Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.320/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1B_320/2013

Urteil vom 22. Januar 2014

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Chaix,
Gerichtsschreiber Störi.

Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Statthalteramt des Bezirkes Bülach.

Gegenstand
Strafverfahren,

Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, vom 19. August 2013.

Sachverhalt:

A. 
Mit Strafbefehl vom 21. Februar 2012 verurteilte das Statthalteramt des Bezirks
Bülach X.________ wegen Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs im Sinn
von Art. 93 Abs. 2 lit. a SVG zu einer Busse von Fr. 400.--. Es hielt für
erwiesen, dass X.________ am 13. Januar 2012 auf einem Sachentransportanhänger
einen Personenwagen transportiert hatte, ohne diesen ausreichend gesichert zu
haben. X.________ erhob gegen den Strafbefehl Einsprache.

Am 4. Mai 2012 teilte das Statthalteramt X.________ mit, dass es am Strafbefehl
festhalte und ohne Gegenbericht davon ausgehe, dass er diesen akzeptiere.
X.________ hielt mit Eingabe vom 14. Mai 2012 an seiner Einsprache fest,
ersuchte um Erlass eines Einspracheentscheids und kündigte an, diesen
weiterzuziehen.

Am 25. Juli 2012 wurde X.________ vom Statthalteramt einvernommen. Nach der
Einvernahme von zwei Polizeibeamten lud das Statthalteramt X.________ zu einer
weiteren Einvernahme auf den 11. September 2012 vor. X.________ erschien
unentschuldigt nicht, worauf das Statthalteramt am 13. September 2012
feststellte, der Strafbefehl sei in Rechtskraft erwachsen. X.________ erhob
dagegen Beschwerde ans Obergericht, welches sie am 27. Dezember 2012 abwies.

Mit Beschwerde in Strafsachen beantragte X.________ dem Bundesgericht, den
Obergerichtsentscheid aufzuheben und das Statthalteramt anzuweisen, die
Einsprache gegen den Strafbefehl materiell zu behandeln und die für die Kosten
des Strafbefehls eingeleitete Betreibung zurückzuziehen. Zudem sei die Sache
wegen der vorgefassten Meinung des Statthalteramts Bülach einem anderen
Statthalteramt zuzuweisen (Verfahren 6B_152/2013).

Das Bundesgericht hiess mit Urteil vom 27. Mai 2013 die Beschwerde gut, soweit
es darauf eintrat, hob das Urteil des Obergerichts auf, mit dem dieses die
Verfügung des Statthalteramts geschützt hatte, und wies die Sache ans
Obergericht zurück.

B. 
Am 19. August 2013 wies das Obergericht das Ausstandsbegehren von X.________ ab
und hiess die Beschwerde gegen die Verfügung des Statthalteramts Bülach vom 13.
September 2012 teilweise gut. Es hob sie auf und wies die Sache ans
Statthalteramt Bülach zurück. Es auferlegte X.________ eine Gerichtsgebühr von
Fr. 150.--.

Mit Beschwerde vom 16. September 2013 beantragt X.________, diese Verfügung des
Obergerichts aufzuheben, soweit das Ausstandsgesuch abgewiesen, die Sache ans
Statthalteramt Bülach zurückgewiesen und ihm Kosten auferlegt wurden. Das
Obergericht sei anzuweisen, beim Statthalteramt Bülach bzw. dessen
Mitarbeitenden die nach Art. 58 Abs. 2 StPO erforderlichen Stellungnahme
einzuholen und das Ausstandsgesuch neu zu beurteilen oder eventuell die Sache
an ein anderes Statthalteramt zu überweisen.

Das Obergericht verzichtet auf Vernehmlassung. Das Statthalteramt Bülach weist
den Vorwurf, "eine vorgefasste Meinung" zu haben, zurück und beantragt, sowohl
das Ausstandsbegehren als auch den Antrag, die Sache an ein anderes
Statthalteramt zur Weiterbehandlung zu überweisen, abzuweisen.

Erwägungen:

1. 
Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren gegen den
Beschwerdeführer nicht ab, er ermöglicht vielmehr dessen Weiterführung. Es
handelt sich um einen selbständig eröffneten, kantonal letztinstanzlichen
Zwischenentscheid, unter anderem über ein Ausstandsbegehren, gegen den insoweit
die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 92 Abs. 1 BGG zulässig ist. Als
Beschuldigter bzw. gegen einen Strafbefehl Einsprechender ist der
Beschwerdeführer zur Beschwerde berechtigt (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b BGG).
Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass,
sodass auf die Beschwerde einzutreten ist.

2.

2.1. Nach Art. 29 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat
jede Person Anspruch darauf, dass ihre Strafsache von unbefangenen,
unvoreingenommenen und unparteiischen Anklägern und Richtern beurteilt wird (
BGE 127 I 196 E. 2b). Es soll garantiert werden, dass keine sachfremden
Umstände, welche ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise
zugunsten oder zulasten einer Partei auf das gerichtliche Urteil einwirken
(Zusammenfassung der Rechtsprechung in BGE 134 I 238 E. 2.1 mit Hinweisen).
Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person
verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes
Gesuch zu stellen (Art. 58 Abs. 1 StPO). "Ohne Verzug" bedeutet nach der
Rechtsprechung innert weniger Tage, ein zwei- bis dreiwöchiges Zuwarten ist
nicht zulässig (Urteil 1B_499/2012 vom 7. November 2012, E. 2.3 mit Hinweisen).
Es wäre mit Treu und Glauben nicht vereinbar, am Verfahren in Kenntnis des
Ausstandsgrunds vorerst weiter teilzunehmen und diesen erst später - etwa bei
ungünstigem Verlauf des Verfahrens - geltend zu machen (BGE 134 I 20 E. 4.3.1;
132 II 485 E. 4.3; 124 I 121 E. 2).

2.2. Der Beschwerdeführer legt dar, der Untersuchungsbeamte Marcel May habe ihm
anlässlich seiner Einvernahme beim Statthalteramt Bülach vom 25. Juli 2012
erklärt, dieses würde, ungeachtet der Ergebnisse der Einvernahmen, am
Strafbefehl festhalten. Eine solche Äusserung des Untersuchungsbeamten lasse
den Schluss zu, er habe sich bereits eine feste Meinung über den Ausgang des
Verfahrens gebildet und sei damit voreingenommen; es liege ein Ausstandsgrund
im Sinn von Art. 56 lit. f StPO vor.

Ausser der unbelegten Behauptung des Beschwerdeführers spricht allerdings
nichts dafür, dass sich der Untersuchungsbeamte in dieser Weise äusserte; dem
Einvernahmeprotokoll ist jedenfalls nichts Derartiges zu entnehmen. Vor allem
aber unternahm der Beschwerdeführer in dieser Angelegenheit zunächst nichts.
Der Vorladung vom 24. August 2012 zur Einvernahme vom 11. September 2012
leistete er unentschuldigt keine Folge. In seiner Beschwerde vom 28. September
2012 ans Obergericht gegen die (später aufgehobene) Verfügung des
Statthalteramts vom 13. September 2012 machte er erstmals geltend, der
Untersuchungsbeamte May sei wegen seiner Äusserung vom 25. Juli 2012
voreingenommen. Dieses (sinngemässe) Ausstandsgesuch erfolgte damit erst rund
zwei Monate, nachdem der Beschwerdeführer vom Ausstandsgrund Kenntnis erhalten
hatte. Er stellte es damit nicht "ohne Verzug" im Sinn von Art. 58 Abs. 1 StPO,
sondern offensichtlich verspätet, womit es sich erübrigte, eine Stellungnahme
nach Art. 58 Abs. 2 StPo einzuholen. Das Obergericht hat kein Bundesrecht
verletzt, indem es das Ausstandsgesuch abwies.

Weitere Ausstandsgründe hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde ans
Obergericht nicht geltend gemacht und können damit auch nicht Gegenstand des
bundesgerichtlichen Verfahrens sein. Das Obergericht hat den Beschwerdeführer
indessen zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass weder die vom Statthalteramt
begangenen Verfahrensfehler noch die (inzwischen zurückgenommene) voreilige
Betreibung für die Kosten des nicht in Rechtskraft erwachsenen Strafbefehls
schwer genug wiegen, um die beim Statthalteramt dafür verantwortlichen Personen
befangen erscheinen zu lassen.

3. 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt
der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Statthalteramt des Bezirks Bülach
und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 22. Januar 2014

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Störi

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