Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.135/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1B_135/2013

Urteil vom 26. Juni 2013

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Stohner.

Verfahrensbeteiligte
1.  A.X.________,
2.  B.X.________,
3.  C.X.________,
Beschwerdeführer 1 - 3,
alle vertreten durch Fürsprecher Rolf P. Steinegger,

gegen

1.  Y.________,
Beschwerdegegner 1,
vertreten durch Rechtsanwalt Jörg Zumstein,
2.  Z.________,
Beschwerdegegner 2,
vertreten durch Fürsprecher Franz Müller,
3.  W.________,
Beschwerdegegner 3,
vertreten durch Rechtsanwalt Georg Friedli,
4.  V.________,
Beschwerdegegner 4,
vertreten durch Fürsprecher Patrick Lafranchi,

Staatsanwaltschaft des Kantons Bern,
Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern.

Gegenstand
Strafverfahren; Ablehnung eines Sachverständigen,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 6. März 2013
des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in
Strafsachen.

Sachverhalt:

A.
D.X.________ nahm am 21. August 2009 an einem Mountainbike-Event teil. Die
Strecke führte von Fluehli-Ranft über die Tannalp Richtung Engstlenalp.
D.X.________ geriet auf dem schmalen und in den Fels der Spycherflue gehauenen
Bergweg über den Wegrand hinaus und stürzte den Steilhang hinunter. Dabei zog
er sich tödliche Verletzungen zu. Er hinterlässt seine Ehefrau A.X.________ und
die beiden gemeinsamen Kinder B.X.________ und C.X.________.

 Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Oberland, führt in diesem
Zusammenhang gegen Y.________, Z.________, W.________ und V.________ eine
Strafuntersuchung wegen fahrlässiger Tötung. Die zuständige Staatsanwältin
hiess mit Verfügung vom 25. Juni 2012 den von A.X.________, B.X.________ und
C.X.________ als Privatkläger gestellten Beweisantrag auf Anordnung eines
amtlichen Gutachtens gut und wies die Parteien am 10. Juli 2012 darauf hin,
dass sie gedenke, Gutachter U.________ den Gutachterauftrag zu erteilen.
A.X.________, B.X.________ und C.X.________ äusserten sich ablehnend und
schlugen stattdessen mehrere andere Personen als mögliche Gutachter vor. Am 17.
September 2012 lehnte die Staatsanwältin Gutachter U.________ infolge Anscheins
der Befangenheit als Sachverständigen ab. Zugleich wies sie den Antrag von
A.X.________, B.X.________ und C.X.________ auf Einsetzung der von ihnen
genannten Personen als Gutachter ab und teilte den Parteien mit, dass sie
beabsichtige, Gutachter T.________ als Sachverständigen einzusetzen. Mit
Schreiben vom 11. Oktober 2012 erklärten A.X.________, B.X.________ und
C.X.________, dass sie Gutachter T.________ als amtlichen Gutachter ablehnten.

 Mit Verfügung vom 10. Dezember 2012 setzte die Staatsanwältin Gutachter
T.________ als Sachverständigen ein. Diese Verfügung fochten A.X.________,
B.X.________ und C.X.________ mit Beschwerde ans Obergericht des Kantons Bern
an. Mit Beschluss vom 6. März 2013 wies das Obergericht die Beschwerde ab. Die
Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1'500.-- auferlegte es A.X.________,
B.X.________ und C.X.________ und verpflichtete diese, den vier Beschuldigten
deren Verteidigungskosten von insgesamt Fr. 10'209.25 zu ersetzen. In der
Entscheidbegründung fasste das Obergericht vorab den Standpunkt von
A.X.________, B.X.________ und C.X.________ zusammen (E. 3.1) und gab alsdann
die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern integral
wieder (E. 3.2). Das Obergericht erwog, es schliesse sich den Ausführungen der
Generalstaatsanwaltschaft an und verweise darauf. Gutachter T.________ stehe
weder in persönlicher noch wirtschaftlicher Beziehung zu den beschuldigten
Personen. Er sei Swiss Cycling Mountainbike-Guide Level 3 (Experte) und verfüge
über eine breite Erfahrung in der Durchführung und Organisation von
Mountainbike-Kursen und -Events. Seine Ausbildung sei darauf ausgelegt, auch
Geländebeurteilungen und Tourenplanungen im voralpinen Gelände vorzunehmen. Die
Privatkläger stellten deshalb die fachliche Kompetenz von Gutachter T.________
zu Unrecht in Abrede (E. 3.3).

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht vom 27. März 2013 beantragen
A.X.________, B.X.________ und C.X.________, der Beschluss des Obergerichts vom
6. März 2013 sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung und zur
Neufestsetzung der Gerichts- und Parteikosten ans Obergericht zurückzuweisen.
Sie rügen eine Verletzung der Begründungspflicht sowie bezüglich der
Kostenauflage einen Verstoss gegen das Legalitätsprinzip.

 Mit Verfügung vom 29. April 2013 erkannte der Präsident der I.
öffentlich-rechtlichen Abteilung auf Antrag der Beschwerdeführer der Beschwerde
die aufschiebende Wirkung zu.

 Y.________ und V.________ beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden könne. Z.________ und W.________ beantragen, auf die
Beschwerde sei nicht einzutreten; eventualiter sei diese abzuweisen. Die
Staatsanwaltschaft (Region Oberland), die Generalstaatsanwaltschaft und das
Obergericht verzichten auf Vernehmlassungen. Die Beschwerdeführer verzichten
auf eine Stellungnahme zu den Eingaben der Beschwerdegegner und halten an ihrem
Standpunkt fest.

Erwägungen:

1.

1.1. Der angefochtene Beschluss betrifft eine Strafsache im Sinne von Art. 78
Abs. 1 BGG und wurde von einer letzten kantonalen Instanz gefällt (Art. 86 Abs.
1 lit. d und Abs. 2 BGG). Er schliesst das Strafverfahren nicht ab. Es handelt
sich somit um einen Zwischenentscheid.

1.2. Nicht zur Anwendung gelangen vorliegend Art. 92 BGG (vgl. Urteil 2C_507/
2008 vom 14. Juli 2008 E. 2.2) und Art. 94 BGG (vgl. Urteil 1B_100/2013 vom 29.
Mai 2013 E. 1.2). Auch die Anwendung von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt
offensichtlich ausser Betracht, da die Gutheissung der Beschwerde nicht sofort
einen Endentscheid herbeiführen würde.

 Nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist die Beschwerde gegen einen selbstständig
eröffneten Zwischenentscheid nur zulässig, wenn dieser einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Dies ist der Fall, wenn der Nachteil
auch durch ein nachfolgendes günstiges Urteil nicht oder nicht mehr vollständig
behoben werden kann (BGE 135 I 261 E. 1.2 S. 263 mit Hinweisen). Bei
Beschwerden in Strafsachen muss der nicht wieder gutzumachende Nachteil nicht
bloss tatsächlicher, sondern rechtlicher Natur sein (BGE 136 IV 92 E. 4 S. 95;
133 IV 139 E. 4 S. 141). Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG greift nach der Praxis des
Bundesgerichts nicht, wenn es einer Partei bloss darum geht, eine Verlängerung
oder Verteuerung des Verfahrens zu vermeiden (BGE 135 II 30 E. 1.3.4 S. 36).
Dabei obliegt es den Beschwerdeführern im Einzelnen darzulegen, inwiefern ihnen
ein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht, ansonsten auf die Beschwerde
nicht einzutreten ist (BGE 137 III 324 E. 1.1 S. 329; 136 IV 92 E. 4 S. 95; je
mit Hinweisen). Ein Zwischenentscheid, der nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht
angefochten werden kann oder trotz Anfechtungsmöglichkeit nicht beanstandet
wurde, ist gemäss Art. 93 Abs. 3 BGG durch Beschwerde gegen den Endentscheid
anfechtbar, soweit er sich auf dessen Inhalt auswirkt.

1.3. Die Beschwerdeführer führen aus, es gehe ihnen vorliegend nicht darum, die
Bestellung des gerichtlichen Gutachters als irreparablen Nachteil darzustellen.
Vielmehr werde der rechtliche, nicht wieder gutzumachende Nachteil mit dem
Verlust einer unabhängigen Beschwerdeinstanz begründet. Indem die Vorinstanz an
die Stelle der von Gesetzes wegen geforderten Entscheidbegründung die integrale
Übernahme des Standpunkts der Staatsanwaltschaft gesetzt habe, sei sie der
Begründungspflicht nicht nachgekommen und habe hierdurch ihren Anspruch auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verletzt. Das Vorgehen der Vorinstanz
stelle die Garantie eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens in Frage. Da mit
der Beschwerde einzig die Verletzung der Begründungspflicht gerügt werde,
erübrige es sich, auf die Gründe einzugehen, weshalb ihnen jedes Vertrauen in
den amtlich eingesetzten Gutachter fehle.

 Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, auch der Kosten- und
Entschädigungsentscheid der Vorinstanz bewirke für sie einen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur. Es fehle eine gesetzliche Grundlage,
um sie zum Ersatz der Verteidigungskosten der Beschuldigten von insgesamt Fr.
10'209.25 zu verpflichten.

1.4. Die Vorbringen der Beschwerdeführer sind nicht stichhaltig:

 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts führt die Bestellung eines
gerichtlichen Gutachters in der Regel nicht zu einem irreparablen
Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (vgl. Urteile 2C_507/2008
vom 14. Juli 2008 E. 2.3 und 1B_75/2009 vom 16. April 2009 E. 2.1; siehe
auch Andreas J. Keller, in: Andreas Donatsch / Thomas Hansjakob / Viktor
Lieber, Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2010, Art. 397 N.
15). Dies wird von den Beschwerdeführern nicht bestritten. Bewirkt aber der
Entscheid, einen bestimmten Gutachter einzusetzen, keinen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil, so ist nicht ersichtlich, wie eine allenfalls
mangelhafte Begründung dieses Entscheids durch die fragwürdige integrale
Wiedergabe und Übernahme des Standpunkts der Staatsanwaltschaft seitens der
Vorinstanz zu einem solchen irreparablen Rechtsnachteil führen kann.
Gegenteiliges legen die Beschwerdeführer mit ihren Ausführungen nicht dar.

 Auch der in einem Zwischenentscheid enthaltene Entscheid über die Kosten- und
Entschädigungsfolgen verursacht grundsätzlich keinen nicht wieder
gutzumachenden Nachteil (BGE 138 III 94 E. 2.2 f. S. 95 f. mit Hinweisen; vgl.
auch Urteil 1B_488/2012 vom 21. Januar 2013 E. 1.3). Dass es vorliegend anders
wäre, ist nicht ersichtlich und wird von den Beschwerdeführern auch nicht
aufgezeigt.

 Die Beschwerdeführer werden ihre Kritik am vorinstanzlichen Beschluss nach
Vorliegen des Endentscheids (und unabhängig von dessen Inhalt) mit Beschwerde
ans Bundesgericht vortragen können (Art. 93 Abs. 3 BGG).

2.
Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten. Die Gerichtskosten sind den
unterliegenden Beschwerdeführern zu gleichen Teilen und unter solidarischer
Haftbarkeit aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Die Beschwerdeführer haben
die Beschwerdegegner unter solidarischer Haftbarkeit zu entschädigen (Art. 68
Abs. 1, 2 und 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern zu gleichen
Teilen und unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben die Beschwerdegegner 1 - 4 für das
bundesgerichtliche Verfahren zu gleichen Teilen und unter solidarischer
Haftbarkeit mit je Fr. 500.--, d.h. mit insgesamt Fr. 2'000.--, zu
entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern,
Region Oberland, der Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern und dem
Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, Beschwerdekammer in Strafsachen,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Juni 2013

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Stohner

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