Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.398/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1B_398/2013

Urteil vom 22. Januar 2014

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Forster.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich,

Y.________, amtlicher Verteidiger.

Gegenstand
Wechsel der amtlichen Verteidigung,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 17. Oktober 2013 des Obergerichts des
Kantons Zürich, III. Strafkammer.

Sachverhalt:

A. 
Die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich führte eine Strafuntersuchung
gegen X.________ wegen eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes. Am 12. März 2012
bestellte die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich dem Beschuldigten eine
amtliche Verteidigerin. Am 21. März 2013 entliess die Oberstaatsanwaltschaft
die Offizialverteidigerin und ersetzte sie durch den jetzigen amtlichen
Verteidiger. Am 20. Juni 2013 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage beim
Bezirksgericht Meilen. In der Folge wurde die Anklage (mit Entscheid vom 6.
August 2013 des Obergerichtes des Kantons Zürich, Verwaltungskommission)
zuständigkeitshalber an das Bezirksgericht Uster überwiesen.

B. 
Mit Schreiben vom 19. Juli 2013 wies der Offizialverteidiger die
Oberstaatsanwaltschaft darauf hin, dass der Beschuldigte den Kontakt mit ihm
verweigere und insbesondere Anwaltskorrespondenz retourniere. Die
Oberstaatsanwaltschaft interpretierte das Prozessverhalten des Beschuldigten
als konkludentes Gesuch um Wechsel der amtlichen Verteidigung. Das Begehren
wurde zuständigkeitshalber an den Präsidenten des Bezirksgerichts Uster
weitergeleitet, der das Gesuch abwies. Eine vom Beschuldigten dagegen erhobene
Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, mit
Beschluss vom 17. Oktober 2013 ab, soweit es darauf eintrat.

C. 
Gegen den Beschluss des Obergerichtes vom 17. Oktober 2013 gelangte der
Beschuldigte mit Beschwerde vom 6. November 2013 (Postaufgabe) an das
Bundesgericht. Er beantragt sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen
Entscheides und die Abberufung des amtlichen Verteidigers.

Die Staatsanwaltschaft (vertreten durch die Oberstaatsanwaltschaft), das
Obergericht und der amtliche Verteidiger verzichteten am 18. bzw. 26. November
2013 je ausdrücklich auf Stellungnahmen.

Erwägungen:

1. 
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen (letztinstanzlichen
kantonalen) verfahrensleitenden Zwischenentscheid in Strafsachen betreffend
Nichtauswechslung des amtlichen Verteidigers. Zu prüfen ist, ob die
Eintretensvoraussetzungen (von Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 Abs. 1 i.V.m. Art. 93
Abs. 1 lit. a BGG) erfüllt sind.

1.1. Als oberste rechtsprechende Behörde des Bundes soll sich das Bundesgericht
in der Regel nur einmal mit der gleichen Streitsache befassen müssen. Nach
ständiger Praxis zu Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist ein Vor- oder
Zwischenentscheid daher nur ausnahmsweise anfechtbar, sofern ein konkreter
rechtlicher Nachteil droht, der auch durch einen (für die rechtsuchende Partei
günstigen) Endentscheid nachträglich nicht mehr behoben werden könnte. Der
blosse Umstand, dass es sich bei der aktuellen amtlichen Verteidigung nicht
(oder nicht mehr) um den Wunsch- bzw. Vertrauensanwalt eines Beschuldigten
handelt, schliesst eine wirksame und ausreichende Verteidigung nicht aus. Die
Ablehnung eines Gesuches des Beschuldigten um Auswechslung des
Offizialverteidigers begründet daher grundsätzlich noch keinen nicht wieder
gutzumachenden Rechtsnachteil im Sinne des Gesetzes (BGE 139 IV 113 E. 1.1 S.
115 f. mit Hinweisen). Anders liegt der Fall, wenn der amtliche Verteidiger
seine Pflichten erheblich vernachlässigt (vgl. BGE 120 Ia 48 E. 2 S. 50 ff.),
wenn die Strafjustizbehörden gegen den Willen des Beschuldigten und seines
Offizialverteidigers dessen Abberufung anordnen (BGE 133 IV 335 E. 4 S. 339),
wenn sie dem Beschuldigten verweigern, sich (zusätzlich zur amtlichen
Verteidigung) auch noch durch einen Privatverteidiger vertreten zu lassen (BGE
135 I 261 E. 1.2-1.4 S. 264 f.), oder wenn sie sein gesetzliches
Vorschlagsrecht bezüglich der Person des amtlichen Verteidigers missachten (BGE
139 IV 113 E. 1.2-5 S. 116-121).

1.2. Der Beschwerdeführer beanstandet, der amtliche Verteidiger habe seine
Pflichten vernachlässigt und er sei nicht ausreichend verteidigt. Damit ist die
Sachurteilsvoraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG grundsätzlich erfüllt.
Die übrigen Eintretenserfordernisse von Art. 78 ff. BGG geben zu keinen
weiteren Vorbemerkungen Anlass.

2. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, weder seine frühere Offizialverteidigerin
noch der jetzige amtliche Rechtsvertreter hätten seine Standpunkte akzeptiert
bzw. die von ihm gewünschte Prozessstrategie verfolgt. Sie hätten von ihm
verlangte Beweisanträge nicht gestellt und ihre Pflichten vernachlässigt.
Deshalb habe er kein Vertrauen in sie gewonnen und in der Folge die
Zusammenarbeit mit ihnen verweigert.

2.1. Ist das Vertrauensverhältnis zwischen der beschuldigten Person und ihrer
amtlichen Verteidigung erheblich gestört oder eine wirksame Verteidigung aus
anderen Gründen nicht mehr gewährleistet, so überträgt die Verfahrensleitung
die amtliche Verteidigung einer anderen Person (Art. 134 Abs. 2 StPO). In den
Grenzen einer sorgfältigen und effizienten Ausübung des Offizialmandates ist
die Wahl der Verteidigungsstrategie grundsätzlich Aufgabe des amtlichen
Verteidigers. Zwar hat er die objektiven Interessen des Beschuldigten möglichst
im gegenseitigen Einvernehmen und in Absprache mit diesem zu wahren. Der
Offizialverteidiger agiert jedoch im Strafprozess nicht als blosses
unkritisches "Sprachrohr" seines Klienten. Insbesondere liegt es im
pflichtgemässen Ermessen des amtlichen Verteidigers zu entscheiden, welche
Prozessvorkehren und juristischen Standpunkte er (im Zweifelsfall) als
sachgerecht und geboten erachtet (vgl. BGE 126 I 26 E. 4b/aa S. 30, 194 E. 3d
S. 199; 116 Ia 102 E. 4b/bb S. 105; Urteile 1B_110/2013 vom 22. Juli 2013 E.
4.3; 1B_197/2011 vom 14. Juli 2011 E. 1.4; 1B_67/2009 vom 14. Juli 2009 E.
2.2-2.3).

2.2. Für die Behauptungen des Beschwerdeführers, er sei von seinen beiden
amtlichen Verteidigern unter Druck gesetzt worden, die Unwahrheit zu sagen bzw.
die Existenz eines falschen (nicht existierenden) Zeugen zu bestätigen, oder
sie hätten Dokumente falsch übersetzt, fehlt es an nachvollziehbaren
Anhaltspunkten. Die betreffenden pauschalen Vorwürfe sind nicht substanziiert
(vgl. Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG). Darin, dass der amtliche Verteidiger
(gestützt auf entsprechende psychiatrische Gutachten) die persönlichen
Ansichten des Beschuldigten zu dessen psychischem Gesundheitszustand nicht
teile, liegt keine Pflichtversäumnis. Ebenso wenig wäre es dem
Offizialverteidiger anzulasten, falls die Adresse eines vom Beschuldigten
genannten Entlastungszeugen (trotz entsprechenden Bemühungen) nicht eruierbar
ist. Soweit weitere Vorwürfe ausschliesslich die frühere Offizialverteidigerin
betreffen (deren Abberufung der Beschwerdeführer bereits erwirkt hat), bildet
das frühere amtliche Mandat nicht mehr Gegenstand des angefochtenen
Entscheides.

2.3. Aus seiner Weigerung, mit der Offizialverteidigung sachgerecht zu
kooperieren, ergibt sich kein grundrechtlicher oder bundesgesetzlicher Anspruch
des Beschuldigten auf Auswechslung des Verteidigers (vgl. BGE 126 I 26 E. 4b/aa
S. 30, 194 E. 3d S. 199; 120 Ia 48 E. 2 S. 50 ff.; 116 Ia 102 E. 4b/bb S. 105;
Urteile 1B_110/2013 vom 22. Juli 2013 E. 5.2.1; 1B_197/2011 vom 14. Juli 2011
E. 1.7; 1B_67/2009 vom 14. Juli 2009 E. 2.2-2.3). Dies muss besonders im
vorliegenden Fall gelten, zumal der Beschwerdeführer einräumt, bereits im März
2013 die Abberufung seiner damaligen amtlichen Verteidigerin erwirkt zu haben.
Anders zu entscheiden hiesse, dass der Beschuldigte durch ständige Obstruktion
und anschliessende Gesuche um Auswechslung der Offizialverteidigung das
Strafverfahren in rechtsmissbräuchlicher Weise komplizieren und verlängern
könnte. Dem Beschwerdeführer steht auch kein Anspruch auf (ersatzlose)
Abbestellung des amtlichen Verteidigers zu, weil er es (im Eventualstandpunkt)
vorzöge, sich alleine zu verteidigen. Vielmehr schreibt das Gesetz bei einer
Anklage wegen vorsätzlicher Tötung (evtl. Mord) die notwendige Verteidigung
durch einen Rechtsanwalt oder eine Anwältin zwingend vor (Art. 130 lit. b StPO
i.V.m. Art. 111 f. StGB).

2.4. Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, weshalb das
Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seinem
Offizialverteidiger aus objektiven Gründen als erheblich gestört anzusehen
wäre. Auch sonst wird hier weder dargetan, noch ergibt es sich aus den Akten,
dass eine wirksame Verteidigung nicht gewährleistet wäre. Die übrigen
Vorbringen des Beschwerdeführers begründen keine substanziierten Rügen, die
sich auf den Gegenstand und die Erwägungen des angefochtenen Entscheides
beziehen würden. Darauf ist nicht einzutreten.

3. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

Im vorliegenden Fall kann von der Erhebung von Gerichtskosten ausnahmsweise
abgesehen werden ( Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Eine Parteientschädigung ist
nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.

2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Bezirksgericht Uster und dem
Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Januar 2014

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Forster

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