Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.71/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_71/2013

Urteil vom 13. März 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Merkli, Chaix,
Gerichtsschreiber Härri.

Verfahrensbeteiligte
X.________, z. Zt. im Untersuchungsgefängnis Liestal, Rheinstrasse 27, 4410
Liestal, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Simon Berger,

gegen

Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung Sissach, Hauptstrasse 2,
Postfach, 4450 Sissach, Beschwerdegegnerin,
Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Landschaft, Poststrasse 3, 4410
Liestal,

Gegenstand
Untersuchungshaft; Wiederholungsgefahr,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 8. Januar 2013 des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft führt eine Strafuntersuchung gegen
X.________ wegen des Verdachts der qualifizierten Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz.
Er befindet sich seit dem 23. August 2012 in Untersuchungshaft.
Am 26. November 2012 beantragte die Staatsanwaltschaft die Verlängerung der
Haft um 3 Monate.
Mit Verfügung vom 6. Dezember 2012 entsprach das Zwangsmassnahmengericht
Basel-Landschaft dem Antrag teilweise und verlängerte die Untersuchungshaft
vorläufig bis zum 10. Dezember 2012.
Die von der Staatsanwaltschaft dagegen erhobene Beschwerde hiess das
Kantonsgericht Basel-Landschaft (Abteilung Strafrecht) am 8. Januar 2013 gut
und verlängerte die Haft um 3 Monate, d.h. bis zum 6. März 2013. Es bejahte den
dringenden Tatverdacht und - abweichend vom Zwangsmassnahmengericht -
Wiederholungsgefahr.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Beschluss des
Kantonsgerichts sei aufzuheben; er sei unverzüglich aus der Haft zu entlassen.

C.
Das Zwangsmassnahmengericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Das Kantonsgericht beantragt unter Hinweise auf seinen Beschluss die
kostenfällige Abweisung der Beschwerde.
Die Staatsanwaltschaft hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde
abzuweisen.
X.________ hat auf eine Replik verzichtet.

Erwägungen:

1.
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde
in Strafsachen gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung.
Die Beschwerde ist somit nach Art. 80 BGG zulässig. Der Beschwerdeführer ist
gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Die
weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die
Beschwerde ist einzutreten.

2.
2.1 Gemäss Art. 221 Abs. 1 StPO ist Untersuchungshaft zulässig, wenn die
beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist
und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie durch schwere Verbrechen oder
Vergehen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet, nachdem sie bereits früher
gleichartige Straftaten verübt hat (lit. c).
Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht ausdrücklich nicht.
Er macht einzig geltend, es fehle an der Wiederholungsgefahr.

2.2 Sinn und Zweck der Anordnung von Haft wegen Wiederholungsgefahr ist die
Verhütung von Delikten. Die Haft ist somit überwiegend Präventivhaft. Nach der
Rechtsprechung ist Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO dahin auszulegen, dass
"Verbrechen oder schwere Vergehen" drohen müssen. Diese Bestimmung verlangt,
dass die beschuldigte Person bereits früher gleichartige Vortaten verübt hat.
Auch bei den Vortaten muss es sich um Verbrechen oder schwere Vergehen gegen
gleiche oder gleichartige Rechtsgüter gehandelt haben. Die früher begangenen
Straftaten können sich aus rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren
ergeben. Sie können jedoch auch Gegenstand eines noch hängigen Strafverfahrens
bilden, in dem sich die Frage der Untersuchungs- und Sicherheitshaft stellt.
Das Gesetz spricht von verübten Straftaten und nicht bloss einem Verdacht, so
dass dieser Haftgrund nur bejaht werden kann, wenn mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit feststeht, dass die beschuldigte Person solche Straftaten
begangen hat. Neben einer rechtskräftigen Verurteilung gilt der Nachweis auch
bei einem glaubhaften Geständnis oder einer erdrückenden Beweislage als
erbracht (BGE 137 IV 84 E. 3.2 S. 85 f. mit Hinweisen).
Als Verbrechen oder schwere Vergehen, welche die Sicherheit anderer nach Art.
221 Abs. 1 lit. c StPO erheblich gefährden können, kommen auch qualifizierte
Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz in Betracht (Urteil 1B_126/
2011 vom 6. April 2011 E. 3.7, nicht publ. in BGE 137 IV 84).

2.3 Der Beschwerdeführer ist einschlägig vorbestraft. Am 3. Mai 2012
verurteilte ihn das Strafgericht Basel-Landschaft wegen qualifizierter
Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und weiterer Delikte zu einer
Freiheitsstrafe von 24 Monaten, bedingt bei einer Probezeit von 3 Jahren.
Diesem Schuldspruch liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer
verkaufte ab Mitte 2006 während ungefähr eines halben Jahres ca. 500 Gramm
Marihuana; von Anfang 2007 bis April 2009 ca. 2,2 kg Haschisch und rund 1,1 kg
"Speed" (Amphetamin); ab Mitte 2007 bis April 2009 überdies ca. 220 Gramm
Kokain. In neuen Verfahren bezichtigen vier Personen unabhängig voneinander den
Beschwerdeführer des Drogenhandels. In den Konfrontationseinvernahmen haben sie
daran festgehalten. Es ist nicht ersichtlich, weshalb diese Personen den
Beschwerdeführer zu Unrecht anschuldigen sollten, zumal zwischen ihnen und dem
Beschwerdeführer offenbar teilweise freundschaftliche Beziehungen bestanden und
sie sich mit ihren Aussagen selber belasten. Die neuen Anschuldigungen werden
gestützt durch das Ergebnis der beim Beschwerdeführer durchgeführten
Hausdurchsuchung, bei welcher Ecstasy-Tabletten sichergestellt werden konnten.
Überdies ergeben sich aus den Protokollen der Telefonüberwachung Hinweise auf
Drogenhandel.
Die Vorinstanz nimmt an, bereits aus dem rechtskräftigen Strafurteil vom 3. Mai
2012 ergebe sich, dass der Beschwerdeführer mehrere gleichartige Straftaten
verübt habe. Bei der Wiederholungsgefahr nach Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO komme
es nicht auf die Anzahl der Strafurteile an, sondern darauf, wie viele
Straftaten nachgewiesen seien. Selbst wenn die einschlägige Vorstrafe lediglich
als einzige Vortat gewertet würde, liege eine sehr ungünstige Rückfallprognose
aufgrund der erdrückenden Beweislage in Bezug auf die dem Beschwerdeführer neu
vorgeworfenen Delikte vor.
Dem ist vollumfänglich zuzustimmen. Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO spricht von
früher verübten gleichartigen Straftaten. Es kommt somit auf die Zahl der
Straftaten an, nicht der Strafurteile. Die gegenteilige, vom
Zwangsmassnahmengericht vertretene Auffassung wäre sachwidrig, da einem
einzigen Strafurteil gegebenenfalls viele Straftaten zugrunde liegen können.
Für die Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschuldigten massgeblich ist aber
die Zahl der bereits verübten Straftaten, nicht der Strafurteile. Die
Auffassung des Zwangsmassnahmengerichts führte zu einer grundlosen
Privilegierung des Wiederholungstäters, dessen Straftaten lange nicht entdeckt
und deshalb in einem einzigen Urteil geahndet wurden.
Der Beschwerdeführer hat mehrere Widerhandlungen gegen das
Betäubungsmittelgesetz begangen, die zum Urteil vom 3. Mai 2012 geführt haben.
Er steht unter dem dringenden Verdacht, vor und nach diesem Urteil erneut
gleichartige Widerhandlungen begangen zu haben; dies ungeachtet des laufenden
Strafverfahrens bzw. der Probezeit. Insoweit bestehen schwerwiegende belastende
Gesichtspunkte. Wenn die Vorinstanz unter diesen Umständen Wiederholungsgefahr
bejaht hat, verletzt das kein Bundesrecht.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen.
Die Untersuchungshaft stellt einen schweren Eingriff in die persönliche
Freiheit dar. Da das Zwangsmassnahmengericht Wiederholungsgefahr verneint
hatte, konnte sich der Beschwerdeführer zur Beschwerde veranlasst sehen. Die
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 64 BGG wird daher
bewilligt. Es werden keine Kosten erhoben und dem Vertreter des
Beschwerdeführers wird eine Entschädigung ausgerichtet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Advokat Simon Berger, wird aus der
Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft, dem
Zwangsmassnahmengericht und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft (Abteilung
Strafrecht) schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. März 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Aemisegger

Der Gerichtsschreiber: Härri