Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.194/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1B_194/2013

Urteil vom 16. Januar 2014

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
Gerichtsschreiber Forster.

Verfahrensbeteiligte
X.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Samuel
Ljubicic,

gegen

Y.________ AG, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Urs Bürgin,

Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat.

Gegenstand
Strafverfahren; Akteneinsicht,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 26. April 2013 des Obergerichts des Kantons
Zürich, III. Strafkammer.

Sachverhalt:

A.

 Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat führt eine Strafuntersuchung wegen des
Verdachts von ungetreuer Geschäftsbesorgung und weiteren Delikten zum Nachteil
der Privatklägerin Y.________ AG. Mit Verfügung vom "25. Februar" (recte:
Januar) 2013 gewährte die Staatsanwaltschaft der Privatklägerin Einsicht in
diverse Untersuchungsakten. Auf eine von der X.________ AG am 7. Februar 2013
dagegen erhobene Beschwerde trat das Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, mit Beschluss vom 26. April 2013 nicht ein.

B.

 Gegen den Nichteintretensentscheid des Obergerichtes gelangte die X.________
AG mit Beschwerde vom 23. Mai 2013 an das Bundesgericht. Sie beantragt die
Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Rückweisung der Sache zur
materiellen Behandlung der Beschwerde.

 Die Staatsanwaltschaft beantragt mit Stellungnahme vom 6. Juni 2013 die
Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist, während das
Obergericht auf eine Vernehmlassung verzichtet hat. Die Privatstrafklägerin
beantragt mit Eingabe vom 2. Juli 2013, auf die Beschwerde sei nicht
einzutreten. Am 22. Juli 2013 verzichtete die Staatsanwaltschaft auf eine
zusätzliche Stellungnahme. Weitere Vernehmlassungen sind innert angesetzter
Frist nicht eingegangen.

Erwägungen:

1.

 Der angefochtene Nichteintretensentscheid betrifft materiell eine
strafprozessuale Zwischenverfügung betreffend Akteneinsicht. Im Falle des
Nichteintretens auf eine StPO-Beschwerde besteht der drohende nicht wieder
gutzumachende Nachteil (i.S.v. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) in der Verweigerung
des Rechtsschutzes zulasten der rechtsuchenden Person. Insofern ist die
Beschwerdeführerin auch beschwerdelegitimiert (Art. 81 Abs. 1 BGG; vgl. Urteil
des Bundesgerichtes 1B_351/2012 vom 20. September 2012 E. 1.2.1 mit Hinweisen =
Pra 2012 Nr. 134).

 Auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind erfüllt.

2.

 Im angefochtenen Entscheid wird Folgendes erwogen: Die streitige
Akteneinsichtsverfügung sei am 31. Januar 2013 vollzogen worden. Die
Beschwerdeführerin, die nicht Partei des Strafverfahrens ist, habe am 7.
Februar 2013 gegen die (der Privatklägerin gewährte) Akteneinsicht Beschwerde
erhoben und die Verletzung von eigenen Geschäftsgeheimnissen geltend gemacht.
Neben der Verweigerung der Akteneinsicht habe die Beschwerdeführerin (im
Eventualstandpunkt) beantragt, es sei festzustellen, dass die Herausgabe von
Aktenkopien (jedenfalls ohne teilweise Unkenntlichmachung von gewissen
Dokumenten) nicht rechtmässig gewesen sei. Soweit beantragt werde, die
Akteneinsicht sei zu verweigern, fehle es an einem aktuellen
Rechtsschutzinteresse. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes könne auf
dieses Sachurteilserfordernis zwar ausnahmsweise verzichtet werden, sofern sich
eine streitige grundsätzliche Rechtsfrage jederzeit unter gleichen oder
ähnlichen Umständen wieder stellen könnte, an ihrer Beantwortung ein
hinreichendes öffentliches Interesse besteht und eine rechtzeitige Überprüfung
im Einzelfall kaum je möglich wäre. Die betreffenden Voraussetzungen seien hier
jedoch nicht erfüllt. Ebenso wenig bestehe ein selbstständiges schutzwürdiges
Interesse an der nachträglichen Feststellung einer allfälligen Rechtswidrigkeit
der Akteneinsicht. Die StPO-Beschwerde diene nicht dazu, Feststellungen zu
treffen im Hinblick auf irgendwelche von der Beschwerdeführerin nicht näher
genannte Interessen oder weitere Rechtsbehelfe.

3.

 Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe keine Möglichkeit gehabt, den
Rechtsweg wirksam zu beschreiten, da sie erst nach Einreichung ihrer Beschwerde
am 7. Februar 2013 (aus der Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft im kantonalen
Beschwerdeverfahren) erfahren habe, dass die streitige Akteneinsicht am 31.
Januar 2013 bereits erfolgt war, und zwar am gleichen Tag, als ihr die
streitige Akteneinsichtsverfügung der Staatsanwaltschaft "zugegangen" sei.
Diesbezüglich könne (entgegen der Ansicht der kantonalen Instanzen) nicht auf
die (frühere) Zustellung an einen der Beschuldigten abgestellt werden. Im
Ergebnis sei ihr Anspruch auf Rechtsschutz und Fairness (gemäss Art. 29 und 29a
BV, Art. 3 Abs. 2 lit. a-c StPO) verletzt worden. Auch habe die Vorinstanz das
Vorhandensein eines aktuellen Rechtsschutzinteresses (insbesondere im Hinblick
auf die gestellten Feststellungsbegehren) zu Unrecht verneint und damit Art.
382 i.V.m. Art. 102 Abs. 1 und Art. 108 Abs. 1 lit. b StPO falsch angewendet.
Und selbst bei weggefallenem Rechtsschutzinteresse dränge sich hier (im Sinne
der bundesgerichtlichen Praxis) ein Ausnahme von dem Sachurteilserfordernis
auf, da andernfalls kaum je die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung
solcher Akteneinsichtsfälle bestünde.

4.

4.1. Die StPO-Beschwerde ist zulässig gegen Verfügungen der Staatsanwaltschaft
(Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO). Jede Partei, die ein rechtlich geschütztes
Interesse an der Aufhebung oder Änderung eines Entscheides hat, kann Beschwerde
erheben (Art. 382 Abs. 1 i.V.m. Art. 379 und 393 ff. StPO). Den durch
Verfahrenshandlungen beschwerten Dritten stehen (als "anderen
Verfahrensbeteiligten") die zur Wahrung ihrer Interessen erforderlichen
Verfahrensrechte einer Partei zu, sofern sie in ihren Rechten unmittelbar
betroffen sind (Art. 105 Abs. 1 lit. f i.V.m. Abs. 2 StPO).

4.2. Unbestrittenermassen wurde die hier streitige Akteneinsicht an die
Privatklägerin schon vor Einreichung der StPO-Beschwerde gewährt, weshalb es an
einem aktuellen praktischen Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin fehlte
(Art. 382 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 StPO). Dass sich das
Obergericht bei der Prüfung, ob sich hier eine  Ausnahme vom Erfordernis des
aktuellen Rechtsschutzinteresses aufdrängt, an der einschlägigen Praxis des
Bundesgerichtes zum Rechtsschutz im Rahmen der Bundesrechtspflege orientiert
hat (insbesondere an BGE 135 I 79 E. 1.1 S. 81), hält vor dem Bundesrecht
ebenfalls stand (vgl. Urteil des Bundesgerichtes 1B_351/2012 vom 20. September
2012 E. 2.3.3 = Pra 2012 Nr. 134; Patrick Guidon, Die Beschwerde gemäss
Schweizer Strafprozessordnung, Diss. BE, Zürich 2011, Rz. 245; Niklaus Schmid,
Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl., Zürich 2013, Rz.
1458 Fn. 51). Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz die betreffenden Kriterien (im
Lichte der von der Beschwerdeführerin angerufenen Geheimnisschutzgründe)
sachgerecht und im Ergebnis bundesrechtskonform angewendet hat.

4.2.1. Die Parteien des Strafverfahrens haben Anspruch auf rechtliches Gehör;
dazu gehört namentlich das Recht, die Akten einzusehen (Art. 107 Abs. 1 lit. a
StPO; s. auch Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO i.V.m. Art. 32
Abs. 2 BV). Bevor die Verfahrensleitung Akteneinsicht an Parteien gewährt,
trifft sie die erforderlichen Massnahmen, um berechtigte
Geheimhaltungsinteressen zu schützen (Art. 102 Abs. 1 StPO). Falls es zur
Wahrung von öffentlichen oder privaten Geheimhaltungsinteressen erforderlich
ist, darf das rechtliche Gehör der Parteien entsprechend eingeschränkt werden
(Art. 108 Abs. 1 lit. b StPO).

4.2.2. Zwar hat die Staatsanwaltschaft als untersuchungsleitende Behörde im
Vorverfahren nicht von Amtes wegen nach irgendwelchen nicht
verfahrensbeteiligten Personen zu fahnden, die von einer Akteneinsicht durch
Parteien indirekt betroffen sein könnten. Damit der bundesrechtlich vorgesehene
Rechtsschutz bei drohender Verletzung von Geheimnisinteressen Dritter
gewährleistet werden kann (vgl. Art. 102 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 und Art. 108
Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 248 Abs. 1 sowie Art. 264 Abs. 1 lit. d und Abs. 3
StPO), ist jedoch grundsätzlich zu verlangen, dass die Staatsanwaltschaft (vor
einer Akteneinsicht oder Durchsuchung) auch erkennbar mitbetroffene dritte
Personen benachrichtigt, sofern die Verfahrensleitung Grund zur Annahme hat,
dass geschützte Geheimnisinteressen Dritter tangiert sein könnten. Wer die
Akteneinsicht durch eine Partei des Strafverfahrens beschwerdeweise anfechten
will, hat seine (angeblichen) berechtigten Geheimhaltungsinteressen ausreichend
zu substanziieren, zumal die Partei einen gesetzlichen und verfassungsmässigen
Anspruch auf Akteneinsicht hat und deren Beschränkung die Ausnahme bildet (vgl.
Art. 107 Abs. 1 lit. a StPO, Art. 29 Abs. 2 BV).

4.2.3. Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob die Staatsanwaltschaft von
Bundesrechts wegen überhaupt verpflichtet gewesen wäre, die Beschwerdeführerin
vorgängig über die anstehende Akteneinsicht zu informieren. Um die Einsicht in
Anwaltsakten der Beschwerdeführerin (Art. 264 Abs. 1 lit. d StPO) ging es
jedenfalls nicht. Wie sich aus den Akten ergibt, hat die Staatsanwaltschaft
ihre Verfügung vom "25. Februar" (recte: Januar) 2013 nicht nur den
Beschuldigten und der Privatklägerin förmlich zugestellt, sondern auch der
Beschwerdeführerin. Da sowohl einer der Beschuldigten als auch die
Beschwerdeführerin den gleichen Rechtsvertreter hatten und dieser Beschuldigte
zudem unbestrittenermassen einziges Gesellschaftsorgan und Eigentümer der
Beschwerdeführerin war, wurde ihr die Verfügung faktisch am 28. Januar 2013
(07.40 Uhr) zugestellt. Damit hätte sie noch vor dem Vollzug der (dringlichen)
Akteneinsichtsverfügung eine Beschwerde ankündigen bzw. superprovisorisch
aufschiebende Wirkung (im Hinblick auf die in Aussicht stehende Beschwerde)
beantragen können. Dass sie weder dies getan, noch die Staatsanwaltschaft über
angebliche konkrete Geheimnisschutzinteressen rechtzeitig informiert hat, kann
nicht den Strafbehörden angelastet werden. Auch in der Beschwerde an das
Bundesgericht werden keine schutzwürdigen Privatgeheimnisse näher
substanziiert. Den kantonalen Instanzen wird lediglich kursorisch ein "allzu
sorgloser Umgang mit Geschäftsgeheimnissen" vorgeworfen.

4.3. Nach dem Gesagten besteht hier weder ein aktuelles Rechtsschutzinteresse,
noch ist im Sinne der dargelegten Praxis zu befürchten, dass
geheimnisberechtigten Dritten ein wirksamer Rechtsschutz vorenthalten bliebe.
Ebenso wenig besteht im vorliegenden Fall ein erhebliches öffentliches
Interesse an einer materiellen Vertiefung der betreffenden Rechtsfragen im
Hinblick auf künftige ähnliche Fälle. Das Obergericht hat die genannten
Kriterien der einschlägigen Rechtsprechung sachgerecht angewendet und auch das
Bestehen eines selbstständigen nachträglichen Feststellungsinteresses zurecht
verneint. In diesem Zusammenhang werden auch keine offensichtlich unrichtigen
relevanten Sachverhaltserwägungen der Vorinstanz (i.S.v. Art. 97 Abs. 1 i.V.m.
Art. 106 Abs. 2 BGG) dargetan.

5.

 Der angefochtene Nichteintretensentscheid erweist sich als
bundesrechtskonform, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen ist.

 Bei diesem Verfahrensausgang trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Ausserdem hat sie die anwaltlich vertretene private
Beschwerdegegnerin angemessen zu entschädigen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.

 Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

 Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.

 Die Beschwerdeführerin hat der privaten Beschwerdegegnerin für das Verfahren
vor Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- zu entrichten.

4.

 Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons
Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Januar 2014

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Forster

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