Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.354/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]               
{T 0/2}
                             
1B_354/2013, 1B_374/2013

Urteil vom 17. Januar 2014

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Chaix,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,
gegen

1B_354/2013
Y.________,
Beschwerdegegner,

Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Molkenstrasse 15/17, Postfach 2251,
8026 Zürich,

und

1B_374/2013

Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, Molkenstrasse 15/17, Postfach 2251,
8026 Zürich,

Gegenstand
Strafverfahren,

Beschwerden gegen die Verfügungen vom 12. September 2013 des Obergerichts des
Kantons Zürich, III. Strafkammer.

Sachverhalt:

A.

 X.________ verlor am 29. Januar 2012, um ca. 03.10 Uhr, auf der
Schachemerstrasse in Glattfelden die Herrschaft über den von ihr gelenkten
Personenwagen, kollidierte mit drei Blumentrögen, durchbrach eine
Bauabschrankung und kam, aufgebockt auf einer massiven Holzpalisade, neben der
Strasse zum Stillstand. X.________ verliess die Unfallstelle. Ihr Bruder
A.________, der mitgefahren war, alarmierte ihre in der Nähe wohnenden Eltern,
die sich zur Unfallstelle begaben und das Eintreffen der Polizei abwarteten.

 Mit Strafbefehl vom 11. Mai 2012 verurteilte die Staatsanwaltschaft Winterthur
/Unterland X.________ wegen fahrlässigen Fahrens in fahrunfähigem Zustand im
Sinn von Art. 91 Abs. 2 SVG und Art. 2 Abs. 1 VRV, Vereitelung von Massnahmen
zur Feststellung der Fahrunfähigkeit im Sinn von Art. 91a Abs. 1 SVG,
mehrfacher fahrlässiger bzw. vorsätzlicher Verletzung von Verkehrsregeln im
Sinn von Art. 90 Ziff. 1 SVG sowie pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im
Sinn von Art. 92 Abs. 1 SVG zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen
und einer Busse von Fr. 1'500.--. X.________ erhob gegen diesen Strafbefehl
Einsprache.

 Am 19. Dezember 2012 lud die Staatsanwaltschaft X.________ auf den 23. Januar
2013 zu einer Einvernahme vor. Die Vorladung enthielt den Hinweis, es fänden
zunächst Zeugeneinvernahmen und anschliessend die Schlusseinvernahme statt.
X.________ erschien zu diesem Termin nicht und wurde am 25. Februar 2013 auf
den 5. März 2013, 08.00 Uhr, erneut vorgeladen, unter dem Hinweis, dass sie bei
Nichterscheinen polizeilich vorgeführt werde. Nachdem sie zur angesetzten Zeit
nicht zur Verhandlung erschienen war, wurde X.________ telefonisch kontaktiert
und aufgefordert, um 09.15 Uhr zu erscheinen. Nachdem sie auch diesen Termin
nicht wahrgenommen hatte, liess die Staatsanwaltschaft sie polizeilich
vorführen und führte die Einvernahme von 11.40 bis 12.00 Uhr durch. Mit
Verfügung vom gleichen Tag auferlegte die Staatsanwaltschaft X.________ eine
Ordnungsbusse von Fr. 300.--, da sie dreimal einer Vorladung ohne zureichenden
Entschuldigungsgrund keine Folge geleistet habe.

 Am 12. März 2013 bestellte die Oberstaatsanwaltschaft auf Antrag der
Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland Rechtsanwalt Y.________ zum amtlichen
Verteidiger von X.________.

 Am 7. Juni 2013 hiess das Obergericht des Kantons Zürich die Beschwerde von
X.________ gegen diese Verfügung der Oberstaatsanwaltschaft gut und entliess
Rechtsanwalt Y.________ als amtlichen Verteidiger.

 Am 13. Juni 2013 setzte die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland die
Entschädigung für die Aufwendungen von Rechtsanwalt Y.________ als amtlicher
Verteidiger auf Fr. 1'015.95 (inkl. Mehrwertsteuer) fest.

 Mit Verfügung UD 130002-O/U/KIE vom 12. September 2013 wies das Obergericht
die Beschwerde von X.________ gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 5.
März 2013 ab.

 Mit einer weiteren Verfügung UP 130039-0/U/BUT vom 12. September 2013 wies das
Obergericht die Beschwerde von X.________ gegen die Verfügung der
Staatsanwaltschaft vom 13. Juni 2013 ebenfalls ab.

B.

 Mit Beschwerde in Strafsachen vom 5. Oktober 2013 beantragt X.________, den
Entscheid UP 130039-O/U/BUT des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (Verfahren 1B_354/2013).

 Die Staatsanwaltschaft, das Obergericht sowie Rechtsanwalt Y.________
verzichten auf Vernehmlassung.

C. 

 Mit einer weiteren Beschwerde in Strafsachen vom 23. Oktober 2013 beantragt
X.________ in verfahrensmässiger Hinsicht, das Verfahren 1B_354/2013 zu
sistieren. In der Sache beantragt sie, den Obergerichtsentscheid UD 130002-O/U/
KIE aufzuheben und die Ordnungsbusse abzuschreiben (Verfahren 1B_374/2013).

 Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht verzichten auf Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.

 Die beiden angefochtenen Entscheide sind im gleichen Strafverfahren ergangen
und stehen in einem engen Zusammenhang. Es rechtfertigt sich daher, die beiden
Beschwerdeverfahren zu vereinigen.

 Mit dem Ergehen dieses Urteils wird der im Verfahren 1B_374/2013 erhobene
Sistierungsantrag gegenstandslos.

2.

 Gegen die beiden angefochtenen, kantonal letztinstanzlichen Entscheide in
einer Strafsache steht die Beschwerde in Strafsachen offen (Art. 78 Abs. 1,
Art. 80 Abs. 1, Art. 90 BGG). Sie schliessen das Strafverfahren gegen die
Beschwerdeführerin allerdings nicht ab; es handelt sich um Zwischenentscheide
im Sinn von Art. 93 Abs. 1 BGG. Gegen einen solchen ist die Beschwerde
zulässig, wenn er einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur (
BGE 133 IV 139 E. 4) bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheissung der
Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und dadurch einen bedeutenden
Aufwand an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde
(lit. b). In der vorliegenden Konstellation fällt die Voraussetzung von lit. b
von vornherein ausser Betracht.

2.1. Die Staatsanwaltschaft hat die Entschädigung des amtlichen Verteidigers
nach Art. 135 Abs. 2 StPO auf Fr. 1'015.95 festgelegt, nachdem das Obergericht
dessen Mandat am 7. Juni 2013 für beendet erklärt hatte. Im angefochtenen
Entscheid UP 130039-O/U/BUT hat das Obergericht die Beschwerde gegen diese
Festsetzung abgewiesen. Damit steht noch nicht fest, wer für diese Kosten
aufzukommen hat; darüber wird erst am Ende des Verfahrens zu entscheiden sein
(Art. 421 Abs. 1 und Art. 426 StPO). Sollten der Beschwerdeführerin dannzumal
die Verfahrenskosten auferlegt werden, so könnte sie nach Massgabe von Art. 135
Abs. 4 StPO verpflichtet werden, dem Kanton Zürich die Entschädigung
zurückzuzahlen und dem amtlichen Verteidiger die Differenz zwischen der
amtlichen Entschädigung und dem vollen Honorar zu bezahlen. Dies ist indessen
noch völlig offen, und die Beschwerdeführerin wird sich gegebenenfalls nicht
nur gegen die Kostenauflage als solche, sondern auch gegen die Kostenhöhe zur
Wehr setzen können. Zurzeit droht ihr daher durch die Festlegung der
Entschädigung des amtlichen Verteidigers kein Nachteil. Auf die Beschwerde
gegen den Entscheid UP 130039-O/U/BUT ist nicht einzutreten. Damit kann offen
bleiben, ob die Beschwerdeführerin überhaupt ein rechtlich geschütztes
Interesse an der Beschwerde hat, liegt doch die Möglichkeit, dass ihr die
Kosten der amtlichen Verteidigung auferlegt werden, nicht nahe, nachdem das
Obergericht ihre Beschwerde gegen die amtliche Verbeiständung gutheissen hat.

2.2. Die Ordnungsbusse, wie sie vom Obergericht im Entscheid UD 130002-O/U/KIE
geschützt wurde, droht keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zu bewirken.
Selbst wenn sie vor ihrer Überprüfung durch das Bundesgericht im Anschluss an
die Beurteilung in der Sache bezahlt werden müsste, lässt sich der dadurch
erlittene Nachteil durch Rückerstattung beheben. Auf die Beschwerde gegen den
Entscheid des Obergerichts, mit dem es die Beschwerde gegen die Bussenverfügung
abwies, ist daher ebenfalls nicht einzutreten.

 Die Beschwerdeführerin beklagt sich zudem darüber, dass die Staatsanwaltschaft
sie am 5. März 2013 polizeilich zur Einvernahme vorführen liess. Dieses
Vorgehen der Staatsanwaltschaft erscheint zwar angesichts der gesetzlichen
Regelung der Säumnisfolge in Art. 355 Abs. 2 StPO - "Bleibt eine Einsprache
erhebende Person trotz Vorladung einer Einvernahme unentschuldigt fern, so gilt
ihre Einsprache als zurückgezogen." (dazu Urteil 6B_152/2013 vom 27. Mai 2013)
- erklärungsbedürftig. Thema des angefochtenen Entscheids war indessen
ausschliesslich die Rechtmässigkeit einer Ordnungsbusse zur Sanktionierung der
Beschwerdeführerin, nicht der Abschluss des Verfahrens. Die Vorbringen der
Beschwerdeführerin ausserhalb dieses Verfahrensgegenstandes sind mangels
Ausschöpfung des Rechtsmittelzugs im vorliegenden Zusammenhang daher
unzulässig.

3.

 Auf die Beschwerden ist nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens
wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

 Die Beschwerdeverfahren 1B_354/2013 und 1B_374/2013 werden vereinigt.

2.

 Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten.

3.

 Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.

 Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich
und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 17. Januar 2014

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi

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