangt, dass die Sicherheitsbelange
der Allgemeinheit und der Freiheitsanspruch des Verwahrten als wechselseitiges
Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden. Bei
langandauernder Unterbringung gewinnt der Freiheitsanspruch des Eingewiesenen
zunehmend an Gewicht. Dem Verhältnismässigkeitsgebot kommt insofern ähnlich dem
Schuldprinzip Begrenzungsfunktion zu ( HEER, a.a.O., Art. 56 Rz. 16).

4.4.3. Bei der erforderlichen Abwägung der sich widerstreitenden Interessen hat
der Richter die vom Täter ausgehenden Gefahren zur Schwere des mit der
Massnahme verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen. Es kommt insbesondere
darauf an, ob und welche Straftaten vom Massnahmeunterworfenen drohen, wie
ausgeprägt das Mass der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten
Rechtsgütern zukommt. Je schwerer die Delikte wiegen, die der
Massnahmeunterworfene in Freiheit begehen könnte, desto geringer kann die
Gefahr sein, die eine freiheitsentziehende Massnahme rechtfertigt, und
umgekehrt (BGE 118 IV 108 E. 2a, S. 113 f.; siehe auch BGE 127 IV 1 E. 2a, S.
5).

4.4.4. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des
Massnahmeunterworfenen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu
erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen verlangt nach einem vertretbaren
Ausgleich. Je länger die Massnahme und damit der Freiheitsentzug für den
Betroffenen dauert, desto strenger werden die Anforderungen an die Wahrung der
Verhältnismässigkeit. Was im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB relevante schwere
Straftaten sind, unterliegt deshalb mit zunehmender Dauer des Freiheitsentzugs
einer Bewertungsanpassung. Wohl kann sein, dass die künftig in Freiheit zu
erwartenden Straftaten unverändert den Taten entsprechen, auf die sich die
Gefahrenprognose bei der Massnahmeanordnung bezog. Mit zunehmender
Vollzugsdauer mögen diese Taten in ihrer Schwere aber nicht mehr ausreichen, um
eine weitere Aufrechterhaltung der Massnahme zu rechtfertigen. Der Einfluss des
gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs des Massnahmeunterworfenen stösst
jedoch dort an die Grenzen, wo es nach Art und Mass der drohenden Gefahren für
die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den
Massnahmeunterworfenen bedingt in die Freiheit zu entlassen bzw. die Massnahme
aufzuheben (für das deutsche Recht: vgl. Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts, 109. Band S. 159, 70 Band S. 311; vgl. HEER,
a.a.O.).

4.4.5. Legt man diese Massstäbe zugrunde, erweist sich die Aufrechterhaltung
der Verwahrung als unverhältnismässig. Der heute 76-jährige Beschwerdeführer
befindet sich seit dem 12. November 1992 und damit seit über 20 Jahren
ununterbrochen im Verwahrungsvollzug. Hinzu kommt der vorgängige stationäre
Massnahmevollzug seit August 1991. Dieser Zeitraum ist - auch mit Blick auf die
ausgefällte Strafe von insgesamt 21 Monaten - aussergewöhnlich lang. Er
übersteigt selbst die Höchstdauer einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren (vgl.
Art. 40 StGB). Der Eingriff in die Freiheitsrechte des Beschwerdeführers wiegt
äusserst schwer. Das gilt umso mehr, als er weit fortgeschrittenen Alters ist,
die Verwahrung als solche ausschliesslich dem Sicherungsbedürfnis der
Allgemeinheit dient und der Freiheitsentzug nicht für eine wirksame Behandlung
genutzt wird und wegen der gutachterlich ausgewiesenen Therapieunfähigkeit auch
nicht dazu genutzt werden kann.

4.4.6. Der massive Eingriff in die Grundrechte des Beschwerdeführers ist mit
dessen Anlasstaten und der Schwere der in Freiheit zu erwartenden Taten
abzuwägen. Es kommt dabei namentlich auf den Grad der Wahrscheinlichkeit
erneuter Tatbegehung und das Gewicht der gefährdeten Rechtsgüter an. Vom
Beschwerdeführer sind weitere pädosexuelle Straftaten nach der Art der
bisherigen zu erwarten. Betroffen ist damit das hochwertige Rechtsgut der
ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern. Dass es zu sexuellen Handlungen
kommt, die auch zu einer höhergradigen körperlichen Integritätsverletzung der
Opfer führten, ist hingegen unwahrscheinlich. Die einmalige Anwendung
körperlicher Gewalt (Todesdrohungen, Würgen) war laut Gutachten singulär.
Schwere Gewaltstraftaten oder Sexualdelikte, die eine Gewaltkomponente
beinhalten, sind nicht zu befürchten. Die bisher verübten und künftig zu
erwartenden Straftaten sind mässig schwer. Soweit sie unter dem Gesichtspunkt
von Art. 64 StGB überhaupt relevante Anlass- und Folgetaten bilden, sind sie im
unteren Bereich des für eine Verwahrung erforderlichen Tatschweregrades nach
Art. 64 Abs. 1 StGB anzusiedeln (vgl. vorstehend E. 3.3, 4.3.2 und 4.3.4). Sie
reichen zwar für die Anordnung einer Verwahrung aus, wiegen aber nicht schwer
genug, um die Weiterführung des Freiheitsentzugs auch nach einem
Verwahrungsvollzug von über 20 Jahren zu rechtfertigen.

4.4.7. Wohl geht vom Beschwerdeführer eine unverändert hohe Rückfallgefahr für
weitere Delinquenz nach der Art der bisherigen im Sinne von Art. 187 StGB aus
und ist ihm deshalb an sich eine ungünstige Legalprognose zu stellen (vorstehen
E. 4.3.4. in fine). Betroffen ist ein wertvolles Rechtsgut. Die hohe
Rückfallgefahr kann mit geeigneten Vorkehrungen im Sinne von Art. 64a Abs. 1
StGB indessen derart reduziert werden, dass die Verübung einer Straftat durch
den 76 Jahre alten Beschwerdeführer nicht mehr als wahrscheinlich erscheint.
Denkbar ist eine Fülle von Massnahmen bzw. Weisungen, über deren Ausgestaltung
letztlich die kantonalen Instanzen zu befinden haben. Die Massnahmen können
beispielhaft etwa darin bestehen, den Beschwerdeführer in ein betreutes
Wohnheim zu entlassen, das fakultativ geschlossen geführt wird (vgl. Urteil
6B_232/2011 vom 17. November 2011 E. 3.5). Weiter könnte dieser dazu
verpflichtet werden, jeglichen wie auch immer gearteten Kontakt zu Kindern zu
unterlassen und sich von bestimmten Orten wie etwa Kinderspielplätzen
fernzuhalten (vgl. Urteil 6S.135/2002 vom 6. September 2002 E. 3.2; s.a. SJZ
1947/43, S. 261, Nr. 131). Unter strikt einzuhaltenden Einschränkungen ist kaum
zu erkennen, wie sich der 76-jährige Beschwerdeführer unbemerkt Zugang zu
Kindern verschaffen und sich eine Gefährdung realisieren könnte. Dass das
Gericht bei gegebenen Voraussetzungen (Art. 64a Abs. 3 und 4 StGB) eine
Rückversetzung in den Verwahrungsvollzug anordnen kann, dürfte das
Gefährdungspotenzial zusätzlich senken (vgl. Botschaft, BBl 1998 1979, S. 2098;
s.a. SCHWARZENEGGER/HUG/JOSITSCH, Strafrecht II, Strafen und Massnahmen, 2007,
S. 249). Eine Abwägung der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers mit den
Schutzanliegen der Öffentlichkeit führt damit im Ergebnis ebenfalls zum
Schluss, dass die Verwahrung aus Verhältnismässigkeitsgründen nicht
aufrechtzuerhalten ist.

4.4.8. Angesichts der aussergewöhnlich langen Vollzugsdauer von mehr als zwei
Jahrzehnten und der mässigen Deliktsschwere erweist sich eine Weiterführung der
Verwahrung zusammenfassend nicht mehr als verhältnismässig, umso weniger als
die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr mit geeigneten Vorkehrungen und
unter dem Druck einer Rückversetzung wirksam minimiert werden kann. Der
Grundsatz der Verhältnismässigkeit gebietet, dass der Beschwerdeführer bei
engmaschiger Kontrolle und Überwachung bedingt in die Freiheit zu entlassen
ist. Die Beschwerde ist in diesem Punkt begründet.

5.

5.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Beschleunigungsgebots und
ersucht um entsprechende Feststellung und Entschädigung. Die Verfahrensdauer
von zweieinhalb Jahren seit Einreichung des Gesuchs um Entlassung am 7. Juli
2010 sei zu lang. Die Verwaltungsbehörden hätten die mangelnde Aktualität der
Expertise vom 2. Oktober 2007 im Hinblick auf spätere Entscheide erkennen und
rechtzeitig ein neues Gutachten einholen müssen. Durch die pflichtwidrige
Unterlassung der Behörden sei das Verfahren unnötig um ein Jahr und neun Monate
verlängert worden (Beschwerde, S. 14 f.).
Die Vorinstanz erwägt, das Verfahren vor dem Amt für Justizvollzug habe von der
Gesuchseinreichung am 7. Juli 2010 bis zum Entscheid am 6. Oktober 2010 drei
Monate in Anspruch genommen. Das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren habe
rund zweieinhalb Monate, das anschliessende Gerichtsverfahren mit Rückweisung
der Angelegenheit am 6. April 2011 zur Einholung eines aktuellen Gutachtens
knapp zwei Monate gedauert. Bis zum neuen Entscheid des Amts für Justizvollzug
am 19. Januar 2012 sei mithin ein Jahr vergangen. Das Verfahren habe insgesamt
etwa eineinhalb Jahre in Anspruch genommen. Von dieser Gesamtdauer gingen rund
sechs Monate zu Lasten der Einholung und Erstellung des aktuellen Gutachtens,
was nicht den Behörden angelastet werden könne. Die Gesamtdauer von eineinhalb
Jahren verletze das Beschleunigungsgebot nicht (Entscheid, S. 16 f.).

5.2. Gemäss Art. 5 Ziff. 4 EMRK hat jede Person, die festgenommen oder der die
Freiheit entzogen ist, das Recht zu beantragen, dass ein Gericht innerhalb
kurzer Frist über die Rechtmässigkeit der Freiheitsentziehung entscheidet und
ihre Entlassung anordnet, wenn die Freiheitsentziehung nicht rechtmässig ist
(vgl. auch Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK; Art. 14 Ziff. 3 lit. c
IPBPR; vgl. ferner BGE 133 I 270 E. 1.2.2; 128 I 149 E. 2.2.1).

5.3. Die Frage, innerhalb welcher Frist über die Rechtmässigkeit der
Freiheitsentziehung entschieden werden muss, kann nicht abstrakt beurteilt
werden. Der Entscheid hängt vielmehr von der Würdigung der konkreten Umstände
des Einzelfalles ab. Der Anspruch auf einen raschestmöglichen Entscheid wird
nicht verletzt, wenn der Behörde auf Grund der Umstände des Falles ein früherer
Entscheid vernünftigerweise nicht möglich war (BGE 127 III 385 E. 3a; 117 Ia
372 E. 3a mit Hinweisen). Dabei ist nach der Natur der Freiheitsentziehung zu
differenzieren ( FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 3. Aufl., Kehl am Rhein 2009,
Art. 5 N 145; WALTER GOLLWITZER, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und
IPBPR, 2005, Art. 5 MRK N 128a vgl. auch Entscheid des EGMR vom 13.7.2006, R 55
894/00 i.S. F. gegen die Schweiz, Ziff. 45 ff.).
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Richter verpflichtet, die Verletzung des
Beschleunigungsgebotes im Urteilsdispositiv ausdrücklich festzuhalten und
gegebenenfalls darzulegen, in welchem Ausmass er diesen Umstand berücksichtigt
(BGE 137 IV 118 E. 2.2; 136 I 274 E. 2.3; 130 I 312 E. 5.3; 130 IV 54 E. 3.3;
117 IV 124 E. 4d; Urteil 6B_232/2011 vom 17. November 2011 E. 4.3 mit weiteren
Hinweisen).

5.4. Das Bundesgericht verneinte eine Verletzung des Beschleunigungsgebots im
Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK bei einer Verfahrenslänge von insgesamt neun
Monaten für die Entscheidung über die bedingte Entlassung aus einer Verwahrung
(Urteil 6B_232/2011 vom 17. November 2011 E. 4). Es verneinte eine solche auch
bei einer Gesamtverfahrensdauer von 18 Monaten und wies darauf hin, dass es bis
zur definitiven Entscheidung der Frage, ob ein Betroffener aus einer
stationären Massnahme entlassen werden könne, unter Umständen lange dauern
könne, insbesondere wenn Gutachten einzuholen und gegebenenfalls weitere
Abklärungen zu treffen sind und dem Betroffenen das rechtliche Gehör zu
gewähren ist (Urteil 6A.63/2001 vom 6. August 2001 E. 1, insbesondere 1d und
e). Hingegen beurteilte das Bundesgericht eine Gesamtverfahrensdauer von 31
Monaten als zu lang und mit Art. 5 Ziff. 4 EMRK nicht vereinbar, auch wenn
nicht nur schnell, sondern richtig zu urteilen sei. Auf eine entsprechende
Feststellung im Urteilsdispositiv wurde verzichtet (BGE 127 IV 154,
unveröffentlichte E. 2a/2d/2e).

5.5. Zwischen dem Gesuch des Beschwerdeführers um bedingte Entlassung aus der
Verwahrung vom 7. Juli 2010 und dem vorinstanzlichem Beschluss vom 19./21.
Dezember 2012 liegen rund 30 Monate. Die massgebliche Gesamtverfahrenslänge
beträgt rund zweieinhalb Jahre (und nicht eineinhalb Jahre, wie die Vorinstanz
offensichtlich anzunehmen scheint). Diese Verfahrensdauer ist in ihrer
Gesamtheit auch in Anbetracht der Natur des Freiheitsentzugs als Verwahrung und
unter der Berücksichtigung der konkreten Umstände (Einholen und Erstellen eines
aktuellen psychiatrischen Gutachtens sowie eines Vollzugsberichts; mündliche
Anhörung des Beschwerdeführers; schriftliche Gehörsgewährung) zu lang und mit
Art. 5 Ziff. 4 EMRK nicht mehr vereinbar. Eine nähere Prüfung der einzelnen
Verfahrensabschnitte erübrigt sich. Die übermässig lange Verfahrensdauer
verletzt das Beschleunigungsgebot. Mit der ausdrücklichen Feststellung dieser
Verletzung im Urteilsdispositiv und dem Verzicht auf eine Kostenauflage wird
dem Beschwerdeführer eine hinreichende Genugtuung für die erlittene
Rechtsverletzung verschafft. Inwiefern sich die Verletzung des
Beschleunigungsgebot weitergehend zu seinem Nachteil auswirkt und zu
entschädigen wäre, begründet der Beschwerdeführer nicht, weshalb auf sein
Entschädigungsbegehren nicht einzutreten ist.

6.
Die Beschwerde ist gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der
angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Auf die Ausführungen des Amts für Justizvollzug in
der Vernehmlassung zur Beschwerde, wonach zumindest im Verfahren vor
Verwaltungsbehörden kein Anspruch auf eine notwendige Verteidigung nach Art.
130 StPO bestehe, ist nicht einzugehen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
StGB). Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird
gegenstandslos. Der Kanton Graubünden hat den Rechtsvertreter des
Beschwerdeführers für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu
entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschluss
des Kantonsgerichts von Graubünden vom 19./21. Dezember 2012 wird aufgehoben
und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Es wird festgestellt, dass das Beschleunigungsgebot im Sinne von Art. 5 Ziff. 4
EMRK betreffend rechtzeitige Prüfung des Gesuchs vom 7. Juli 2010 um bedingte
Entlassung aus der Verwahrung verletzt wurde.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Der Kanton Graubünden hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Juli 2013

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Mathys

Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill

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