Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 996/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]          
9C_996/2012 {T 0/2}     

Urteil vom 29. Juli 2013

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann,
Gerichtsschreiber Scartazzini.

Verfahrensbeteiligte
Acht Piloten X.________,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Till Gontersweiler,
Beschwerdeführer,

gegen

Versicherungseinrichtung des Flugpersonals der SWISSAIR (VEF), Rautistrasse 60,
8048 Zürich,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hermann Walser, Paulstrasse 5, 8610 Uster,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozial-versicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 24. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.
Alle acht Beschwerdeführer waren 1992/93 von Bordtechnikern zu Piloten
umgeschult worden. Als Angestellte der SWISSAIR waren sie bei deren
Versicherungseinrichtung des Flugpersonals der SWISSAIR (VEF) im Rahmen der
weitergehenden beruflichen Vorsorge reglementarisch versichert. Auf Beginn des
Jahres 1994 wechselte die VEF vom Leistungs- zum Beitragsprimat. Dabei wurden
die Sparziele in Abhängigkeit von Funktionen und Rängen definiert ( 
Bordtechniker : Flight Engineers [FE], Senior Flight Engineers [SFE];  Piloten
 : First Officer [FO], Senior First Officer [SFO], Captain [PIC], Senior
Captain [SPIC]). Die acht VEF-Versicherten erreichten den für die Berechnung
des Austrittsdeckungskapitals reglementarisch ausschlaggebenden Grad eines
Captains (PIC) vor dem Zusammenbruch der SWISSAIR 2001/02 nicht mehr. Sie
arbeiteten in der Folge für die SWISS als Piloten, sind bei deren
Vorsorgestiftung für das Cockpitpersonal II im Rahmen der beruflichen Vorsorge
versichert und haben alle inzwischen den Rang eines Captains erreicht. Daher
verlangten sie im Zuge der Teilliquidation der VEF, dass die wegen ihrer
Beförderung zum Captain und der damit einhergehenden Verbesserung der
berufsvorsorgerechtlichen Ansprüche erforderlichen Mittel, mindestens aber zwei
Millionen Franken, an die neue Vorsorgeeinrichtung zu überweisen seien. Das
damit als Aufsichtsbehörde befasste Amt für berufliche Vorsorge und Stiftungen
des Kantons Zürich hielt sich indes für die Beurteilung dieser Ansprüche nicht
für zuständig und genehmigte mit unangefochten gebliebener Verfügung vom 24.
September 2003 den Teilliquidationsplan, welcher die Auflösung des für die
Finanzierung der oberwähnten anwartschaftlichen Ansprüche geschaffenen
Disponiblen Fonds und seine Überführung in das allgemeine Stiftungsvermögen
vorsah.

B.
Die von den acht Piloten erhobene Klage auf Zahlung von mindestens 1,6 Mio.
Franken (200'000 Franken je Kläger) durch die VEF an die nunmehr für ihre
berufliche Vorsorge zuständige Vorsorgestiftung für das Cockpitpersonal II wies
das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 24. Oktober
2012 ab.

C.
Die acht ehemaligen VEF-Versicherten legen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ein mit dem Rechtsbegehren, es sei der kantonale
Gerichtsentscheid vom 24. Oktober 2012 aufzuheben; die VEF sei im Grundsatz zu
verpflichten, an die Vorsorgestiftung für das Cockpitpersonal II die
entsprechenden Deckungskapitalien zu leisten; die Sache sei zur Bestimmung des
Quantitativs der dem jeweiligen Beschwerdeführer zustehenden
Deckungskapitaldifferenz an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Während kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf
Vernehmlassung verzichten, trägt die VEF auf Abweisung der Beschwerde an.
Auf die Rechtsschriften wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen
eingegangen.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es
ist an die rechtliche Begründung des angefochtenen Entscheides nicht gebunden,
und es kann eine Beschwerde aus anderen Gründen als den vorgetragenen
gutheissen oder abweisen oder den angefochtenen Entscheid mit einer Begründung
bestätigen, die von jener der Vorinstanz abweicht (BGE 132 II 257 E. 2.5 S.
262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140).

2.
Die acht Beschwerdeführer sind ehemalige Vorsorgeversicherte der
Beschwerdegegnerin als der für das Personal von SWISSAIR zuständig gewesenen
Vorsorgeeinrichtung. Es bestand zwischen ihnen - in den Schranken des Gesetzes
(Art. 49 BVG) - ein Vorsorgevertrag als ein Innominatskontrakt sui generis (BGE
119 V 283 E. 4 S. 286 f., 118 V 229 E. 4b S. 231 f.), wie er in Form der ab 1.
Januar 1994 und 1. Januar 2000 geltenden VEF-Reglemente bestand. Ob den
Beschwerdeführern die von ihnen eingeklagten und beschwerdeweise verfolgten
Ansprüche auf Zahlung zusätzlicher Austrittsleistungen an die neue
Vorsorgeeinrichtung zwecks Finanzierung der vereinbarten funktions- und
rangabhängigen Leistungsziele rechtens zustehen, beurteilt sich mangels einer
materiell- und intertemporalrechtlich einschlägigen gesetzlichen Bestimmung
(vgl. Art. 53b, Art. 53d BVG, in Kraft seit 1. Januar 2005) einzig und allein
nach dem - gemäss Vertrauensprinzip auszulegenden (BGE 139 V 82 E. 3.1.2 S. 83
f., 135 V 237 E. 3.6 S. 241 f., 134 V 369 E. 6.2 S. 375; SVR 2012 BVG Nr. 8 S.
34 E. 4.1) - Vorsorgevertrag, an dem allein die Beschwerdeführer als
Vorsorgeversicherte und die Beschwerdegegnerin als (früher) zuständige
Vorsorgeeinrichtung, nicht aber die SWISSAIR als (damalige) Arbeitgeberin
beteiligt waren (BGE 122 V 142 E. 4a S. 144 f. und E. 6a S. 147 f.). Es ist
daher gänzlich unerheblich, in welchem Verhältnis die neue Arbeitgeberin, die
SWISS, zur früheren Arbeitgeberin steht, insbesondere, ob sie als
Rechtsnachfolgerin der SWISSAIR zu betrachten ist oder nicht. Denn es hat keine
Übertragung der  Vorsorgeverhältnisse, welche von den Arbeitsverträgen
rechtlich zu unterscheiden sind, stattgefunden. Ebenso irrelevant ist der
Ausgang des Teilliquidationsverfahrens gemäss der im Sachverhalt erwähnten
Verfügung vom 24. September 2003. Dass der aufsichtsbehördlich genehmigte
Teilliquidationsplan keine Mittel zur Finanzierung der von den
Beschwerdeführern geltend gemachten Ansprüche ausschied, vielmehr den dafür
bisher vorgesehenen Disponiblen Fonds auflöste und dessen Mittel dem
allgemeinen Stiftungsvermögen zuschlug, präjudiziert die Beurteilung des
Berufsvorsorgegerichts nach Art. 73 BVG in keiner Weise (SVR 2013 BVG Nr. 22 S.
95 E. 4, 9C_375/2012), und zwar umso weniger, als die Legitimation der
Beschwerdeführer als (ehemals) VEF-Versicherten zur Anfechtung des
Teilliquidationsplanes im Lichte der neueren Rechtsprechung (BGE 139 V 72 E. 3
und 4 S. 77-82) als fraglich erscheint. Die streitigen Ansprüche sind daher vom
Bundesgericht frei zu prüfen, wobei nach dem Gesagten als Anspruchsgrundlage
nur die früher bestehenden Vorsorgeverträge in Betracht fallen.

3.
In der Beschwerde wird geltend gemacht, bei der Gruppe der SWISSAIR F/E-26
Piloten sei das Deckungskapital unter der Annahme einer Karrierebeendigung als
Senior First Officer (SFO) berechnet worden, was zu einer enormen finanziellen
Ungleichbehandlung bei der Festlegung der individuellen Beitragskonti geführt
habe. Für den Fall, dass ein Aufstieg zum Flugkapitän erfolgte, wurde gemäss
damals gültigem Reglement ein Disponibler Fonds bereitgestellt, welcher
allfällige Nachzahlungen sicherstellen sollte. Kurz vor dem Grounding der
SWISSAIR am 2. Oktober 2001 hätten die Beschwerdeführer als F/E-26 Piloten in
der Tat zum Captain (PIC) ausgebildet werden sollen. Aufgrund der massiven
Probleme, welche schliesslich zur Zahlungsunfähigkeit der SWISSAIR geführt
hatten, sei das geplante Upgrading zum Kapitän jedoch nicht mehr erfolgt. Wäre
ihre Karriere normal verlaufen, hätten die Beschwerdeführer im Zeitpunkt des
Groundings bereits den Rang eines Kapitäns inne gehabt. Folglich wären aus dem
Disponiblen Fonds der Beklagten auch die jeweiligen Deckungskapitaldifferenzen
auf die Beitragskonti der Kläger gutgeschrieben worden. Durch die im Rahmen der
Teilliquidation erfolgte Auflösung des Disponiblen Fonds hätten die F/E-26
Piloten ihre Anwartschaft auf eine höhere Austrittsleistung im Falle einer
Beförderung zum Kapitän faktisch verloren. Die Teil- oder Gesamtliquidation
einer Vorsorgeeinrichtung müsse gemäss Art. 53d BVG aber unter Berücksichtigung
des Gleichbehandlungsgrundsatzes durchgeführt werden. Mithin sei es unzulässig,
dass die Destinatäre durch einseitige Umstrukturierung seitens der
Vorsorgeeinrichtung Nachteile erleiden. Beim Anspruch, welcher im VEF-Reglement
in Anhang 7 Art. 703 Ziff. 3 festgehalten ist, handle es sich um einen festen
Rechtsanspruch, welcher unter einer Suspensivbedingung im Sinne von Art. 151
und 152 OR stehe. Der Eintritt dieser Bedingung sei beim Nachfolgearbeitgeber
SWISS, zu welchem sämtliche Kläger übergetreten sind, weiterhin möglich.

4.
Das VEF-Reglement hält im Anhang 7 Art. 103 (1994) bzw. Art. 703 (2000), je
Ziff. 3, fest:

"Bei Piloten, die 1987 bis 1993 von FE/SFE umgeschult wurden, sowie solchen,
die entgegen dem normalen Karrierenverlauf noch nicht PIC sind, wird das
Austrittsdeckungskapital nach bisherigem Reglement per 31.12.1993 unter der
Annahme berechnet, dass sie ihre Karriere als SFO beenden.
Die Deckungskapitaldifferenz zur Normalkarriere wird am 1.1.1994 im Disponiblen
Fonds zurückgestellt und zum VeF-Zins verzinst. Im Falle einer Beförderung zum
PIC vor dem vollendeten 55. Altersjahr ist das Guthaben dem VeF-IBK
gutzuschreiben.
Der vereinbarte Einkauf für die umgeschulten FE bleibt unverändert."

Die klar und eindeutig stipulierte, somit für die Anwendung der
Unklarheitsregel keinen Raum lassende (BGE 135 V 237 E. 3.6 S. 241 f.; SVR 2009
BVG Nr. 11 S. 34 E. 6.4, 9C_404/2008) Bedingung im Reglement, dass nämlich die
Beschwerdeführer als Aktive noch zu Captains (PIC) avancieren würden, was ihnen
aus dem am 1. Januar 1994 erfolgten Übergang vom Leistungs- zum Beitragsprimat
Anspruch auf zusätzliche Vorsorgemittel, ausgeschieden im seither aufgelösten
Disponiblen Fonds, gäbe bzw. gegeben hätte, hat sich, worauf es mit der
Beschwerdegegnerin einzig ankommt, nicht während ihrer Zugehörigkeit zur VEF,
somit nicht während des allein hier zur Diskussion stehenden
Vorsorgeverhältnisses, verwirklicht. Zufolge Dahinfalls der
vorsorgevertragsrechtlichen Bande besteht demgemäss keine Rechtsgrundlage mehr
für die beanspruchten Zusatzmittel. Es besteht auch sonst kein
reglementarischer oder gesetzlicher Rechtstitel, auf den sich die
Beschwerdeführer berufen könnten. Insbesondere genügt die Berufung auf die
Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV) als solche nicht, weil nicht allein
gestützt auf die Verfassung sozialversicherungsrechtliche Leistungsansprüche
geltend gemacht werden können (BGE 138 I 225 E. 3.5 S. 229).

5.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend haben die Beschwerdeführer die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Die obsiegende
Beschwerdegegnerin hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3
BGG; BGE 112 V 356).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von je Fr. 500.- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen, Aufsicht Berufliche
Vorsorge, schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 29. Juli 2013

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Der Gerichtsschreiber: Scartazzini

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