Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.353/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1B_353/2013

Urteil vom 4. November 2013

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Geisser.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Stutz,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan A. Buchli,

Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach.

Gegenstand
Sicherheitshaft,

Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, Präsident, vom 2. Oktober 2013.

Sachverhalt:

A. 
Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach führt ein Strafverfahren gegen den aus dem
Kosovo stammenden X.________ (geb. 1963) wegen des Verdachts der versuchten
vorsätzlichen Tötung, der schweren Körperverletzung, der Drohung und weiterer
Delikte. Sie wirft ihm vor, Y.________ am 9. März 2012 in einem Streit mit
einem Messer in der Herzgegend verletzt zu haben. Er habe dessen Tod gewollt
oder bewusst in Kauf genommen.
X.________ befindet sich seit dem 9. März 2012 in Haft.
Am 16. Mai 2013 erhob die Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht Zurzach
Anklage und beantragte eine Strafe von sieben Jahren.
Am 25. September 2013 sprach das Bezirksgericht X.________ unter anderem der
versuchten schweren Körperverletzung schuldig. Vom Vorwurf der versuchten
vorsätzlichen Tötung und der Drohung sprach es ihn frei. Das Gericht
verurteilte X.________ zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Davon schob es
18 Monate bedingt auf. Die schriftliche Urteilsbegründung steht noch aus.
Die Staatsanwaltschaft und X.________ haben gegen das Urteil die Berufung
angemeldet.

B. 
Am 25. September 2013 ersuchte X.________ um Haftentlassung.
Der Präsident des Bezirksgerichts hiess das Gesuch am 27. September 2013 gut
und verfügte die Haftentlassung.
Gleichentags beantragte die Staatsanwaltschaft die Anordnung von
Sicherheitshaft für die Dauer von drei Monaten.

C. 
Am 2. Oktober 2013 hiess der Präsident der 1. Kammer des Obergerichts Aargau
den Antrag der Staatsanwaltschaft gut und ordnete die Sicherheitshaft bis zum
27. Dezember 2013 an.

D. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, den Entscheid des
Obergerichts aufzuheben; er sei unverzüglich aus der Haft zu entlassen.
Y.________ ersucht in seiner Stellungnahme um Abweisung der Beschwerde, soweit
darauf einzutreten sei. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft haben
Gegenbemerkungen eingereicht und schliessen je auf Abweisung der Beschwerde.
X.________ hat in seiner Replik vom 28. Oktober 2013 dazu Stellung genommen.

Erwägungen:

1. 
Da alle Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, ist auf die Beschwerde in
Strafsachen einzutreten.

2. 
Gemäss Art. 221 Abs. 1 StPO ist Sicherheitshaft zulässig, wenn die beschuldigte
Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ernsthaft
zu befürchten ist, dass sie sich durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu
erwartenden Sanktion entzieht (lit. a).

3. 
Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht.

3.1. Das Bundesgericht hat bei der Überprüfung des dringenden Tatverdachts
keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender
Beweisergebnisse vorzunehmen. Zu prüfen ist vielmehr, ob genügend konkrete
Anhaltspunkte für eine Straftat und eine Beteiligung des Beschwerdeführers
daran vorliegen, die Untersuchungsbehörden somit das Bestehen eines dringenden
Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften (BGE 137 IV 122 E. 3.2 S.
126 f. mit Hinweisen).

3.2. Die Staatsanwaltschaft begründet ihren Antrag auf Anordnung der
Sicherheitshaft im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer trotz des
erstinstanzlichen Freispruchs der versuchten vorsätzlichen Tötung weiterhin
verdächtig sei. Dieser habe dem Beschwerdegegner ein Messer in die linke Brust
gestossen, was bei leicht abweichendem Stichverlauf zum Tod hätte führen
können. In Anbetracht dessen sei es nicht nachvollziehbar, wie das
Bezirksgericht den Tötungsvorsatz habe verneinen können.
Die Vorinstanz erachtet die Berufung der Staatsanwaltschaft als nicht von
vornherein aussichtslos. Der überwiesene Sachverhalt sei im Wesentlichen
unbestritten. Die Streitfrage beschränke sich darauf, ob der Tötungsvorsatz zu
bejahen sei. Diese Frage abschliessend zu beantworten, sei nicht Aufgabe des
Haftrichters. Insoweit genüge der Nachweis konkreter Verdachtsmomente. Solche
habe die Staatsanwaltschaft hinreichend dargelegt.

3.3.

3.3.1. Der Beschwerdeführer wendet dagegen zunächst ein, die Vorinstanz hätte
bei der Prüfung des dringenden Tatverdachts einzig auf das Urteil des
Bezirksgerichts abstellen dürfen.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Solange der bezirksgerichtliche
Freispruch nicht rechtskräftig ist, vermag er die Verdachtsgründe der Anklage
nicht von vornherein umzustossen. Die Frage des dringenden Tatverdachts
entscheidet sich in solchen Fällen danach, ob trotz eines erstinstanzlichen
Freispruchs konkrete und begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich
der Beschuldigte im Sinne der Berufung der Staatsanwaltschaft schuldig gemacht
haben könnte (vgl. Urteile 1P.128/2000 vom 29. März 2000 E. 3b/cc; 1P.278/2000
vom 30. Mai 2000 E. 2d/bb).
An dieser Rechtsprechung ist auch unter der Schweizerischen Strafprozessordnung
festzuhalten. Art. 231 Abs. 2 StPO regelt die Fortsetzung der Sicherheitshaft,
wenn wie hier ein erstinstanzlicher Freispruch vorliegt. Zur Aufrechterhaltung
der Haft genügt als allgemeiner Haftgrund auch diesfalls der dringende
Tatverdacht gemäss Art. 221 Abs. 1 StPO (vgl. Urteil 1B_525/2011 vom 13.
Oktober 2011 E. 2; u.a. Marc Forster, in: Basler Kommentar, StPO, 2011, N. 6 zu
Art. 231).
Zu prüfen bleibt somit, ob der dringende Tatverdacht der versuchten
vorsätzlichen Tötung gegeben ist.

3.3.2. Gemäss dem rechtsmedizinischen Gutachten vom 21. Juni 2012 fügte der
Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner eine elf Zentimeter tiefe Stichwunde zu.
Das Messer verfehlte das Herz nur knapp und verursachte Blutungen in den
Brusthöhlen. Die Verletzung hätte ohne ärztliche Behandlung das Leben des
Beschwerdegegners ernsthaft bedrohen können. Dieser Sachverhalt ist im Kern
unbestritten. Als solcher weckt er konkrete Verdachtsmomente, dass der
Beschwerdeführer den Tatbestand der versuchten vorsätzlichen Tötung erfüllt
haben könnte.
Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, das Tatgeschehen sei dynamisch gewesen;
beide Beteiligten hätten sich bewegt. Er habe nicht auf das Herz, sondern den
Bauch des Beschwerdegegners gezielt. Mit seinen Einwänden vermag der
Beschwerdeführer die von der Staatsanwaltschaft und der Vorinstanz erkannten
Verdachtsmomente nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Soweit er sich
einlässlich zum Tathergang äussert, sprengt er den Rahmen des vorliegenden
Verfahrens. Ob der Tötungsvorsatz letztlich zu bejahen ist oder nicht, bedarf
der umfassenden Abwägung der belastenden und entlastenden Beweise sowie der
eingehenden Würdigung der konkreten Tatumstände. Das Haftprüfungsverfahren
lässt keinen Raum für eine derart erschöpfende Würdigung der Beweisergebnisse.
Es darf das Urteil des Berufungsgerichts nicht vorwegnehmen.

3.3.3. Würdigt man diese Gesichtspunkte gesamthaft, bestehen konkrete
Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beschwerdeführer trotz des erstinstanzlichen
Freispruchs der versuchten vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 i.V.m.
Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig gemacht haben könnte. Der Erfolg der Berufung der
Staatsanwaltschaft ist damit genügend wahrscheinlich, um mit vertretbaren
Gründen von einem dringenden Tatverdacht ausgehen zu können.
Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.

4. 
Der Beschwerdeführer bestreitet im Weiteren die Fluchtgefahr.

4.1. Beim Haftgrund der Fluchtgefahr gemäss Art. 221 Abs. 1 lit. a StPO geht es
um die Sicherung der Anwesenheit der beschuldigten Person im Verfahren. Nach
der Rechtsprechung braucht es für die Annahme von Fluchtgefahr eine gewisse
Wahrscheinlichkeit, dass sich die beschuldigte Person, wenn sie in Freiheit
wäre, dem Vollzug der Strafe durch Flucht entziehen würde. Bei der Beurteilung,
ob Fluchtgefahr vorliegt, sind die gesamten konkreten Verhältnisse zu
berücksichtigen. Es müssen Gründe bestehen, die eine Flucht nicht nur als
möglich, sondern als wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Schwere der
drohenden Strafe darf als ein Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden, genügt
jedoch für sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen. Miteinzubeziehen
sind die familiären Bindungen, die berufliche und finanzielle Situation und die
Kontakte zum Ausland (BGE 125 I 60 E. 3a S. 62; Urteil 1B_217/2011 vom 7. Juni
2011 E. 5.3; je mit Hinweisen).

4.2. Den Beschwerdeführer belasten folgende Umstände:
Es besteht der dringende Tatverdacht der versuchten vorsätzlichen Tötung (E.
3.3). Dem Beschwerdeführer droht damit, wie sich aus den nachfolgenden
Ausführungen ergibt (vgl. E. 5.2.3), eine empfindliche Freiheitsstrafe.
Überdies muss er mit einer ausländerrechtlichen Entfernungsmassnahme rechnen.
Bereits die erstinstanzliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei
Jahren wegen versuchter schwerer Körperverletzung kann zum Widerruf der
Niederlassungsbewilligung führen (vgl. Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 62
lit. b AuG [SR 142.20]; BGE 139 I 31 E. 2 S. 32 ff.). Über das Aufenthaltsrecht
des Beschwerdeführers wird nach rechtskräftigem Strafurteil zu befinden sein.
Der Entscheid der zuständigen Ausländerbehörde ist in keiner Weise zu
präjudizieren. Droht der Widerruf der Niederlassungsbewilligung, spricht aber
dieser Umstand bereits im laufenden Strafverfahren für eine konkrete
Fluchtgefahr (vgl. Urteile 1B_140/2013 vom 25. April 2013 E. 2.3; 1B_109/2012
vom 13. März 2012 E. 2.3; 1B_56/2010 vom 30. März 2010 E. 2.4). Der
Beschwerdeführer könnte versucht sein, die Schweiz bereits vorzeitig zu
verlassen, um sich dem Vollzug der zu erwartenden Freiheitsstrafe zu entziehen.
Wenn die Vorinstanz für die übrigen Umstände, die für Fluchtgefahr sprechen,
auf die früheren Haftentscheide verweist, ist das im Ergebnis nicht zu
beanstanden. Der Beschwerdeführer vermag nicht aufzuzeigen, dass sich die
Wahrscheinlichkeit einer Flucht im Vergleich zu den früheren Verfahren
entscheiderheblich verringert hat. Unbestritten ist, dass er seinen
Lebensmittelpunkt zwar in der Schweiz hat, er aber im Kosovo nach wie vor über
ein persönliches Beziehungsnetz verfügt.
Diese Verbindung zum Heimatland, auch wenn sie nicht sehr stark ist, genügt
angesichts der Schwere der ihm zur Last gelegten Delikte und der drohenden
straf- wie ausländerrechtlichen Folgen, um von einer konkreten Fluchtgefahr
ausgehen zu können.
Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt unbehelflich.

5. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Dauer der Haft sei nicht mehr
verhältnismässig.

5.1. Eine übermässige Haftdauer liegt dann vor, wenn die Haftfrist die
mutmassliche Dauer der zu erwartenden Freiheitsstrafe übersteigt (vgl. Art. 212
Abs. 3 StPO). Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit der Haftdauer ist
namentlich der Schwere der untersuchten Straftaten Rechnung zu tragen. Eine
Haft darf nicht in grosse zeitliche Nähe zu der im Falle einer rechtskräftigen
Verurteilung zu erwartenden freiheitsentziehenden Sanktion rücken. Ob eine
Haftdauer als übermässig bezeichnet werden muss, ist aufgrund der konkreten
Verhältnisse des einzelnen Falles zu beurteilen (BGE 133 I 270 E. 3.4.2 S. 281
mit Hinweisen).

5.2. Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, die Vorinstanz habe die
Möglichkeit des teilbedingten Strafvollzugs zu Unrecht ausser Acht gelassen.

5.2.1. Für die Beurteilung der Verhältnismässigkeit der Haft spielt es
grundsätzlich keine Rolle, ob für die in Aussicht stehende Freiheitsstrafe der
bedingte oder teilbedingte Vollzug gewährt werden kann (BGE 133 I 270 E. 3.4.2
S. 281 f.). Der Haftrichter hat dem Sachgericht, das dem Betroffenen dazu eine
günstige Prognose ausstellen muss (Art. 42 und 43 StGB), nicht vorzugreifen.
Eine Ausnahme davon rechtfertigt sich dann, wenn ein erstinstanzliches
Strafurteil vorliegt, das über die Anordnung eines bedingten Strafvollzugs
bereits entschieden hat. Darauf ist für die Beurteilung der zu erwartenden
Freiheitsstrafe zunächst abzustellen. Ausgehend davon ist zu prüfen, ob
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Berufungsinstanz eine höhere
(unbedingte) Strafe aussprechen könnte. Das gilt auch dann, wenn wie hier die
Begründung des erstinstanzlichen Urteils noch aussteht (vgl. Urteile 1B_338/
2013 vom 16. Oktober 2013 E. 3.1; 1B_406/2012 vom 31. Juli 2012 E. 2.5; 1B_338/
2010 vom 12. November 2010 E. 3.2; 1B_122/2009 vom 10. Juni 2009 E. 2.4).

5.2.2. Im vorliegenden Fall hat das Bezirksgericht den Beschwerdeführer wegen
schwerer Körperverletzung und weiterer Delikte zu drei Jahren Freiheitsstrafe
verurteilt. 18 Monate davon hat es bedingt ausgesprochen. Bei Bestätigung der
Haftverlängerung wird der Beschwerdeführer bis Ende Dezember 2013 während rund
22 Monaten inhaftiert gewesen sein. Damit überschreitet die Dauer der Haft den
unbedingten Teil der ausgesprochenen Strafe um 4 Monate.
Im Lichte der dargelegten Rechtsprechung beantwortet sich die Frage der
Verhältnismässigkeit der Haftverlängerung somit danach, ob Anhaltspunkte dafür
bestehen, dass das Obergericht eine höhere unbedingte Strafe aussprechen könnte
als das Bezirksgericht.

5.2.3. Zur Beurteilung der Höhe der zu erwartenden Strafe muss der Haftrichter
nach summarischer Einschätzung der Erfolgsaussichten der Berufung eine Annahme
treffen. Er ist aber weder befugt noch in der Lage, eine umfassende Würdigung
der massgeblichen Strafzumessungsgesichtspunkte vorzunehmen. Dem Urteil des
Sachgerichts ist auch im Strafpunkt nicht vorzugreifen (vgl. Urteile 1B_338/
2013 vom 16. Oktober 2013 E. 3.1; 1B_43/2013 vom 1. März 2013 E. 4.2).
Das Bezirksgericht hat den Beschwerdeführer wegen versuchter schwerer
Körperverletzung verurteilt. Trotz des erstinstanzlichen Freispruchs besteht
darüber hinaus der dringende Tatverdacht der versuchten vorsätzlichen Tötung
(vgl. E. 3.3). Angesichts der Schwere der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen
Delikte ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz zur Beurteilung der
Verhältnismässigkeit der Haftdauer von einer mehrjährigen (unbedingten)
Freiheitsstrafe ausgeht. Indem sie sich auf kein konkretes Strafmass festlegt,
trägt sie ihrer beschränkten Überprüfungsbefugnis im Haftverfahren Rechnung. In
diesem Sinne genügt die begründete Annahme, dass das Obergericht bei einer
zusätzlichen Verurteilung wegen versuchter vorsätzlicher Tötung auf eine höhere
Strafe als das Bezirksgericht erkennen könnte. Die zu erwartende
Freiheitsstrafe liegt damit bei über drei Jahren. In dieser Höhe ist der
bedingte Vollzug ausgeschlossen (vgl. Art. 43 Abs. 1 StGB).
Nach einer Haftdauer von knapp 22 Monaten besteht von daher noch keine
Überhaft.

5.3. Der Beschwerdeführer macht im Weiteren geltend, die Vorinstanz habe die
Möglichkeit einer bedingten Entlassung zu Unrecht nicht berücksichtigt.
Nach der Rechtsprechung ist die Möglichkeit der bedingten Entlassung bei der
Berechnung der mutmasslichen Dauer der Freiheitsstrafe grundsätzlich ausser
Acht zu lassen. Auch diesbezüglich gilt es, den Entscheid der zuständigen
Behörde (Art. 86 Abs. 1 StGB) nicht vorwegzunehmen. Ein Ausnahme davon
rechtfertigt sich dann, wenn bereits vor dem Strafvollzug absehbar ist, dass
eine bedingte Entlassung mit grosser Wahrscheinlichkeit erfolgen dürfte. Dies
setzt im Grundsatz voraus, dass die Strafe im Rechtsmittelverfahren nur noch
verkürzt, nicht aber erhöht werden kann (Urteile 1B_330/2013 vom 16. Oktober
2013 E. 2.1; 1B_153/2013 vom 17. Mai 2013 E. 2.4; 1B_338/2010 vom 12. November
2010 E. 3.3; je mit Hinweisen).

Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Die Staatsanwaltschaft hat Berufung
gegen das Urteil des Bezirksgerichts angemeldet. Das Berufungsgericht kann die
Freiheitsstrafe von drei Jahren deshalb noch erhöhen (vgl. 391 Abs. 2 StPO). Es
bleibt somit offen, wann der Beschwerdeführer zwei Drittel der Strafe verbüsst
haben wird. Die bisher vollzogene Haft rückt auch insoweit nicht in erhebliche
zeitliche Nähe der zu erwartenden Freiheitsstrafe. Dass der Beschwerdeführer
ebenfalls Berufung angemeldet hat, ändert daran nichts.

5.4. Wenn die Vorinstanz die Verhältnismässigkeit der Haft bejaht hat, verletzt
sie im Ergebnis kein Bundesrecht.

6. 
Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Unschuldsvermutung (Art. 32
Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK) rügt, sind seine Vorbringen ebenfalls
unbegründet. Zwar hat wie erwähnt auch er Berufung erklärt. Bis zum
rechtskräftigen Urteil bleibt damit nicht nur eine Erhöhung, sondern auch eine
Herabsetzung der Strafe oder ein gänzlicher Freispruch möglich. Dieser Umstand
schliesst eine Haftverlängerung jedoch nicht aus. Die Aufrechterhaltung der
Sicherheitshaft nach Art. 231 Abs. 2 StPO setzt keine (rechtskräftige)
Verurteilung voraus. Dazu genügt der dringende Tatverdacht (vgl. E. 3.3.1). Die
Unschuldsvermutung wird damit nicht verletzt (vgl. BGE 137 I 31 E. 5.2 S. 44).
Der dringende Tatverdacht der versuchten vorsätzlichen Tötung ist gegeben (vgl.
E. 3.3.3). Wenn die Vorinstanz die Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe an
diesem Tatbestand misst, wird der Beschwerdeführer damit weder vorverurteilt,
noch liegt eine übermässige Haftdauer vor.

7. 
Die Beschwerde ist danach abzuweisen.
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und
Rechtsverbeiständung. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, kann
dem Gesuch entsprochen werden (Art. 64 BGG). Die Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege entbindet bei Unterliegen jedoch nicht von der Bezahlung einer
Entschädigung an die obsiegende Gegenpartei. Der Beschwerdeführer hat den
anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren
somit angemessen zu entschädigen (vgl. Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen und dem
Beschwerdeführer Rechtsanwalt Patrick Stutz als unentgeltlicher Rechtsbeistand
beigegeben.

3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4. 
Rechtsanwalt Patrick Stutz wird für das bundesgerichtliche Verfahren aus der
Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'800.-- ausgerichtet.

5. 
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 500.-- zu entschädigen.

6. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach und dem
Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, Präsident, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 4. November 2013

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Geisser

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