Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.61/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1B_61/2013

Urteil vom 27. August 2013

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Chaix,
Gerichtsschreiber Härri.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Archivgasse 1, Postfach 1201, 6431
Schwyz.

Gegenstand
Strafverfahren; Ausstand,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 21. Dezember 2012 des Kantonsgerichts
Schwyz, Beschwerdekammer.

Sachverhalt:

A.
Beat Schnell amtet als ausserordentlicher Oberstaatsanwalt des Kantons Schwyz.

 Am 21. Mai 2012 reichte X.________ bei diesem Strafanzeige ein. X.________
brachte vor, aus einem Brief des Anwalts der Gegenpartei in einem beim
Kantonsgericht hängigen Verfahren müsse er schliessen, dass das Gericht den
Anwalt beraten habe. Das sei "irgendwie ein Amtsmissbrauch oder eine
Amtsanmassung". Ausserdem müsse er annehmen, dass das kantonale Amt für
Landwirtschaft dem Kantonsgericht heimlich Akten übergeben habe. Es stelle sich
die Frage, ob das nicht eine Amtsgeheimnisverletzung oder ein Amtsmissbrauch
durch dieses Amt darstelle.

 Am 22. Mai 2012 leitete Beat Schnell mangels Zuständigkeit die Strafanzeige
von X.________ an die (ordentliche) Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz
weiter.

 Am 2. August 2012 reichte X.________ sinngemäss eine Aufsichtsbeschwerde gegen
die Oberstaatsanwaltschaft beim Regierungsrat des Kantons Schwyz ein.

 Mit Beschluss vom 16. Oktober 2012 befand der Regierungsrat, X.________ habe
sinngemäss ein Ausstandsgesuch gegen die Oberstaatsanwaltschaft gestellt. Der
Regierungsrat überwies das Gesuch zuständigkeitshalber dem Kantonsgericht zum
Entscheid.

 Am 21. Dezember 2012 wies das Kantonsgericht (Beschwerdekammer) das
Ausstandsgesuch ab, soweit es darauf eintrat.

B.
X.________ führt Beschwerde beim Bundesgericht mit dem Antrag, der Beschluss
des Kantonsgerichts sei aufzuheben; es sei festzustellen, dass die
Oberstaatsanwaltschaft, insbesondere Carla Contratto, und die gesamte kantonale
Staatsanwaltschaft befangen seien und der Fall daher "ausserkantonal zu
behandeln" sei.

C.
Das Kantonsgericht und die Oberstaatsanwaltschaft haben Gegenbemerkungen
eingereicht. Sie beantragen sinngemäss die Abweisung der Beschwerde.

 X.________ hat dazu Stellung genommen.

Erwägungen:

1.

1.1. Die Vorinstanz hat in einem Strafverfahren gestützt auf die Schweizerische
Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO; SR 312.0) entschieden. Gegen
ihren Entscheid ist damit gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in
Strafsachen gegeben.

1.2. Gemäss Art. 80 BGG ist die Beschwerde zulässig gegen Entscheide letzter
kantonaler Instanzen (Abs. 1). Die Kantone setzen als letzte kantonale
Instanzen obere Gerichte ein. Diese entscheiden als Rechtsmittelinstanzen.
Ausgenommen sind die Fälle, in denen nach der StPO ein Zwangsmassnahmengericht
oder ein anderes Gericht als einzige kantonale Instanz entscheidet (Abs. 2).

 Wird - wie hier - ein Ausstandsgrund nach Art. 56 lit. f StPO geltend gemacht,
so entscheidet gemäss Art. 59 Abs. 1 lit. b StPO endgültig die
Beschwerdeinstanz, wenn die Staatsanwaltschaft betroffen ist. Bezeichnet die
StPO einen Entscheid als endgültig, so ist dagegen kein Rechtsmittel nach
diesem Gesetz zulässig (Art. 380 StPO). Die Vorinstanz hat somit nach der StPO
als einzige kantonale Instanz entschieden. Die Beschwerde ist deshalb nach Art.
80 BGG zulässig.

1.3.

1.3.1. Gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt,
wer: a. vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur
Teilnahme erhalten hat; und b. ein rechtlich geschütztes Interesse an der
Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat, insbesondere: 1. die
beschuldigte Person, 2. ihr gesetzlicher Vertreter oder ihre gesetzliche
Vertreterin; 3. die Staatsanwaltschaft, 4. (aufgehoben), 5. die
Privatklägerschaft, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung
ihrer Zivilansprüche auswirken kann, 6. die Person, die den Strafantrag stellt,
soweit es um das Strafantragsrecht als solches geht, 7. die Staatsanwaltshaft
des Bundes und die beteiligte Verwaltung in Verwaltungsstrafsachen nach dem
Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht.

 Gemäss Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG muss der Beschwerdeführer die Beschwerde
hinreichend begründen. Er muss - sofern das nicht offensichtlich ist -
insbesondere darlegen, dass die gesetzlichen Legitimationsvoraussetzungen
erfüllt sind. Andernfalls genügt er seiner Begründungspflicht nicht und kann
auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 134 II 120 E. 1 S. 121; 133 II
400 E. 2 S. 404; Urteil 1C_523/2009 vom 12. März 2010 E. 1, publ., in: RDAF
2010 I S. 244 und SJ 2010 I S. 474; je mit Hinweisen).

 Der Beschwerdeführer äussert sich nicht zur Beschwerdelegitimation. Auf die
Beschwerde könnte danach nur eingetreten werden, wenn die Legitimation
offensichtlich wäre.

1.3.2. Der Beschwerdeführer hat Amtsanmassung (Art. 287 StGB), Amtsmissbrauch
(Art. 312 StGB) und Amtsgeheimnisverletzung (Art. 320 StGB) zur Anzeige
gebracht. Dabei handelt es sich um keine Antragsdelikte. Die
Beschwerdelegitimation gestützt auf Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 6 BGG fällt
daher ausser Betracht.

1.3.3. Dasselbe gilt für die Beschwerdebefugnis nach Art. 81 Abs. 1 lit. b
Ziff. 5 BGG. Der Beschwerdeführer erhebt Vorwürfe gegen Amtspersonen wegen im
Amt verübter Delikte. Damit stehen ihm keine Zivilansprüche zu, sondern
allenfalls Ansprüche aus Staatshaftung und damit öffentlichem Recht (vgl. § 6
des Gesetzes vom 20. Februar 1970 des Kantons Schwyz über die Haftung des
Gemeinwesens und die Verantwortlichkeit seiner Funktionäre, SRSZ 140.100; BGE
128 IV 188 E. 2; Urteil 6B_380/2007 vom 13. November 2007 E. 1 mit Hinweisen).

1.3.4. Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG umschreibt, wie sich aus dem Wort
"insbesondere" ergibt, die Beschwerdelegitimation nicht abschliessend. Ein
rechtlich geschütztes Interesse ist auch anzunehmen, wenn der Betroffene die
Verletzung eines ihm zustehenden Verfahrensrechts geltend macht (BGE 138 IV 78
E. 1.3 S. 79 f. mit Hinweisen).

 Gemäss Art. 115 Abs. 1 StPO gilt als Geschädigter die Person, die durch die
Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist. Die vom
Beschwerdeführer zur Anzeige gebrachten Straftatbestände schützen in erster
Linie nicht Individual-, sondern Gemeininteressen. Es ist daher nicht
offensichtlich, dass er dadurch in seinen Rechten  unmittelbar verletzt worden
ist und ihm somit die Rechtsstellung des Geschädigten zukommt (vgl. BGE 138 IV
258 E. 2.3 S. 263 mit Hinweisen). Das Bundesgericht müsste dies im Einzelnen
selber abklären. Dazu ist es nicht verpflichtet (BGE 133 II 353 E. 1 S. 356 mit
Hinweis). Kommt dem Beschwerdeführer nicht offensichtlich die Stellung des
Geschädigten zu, gilt dasselbe für jene als Privatkläger, da Letztere gemäss
Art. 118 Abs. 1 StPO die Geschädigtenstellung voraussetzt.

 Der Beschwerdeführer ist Anzeigeerstatter. Art. 301 StPO regelt das
Anzeigerecht. Danach ist jede Person berechtigt, Straftaten bei einer
Strafverfolgungsbehörde schriftlich oder mündlich anzuzeigen (Abs. 1). Die
Strafverfolgungsbehörde teilt der anzeigenden Person auf deren Anfrage mit, ob
ein Strafverfahren eingeleitet und wie es erledigt wird (Abs. 2). Der
anzeigenden Person, die weder geschädigt noch Privatklägerin oder Privatkläger
ist, stehen keine weitergehenden Verfahrensrechte zu (Abs. 3).

 Es ist demnach nicht offensichtlich, dass dem Beschwerdeführer über das
Informationsrecht nach Art. 301 Abs. 2 StPO hinaus weitere Verfahrensrechte
zustehen. Zwar nennt Art. 105 Abs. 1 lit. b StPO den Anzeigeerstatter als sog.
anderen Verfahrensbeteiligten. Wird ein solcher in seinen Rechten unmittelbar
betroffen, so stehen ihm gemäss Art. 105 Abs. 2 StPO die zur Wahrung seiner
Interessen erforderlichen Verfahrensrechte einer Partei zu. Das Verhältnis von
Art. 105 Abs. 2 StPO zu Art. 301 Abs. 3 StPO ist jedoch unklar ( VIKTOR LIEBER,
in Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg. ], Kommentar zur Schweizerischen
Strafprozessordnung, 2010, N. 4 zu Art. 105 StPO). Im Übrigen läge ohnehin
nicht auf der Hand, dass der Beschwerdeführer als blosser Anzeigeerstatter
durch die Verfahrensführung durch die seiner Ansicht nach befangene ordentliche
kantonale Staatsanwaltschaft bzw. Oberstaatsanwaltschaft in seinen Rechten
unmittelbar betroffen wäre.

1.3.5. Die Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers ist danach unter keinem
Gesichtswinkel offensichtlich gegeben. Auf die Beschwerde kann daher nicht
eingetreten werden.

2.
In Anbetracht der offenbar schwierigen finanziellen Verhältnisse des
Beschwerdeführers rechtfertigt es sich, auf die Erhebung von Kosten zu
verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege ist damit gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons
Schwyz und dem Kantonsgericht Schwyz, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. August 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Härri

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