Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.143/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1B_143/2013

Urteil vom 30. April 2013
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Chaix.
Gerichtsschreiber Stohner.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Christian Schroff,

gegen

Staatsanwaltschaft Bischofszell, Poststrasse 5b, 9220 Bischofszell.

Gegenstand
Verlängerung der Untersuchungshaft,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 21. Februar 2013 des Obergerichts des
Kantons Thurgau.

Sachverhalt:

A.
Am 30. Dezember 2012 wurde X.________ festgenommen, nachdem sich anlässlich
einer Polizeikontrolle im Anschluss an einen Verkehrsunfall in Egnach der
Verdacht der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz ergeben hatte. Mit
Verfügung vom 3. Januar 2013 versetzte das Zwangsmassnahmengericht des Kantons
Thurgau X.________ einstweilen bis am 30. Januar 2013 in Untersuchungshaft. Das
Zwangsmassnahmengericht bejahte den dringenden Tatverdacht und die besonderen
Haftgründe der Kollusions- und der Fluchtgefahr.
Am 25. Januar 2013 stellte X.________ bei der Staatsanwaltschaft Bischofszell
ein Haftentlassungsgesuch. Die Staatsanwaltschaft lehnte das Gesuch ab und
leitete es zusammen mit einem Haftverlängerungsgesuch an das
Zwangsmassnahmengericht weiter. Gleichentags eröffnete die Staatsanwaltschaft
X.________ die Anklageschrift im abgekürzten Verfahren (Erledigungsvorschlag)
und setzte ihm gemäss Art. 360 Abs. 2 Satz 2 StPO (SR 312.0) eine Frist von
zehn Tagen, um zu erklären, ob er der Anklageschrift zustimme oder sie ablehne.
Mit Verfügung vom 28. Januar 2013 wies das Zwangsmassnahmengericht das
Haftentlassungsgesuch von X.________ ab und verlängerte die Untersuchungshaft
bis zum 1. März 2013. Diese Verfügung focht X.________ mit Beschwerde vom 29.
Januar 2013 beim Obergericht des Kantons Thurgau an. Die Staatsanwaltschaft und
das Zwangsmassnahmengericht beantragten in ihren Vernehmlassungen die
Beschwerdeabweisung. Am 6. Februar 2013 nahm X.________ zu den Eingaben der
Staatsanwaltschaft und des Zwangsmassnahmengerichts Stellung und führte unter
anderem aus, das Missverständnis betreffend die Zuständigkeit zur Abgabe der
Zustimmungserklärung sei geklärt, und die Zustimmung zur Anklage sei gegenüber
der Staatsanwaltschaft nachgeholt worden.
Am 7. Februar 2013 erhob die Staatsanwaltschaft beim Bezirksgericht Arbon
Anklage gegen X.________ und beantragte zugleich beim Zwangsmassnahmengericht
die Anordnung von Sicherheitshaft bis zum 6. Mai 2013. Mit Verfügung vom 11.
Februar 2013 gab das Zwangsmassnahmengericht diesem Antrag statt.
Mit Entscheid vom 21. Februar 2013 wies das Obergericht die von X.________
gegen die Verlängerung der Untersuchungshaft geführte Beschwerde ab, soweit
diese nicht gegenstandslos geworden sei. Das Obergericht bejahte den dringenden
Tatverdacht und den besonderen Haftgrund der Fluchtgefahr. Es erwog
zusammenfassend, der junge, unverheiratete und arbeitslose Beschwerdeführer sei
österreichischer Staatsbürger mit Wurzeln in Kroatien und habe keine
Beziehungen zur Schweiz.
Mit Entscheid vom 28. Februar 2013 verurteilte das Bezirksgericht X.________ im
Sinne der Anklage zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, unter Anrechnung der
erstandenen Untersuchungs- und Sicherheitshaft von 61 Tagen. Den Vollzug der
Strafe schob es bedingt auf, unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren.
Zugleich entschied es, die Sicherheitshaft werde per sofort aufgehoben und
X.________ aus der Haft entlassen.
Mit Entscheid vom 7. März 2013 hiess das Obergericht eine von X.________ gegen
die Anordnung von Sicherheitshaft ab 7. Februar 2013 erhobene Beschwerde gut
und stellte fest, die Anordnung der Sicherheitshaft sei nicht rechtmässig
gewesen.

B.
Mit Eingabe vom 11. April 2013 führt X.________ gegen den Entscheid des
Obergerichts vom 21. Februar 2013 betreffend die Verlängerung der
Untersuchungshaft Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht. Er beantragt,
der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und es sei festzustellen, dass sein
Festhalten in der Untersuchungshaft ab 25. Januar 2013 rechtswidrig gewesen
sei.
Das Obergericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung.
X.________ erklärt seinen Verzicht auf eine abschliessende Stellungnahme.

Erwägungen:

1.
Gegen den angefochtenen, kantonal letztinstanzlichen Entscheid ist die
Beschwerde in Strafsachen gegeben (Art. 78 Abs. 1 und Art. 80 BGG).

2.
2.1 Verfahrensgegenstand bildet die Rechtmässigkeit der Untersuchungshaft in
der Zeit vom 25. Januar 2013 bis zur Anordnung der Sicherheitshaft am 7.
Februar 2013.

2.2 Zur Beschwerde in Strafsachen ist nach Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG
berechtigt, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder
Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Der Beschwerdeführer muss ein
aktuelles praktisches Interesse an der Behandlung der Beschwerde haben. Dieses
Erfordernis soll sicherstellen, dass das Bundesgericht konkrete und nicht bloss
theoretische Fragen entscheidet. Nach der Rechtsprechung hat der Betroffene
nach Beendigung der Untersuchungshaft kein aktuelles praktisches Interesse an
der Behandlung der Haftbeschwerde (BGE 136 I 274 E 1.3 S. 276 f. mit
Hinweisen).
Der Beschwerdeführer wurde mit Entscheid des Bezirksgerichts vom 28. Februar
2013 per sofort aus der Haft entlassen. Damit fehlt ihm das aktuelle praktische
Interesse zur Beschwerdeführung vor Bundesgericht. Unter besonderen Umständen
sind bestimmte Rügen jedoch trotz Entlassung des Beschwerdeführers aus der Haft
materiell zu behandeln (BGE 136 I 274 E. 1.3 S. 276 f. mit Hinweisen; vgl.
nachfolgend E. 2.2.2 und E. 2.2.3).
2.2.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, trotz seiner Haftentlassung habe er ein
aktuelles und konkretes Rechtsschutzinteresse, weil beim Bezirksgericht ein
Antrag betreffend Genugtuungsanspruch wegen zu Unrecht erlittener
Untersuchungs- und Sicherheitshaft hängig sei.
Diese Argumentation geht fehl. Ein rechtlich geschütztes Interesse dafür, die
Unrechtmässigkeit der Dauer des Freiheitsentzugs festzustellen, ist im Hinblick
auf allfällige Entschädigungsansprüche des Beschwerdeführers zu verneinen, denn
Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche können vor Gericht unabhängig davon
geltend gemacht werden, ob die Rechtswidrigkeit einer Zwangsmassnahme vorgängig
festgestellt worden ist (BGE 125 I 394 E. 4a S. 397).
2.2.2 Besondere Umstände nimmt das Bundesgericht indes bei einer
offensichtlichen Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)
an. Diesfalls entspricht es dem Gebot des fairen Verfahrens (Art. 29 Abs. 1 BV)
und der Prozessökonomie, die entsprechende Rüge sogleich zu behandeln und dem
Beschwerdeführer durch die Feststellung der Verletzung der EMRK
Wiedergutmachung zu verschaffen. Behandelt das Bundesgericht die Beschwerde
materiell, ist damit Art. 13 EMRK in jedem Fall Genüge getan (BGE 136 I 274 E.
1.3 S. 276 f. mit Hinweisen).
Im zu beurteilenden Fall liegt keine offensichtliche Verletzung der EMRK vor,
was vom Beschwerdeführer im Übrigen auch nicht substanziiert behauptet wird:
Das Haftverfahren wurde formell korrekt durchgeführt. Das
Zwangsmassnahmengericht wies mit Verfügung vom 28. Januar 2013 das
Haftentlassungsgesuch des Beschwerdeführers vom 25. Januar 2013 ab und
verlängerte die Untersuchungshaft auf Antrag der Staatsanwaltschaft bis zum 1.
März 2013. Da die Untersuchungshaft mit dem Eingang der Anklage beim
erstinstanzlichen Gericht am 7. Februar 2013 endete, stellte die
Staatsanwaltschaft formell korrekt gleichzeitig mit der Anklageerhebung ein
Gesuch um Fortdauer der Haft in Form von Sicherheitshaft.
Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde hat die Vorinstanz ihre
Begründungspflicht (als Teilgehalt des Anspruchs des Beschwerdeführers auf
rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV bzw. Art. 6 EMRK) nicht verletzt.
Vielmehr hat die Vorinstanz dargelegt, weshalb aus ihrer Sicht ein dringender
Tatverdacht besteht und der besondere Haftgrund der Fluchtgefahr zu bejahen
ist. Weiter hat die Vorinstanz festgehalten, dass sich ihres Erachtens
vorliegend die Frage der Verhältnismässigkeit der Haftdauer erst ab dem
Zeitpunkt der Anklageerhebung stellt.
2.2.3 Das aktuelle praktische Interesse ist ferner nicht erforderlich, wenn
sich die aufgeworfene Frage jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen
wieder stellen könnte, an ihrer Beantwortung wegen der grundsätzlichen
Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und eine
rechtzeitige bundesgerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre
(BGE 135 I 79 E. 1.1 S. 81 mit Hinweis).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Aus den Vorbringen des
Beschwerdeführers sind keine Grundsatzfragen ersichtlich, welche sich für eine
Vielzahl Betroffener jederzeit in ähnlicher Weise stellen und die das
Bundesgericht bei Nichteintreten kaum je rechtzeitig beantworten könnte (vgl.
zum Ganzen auch Urteil 1B_704/2012 vom 14. Dezember 2012 E. 2).

3.
Auf die Beschwerde ist deshalb nicht einzutreten.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer grundsätzlich
kostenpflichtig. Angesichts seiner schwierigen finanziellen Verhältnisse
rechtfertigt es sich jedoch, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten
(Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Damit ist der Antrag auf unentgeltliche
Prozessführung gegenstandslos. Da die Beschwerde aussichtslos war, ist das
Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Bischofszell
und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. April 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Stohner

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