Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.467/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1B_467/2013

Urteil vom 13. Januar 2014

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiber Forster.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt,
Procura della Repubblica presso il Tribunale
di Firenze.

Gegenstand
Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Exequaturverfahren,

Beschwerde gegen das Urteil vom 27. November 2013 des Appellationsgerichtes des
Kantons Basel-Stadt, Präsidentin.

Sachverhalt:

A. 
Im Rahmen einer gegen X.________ geführten Strafuntersuchung stellte die
Staatsanwaltschaft Pistoia (Italien) am 23. November 2007 ein
Rechtshilfeersuchen an die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt. Diese beschlagnahmte
am 19. August 2008 rechtshilfeweise diverse Bankkonten des Verfolgten. Mit
Urteil vom 30. März 2009 sprach das Strafgericht von Pistoia den Verfolgten des
Wuchers und weiterer Delikte schuldig und ordnete die strafrechtliche
Einziehung der beschlagnahmten Kontenguthaben in der Schweiz an bis zum Betrag
von EUR 840'533.--. Am 23. März 2010 bestätigte das Appellationsgericht von
Florenz das erstinstanzliche Urteil. Nachdem das italienische Oberste
Kassationsgericht am 20. April 2011 auf ein dagegen erhobenes Rechtsmittel
nicht eingetreten war, erwuchs das Appellationsurteil in Rechtskraft.

B. 
Mit Schreiben vom 16. Februar 2012 ersuchte das italienische Justizministerium
die Schweizer Behörden um die rechtshilfeweise Herausgabe bzw. Überweisung der
beschlagnahmten Kontenguthaben. Mit Schlussverfügung vom 5. März 2012 wies die
Staatsanwaltschaft Basel-Stadt die betroffene Bank an, die Guthaben auf das vom
italienischen Justizministerium bezeichnete Konto zu transferieren. Die vom
Verfolgten dagegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesstrafgericht,
Beschwerdekammer, mit Entscheid vom 24. September 2012 gut. In seinem Urteil
wies das Bundesstrafgericht darauf hin, dass es den zuständigen Behörden
überlassen bleibe, die rechtshilfeweise Durchsetzung der streitigen
Ersatzforderung des italienischen Staates gestützt auf Art. 74a Abs. 2 lit. b
IRSG zu prüfen, wofür allerdings ein genügender Sachzusammenhang zwischen den
in Italien beurteilten Straftaten und den rechtshilfeweise beschlagnahmten
Vermögenswerten nachzuweisen sei. Andernfalls sei entweder das
Exequaturverfahren (nach Art. 94 ff. IRSG) einzuschlagen oder aber die
Rechtshilfe (definitiv) zu verweigern.

C. 
Mit Schreiben vom 22. Januar 2013 ersuchte die Staatsanwaltschaft Florenz das
Bundesamt für Justiz um Vollstreckungshilfe mit dem Antrag, das rechtskräftige
italienische Appellationsurteil sei anzuerkennen und die Überweisung der
Bankguthaben anzuordnen. Am 28. März 2013 lud das Bundesamt das
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt ein, sich zur Zuständigkeitsfrage
im Exequaturverfahren zu äussern. Dieses bezeichnete sich mit Schreiben vom 28.
Mai 2013 für zuständig, das Vollstreckungsbegehren zu prüfen. Mit Entscheid vom
27. November 2013 erklärte die Appellationsgerichtspräsidentin das
rechtskräftige italienische Strafurteil für vollstreckbar und das
rechtshilfeweise beschlagnahmte Vermögen (zur Durchsetzung einer
Ersatzforderung des italienischen Staates) für einziehbar. Gleichzeitig wies
sie die betroffene Bank an, die beschlagnahmten Kontenguthaben an das Bundesamt
für Justiz zu überweisen zur Regelung einer allfälligen Teilungsvereinbarung
mit den italienischen Behörden.

D. 
Gegen den Vollstreckungsentscheid der Appellationsgerichtspräsidentin gelangte
X.________ mit Beschwerde vom 28. Dezember 2013 an das Bundesgericht. Er
beantragt (in seiner Laieneingabe) sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen
Entscheides.

Erwägungen:

1. 
Im angefochtenen Entscheid hat die Appellationsgerichtspräsidentin in erster
und einziger Instanz über das italienische Vollstreckungsbegehren entschieden.
Es ist von Amtes wegen zu prüfen, ob die Beschwerde zulässig ist und der
angefochtene Entscheid der bundesrechtlichen Verfahrensordnung entspricht.

 Für die materielle Prüfung von Beschwerden in Strafsachen gegen
(rechtshilferechtliche) Exequaturentscheide wäre grundsätzlich die
Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichtes zuständig (vgl. Art. 33 lit. a
BGerR). Hier ist die Vollstreckbarkeit einer Ersatzforderung des ersuchenden
Staates und (gestützt darauf) die Herausgabe von Vermögenswerten streitig (Art.
78 Abs. 2 lit. b BGG i.V.m. Art. 94 ff. und Art. 1 Abs. 1 lit. d IRSG). In
diesem Zusammenhang stellen sich grundsätzliche Fragen zur Abgrenzung von den
Rechtswegen nach Art. 84 BGG (i.V.m. Art. 74a und Art. 1 Abs. 1 lit. b IRSG)
und Art. 120 Abs. 2 BGG (i.V.m. Art. 104 Abs. 1 IRSG). Über das
Exequaturbegehren wird materiell nicht entschieden. Angesichts dieses 
rechtshilferechtlichen prozessualen Schwerpunkts liegt hier die
Prüfungszuständigkeit bei der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung (Art. 29 Abs.
1 lit. d und Abs. 2 lit. f BGerR).

2. 
Nach der Praxis des Bundesgerichtes unterliegt die Frage, welcher  Kanton für
das Exequaturverfahren  zuständig ist, der Beschwerde nach Art. 120 Abs. 2 BGG
(BGE 136 IV 44 E. 1.3-1.4 S. 47 f.). Nach rechtskräftiger Beurteilung der
Kompetenzfrage hat der zuständige Kanton das  Vollstreckungsverfahren nach Art.
105-106 IRSG durchzuführen. Der Entscheid des erstinstanzlichen
Exequaturrichters unterliegt einem kantonalen Rechtsmittel (Art. 106 Abs. 3
Satz 2 IRSG). Der kantonale Rechtsmittelentscheid kann anschliessend mit 
Beschwerde in  Strafsachen (Art. 78 Abs. 2 lit. b i.V.m. Art. 80 Abs. 2 BGG und
Art. 1 Abs. 1 lit. d IRSG) beim Bundesgericht angefochten werden (BGE 136 IV 44
E. 1.4 S. 48; vgl. Heinz Aemisegger, in: Spühler/ Aemisegger/Dolge/Vock,
Praxiskommentar BGG, 2. Aufl., Zürich 2013, Art. 84 N. 33). Die Beschwerde in 
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 84 BGG) beschränkt sich auf die
Anfechtung von Rechtshilfeeentscheiden der Beschwerdekammer des 
Bundesstrafgerichtes, insbesondere betreffend die Herausgabe von
Vermögenswerten im Rahmen der  akzessorischen Rechtshilfe (Art. 74a i.V.m. Art.
1 Abs. 1 lit. b IRSG; vgl. BGE 137 I 128 E. 2.2.1 S. 132; Aemisegger, a.a.O.,
N. 3; Heinz Aemisegger/Marc Forster, in: Basler Kommentar BGG, 2. Aufl., Basel
2011, Art. 84 N. 15 und 22). Gegenstand einer (vollzugsrechtlichen) Beschwerde
in Strafsachen an das Bundesgericht können auch letztinstanzliche kantonale
Exequaturentscheide sein, welche die Herausgabe von Vermögenswerten gestützt
auf eine  Ersatzforderung des ersuchenden Staates (i.S.v. Art. 71 StGB)
betreffen (vgl. BGE 120 Ib 167 E. 3c-d S. 173-178; 133 IV 215; Andreas Donatsch
/Stefan Heimgartner/Madeleine Simonek, Internationale Rechtshilfe, Zürich 2011,
S. 48 f.; Lea Unseld, Internationale Rechtshilfe im Steuerrecht, Diss. ZH 2011,
S. 327 f.; Robert Zimmermann, La coopération judiciaire internationale en
matière pénale, 3. Aufl., Bern 2009, Rz. 765).

3. 
Im vorliegenden Fall ist ein kantonaler Exequaturentscheid angefochten. Es ist
von Amtes wegen (und im Verfahren nach Art. 78 ff. BGG) zu prüfen, ob die
Beschwerde gemäss Art. 80 Abs. 2 BGG zulässig ist und der angefochtene
Entscheid vor der bundesrechtlichen Verfahrensordnung standhält.

3.1. Die Beschwerde in Strafsachen ist zulässig gegen Entscheide letzter
kantonaler Instanzen und des Bundesstrafgerichts (Art. 80 Abs. 1 BGG). Die
Kantone setzen als letzte kantonale Instanzen obere Gerichte ein (Art. 80 Abs.
2 Satz 1 BGG). Diese entscheiden als Rechtsmittelinstanzen (Art. 80 Abs. 2 Satz
2 BGG). Ausgenommen sind die Fälle, in denen nach der StPO ein
Zwangsmassnahmengericht oder ein anderes Gericht als einzige kantonale Instanz
entscheidet (Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BGG).

3.2. Das Bundesamt für Justiz entscheidet (nach Rücksprache mit der
Vollzugsbehörde) zunächst formell über die Annahme des ausländischen
Vollstreckungsersuchens. Nimmt es dieses an, so übermittelt es die Akten und
seinen Antrag der Vollzugsbehörde und verständigt den ersuchenden Staat (Art.
104 Abs. 1 IRSG, vgl. zum Verfahren BGE 136 IV 44 E. 1.2 S. 46 f.). Über
Vollstreckungsbegehren nach Art. 94 ff. IRSG entscheidet in der Folge
(materiell) der nach Art. 32 StPO zuständige kantonale Richter (Art. 105 IRSG).
Dieser prüft von Amtes wegen, ob die Voraussetzungen der Vollstreckung gegeben
sind, und erhebt die nötigen Beweise (Art. 106 Abs. 1 IRSG). Sind die
Voraussetzungen erfüllt, so erklärt der Richter den Entscheid für vollstreckbar
und trifft die für die Vollstreckung erforderlichen Anordnungen (Art. 106 Abs.
2 IRSG). Der Entscheid hat in Form eines begründeten Urteils zu erfolgen (Art.
106 Abs. 3 Satz 1 IRSG). Das kantonale Recht stellt ein Rechtsmittel zur
Verfügung (Art. 106 Abs. 3 Satz 2 IRSG).

3.3. Im vorliegenden Fall hat die Appellationsgerichtspräsidentin unter
Berufung auf Art. 55 "Abs. 3" (recte: Abs. 4) StPO in erster und einziger
Instanz über das Exequaturbegehren entschieden. Dies widerspricht Art. 106 Abs.
3 Satz 2 IRSG und Art. 80 Abs. 2 BGG, welche einen  zweistufigen kantonalen
Instanzenzug verlangen (BGE 136 IV 44 E. 1.4 S. 48; vgl. Aemisegger, a.a.O., N.
33). Es liegt hier kein Fall einer gesetzlichen Ausnahme (im Sinne von Art. 80
Abs. 2 Satz 3 BGG) vor; vielmehr stellt Art. 106 Abs. 3 Satz 2 IRSG die lex
specialis dar für den Rechtsweg im rechtshilferechtlichen Exequaturverfahren.
Der doppelte kantonale Instanzenzug dient nicht nur dem Rechtsschutz der
betroffenen Personen, sondern auch der Entlastung des Bundesgerichtes. Art. 55
Abs. 4 StPO hebt diese Verfahrensordnung nicht auf, sondern erklärt die
Beschwerdeinstanz ausdrücklich dort für zuständig, wo das Bundesrecht Aufgaben
der Rechtshilfe einer (einzigen) richterlichen Behörde zuweist. Dies gilt
primär für die Zuständigkeit der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes als
Rechtsmittelinstanz in Auslieferungs- und akzessorischen Rechtshilfesachen nach
Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Abs. 2 und Art. 80e IRSG (vgl. Botschaft zur StPO, BBl
2006 S. 1085 ff, 1147 f. Ziff. 2.2.5; Laurent Moreillon/ Nicolas Cruchet/Aude
Reymond, in: Commentaire romand CPP, Basel 2011, Art. 55 N. 2;  a.M. Horst
Schmitt, in: Basler Kommentar StPO, Basel 2011, Art. 55 N. 6; s. auch
Bundesgerichtsurteil 6B_300/2013 vom 3. Juni 2013 E. 1). Weder der StPO noch
der Botschaft lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber vom zweistufigen
kantonalen Instanzenzug im Exequaturverfahren nach Art. 105-106 IRSG hätte
abweichen wollen.

4. 
Nach dem Gesagen ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Der angefochtene
Entscheid ist von Amtes wegen aufzuheben und das Verfahren an die Vorinstanz
zurückzuweisen zur Gewährleistung des zweistufigen gesetzlichen Rechtsweges
(über das erst- und zweitinstanzliche kantonale Exequaturgericht).

 Bei diesem Prozessausgang kann von der Erhebung von Gerichtskosten abgesehen
werden (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 BGG). Parteientschädigungen sind nicht
zuzusprechen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2. 
Der Entscheid vom 27. November 2013 des Appellationsgerichtes des Kantons
Basel-Stadt, Präsidentin, wird von Amtes wegen aufgehoben, und das Verfahren
wird an die Vorinstanz zurückgewiesen zur Gewährleistung des zweistufigen
kantonalen Exequaturverfahrens.

3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt, Präsidentin, sowie dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich
Internationale Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Januar 2014

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Forster

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