Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.172/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1B_172/2013

Urteil vom 13. Juni 2013

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Härri.

Verfahrensbeteiligte
X.________, c/o Untersuchungsgefängnis,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Dr. Nicolas Roulet,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Untersuchungshaft; Fluchtgefahr,

Beschwerde gegen den Entscheid der Appellationsgerichtspräsidentin des Kantons
Basel-Stadt vom 17. April 2013.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt führt ein Strafverfahren gegen X.________
wegen des Verdachts des gemeinschaftlich begangenen Raubes, der
Freiheitsberaubung, der Nötigung und Drohung. Sie wirft ihm vor, er habe sich
am 15. Juni 2005 mit drei Mitbeschuldigten in einen Massagesalon begeben, wo
sie die sich dort aufhaltenden vier Prostituierten zwecks Eintreibung von
Schulden massiv unter Druck gesetzt hätten. Die Beschuldigten hätten die
Räumlichkeiten durchsucht und die Prostituierten während einer bis vier Stunden
festgehalten. X.________ habe Fr. 2'500.-- aus einer Geldkassette als Anzahlung
an sich genommen und, um stärkeren Druck auszuüben, einer der Prostituierten
gedroht, ihr das Gesicht zu zerschneiden oder sie mit Säure zu verunstalten.

Am 13. Februar 2013 nahm die Polizei X.________ in Basel fest. Zwei Tage später
wurde er in Untersuchungshaft versetzt.

Am 25. März 2013 stellte X.________ ein Gesuch um Haftentlassung. Dieses wies
die Präsidentin des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Basel-Stadt mit
Verfügung vom 2. April 2013 ab.

Die von X.________ dagegen erhobene Beschwerde wies die
Appellationsgerichtspräsidentin des Kantons Basel-Stadt am 17. April 2013 ab.
Sie bejahte den dringenden Tatverdacht und Fluchtgefahr. Ob zusätzlich
Kollusionsgefahr gegeben sei, liess sie offen. Sie beurteilte die Haft als
verhältnismässig und mildere Ersatzmassnahmen als untauglich.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Entscheid der
Appellationsgerichtspräsidentin sei aufzuheben. Er sei sofort auf freien Fuss
zu setzen. Eventualiter sei die Angelegenheit zur neuen Beurteilung an die
Appellationsgerichtspräsidentin zurückzuweisen.

C.
Die Appellationsgerichtspräsidentin beantragt unter Verzicht auf
Gegenbemerkungen die Abweisung der Beschwerde.

Die Staatsanwaltschaft hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Es sei festzustellen, dass nebst
Flucht- auch Kollusionsgefahr bestehe.

X.________ hat dazu Stellung genommen.

Erwägungen:

1.

1.1. Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die
Beschwerde in Strafsachen gegeben.

Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist somit
nach Art. 80 BGG zulässig.

Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur
Beschwerde befugt.

Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenso erfüllt. Auf die Beschwerde
kann - unter Vorbehalt der folgenden Erwägung - eingetreten werden.

1.2. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend und es ist nicht erkennbar, dass
die Vorinstanz den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt hat. Die
vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung ist für das Bundesgericht daher
massgeblich (Art. 97 Abs. 1 sowie Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Soweit der
Beschwerdeführer von einem abweichenden Sachverhalt ausgeht, ist er nicht zu
hören.

2.

2.1. Gemäss Art. 221 Abs. 1 StPO sind Untersuchungs- und Sicherheitshaft
zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Verbrechens oder Vergehens
dringend verdächtig ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass sie: a. sich
durch Flucht dem Strafverfahren oder der zu erwartenden Sanktion entzieht; b.
Personen beeinflusst oder auf Beweismittel einwirkt, um so die Wahrheitsfindung
zu beeinträchtigen (...).

Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht ausdrücklich nicht.
Er macht geltend, es fehle an der Fluchtgefahr.

2.2. Nach der Rechtsprechung genügt für die Annahme von Fluchtgefahr die Höhe
der dem Angeschuldigten drohenden Freiheitsstrafe für sich allein nicht.
Fluchtgefahr darf nicht schon angenommen werden, wenn die Möglichkeit der
Flucht in abstrakter Weise besteht. Vielmehr müssen konkrete Gründe dargetan
werden, die eine Flucht nicht nur als möglich, sondern als wahrscheinlich
erscheinen lassen. Die Höhe der drohenden Freiheitsstrafe kann immer nur neben
anderen, eine Flucht begünstigenden Tatsachen herangezogen werden (BGE 125 I 60
E. 3a mit Hinweisen).

2.3. Der gegen den Beschwerdeführer erhobene Tatvorwurf wiegt schwer. Er muss
deshalb mit einer längeren Freiheitsstrafe rechnen. Der Beschwerdeführer stammt
aus der Türkei. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz verfügt er
in der Schweiz über keinen gültigen Aufenthaltstitel. Einen festen Wohnsitz hat
er hier nicht. Zwar leben seine Mutter und ein Bruder, zu denen er nach seinen
Aussagen eine enge Beziehung hat, in der Schweiz. Dies hat ihn jedoch nicht
davon abgehalten, im Jahr 2007 nach Deutschland zu übersiedeln, wo er bis zum
Sommer 2012 geblieben ist. Der Beschwerdeführer gibt an, er habe sich nach
Deutschland begeben, weil ihm dort eine Stelle als Friseur angeboten worden
sei; von der Strafuntersuchung habe er nichts gewusst; er habe davon erst bei
seiner Festnahme erfahren. Selbst wenn das zutreffen sollte, würde sich am
Ergebnis nichts ändern. Wenn der Beschwerdeführer bereits wegen eines
Stellenangebots als Friseur die Schweiz und damit seine Mutter und seinen
Bruder verlassen hat, ist davon auszugehen, dass ihn heute, nachdem er von der
Strafuntersuchung und der drohenden Strafe Kenntnis hat, hier erst recht nichts
mehr zurückhielte, zumal er Deutschland nach seinem langjährigen Aufenthalt gut
kennt und er auch dort unstreitig nahe Familienangehörige hat. Er hat sich nach
seiner Rückkehr in die Schweiz im Sommer 2012 bis zur Festnahme bei den
hiesigen Behörden im Übrigen nicht angemeldet. Dies stellt ein Indiz dafür dar,
dass er sich auch bei einer Haftentlassung den schweizerischen Strafbehörden
nicht mehr zur Verfügung halten würde.

Würdigt man dies gesamthaft, besteht nicht nur in abstrakter Weise die
Möglichkeit der Flucht. Vielmehr sind dafür erhebliche Anhaltspunkte gegeben.
Wenn die Vorinstanz Fluchtgefahr bejaht hat, hält das daher vor Bundesrecht
stand.

Ob überdies Kollusionsgefahr gegeben sei, kann offen bleiben.

3.
Die Vorinstanz erwägt, ein Electronic Monitoring in Grenznähe könne eine Flucht
schon aus zeitlichen Gründen nicht verhindern. Auch mit einer Schriftensperre
oder einer Meldepflicht könne einer Flucht nicht wirksam begegnet werden, zumal
sich der Beschwerdeführer, der über keinen festen Wohnsitz verfüge, ohne
Weiteres Ausweispapiere beschaffen oder auch ohne solche untertauchen könnte.
Andere mildere Ersatzmassnahmen anstelle der Untersuchungshaft mache er nicht
geltend und seien nicht ersichtlich.

Diese Erwägungen sind ebenso wenig zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des
Beschwerdeführers ist die Vorinstanz damit ihrer Begründungspflicht
nachgekommen. Sie hat sich zwar kurz, unter den gegebenen Umständen aber
hinreichend zur Frage der Ersatzmassnahmen geäussert. Der Beschwerdeführer war
denn auch ohne Weiteres in der Lage, den vorinstanzlichen Entscheid insoweit
sachgerecht anzufechten. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
ist daher zu verneinen.

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

Die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers kann angenommen werden. Da die
Untersuchungshaft einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit
darstellt, konnte er sich zur Beschwerde veranlasst sehen. Die unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 64 BGG wird deshalb bewilligt. Es
werden keine Kosten erhoben und dem Vertreter des Beschwerdeführers wird eine
Entschädigung ausgerichtet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Advokat Dr. Nicolas Roulet, wird aus der
Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Appellationsgerichtspräsidentin des
Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Juni 2013

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Härri

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