Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.94/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_94/2013

Urteil vom 27. März 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Mattle.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft Baden, Täfernhof, Mellingerstrasse 207, 5405 Dättwil,
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 20, 5001 Aarau,
Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau, Mellingerstrasse 2a, 5400 Baden.

Gegenstand
Haftentlassung; Beschlagnahmebefehl,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 21. Februar 2013 der Beschwerdekammer in
Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft Baden führt gegen X.________ eine Strafuntersuchung
wegen Verdachts auf Raub, Diebstahl, Betrug, schwere Körperverletzung,
Verbreiten menschlicher Krankheiten, Veruntreuung, einfache Körperverletzung,
Drohung, Nötigung, grobe Verletzung der Verkehrsregeln, Fahren in fahrunfähigem
Zustand sowie diverse weitere Delikte. X.________ wurde am 26. August 2011 in
Haft genommen. Auf Beschwerde gegen einen Haftverlängerungsentscheid hin
entschied das Bundesgericht am 2. November 2011, X.________ sei unverzüglich
aus der Untersuchungshaft zu entlassen (Urteil 1B_570/ 2011).

B.
Nachdem die Staatsanwaltschaft Baden von der Staatsanwaltschaft Bern-Seeland am
21. Dezember 2011 ein weiteres Untersuchungsverfahren gegen X.________
übernommen hatte und gegen ihn am 4. Februar 2012 wegen Vorkommnissen nach der
Entlassung aus der Untersuchungshaft bei der Stadtpolizei Zürich von einer Frau
Strafanzeige eingereicht worden war, wurde X.________ am 27. März 2012 erneut
festgenommen. Am 11. April 2012 bestätigte das Obergericht des Kantons Aargau
die Inhaftierung wegen Wiederholungsgefahr. Eine von X.________ hiergegen
erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht am 24. Mai 2012 ab (Urteil 1B_254/
2012, teilweise publiziert in BGE 138 IV 148). In der Folge wurde die
Untersuchungshaft vom Zwangsmassnahmengericht des Kantons Aargau mehrmals
verlängert, unter anderem mit Entscheid vom 26. September 2012. Eine von
X.________ dagegen erhobene Beschwerde wurde zunächst vom Obergericht und am
17. Dezember 2012 vom Bundesgericht abgewiesen (Urteil 1B_740/2012).

C.
Am 10. Januar 2013 ordnete die Staatsanwaltschaft im Strafverfahren gegen
X.________ die Beschlagnahme diverser Gegenstände und Unterlagen an. Ein von
X.________ gestelltes Haftentlassungsgesuch wies das Zwangsmassnahmengericht am
14. Januar 2013 ab. Gegen diese beiden Entscheide gelangte X.________ erneut
ans Obergericht, welches seine Beschwerde am 21. Februar 2013 abwies.

D.
Gegen den Entscheid des Obergerichts vom 21. Februar 2013 hat X.________ am 6.
März 2013 Beschwerde ans Bundesgericht mit Antrag auf Aufhebung des
angefochtenen Entscheids erhoben. Er beantragt, er sei unverzüglich aus der
Haft zu entlassen, eventualiter seien geeignete mildere Ersatzmassnahmen
anzuordnen. Betreffend Beschlagnahme stellt er den Antrag, die beschlagnahmten
Gegenstände seien ihm auszuhändigen, eventualiter nachdem von den
beschlagnahmten Unterlagen, Dokumenten und Daten auf technischen Geräten Kopien
erstellt worden seien.

E.
Die Vorinstanz und die Staatsanwaltschaft haben auf eine Vernehmlassung
verzichtet. Mit Eingabe vom 21. März 2013 hat sich der Beschwerdeführer zur
Sache ergänzend geäussert, wobei er an den Beschwerdeanträgen festhält.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Zwischenentscheid in einer
Strafsache, gegen den nach Art. 78 ff. BGG die Beschwerde in Strafsachen offen
steht, zumal die Fortführung der Untersuchungshaft sowie die strafprozessuale
Beschlagnahme von Gegenständen einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im
Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken können. Da die
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde vorbehältlich
genügend begründeter Rügen (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG) einzutreten.

2.
Der angefochtene Entscheid betrifft Zwangsmassnahmen im Sinne von Art. 196 ff.
StPO (SR 312.0). Die Auslegung und die Anwendung der in der StPO geregelten
Voraussetzungen für Grundrechtsbeschränkungen prüft das Bundesgericht mit
freier Kognition (Art. 95 lit. a BGG). Die nach Art. 98 BGG vorgeschriebene
Beschränkung der Rügegründe und das über die Begründungspflicht nach Art. 42
Abs. 2 BGG hinausgehende Rügeprinzip im Sinne von Art. 106 Abs. 2 BGG sind auf
strafprozessuale Zwangsmassnahmen nicht anwendbar (Urteil 1B_277/2011 vom 28.
Juni 2011 E. 1.2 mit Hinweisen).

3.
Die Beschwerde richtet sich zunächst gegen die Fortsetzung der
Untersuchungshaft.

3.1 Untersuchungshaft ist zulässig, wenn die beschuldigte Person eines
Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ausserdem Flucht-,
Kollusions- oder Wiederholungsgefahr vorliegt (Art. 221 Abs. 1 StPO). Weiter
ist Haft zulässig, wenn ernsthaft zu befürchten ist, eine Person werde ihre
Drohung, ein schweres Verbrechen auszuführen, wahr machen (Art. 221 Abs. 2
StPO). Das zuständige Gericht ordnet an Stelle der Untersuchungshaft eine oder
mehrere mildere Massnahmen an, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft
erfüllen (Art. 237 Abs. 1 i.V.m. Art. 212 Abs. 2 lit. c StPO). Die
Untersuchungshaft darf zudem nicht länger dauern als die zu erwartende
Freiheitsstrafe (Art. 212 Abs. 3 StPO).

3.2 Der Beschwerdeführer bestreitet sinngemäss das Vorliegen eines dringenden
Tatverdachts. Der Tatverdacht habe sich im Verlauf der Untersuchung nicht
erhärtet, sondern abgeschwächt.
Welche Grundsätze für die Annahme eines dringenden Tatverdachts massgebend
sind, hat das Bundesgericht dem Beschwerdeführer bereits dargelegt. Es hat auch
ausgeführt, weshalb es den Tatverdacht vorliegend als hinreichend erachtete
(Urteil 1B_254/2012 vom 24. Mai 2012 E. 5.1 ff.). Im Urteil 1B_740/2012 vom 17.
Dezember 2012 kam das Bundesgericht sodann zum Schluss, das Obergericht habe
kein Bundesrecht verletzt, indem es nach dem Stand der Untersuchung einen
dringenden Tatverdacht nach wie vor bejaht habe (E. 2). Es ist nicht
ersichtlich, inwiefern der Tatverdacht sich seit dem Urteil des Bundesgerichts
vom 17. Dezember 2012 abgeschwächt haben sollte. Die Vorinstanz hat kein
Bundesrecht verletzt, wenn sie nach dem Stand der Untersuchung nach wie vor von
einem dringenden Tatverdacht ausgegangen ist.

3.3 Der Beschwerdeführer bestreitet sodann sinngemäss das Vorliegen von
Wiederholungsgefahr.
Die bei der Beurteilung des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr (Art. 221 Abs.
1 lit. c StPO) relevanten Kriterien hat das Bundesgericht dem Beschwerdeführer
bereits dargelegt. Das Vortatenerfordernis und das Vorliegen einer sehr
ungünstigen Rückfallprognose hat es als erfüllt erachtet (Urteil 1B_254/2012
vom 24. Mai 2012 E. 6.1 ff.). Im Urteil 1B_740/2012 vom 17. Dezember 2012 kam
das Bundesgericht zum Schluss, an der Wiederholungsgefahr habe sich nichts
geändert, zumal sich die Vorinstanz zur Beurteilung nunmehr zusätzlich auf ein
ausführliches psychiatrisches Gutachten vom 10. August 2012 habe stützen können
(E. 3). Es ist nicht ersichtlich, weshalb seit dem Urteil des Bundesgerichts
vom 17. Dezember 2012 der Haftgrund der Wiederholungsgefahr weggefallen sein
sollte. Daran vermag die Kritik des Beschwerdeführers am psychiatrischen
Gutachten vom 10. August 2012 nichts zu ändern. Die Vorinstanz hat kein
Bundesrecht verletzt, wenn sie zum Schluss gekommen ist, es bestehe nach wie
vor Wiederholungsgefahr.

3.4 Im Urteil 1B_740/2012 vom 17. Dezember 2012 kam das Bundesgericht zum
Schluss, die Vorinstanz habe davon ausgehen dürfen, dass Ersatzmassnahmen nicht
geeignet seien, der Rückfallgefahr zu begegnen (E. 4). Daran hat sich in der
Zwischenzeit nichts geändert.

3.5 Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, die Untersuchungshaft sei nicht
verhältnismässig, weil Überhaft drohe.
Das in Art. 212 Abs. 3 StPO verankerte Verbot der Überhaft ergibt sich aus dem
Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Seine Einhaltung ist aufgrund der konkreten
Verhältnisse des Einzelfalls zu prüfen. Die Haftdauer darf nicht in grosse Nähe
zur zu erwartenden Freiheitsstrafe rücken, um diese nicht zu präjudizieren (BGE
133 I 168 E. 4.1 S. 170 f.; 132 I 21 E. 4.1 S. 27 f.; je mit Hinweisen).
Wie das Zwangsmassnahmengericht und die Vorinstanz überzeugend dargelegt haben,
ist aufgrund der Vielzahl und Schwere der untersuchten Delikte (u.a. Raub,
Betrug, Diebstahl, Veruntreuung) eine mehrjährige Freiheitsstrafe für den
Beschwerdeführer zu erwarten. Daran vermag auch der Umstand, dass eine
Einstellungsverfügung betreffend dreier Fälle (Widerhandlungen gegen das
Strassenverkehrsgesetz) ergangen ist, nichts zu ändern. Angesichts der
aktuellen Dauer der Untersuchungshaft droht zum heutigen Zeitpunkt keine
Überhaft.

4.
Der Beschwerdeführer verlangt überdies die Aufhebung der Beschlagnahme sowie
die Aushändigung der beschlagnahmten Gegenstände und Unterlagen. Soweit er in
diesem Zusammenhang seiner Begründungspflicht (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG)
überhaupt in genügender Weise nachgekommen und auf seine Ausführungen
einzutreten ist, vermag er damit ebenfalls nicht durchzudringen.

4.1 Gestützt auf Art. 263 Abs. 1 StPO können Gegenstände und Vermögenswerte
einer beschuldigten Person u.a. beschlagnahmt werden, wenn sie voraussichtlich
als Beweismittel oder zur Sicherstellung von Verfahrenskosten, Geldstrafen,
Bussen, und Entschädigungen gebraucht werden (lit. a und b) oder einzuziehen
sind (lit. d). Die Beschlagnahme ist aufzuheben und die Gegenstände oder
Vermögenswerte sind der berechtigten Person auszuhändigen, wenn der Grund für
die Beschlagnahme weggefallen ist (Art. 267 Abs. 1 StPO).

4.2 Gemäss Beschlagnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft vom 10. Januar 2012
sowie angefochtenem Entscheid dienen die beschlagnahmten Gegenstände der
Beweis- und Kostensicherung. Der Beschwerdeführer bringt sinngemäss vor, er
habe die beschlagnahmten technischen Geräte nicht mit deliktisch erlangten
Mitteln erworben. Darin könnte die Rüge erblickt werden, die Beschlagnahme sei
unzulässig, weil die spätere Einziehung dieser Gegenstände durch das erkennende
Strafgericht offensichtlich unzulässig erscheine. Wie es sich damit verhält
kann offen bleiben, da die Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme in der
Hauptbegründung zur Beweis- und Kostensicherung anordnete und nicht dargetan
ist, inwiefern die Beschlagnahme gestützt auf Art. 263 Abs. 1 lit. a und b StPO
unzulässig gewesen sein sollte oder inwiefern der Grund für die Beschlagnahme
weggefallen sein sollte.

4.3 Der Beschwerdeführer deutet an, er könnte sich allenfalls damit
einverstanden erklären, dass die Staatsanwaltschaft in Anwendung von Art. 247
Abs. 3 StPO von den beschlagnahmten Aufzeichnungen Kopien anfertigen würde,
wenn ihm anschliessend die Unterlagen und Datenträger wieder ausgehändigt
würden. Soweit es lediglich um die Sicherung von Beweisen geht, ist ein solches
Vorgehen zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, selbst wenn eine
Beschlagnahme bereits erfolgt ist. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts
obliegt es allerdings der betroffenen Person, bei der Staatsanwaltschaft einen
entsprechenden Antrag zu stellen (Urteil 1B_636/2011 vom 9. Januar 2012 E.
2.5). Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, er habe bei der
Staatsanwaltschaft einen Antrag im genannten Sinn gestellt. Die Frage, ob einem
solchen Antrag stattzugeben wäre, bildet somit nicht Gegenstand des
vorliegenden Verfahrens.

5.
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet. Sie ist im
Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der
Beschwerdeführer hat um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht. Die
vorstehenden Erwägungen zeigen, dass die Beschwerde aussichtslos war, weshalb
das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen ist (vgl. Art. 64 Abs. 1
BGG). Es rechtfertigt sich indes, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu
verzichten (vgl. Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Baden, der
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, dem Zwangsmassnahmengericht des
Kantons Aargau und der Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des
Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. März 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Aemisegger

Der Gerichtsschreiber: Mattle