Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.79/2013
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2013
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2013



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_79/2013

Urteil vom 13. März 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied, Bundesrichter Eusebio,
Chaix,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Rieder,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis, Amt der Region Oberwallis,
Kantonsstrasse 6, Postfach, 3930 Visp,
Zwangsmassnahmengericht des Kantons Wallis, Justizgebäude, Rue Mathieu Schiner
1, Postfach 2054, 1950 Sitten 2 Nord.

Gegenstand
Verlängerung der Untersuchungshaft,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 21. Januar 2013 der Strafkammer des
Kantonsgerichts des Kantons Wallis.

Sachverhalt:

A.
Am frühen Morgen des 4. Juni 2012 fanden Beamte der Kantonspolizei Wallis in
der Wohnung Nr. "..." der Résidence Z.________ in Leukerbad den leblosen Körper
von Y.________ (Jg. 2005). Ihr Vater, X.________, befand sich ebenfalls in der
Wohnung. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis eröffnete gleichentags eine
Strafuntersuchung gegen X.________ wegen vorsätzlicher Tötung, eventuell
Mordes; sie verdächtigt ihn, seine Tochter getötet und anschliessend versucht
zu haben, sich durch die Einnahme von Medikamenten selber umzubringen.
X.________ wurde am Tatort festgenommen und befindet sich seither in Haft.
Am 6. Dezember 2012 hiess das Zwangsmassnahmengericht das
Haftverlängerungsgesuch der Staatsanwaltschaft vom 28. November 2012 gut und
verlängerte die Untersuchungshaft gegen X.________ um 3 Monate bis zum 4. März
2013.
Am 21. Januar 2013 wies das Kantonsgericht des Kantons Wallis die Beschwerde
von X.________ gegen diesen Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts ab
(Dispositiv-Ziffer 1), auferlegte ihm die Gerichtsgebühr von Fr. 700.--
(Dispositiv-Ziffer 2) und entschädigte Rechtsanwalt Beat Rieder für die
amtliche Verteidigung mit Fr. 1'000.-- (Dispositiv-Ziffer 3). Es erwog,
X.________ sei der vorsätzlichen Tötung seiner Tochter dringend verdächtig, und
es bestehe Flucht- und Wiederholungsgefahr.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, diesen Entscheid des
Kantonsgerichts aufzuheben und ihn unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu
entlassen, die Kosten dem Kanton Wallis aufzuerlegen, ihm eine angemessene
Parteientschädigung zuzusprechen und seinen Vertreter als amtlichen und
notwendigen Verteidiger für das Verfahren vor den Vorinstanzen und dem
Bundesgericht einzusetzen und angemessen zu entschädigen. Ausserdem ersucht er
um unentgeltliche Rechtspflege und Verteidigung.

C.
Die Staatsanwaltschaft und das Kantonsgericht verzichten auf Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Haftentscheid des
Kantonsgerichts. Dagegen ist die Beschwerde in Strafsachen nach den Art. 78 ff.
BGG gegeben. Der Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und
Haftentlassung ist zulässig (BGE 132 I 21 E. 1). Die bewilligte Haftdauer ist
zwar zwischenzeitlich am 4. März 2013 abgelaufen. Da der Beschwerdeführer
indessen weiterhin in Untersuchungshaft behalten werden soll - nach der
telefonischen Auskunft des Zwangsmassnahmengerichts ist ein neues
Haftverlängerungsgesuch bei ihm hängig - und er Gefahr läuft, dass der
Rechtsmittelzug ans Bundesgericht auch im nächsten Haftprüfungsverfahren nicht
vor Ablauf der Haftverlängerung abgeschlossen werden kann, hat er nach wie vor
ein rechtlich geschütztes Interesse an der Beurteilung der Haftvoraussetzungen
durch das Bundesgericht; er ist damit zur Beschwerde befugt (Art. 81 Abs. 1
BGG). Er macht die Verletzung von Bundesrecht geltend, was zulässig ist (Art.
95 lit. a BGG). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen
Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten ist.

1.2 Der Beschwerdeführer beanstandet, dass sein Vertreter für seine Bemühungen
als amtlicher Verteidiger vor dem Zwangsmassnahmengericht und dem
Kantonsgericht nicht angemessen entschädigt worden sei. Zur Beurteilung einer
Beschwerde gegen den Entschädigungsentscheid der Beschwerdeinstanz ist, worauf
das Kantonsgericht im Übrigen in seiner Rechtsmittelbelehrung zutreffend
hingewiesen hat, das Bundesstrafgericht zuständig (Art. 135 Abs. 3 lit. b
StPO). Auf die Beschwerde ist in diesem Punkt nicht einzutreten, und die
Angelegenheit ist zur Beurteilung an das Bundesstrafgericht zu überweisen (Art.
30 Abs. 2 BGG).

1.3 Der Beschwerdeführer kritisiert das Kantonsgericht, indem er ihm zumindest
sinngemäss vorwirft, es habe ihm das rechtliche Gehör nicht immer in
ausreichendem Masse gewährt (Beschwerde S. 3 Ziff. A. 1). Er erhebt in diesem
Zusammenhang aber keine konkrete Verfassungsrüge, weshalb darauf nicht
einzutreten ist.

2.
Untersuchungshaft kann unter anderem angeordnet werden, wenn ein dringender
Tatverdacht in Bezug auf ein Verbrechen sowie Flucht-, Kollusions- oder
Wiederholungsgefahr besteht (Art. 221 Abs. 1 StPO). Dabei genügt es, wenn neben
dem allgemeinen Haftgrund des dringenden Tatverdachts einer der besonderen
Haftgründe erfüllt ist.

2.1 Der Beschwerdeführer vertritt zwar den Standpunkt, der Tod seiner Tochter
sei ein Unfall gewesen, bestreitet aber nicht, dass er dringend verdächtig ist,
sie vorsätzlich getötet zu haben.

2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, es bestehe keine Fluchtgefahr.
2.2.1 Für die Annahme von Fluchtgefahr genügt nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts die Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe für sich allein
nicht. Eine solche darf nicht schon angenommen werden, wenn die Möglichkeit der
Flucht in abstrakter Weise besteht. Vielmehr müssen konkrete Gründe dargetan
werden, die eine Flucht nicht nur als möglich, sondern als wahrscheinlich
erscheinen lassen. Die Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe kann immer nur
neben anderen, eine Flucht begünstigenden Tatsachen herangezogen werden (BGE
125 I 60 E. 3a; 117 Ia 69 E. 4a; 108 Ia 64 E. 3; 107 Ia 3 E. 6).
2.2.2 Das Kantonsgericht hat dazu ausgeführt (angefochtener Entscheid S. 9 E.
6b), der Beschwerdeführer habe vom 10. bis zum 22. Lebensjahr bei seinen
leiblichen Eltern in Paris gelebt. Er habe zu seinen dort lebenden Verwandten
teils enge Kontakte, insbesondere zu einem Onkel, der wie ein Bruder für ihn
sei. Er gehe regelmässig, vier- bis fünfmal pro Jahr nach Frankreich.
Angesichts der drohenden empfindlichen Strafe, der fehlenden Arbeit, der
psychischen und familiären Probleme und der engen verwandtschaftlichen Kontakte
nach Frankreich bestehe eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass er sich dorthin
absetzen könnte.
2.2.3 Der Beschwerdeführer rügt, diese Darstellung des Kantonsgerichts sei
einseitig und verkenne insbesondere, dass sowohl sein Arbeits- als auch sein
Lebensmittelpunkt in der Schweiz liege und er insbesondere enge soziale
Kontakte zu seinem Schweizer Stiefvater pflege.
Diese Einwände sind unbegründet. Vor dem Tod seiner Tochter lag der
Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers zwar offensichtlich in der Schweiz und
nichts deutet daraufhin, dass er damals beabsichtigt hätte, sie zu verlassen.
Die Umstände haben sich indessen wesentlich verändert. Er hat zurzeit weder
Arbeit noch Familie, da seine Frau offenbar nichts mehr mit ihm zu tun haben
will. Die wichtigsten Gründe, die ihn an die Schweiz gebunden haben, sind damit
weggefallen. Es ist unter diesen Umständen ernsthaft zu befürchten, dass er
sich nach Frankreich absetzen und dort (bei oder mit Hilfe seiner dort lebenden
Verwandten) untertauchen könnte, um der weiteren Strafverfolgung in der Schweiz
zu entgehen. Das Kantonsgericht hat zu Recht Fluchtgefahr angenommen. Der
Beschwerdeführer macht zwar geltend, das Kantonsgericht hätte "im Minimum" eine
mildere Ersatzmassnahme nach Art. 237 StPO anordnen müssen. Er legt aber nicht
dar, welche Ersatzmassnahme geeignet wäre, Fluchtgefahr zu bannen, und das ist
auch nicht ersichtlich. Ein Grenzübertritt nach Frankreich ist auch ohne
Papiere leicht zu bewerkstelligen, sodass ihn eine Schriftensperre nicht an
einer Flucht hindern könnte, und auch die Überwachung seines Aufenthaltsortes
mittels einer "elektronischen Fussfessel" nach Art. 237 Abs. 3 StPO könnte im
grenznahen Raum wohl vor allem bewirken, dass eine Flucht schneller entdeckt
würde, sie aber nicht verhindern. Ist somit Fluchtgefahr anzunehmen, kann offen
bleiben, ob auch weitere besondere Haftgründe erfüllt wären.

2.3 Unbestritten ist, dass die Fortführung der seit dem 4. Juni 2012
andauernden Haft in zeitlicher Hinsicht angesichts der für den Fall einer
Verurteilung drohenden hohen Freiheitsstrafe noch verhältnismässig ist.

3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art.
66 Abs. 1 BGG). Er hat zwar auf die Aufforderung des Bundesgerichts zur
Bezahlung eines Kostenvorschusses hin sinngemäss ein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung im Sinn von Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG gestellt
mit der Begründung, er verfüge über keinerlei finanziellen Mittel. Wenige Tage
danach hat er indessen dem Bundesgericht kommentarlos den Kostenvorschuss von
Fr. 2'000.-- überwiesen. Die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers erscheint
unter diesen Umständen als nicht ausgewiesen, weshalb sein Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Soweit sich die Beschwerde gegen Dispositiv-Ziffer 3 der angefochtenen
Verfügung des Kantonsgerichts vom 21. Januar 2013 richtet, ist die
Angelegenheit zuständigkeitshalber dem Bundesstrafgericht zu überweisen.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen:

3.1 Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.2 Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft, dem
Zwangsmassnahmengericht und der Strafkammer des Kantonsgerichtes des Kantons
Wallis sowie dem Bundesstrafgericht (mit den Akten) schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. März 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Aemisegger

Der Gerichtsschreiber: Störi