Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.38/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1B_38/2013

Urteil vom 18. Juni 2013

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli, Eusebio, Chaix,
Gerichtsschreiber Forster.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach, Wildischachenstrasse 14, 5200 Brugg.

Gegenstand
Strafprozess, Nichteintreten auf eine Beschwerde gegen die Festsetzung des
Honorars des amtlichen Verteidigers,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 20. Dezember 2012 des Obergerichts des
Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach eröffnete am 27. Januar 2012 eine
Strafuntersuchung wegen qualifizierten Widerhandlungen gegen das
Betäubungsmittelgesetz. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargauernannte
Rechtsanwalt X.________ am 21. Februar 2012 (rückwirkend ab 1. Februar 2012)
als amtlichen Verteidiger. Mit Verfügung vom 14. Mai 2012 übernahm die
Staatsanwaltsch aft II des Kantons Zürich das Strafverfahren von den Aargauer
Strafverfolgungsbehörden.

B.
Am 22. Juni 2012 reichte der amtliche Verteidiger bei der Staatsanwaltschaft
Brugg-Zurzach eine Honorarnote über Fr. 23'546.60 für seine Aufwendungen vom 1.
Februar bis 15. Mai 2012 (im Aargauer Untersuchungsverfahren) zur Genehmigung
ein. Am 22. Oktober 2012 verfügte die Staatsanwaltschaft, dem amtlichen
Verteidiger werde (nach Rechtskraft der Verfügung) eine Entschädigung von Fr.
15'768.-- (inkl. MWST) ausbezahlt. Auf eine dagegen erhobene Beschwerde trat
das Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, mit
Entscheid vom 20. Dezember 2012 nicht ein.

C.
Gegen den Nichteintretensentscheid des Obergerichtes gelangte der amtliche
Verteidiger mit Beschwerde vom 31. Januar 2013 an das Bundesgericht. Er
beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Rückweisung der
Beschwerdesache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz. Die Staatsanwaltschaft
und das Obergericht haben auf Stellungnahmen je ausdrücklich verzichtet.

Erwägungen:

1.
Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind erfüllt und geben zu
keinen Bemerkungen Anlass.

2.
Die Vorinstanz ist auf die StPO-Beschwerde des amtlichen Verteidigers mangels
rechtlich geschützten Anfechtungsinteresses nicht eingetreten. Der
Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 135 StPO sowie eine formelle
Rechtsverweigerung.

3.
Gemäss Art. 135 Abs. 2 StPO legen die Staatsanwaltschaft oder das urteilende
Gericht die Entschädigung des amtlichen Verteidigers am Ende des Verfahrens
fest. Den Entschädigungsentscheid der Staatsanwaltschaft kann der amtliche
Verteidiger bei der StPO-Beschwerdeinstanz anfechten (Art. 135 Abs. 3 lit. a
StPO).

 Im vorliegenden Fall hat die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach am 14. Mai 2012
das (am 27. Januar 2012 von ihr eröffnete) Strafverfahren an die Zürcher
Strafverfolgungsbehörden (zuständigkeitshalber) abgetreten (vgl. Art. 39 StPO).
Am 22. Oktober 2012 kürzte die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach die Honorarnote
des amtlichen Verteidigers über Fr. 23'546.60 für dessen Aufwendungen vom 1.
Februar bis 15. Mai 2012 (im erledigten Vorverfahren der Aargauer Behörden) auf
Fr. 15'768.-- (inkl. MWST). Die Vorinstanz trat auf die dagegen erhobene
Beschwerde (mangels Rechtsschutzinteresses) nicht ein. Der angefochtene
Entscheid hält vor dem Bundesrecht nicht stand:

 Die Vorinstanz stellt sich zwar auf den Standpunkt, das Strafverfahren sei
(nach seiner Übernahme durch die Zürcher Behörden) noch nicht förmlich
"abgeschlossen"; der amtliche Verteidiger werde "die seiner Ansicht nach
erforderlichen und noch nicht entschädigten Aufwendungen" (für die im Kanton
Aargau erledigte Strafuntersuchung) "nach Abschluss des Verfahrens beim
urteilenden Gericht ohne Rechtsverlust erneut geltend machen können". Daher
erwachse ihm "aus der durch die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach vorgenommenen
Kürzung seiner eingereichten Kostennote kein Nachteil". Die Vorinstanz
übersieht jedoch, dass der (Teil-) Kostenentscheid in Rechtskraft erwächst,
falls dem amtlichen Verteidiger die Beschwerdebefugnis mangels
Rechtsschutzinteresses abgesprochen wird. Zudem würde die Auslegung der
Vorinstanz eine bundesrechtswidrige Komplizierung und Erschwerung des
Rechtsschutzes nach sich ziehen: Nach der zuständigkeitshalber erfolgten
Verfahrensabtretung während des Vorverfahrens hätte zunächst die
Staatsanwaltschaft des erstbefassten Kantons über die Teil-Entschädigung
entschieden. Dieser Kostenentscheid wäre -entgegen der Regelung von Art. 135
Abs. 3 lit. a StPO - nicht mit StPO-Beschwerde anfechtbar und würde in
Rechtskraft erwachsen. Erst nach Abschluss des abgetretenen Strafverfahrens
könnte der amtliche Verteidiger, der mit dem partiellen Kostenentscheid nicht
einverstanden ist, an jene Behörde des zweitbefassten Kantons gelangen, welche
den verfahrensabschliessenden Entscheid fällt. Diese Behörde hätte dann
nachträglich nochmals über die (bereits rechtskräftig entschiedene)
Teil-Entschädigung zulasten des erstbefassten Kantons zu befinden. Ein derart
komplizierter und sachwidriger Prozessweg widerspricht dem in Art. 135 StPO
verankerten Anspruch des amtlichen Verteidigers auf wirksamen Rechtsschutz bei
der Festlegung seiner Entschädigung (vgl. auch Art. 29 Abs. 1 und Art. 29a
i.V.m. Art. 29 Abs. 3 BV). Im Übrigen verkennt die Vorinstanz, dass Art. 135
Abs. 2 StPO nicht von einem förmlichen Abschluss des (Vor-) Verfahrens (im
Sinne von Art. 318 StPO) spricht, sondern von dessen "Ende", worunter auch die
(partielle) Verfahrenserledigung im erstbefassten Kanton nach erfolgter
Verfahrensabtretung fallen kann.

 Die Beschwerde ist gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die
Sache an das Obergericht zu neuer Entscheidung zurückzuweisen. Der
Beschwerdeführer hat offensichtlich ein rechtlich geschütztes Interesse an der
Aufhebung oder Änderung des vom ihm angefochtenen (Teil-) Kostenentscheides. In
Fällen wie dem vorliegenden hat die kantonale StPO-Beschwerdeinstanz die
Beschwerde gegen den angefochtenen partiellen Kostenentscheid (für die
Entschädigung im bereits erledigten Untersuchungsverfahren) entgegen zu nehmen
und materiell zu prüfen ( Art. 135 Abs. 2 und Abs. 3 lit. a StPO; vgl. auch
Ziffer 1 des Merkblattes vom 13. September 2011 der Konferenz der
Strafverfolgungsbehörden der Schweiz [KSBS] zur Behandlung amtlicher Mandate
bei interkantonalen Verfahrensabtretungen). Dies drängt sich umso mehr auf, als
die Justizbehörden des erstbefassten Kantons am besten abschätzen können,
welcher Aufwand des amtlichen Verteidigers im fraglichen Untersuchungsverfahren
entschädigungspflichtig erscheint, und sie bei der Festlegung der betreffenden
einschlägigen Entschädigung ihren eigenen kantonalen Anwaltstarif anwenden.
Ergänzend ist auch auf Art. 39 Abs. 2 StPO hinzuweisen, der die kantonalen
Behörden zu Koordinations- und Einigungsbemühungen bei interkantonalen
Zuständigkeits- und damit zusammenhängenden Abrechnungsfragen verpflichtet.

4.
Die Beschwerde ist gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und die
Sache an das Obergericht zu neuer Entscheidung im Sinne der obigen Erwägungen
zurückzuweisen.

 Gerichtskosten sind nicht zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Eine
Parteientschädigung (an den nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer) ist
nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid vom 20. Dezember 2012 des
Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen,
aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung
zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten e rhoben und keine Parteientschädigung zugesprochen.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach
und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Juni 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Forster

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