Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.5/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_5/2013

Urteil vom 3. Mai 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Chaix,
Gerichtsschreiber Mattle.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Franz Mattmann,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.

Gegenstand
Aufschiebende Wirkung,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 4. Dezember 2012 des Obergerichts des
Kantons Luzern, 4. Abteilung.

Sachverhalt:

A.
Mit Abwesenheitsurteil vom 2. November 2006 verurteilte das Kriminalgericht des
Kantons Luzern X.________ wegen Widerhandlungen gegen das
Betäubungsmittelgesetz sowie Verweisungsbruch zu einer Freiheitsstrafe von drei
Jahren und sechs Monaten unter Anrechnung von 155 Tagen Untersuchungshaft. Am
20. Dezember 2011 wurde X.________ das Abwesenheitsurteil in einer
Justizvollzugsanstalt in Deutschland persönlich ausgehändigt. Am 23. Dezember
2011 stellte er beim Kriminalgericht des Kantons Luzern ein Gesuch um
Neubeurteilung. Am 15. Mai 2012 wurde X.________, der sich zu diesem Zeitpunkt
in Deutschland in Auslieferungshaft befand, an die Schweiz ausgeliefert und in
der Schweiz inhaftiert.

B.
Am 10. August 2012 führte das Kriminalgericht des Kantons Luzern im Beisein von
X.________ eine neue Gerichtsverhandlung durch. Es stellte das Verfahren wegen
Verweisungsbruchs ein und verurteilte ihn wegen Widerhandlungen gegen das
Betäubungsmittelgesetz als Zusatzstrafe zu zwei von deutschen Amtsgerichten
ausgesprochenen Freiheitsstrafen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und
einem Monat unter Anrechnung von 362 Tagen Haft. Das Kriminalgericht stellte
fest, dass das Abwesenheitsurteil vom 2. November 2006 mit Eintritt der
Rechtskraft des neuen Urteils dahinfalle.

C.
Am 23. Oktober 2012 erhob X.________ gegen das Urteil des Kriminalgerichts vom
10. August 2012 Berufung ans Obergericht des Kantons Luzern. Am 14. November
2012 beantragte er, dem Gesuch um Neubeurteilung vom 2. November 2006 sei
aufschiebende Wirkung beizugeben. Mit Verfügung vom 4. Dezember 2012 entschied
die Präsidentin des Obergerichts, X.________ sei am 3. Januar 2013 aus dem
Strafvollzug bedingt zu entlassen. Bis zum 3. Januar 2013 werde dem Gesuch um
Neubeurteilung keine aufschiebende Wirkung erteilt. Sie begründete ihren
Entscheid damit, dass X.________ am 2. Januar 2013 auf der Grundlage des noch
nicht rechtskräftigen Urteils des Kriminalgerichts vom 10. August 2012 zwei
Drittel seiner Strafe verbüsst habe.

D.
Gegen die Verfügung der Präsidentin des Obergerichts vom 4. Dezember 2012 hat
X.________ am 3. Januar 2013 Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht
erhoben. Er beantragt, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und dem Gesuch
um Neubeurteilung vom 2. November 2006 per sofort die aufschiebende Wirkung zu
erteilen. Die Vorinstanz beantragt sinngemäss, auf die Beschwerde sei nicht
einzutreten. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern hat auf eine
Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht
abschliessender, kantonal letztinstanzlicher Entscheid, gegen den unter den
Voraussetzungen von Art. 78 ff. sowie Art. 93 BGG die Beschwerde in Strafsachen
an das Bundesgericht offen steht.

2.
Nach Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen nur
berechtigt, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder
Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Der Beschwerdeführer muss
grundsätzlich ein aktuelles praktisches Interesse an der Behandlung der
Beschwerde haben. Dieses Erfordernis soll sicherstellen, dass das Bundesgericht
konkrete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet. Das aktuelle
praktische Interesse ist nicht erforderlich, wenn sich die aufgeworfene Frage
jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnte, an
ihrer Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes
öffentliches Interesse besteht und eine rechtzeitige bundesgerichtliche
Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre (BGE 135 I 79 E. 1.1 S. 81 mit
Hinweis).

3.
Mit dem beim Obergericht gestellten Begehren um Erteilung der aufschiebenden
Wirkung seines Gesuchs um Neubeurteilung vom 2. November 2006 bezweckte der
Beschwerdeführer die Aufhebung des Freiheitsentzugs während der Dauer des
Berufungsverfahrens. Er ist am Tag der Einreichung der Beschwerde ans
Bundesgericht aus dem Strafvollzug entlassen worden. Damit fehlte es ihm
bereits im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung an einem aktuellen praktischen
Interesse im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG (vgl. BGE 136 I 274 E. 1.3 S.
276 zum aktuellen praktischen Interesse an der Behandlung einer Haftbeschwerde
nach Beendigung der Untersuchungshaft). Daran ändern auch die Einwände des
Beschwerdeführers nichts, die Vorinstanz sei zu Unrecht davon ausgegangen, er
habe sich seit seiner Auslieferung an die Schweiz im Strafvollzug (Vollzug des
Abwesenheitsurteils vom 2. November 2006) befunden, und wenn schon hätte gegen
ihn - wie in Art. 369 Abs. 3 StPO (SR 312.0) vorgesehen - Sicherheitshaft
angeordnet werden müssen, was nicht geschehen sei.

4.
Der Beschwerdeführer macht geltend, an der Beantwortung der Frage, ob ein
rechtskräftiges Abwesenheitsurteil vollzogen werden könne, wenn - wie
vorliegend - ein Staat der Auslieferung des in Abwesenheit Verurteilten an die
Schweiz nur für eines von zwei Delikten zugestimmt habe, während das
Abwesenheitsurteil eine Gesamtstrafe für beide Delikte umfasse, bestehe wegen
der grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse. Diese
Frage könne sich in einer gleichen oder ähnlichen Situation ohne Weiteres
wieder stellen. Hingegen legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist nicht
ersichtlich, weshalb eine rechtzeitige bundesgerichtliche Überprüfung dieser
Frage im Einzelfall kaum je möglich sein sollte. Es besteht kein Anlass, die
vorliegende Beschwerde trotz des fehlenden aktuellen praktischen Interesses des
Beschwerdeführers ausnahmsweise materiell zu behandeln.

5.
Nach dem Ausgeführten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege inklusive unentgeltliche Verbeiständung ist wegen
Aussichtslosigkeit abzuweisen (vgl. Art. 64 Abs. 1 BGG). Es rechtfertigt sich
indes, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (vgl. Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Luzern und dem Obergericht des Kantons Luzern, 4. Abteilung, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 3. Mai 2013

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Mattle

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