Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.308/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1B_308/2013

Urteil vom 24. September 2013

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Chaix,
Gerichtsschreiber Härri.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Alex Hediger,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach, 4001
Basel.

Gegenstand
Sicherheitshaft,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 15. August 2013 der
Appellationsgerichtspräsidentin des Kantons Basel-Stadt.

Sachverhalt:

A. 
Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt führte eine Strafuntersuchung gegen den
serbischen Staatsangehörigen X.________ wegen des Verdachts verschiedener
Straftaten zum Nachteil seiner früheren Lebensgefährtin (im Folgenden:
Anzeigeerstatterin).

 Am 6. Mai 2013 wurde er festgenommen. Mit Verfügung vom 8. Mai 2013 versetzte
ihn das Zwangsmassnahmengericht des Kantons Basel-Stadt für die vorläufige
Dauer von 12 Wochen in Untersuchungshaft. Die von X.________ dagegen erhobene
Beschwerde wies die Präsidentin des Appellationsgerichts des Kantons
Basel-Stadt am 6. Juni 2013 ab.

 Am 19. Juli 2013 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen sexueller
Nötigung, mehrfacher Vergewaltigung, mehrfacher einfacher Körperverletzung,
mehrfacher Tätlichkeiten, mehrfacher Nötigung (teilweise eventuell mehrfacher
Drohung) und versuchter Nötigung zum Nachteil der Anzeigeerstatterin.
Gleichentags stellte die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht Antrag
auf Anordnung von Sicherheitshaft.

 Am 26. Juli 2013 ordnete das Zwangsmassnahmengericht für die vorläufige Dauer
von 12 Wochen, d.h. bis zum 18. Oktober 2013, Sicherheitshaft an.

 Die von X.________ hiergegen eingereichte Beschwerde wies die
Appellationsgerichtspräsidentin am 15. August 2013 ab. Sie bejahte den
dringenden Tatverdacht und Kollusionsgefahr. Mildere Ersatzmassnahmen anstelle
der Haft erachtete sie als untauglich.

B. 
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Entscheid der
Appellationsgerichtspräsidentin vom 15. August 2013 sei aufzuheben; er sei
sofort aus der Haft zu entlassen.

C. 
Die Appellationsgerichtspräsidentin und die Staatsanwaltschaft haben auf
Gegenbemerkungen je verzichtet. Sie beantragen unter Hinweis auf die Erwägungen
im angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde.

 X.________ hat auf eine Stellungnahme dazu verzichtet.

Erwägungen:

1. 
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde
in Strafsachen gegeben.

 Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist
somit nach Art. 80 BGG zulässig.

 Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur
Beschwerde befugt.

 Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass.
Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

2.1. Gemäss Art. 221 Abs. 1 StPO ist Sicherheitshaft zulässig, wenn die
beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist
und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie Personen beeinflusst oder auf
Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung zu beeinträchtigen (lit. b).

 Der Beschwerdeführer stellt den dringenden Tatverdacht nicht in Abrede. Er
macht geltend, es fehle an der Kollusionsgefahr nach Art. 221 Abs. 1 lit. b
StPO.

2.2. Nach der Rechtsprechung können sich konkrete Anhaltspunkte für
Kollusionsgefahr namentlich ergeben aus dem bisherigen Verhalten des
Beschuldigten im Strafprozess, aus seinen persönlichen Merkmalen, aus seiner
Stellung und seinen Tatbeiträgen im Rahmen des untersuchten Sachverhaltes sowie
aus den persönlichen Beziehungen zwischen ihm und den ihn belastenden Personen.
Bei der Frage, ob im konkreten Fall eine massgebliche Beeinträchtigung des
Strafverfahrens wegen Verdunkelung droht, ist auch der Art und Bedeutung der
von Beeinflussung bedrohten Aussagen bzw. Beweismittel, der Schwere der
untersuchten Straftaten sowie dem Stand des Verfahrens Rechnung zu tragen. Nach
Abschluss der Strafuntersuchung bedarf der Haftgrund der Kollusionsgefahr einer
besonders sorgfältigen Prüfung (BGE 137 IV 122 E. 4.2 S. 127 f. mit Hinweis).

2.3. Im vorliegenden Fall geht es um Beziehungsdelikte. Der Beschwerdeführer
bestreitet diese vollumfänglich. Die Anzeigeerstatterin belastet ihn. Es steht
Aussage gegen Aussage. Den Angaben der Anzeigeerstatterin kommt damit
entscheidende Bedeutung zu. Es besteht deshalb ein erhebliches öffentliches
Interesse an der Verhinderung von Beeinflussungen der Anzeigeerstatterin.

 Unter den dargelegten Umständen ist davon auszugehen, dass das
erstinstanzliche Strafgericht einen persönlichen Eindruck von der
Anzeigeerstatterin gewinnen will und diese anlässlich der auf den 17. Oktober
2013 angesetzten Hauptverhandlung befragen wird. Das Interesse an der
Vermeidung von Kollusionshandlungen ist daher nach wie vor gegeben.

 Die gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe - insbesondere jener der
mehrfachen Vergewaltigung - wiegen insgesamt schwer. Dies verstärkt das
öffentliche Interesse an einer von Beeinflussungsversuchen freien
Sachverhaltsermittlung.

 Der Beschwerdeführer muss im Falle einer Verurteilung mit einer empfindlichen
Strafe rechnen. Bei einer Freilassung bestünde für ihn daher ein beträchtlicher
Anreiz, die Anzeigeerstatterin zu einem Widerruf oder einer Abschwächung ihrer
belastenden Aussagen zu veranlassen.

 Der Beschwerdeführer steht unter dem dringenden Verdacht, der
Anzeigeerstatterin mehrmals gedroht zu haben, er werde sie umbringen oder
umbringen lassen, falls sie die Polizei verständige. Dabei habe er sie mehrfach
geschlagen. Einmal habe er ein Messer drohend gegen sie erhoben und es in die
Türe gerammt (Anklageschrift S. 3 Ziff. 1.3). Dies lässt darauf schliessen,
dass der Beschwerdeführer bei einer Freilassung Gewalt gegen die
Anzeigeerstatterin androhen oder ausüben könnte.

 Auch mit anderen Beeinflussungsversuchen müsste gerechnet werden. Der
Beschwerdeführer hat mit der Anzeigeerstatterin zwei gemeinsame Kinder. Das
Verhältnis zu ihr war konfliktreich und zwiespältig. Auf Trennungen folgten
immer wieder Annäherungen (die Anzeigeerstatterin spricht von einer "On-/
off-Beziehung"; Urteil der Appellationsgerichtspräsidentin vom 6. Juni 2013 S.
4). Es besteht deshalb Grund zur Annahme, dass der Beschwerdeführer bei einer
Haftentlassung erneut versuchen könnte, die Zuneigung der Anzeigeerstatterin zu
gewinnen und sie so zu einer Änderung ihrer Aussagen zu bewegen.

 Würdigt man dies gesamthaft, hält es vor Bundesrecht stand, wenn die
Vorinstanz Kollusionsgefahr bejaht hat.

3. 
Der Beschwerdeführer bringt vor, Ersatzmassnahmen genügten.

 Die Vorinstanz hat ein Kontaktverbot (Art. 237 Abs. 2 lit. g StPO) als
unzureichend beurteilt. Dies verletzt kein Bundesrecht. Die Kollusionsgefahr
muss unter den erwähnten Umständen als hoch eingestuft werden. Schon deshalb
kann nicht angenommen werden, dass ein Kontaktverbot den Beschwerdeführer davon
abhalten würde, mit der Anzeigeerstatterin Verbindung aufzunehmen. Hinzu kommt
die erwähnte Art der Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und der
Anzeigeerstatterin, die von steten Wiederannäherungen geprägt war. Der
Beschwerdeführer gibt selber an, dass ihn die Anzeigeerstatterin nach
Trennungen immer wieder in die Wohnung gelassen und ihm den Kontakt zu den
Kindern ermöglicht hat (Entscheid der Appellationsgerichtspräsidentin vom 6.
Juni 2013 S. 3 E. 4.2). Bei einer Freilassung müsste deshalb damit gerechnet
werden, dass der Beschwerdeführer - auch zwecks Kontakt zu den Kindern - erneut
Zugang zur Wohnung der Anzeigeerstatterin zu erlangen suchte.

 Dass der Kollusionsgefahr mit anderen Ersatzmassnahmen wirksam begegnet werden
könnte, macht der Beschwerdeführer nicht geltend und ist nicht ersichtlich.

4. 
Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen.

 Die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers kann angenommen werden. Da die Haft
einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt, konnte er sich
zur Beschwerde veranlasst sehen. Die unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung nach Art. 64 BGG wird daher bewilligt. Es werden keine Kosten
erhoben und dem Vertreter des Beschwerdeführers wird eine Entschädigung
ausgerichtet. Angemessen ist eine solche von pauschal Fr. 1'500.-- (inkl.
Mehrwertsteuer).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.

3. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4. 
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Advokat Dr. Alex Hediger, wird aus der
Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.

5. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und der
Appellationsgerichtspräsidentin des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. September 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Härri

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