Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.101/2013
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
1B_101/2013

Urteil vom 30. Mai 2013

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Dold.

Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Mirko Alfred
Ros,

gegen

Oliver  Otto, Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich, Weststrasse 70,
Postfach 9717, 8036 Zürich,
Beschwerdegegner,

Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich, Wirtschaftsdelikte, Weststrasse 70,
Postfach 9717, 8036 Zürich.

Gegenstand
Strafverfahren; Ausstand,

Beschwerde gegen den Beschluss vom 1. Februar 2013 des Obergerichts des Kantons
Zürich, III. Strafkammer.

Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung
gegen X.________ wegen Vermögensdelikten. Während der Schlusseinvernahme am 22.
Oktober 2012 stellte X.________ ein Ausstandsgesuch gegen Staatsanwalt Oliver
Otto. Mit Beschluss vom 1. Februar 2013 wies das Obergericht des Kantons Zürich
das Gesuch ab.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht vom 8. März 2013 beantragt
X.________, es sei der Beschluss des Obergerichts aufzuheben und der Ausstand
von Staatsanwalt Oliver Otto anzuordnen. Eventualiter sei die Sache zur neuen
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

 Das Obergericht, die Staatsanwaltschaft und Staatsanwalt Oliver Otto haben auf
eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen selbständig eröffneten
Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren in einer Strafsache (Art. 78 Abs.
1 und Art. 92 Abs. 1 BGG). Das Obergericht hat als letzte und einzige kantonale
Instanz entschieden (Art. 80 BGG i.V.m. Art. 59 Abs. 1 StPO). Der
Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG zur
Beschwerde befugt. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen
Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.

2.

2.1. Der Beschwerdeführer kritisiert, das Obergericht habe zu Unrecht einen
Ausstandsgrund verneint. Staatsanwalt Oliver Otto habe in einer Stellungnahme
vom 8. November 2012 ausgeführt, das Strafverfahren sei eröffnet worden, weil
ein Mitbeschuldigter ausgeführt habe, er sei in den Entscheid zur Abrechnung
der Transaktion involviert gewesen und habe von der Unangemessenheit des
Preises gewusst. Dabei handle es sich um eine Unterstellung, die der
Staatsanwalt erfunden habe. Mit dem Verweis auf act. 063730 führe er zudem
vorsätzlich in die Irre, denn aus dieser Aktenstelle ergebe sich gerade das
Gegenteil. Weiter habe Staatsanwalt Oliver Otto geradezu systematisch
entlastende Dokumente und Aussagen unterdrückt, indem er sie nicht in den
Entwurf seines Schlussvorhalts aufgenommen habe. Auch zeige er mit seiner
bedingungslosen Erklärung in der Stellungnahme vom 8. November 2012, wonach die
Sache durch ein Gericht beurteilt werden würde, dass seine wahre Absicht darin
bestehe, Anklage zu erheben. Dadurch habe er sich in einem Mass festgelegt,
welches das Verfahren nicht mehr als offen erscheinen lasse. Schliesslich habe
der Staatsanwalt ihm auch nicht ausreichend Zeit für die Ausübung seiner
Verteidigungsrechte gelassen, da er ihm den 61-seitigen Schlussvorhalt so kurz
vor der Schlusseinvernahme zugestellt habe, dass ihm nur ein einziger
Arbeitstag zur Vorbereitung geblieben sei. Ein unverzüglich gestelltes
Verschiebungsgesuch habe er ohne sachlichen Grund abgelehnt.

 Der Beschwerdeführer macht weiter eine Verletzung der Begründungspflicht
geltend. Das Obergericht sei weder auf seine Hinweise auf die Pflicht des
Staatsanwalts zur Objektivität und Wahrheit eingegangen noch auf jene
betreffend Weisungsbefugnisse und Hierarchie an seinem Arbeitsplatz. Auch seine
Rüge betreffend die falsche Unterstellung, er sei in den Entscheid zur
Abrechnung der Transaktion involviert gewesen, habe das Obergericht nicht
behandelt.

2.2. Das rechtliche Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die
Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch
tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus
folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es
nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich
auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr
kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die
Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite
des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die
höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die
Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und
auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 136 I 229 E. 5.2 S. 236 mit Hinweisen).

 Das Obergericht hat unter anderem dargelegt, dass die Schlusseinvernahme im
Wesentlichen dem Aufbau einer Anklageschrift folge. Die Schlusseinvernahme
selbst und der Schlussvorhalt müssten deshalb auch keine entlastenden Aussagen
des Beschwerdeführers enthalten. Mit dieser Erklärung hat das Obergericht
dargelegt, weshalb der Staatsanwalt diesbezüglich nicht die vom
Beschwerdeführer angerufenen entlastenden Elemente habe anführen müssen. Dass
es dabei nicht ausdrücklich auf die vom Beschwerdeführer geltend gemachte
Pflicht des Staatsanwalts zur Objektivität und Wahrheit einging, ändert nichts
daran, dass der angefochtene Entscheid diesbezüglich nachvollziehbar begründet
ist. Auch auf die Rüge betreffend die angeblich falsche Unterstellung des
Staatsanwalts, der Beschwerdeführer sei in den Entscheid zur Abrechnung der
Transaktion involviert gewesen, ist das Obergericht eingegangen. Es führte aus,
dass der Staatsanwalt aufgrund der Aussagen des erwähnten Mitbeschuldigten
davon ausgehen durfte, dass der Beschwerdeführer mit dem Vorgang um die
Transaktion in Kontakt gekommen sei. Das rechtliche Gehör wurde auch in dieser
Hinsicht nicht verletzt.

2.3. Art. 56 StPO zählt verschiedene Gründe auf, die zum Ausstand von in einer
Strafbehörde tätigen Personen führen. Nach Art. 56 lit. f StPO trifft dies
namentlich aus anderen (als den in lit. a-e der gleichen Bestimmung genannten)
Gründen zu, insbesondere wenn die in der Strafverfolgung tätige Person wegen
Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand
befangen sein könnte. Art. 56 StPO konkretisiert die Verfassungsbestimmung von
Art. 29 Abs. 1 BV (für nicht richterliche Behörden) und von Art. 30 Abs. 1 BV
(für richterliche Behörden) sowie von Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Hinsichtlich der
Staatsanwaltschaft in ihrer Funktion als Strafuntersuchungs- und Anklagebehörde
konkretisiert Art. 56 StPO mithin den in Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1
EMRK verankerten Anspruch jeder Person auf ein faires Verfahren. Die Garantie
ist verletzt, wenn bei objektiver Betrachtungsweise Gegebenheiten vorliegen,
die den Anschein der Befangenheit zu begründen vermögen. Vom Staatsanwalt als
Untersuchungs- und Anklagebehörde ist dabei Sachlichkeit, Unbefangenheit und
Objektivität namentlich insofern zu erwarten, als er sich vor Abschluss der
Untersuchung grundsätzlich nicht darauf festlegen darf, dass dem Beschuldigten
ein strafbares Verhalten zur Last zu legen sei (BGE 138 IV 142 E. 2.2 S. 145
f.; 127 I 196 E. 2d S. 199 f.; je mit Hinweisen). Auch hat er den entlastenden
Indizien und Beweismitteln ebenso Rechnung zu tragen wie den belastenden (Art.
6 Abs. 2 StPO). Materielle oder prozessuale Rechtsfehler stellen dagegen nur
dann einen Ausstandsgrund dar, wenn sie besonders krass sind und wiederholt
auftreten, sodass sie einer schweren Amtspflichtverletzung gleichkommen und
sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken (BGE 125 I 119 E.
3e S. 124; Urteile 1B_11/2013 vom 11. März 2013 E. 2; 1B_224/2010 vom 11.
Januar 2011 E. 4.5.2; je mit Hinweisen).

2.4. Mit Schreiben vom 8. November 2012 nahm Staatsanwalt Oliver Otto im
vorinstanzlichen Verfahren Stellung zum Ausstandsbegehren. Einführend ging er
auf den Gegenstand des Strafverfahrens ein. Dabei legte er dar, gegen den
Beschwerdeführer sei eine Strafuntersuchung erhoben worden, nachdem ein
Mitbeschuldigter anlässlich einer Befragung ausgeführt habe, dass der
Beschwerdeführer in den Entscheid zur Abrechnung der fraglichen Transaktion
involviert gewesen sei und er dabei entsprechend auch um die Unangemessenheit
des abgerechneten Preises gewusst habe. Aus dem betreffenden Protokoll geht
hervor, dass der Mitbeschuldigte den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem
fraglichen Handel mehrfach erwähnte. Wenn der Beschwerdeführer vorbringt,
gemäss dem Protokoll habe ihn der Mitbeschuldigte nicht belastet, sondern
vielmehr entlastet, so übersieht er, dass Staatsanwalt Oliver Otto in seiner
Stellungnahme vom 8. November 2012 einleitend lediglich darlegte, weshalb auch
der Beschwerdeführer in die Untersuchung einbezogen worden war. Eine
Unterstellung bzw. eine bewusste Irreführung mit einem falschen Verweis auf die
Akten ist darin nicht zu erblicken.

 Auch die Kritik des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Schlussvorhalt
geht fehl. Art. 317 StPO sieht vor, dass in umfangreichen und komplizierten
Vorverfahren die Staatsanwaltschaft die beschuldigte Person vor Abschluss der
Untersuchung nochmals in einer Schlusseinvernahme befragt und sie auffordert,
zu den Ergebnissen Stellung zu nehmen. In der Botschaft wird zu dieser
Bestimmung ausgeführt, sie diene einerseits dazu, in konzentrierter,
übersichtlicher Form die Deliktsvorwürfe und die Haltung der beschuldigten
Person dazu festzuhalten; die im weiteren Verfahrensverlauf mit den Akten
befasste Strafbehörde könne sich anhand dieser Schlusseinvernahme sofort ein
Bild über den Fall machen. Die Schlusseinvernahme veranlasse anderseits auch
die Staatsanwaltschaft, im Sinne einer Kontrolle festzustellen, ob die
Deliktsvorwürfe genügend abgeklärt sind (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur
Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1270 Ziff. 2.6.3.4). Dass
für die Schlusseinvernahme ein schriftlicher Schlussvorhalt, d.h. ein
Anklageentwurf, erstellt und vorgängig der beschuldigten Person zugestellt
werden müsste, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Dementsprechend kann sich der
Beschwerdeführer nicht darauf berufen, das Schriftstück hätte ihm früher
zugestellt werden oder es hätte sein Gesuch auf Verschiebung der
Schlusseinvernahme gutgeheissen werden müssen.

 Aus der erwähnten Funktion des Schlussvorhalts als Anklageentwurf erhellt,
dass dieser entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht die den
Beschuldigten entlastenden Elemente aufzeigen muss (vgl. für die Anklageschrift
selbst: Art. 325 StPO). Es lässt sich deshalb nicht sagen, der Staatsanwalt
habe entlastende Dokumente und Aussagen unterdrückt, indem er sie nicht in den
Schlussvorhalt aufgenommen habe.

 Schliesslich ist dem Beschwerdeführer auch nicht zu folgen, wenn er behauptet,
weil Staatsanwalt Oliver Otto in seiner Stellungnahme vom 8. November 2012
erklärt habe, die Sache komme vor Gericht, sei er befangen. Die beanstandete
Stelle der Stellungnahme lautet wie folgt: "Was der Gesuchsteller in Rz. 35 f.
ausführt, gehört in ein allenfalls vor Gericht zu haltendes Plädoyer und wird
sich - wenn die urteilende Instanz seiner Ansicht folgt - dann entsprechend im
Urteil niederschlagen." Laut angefochtenem Entscheid hat der Staatsanwalt
bereits am 26. Oktober 2012 im Sinn von Art. 318 Abs. 1 StPO angekündigt, dass
eine Anklageerhebung vorgesehen sei. Es ist nicht zu beanstanden, dass der
Staatsanwalt sich in der Folge in der genannten Weise äusserte. Damit hielt er
lediglich an der früheren (gesetzlich vorgesehenen) Ankündigung, Anklage zu
erheben, fest.

 Zusammenfassend ergibt sich, dass keine Rechtsfehler ersichtlich sind, welche
den Ausstand von Staatsanwalt Oliver Otto erfordern würden.

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen.

 Bei diesem Verfahrensausgang trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art.
68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich,
Wirtschaftsdelikte, und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Mai 2013
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Fonjallaz

Der Gerichtsschreiber: Dold

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