Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 994/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_994/2012

Urteil vom 4. Februar 2013
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Borella,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.

Verfahrensbeteiligte
S.________,
vertreten durch M.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Stadt Dübendorf,
Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV, Usterstrasse 2, 8600
Dübendorf,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 29. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.
A.a S.________, geboren 1944, bezieht eine Altersrente der AHV. Per 1. Februar
2010 meldete er sich bei der Stadt Dübendorf, Durchführungsstelle für
Zusatzleistungen zur AHV/IV (nachfolgend Durchführungsstelle), zum Bezug von
Zusatzleistungen an. Nachdem die Durchführungsstelle zunächst provisorisch
Leistungen zugesprochen (Verfügung vom 22. Juni 2010) und S.________ hiegegen
Einsprache erhoben hatte, stellte die Durchführungsstelle mit "Verfügungen" vom
24. Mai 2011 die Leistungen ein und forderte die seit 1. Februar 2010
ausgerichteten Gelder zurück. Mit Einspracheentscheid vom 30. Mai 2011
"ersetzte" sie unter anderem die angefochtene Verfügung vom 22. Juni 2010 durch
"die definitive Verfügung vom 24. Mai 2011". Eine dagegen erhobene Beschwerde
des S.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit
unangefochten in Rechtskraft erwachsenem Entscheid vom 26. April 2012 ab.
A.b Bereits am 13./21. Juni 2011 hatte S.________ bei der Durchführungsstelle
erneut um Ausrichtung von Zusatzleistungen - betreffend den Zeitraum ab 1. Juni
2011 - ersucht. Ein weiteres Gesuch für die Zeit ab 1. Januar 2012 reichte er
am 25. Januar 2012 ein und erneuerte dieses am 26. Juni 2012. Der
zwischenzeitlich mandatierte Rechtsvertreter erkundigte sich bei der
Durchführungsstelle mit E-Mail vom 3. August 2012 nach dem Stand des Verfahrens
und verlangte am 10. August 2012 eine prioritäre Erledigung, gleichzeitig
drohte er eine Rechtsverzögerungsbeschwerde an.

B.
Am 29. August 2012 liess S.________ gegen die Durchführungsstelle
Rechtsverzögerungsbeschwerde erheben, welche das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 29. Oktober 2012 abwies.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt S.________
folgende Anträge stellen:
"1. Als vorsorgliche Massnahme ist die Vorinstanz anzuweisen für den
Beschwerdeführer kostenlos der Beschwerdegegnerin die Originalakten oder Kopien
der Akten zuzustellen damit diese auf Basis der Akten bzw. der Kopien der Akten
ohne weitere Verzögerung über die Gesuche um Ergänzungsleistungen zur AHV ab 1.
Juni 2011 und ab 1. Januar 2012 verfügen kann.
2. In Bezug auf das Nichterlassen einer Verfügung über den Anspruch auf
Ergänzungsleistungen zur AHV ab 1. Juni 2011 ist eine Rechtsverzögerung
festzustellen.
3. Eventualiter ist das Urteil der Vorinstanz vom 29. Oktober 2012 aufzuheben
und zu erneuter Abklärung und Begründung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
4. Dem Beschwerdeführer ist für das vorinstanzliche Verfahren eine
Parteientschädigung gemäss dem Mass des Obsiegens bzw. gemäss der
Rechtsprechung zur Parteientschädigung bei Gegenstandslosigkeit zu gewähren.
5. Dem Beschwerdeführer ist für das Verfahren vor Bundesgericht eine
Parteientschädigung zu gewähren.
6. Der Beschwerdeführer ist von der Bezahlung der Gerichtskosten und von der
Sicherstellung der Parteientschädigung zu befreien (Art. 64 Abs. 1 BGG).
Eventualiter ist darauf zu verzichten Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1
BGG)."
Das Bundesgericht verzichtet auf Durchführung eines Schriftenwechsels.

Erwägungen:

1.
Gerichte und Verwaltungsbehörden sind aufgrund des Rechtsverzögerungsverbotes
gehalten, ihre Arbeit so zu organisieren, dass das Verfahren in allen ihnen
vorgelegten Fällen innerhalb einer angemessenen Frist zum Abschluss gebracht
werden kann. Ob eine Prozessdauer als angemessen zu betrachten ist, muss im
Hinblick auf die Natur und den Umfang des Rechtsstreites beurteilt werden (BGE
125 V 188 E. 2a S. 191; 107 Ib 160 E. 3c S. 165 mit Hinweisen). Im Weiteren
bestimmt sich die zulässige Verfahrensdauer nach der Gesamtheit der übrigen
Umstände (Urteil 8C_711/2010 vom 14. Januar 2011 E. 3.1 mit weiteren
Hinweisen). Ein Verfahren wird über Gebühr verzögert und Art. 29 Abs. 1 BV
verletzt, wenn die zuständige Behörde sich zwar bereit zeigt, einen Entscheid
zu treffen, diesen aber nicht binnen der Frist fasst, welche nach der Natur der
Sache (Kompliziertheit) und nach der Gesamtheit der übrigen Umstände als
angemessen erscheint, wobei sich die Beurteilung der angemessenen
Verfahrensdauer starren Regeln entzieht (statt vieler: Urteil 9C_83/2012 vom 9.
Mai 2012 E. 2.1 mit weiteren Hinweisen).

2.
Die Vorinstanz stellte fest, das Verwaltungsverfahren sei bis zum Erlass ihres
Entscheides vom 26. April 2012 (betreffend die am 24. Mai 2011 von der
Durchführungsstelle verfügte Einstellung der Zusatzleistungen und Rückforderung
der seit 1. Februar 2010 ausgerichteten Beträge) sistiert gewesen, wobei sich
der Beschwerdeführer weder gegen diese Sistierung noch gegen die "informelle
Sistierung" des Leistungsgesuchs vom 25. Januar 2012 (betreffend
Zusatzleistungen ab 1. Januar 2012) zur Wehr gesetzt habe. Das Gericht erwog,
die Verfahrensverzögerung sei durch die Sistierung gerechtfertigt gewesen,
zumal die Gegenstand des Gerichtsentscheides vom 26. April 2012 bildende Frage
der Berücksichtigung von Dividenden (welche in den Jahren 2010 und 2011 dem
Beschwerdeführer zugeflossenen waren) als Vermögenserträge ohne Zweifel
geeignet gewesen sei, den Leistungsanspruch ab Juni 2011 und Januar 2012 zu
beeinflussen. Eine Untätigkeit der Verwaltung habe höchstens zwischen Ende Juni
und 19. September 2012 bestanden, wobei in diese Zeit auch der
Fristenstillstand (15. Juli bis 15. August) mit praxisgemäss reduzierter
Verwaltungstätigkeit gefallen sei. In Würdigung aller Umstände, nicht zuletzt
auch mit Blick auf die Komplexität der Vermögenslage des Beschwerdeführers und
den beachtlichen Aktenumfang, könne von einer Rechtsverzögerung keine Rede
sein, umso weniger als der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht nicht
unaufgefordert und vollständig nachgekommen sei.

3.
3.1 Die umfangreichen Vorbringen des Beschwerdeführers, so sie sich überhaupt
mit der hier einzig strittigen Frage auseinandersetzen, ob das kantonale
Gericht dadurch Bundesrecht verletzte, dass es eine Rechtsverzögerung durch die
Beschwerdegegnerin verneinte, vermögen nicht dartun, inwiefern der angefochtene
Entscheid auf einem qualifiziert unzutreffend (offensichtlich unrichtig,
unhaltbar oder willkürlich; vgl. BGE 131 I 153 E. 3 S. 157 mit Hinweisen)
festgestellten Sachverhalt (Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 95 sowie Art.
105 Abs. 2 BGG) beruhen soll. Die Rüge, die verschiedenen Feststellungen im
angefochtenen Entscheid seien willkürlich, ist unbegründet. Namentlich belegen
die sich bei den Akten befindlichen diversen Nachfragen der Beschwerdegegnerin
hinreichend, dass der Beschwerdeführer seiner Pflicht zur Einreichung der
relevanten Akten verschiedentlich nur schleppend nachgekommen ist (im Übrigen
war auch der - erneute - Wechsel in der Rechtsvertretung der raschen Erledigung
des Verfahrens jedenfalls nicht förderlich). Die geltend gemachte fehlende
Komplexität der Vermögensverhältnisse wie auch der Umstand, ob der
Beschwerdeführer sich gegen die Sistierung zur Wehr gesetzt hat, sind nicht
entscheidwesentlich, wie nachfolgend dargelegt wird. Die vorinstanzliche
Sachverhaltsfeststellung ist daher letztinstanzlich bindend (Art. 105 Abs. 1
BGG).

3.2 Dem Beschwerdeführer kann nicht gefolgt werden, soweit er eine
bundesrechtswidrige Würdigung durch die Vorinstanz behauptet. Das kantonale
Gericht erwog zu Recht, die dem Beschwerdeführer in den Jahren 2010 und 2011
ausbezahlten Dividenden seien grundsätzlich geeignet, den Leistungsanspruch ab
Juni 2011 und Januar 2012 zu beeinflussen. Folgerichtig hat es die Sistierung
des Verfahrens betreffend Zusatzleistungen ab 1. Juni 2011 bzw. 1. Januar 2012
für rechtmässig erachtet. Die dagegen erhobenen Einwände des Beschwerdeführers
sind umso weniger nachvollziehbar, als die Vorinstanz bereits in ihrem
rechtskräftigen Entscheid vom 26. April 2012 (E. 4.5 f.) ausführlich dargelegt
hat, dass und weshalb die dem Beschwerdeführer in den Jahren 2010 und 2011
zugeflossenen Dividenden ergänzungsleistungsrechtlich als Vermögenserträge
anzurechnen sind. Weil EL-rechtlich grundsätzlich sowohl Vermögensertrag als
auch -verzehr angerechnet werden (vgl. Art. 11 Abs. 1 lit. c ELG; Urteil 9C_896
/2010 vom 30. Dezember 2010 E. 3.4), konnte eine anspruchsbeeinflussende
Wirkung der dem Beschwerdeführer bis Mai 2011 zugegangenen Beträge bezogen auf
die beantragten Leistungen ab Juni 2011 oder Januar 2012 jedenfalls nicht zum
vornherein ausgeschlossen werden, ohne dass die Beschwerdegegnerin bereits vor
dem kantonalen Entscheid vom 26. April 2012 gehalten gewesen wäre, in
vermögensmässiger Hinsicht genauere Abklärungen zu treffen. Weil die Sistierung
- von welcher der Beschwerdeführer gemäss seiner eigenen Darstellung spätestens
seit Erhalt der vorinstanzlichen Beschwerdeantwort vom 12. August 2011 Kenntnis
hatte - somit nicht zu beanstanden ist (vgl. Urteil K 5/97 vom 10. April 1997
E. 3a mit Hinweisen), spielt auch keine entscheidende Rolle, ob sich der
Versicherte hiegegen zur Wehr gesetzt hat. Immerhin ist festzuhalten, dass eine
- gesetzlich nicht generell geregelte Sistierung - zwar nicht zwingend in die
Form einer Verfügung gekleidet werden muss (vgl. Kölz/Merkli/ Röhl, Kommentar
zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 1999, S. 49), im Sinne
der Rechtssicherheit und eines geordneten Verfahrensablaufes die formelle
Anordnung einer Sistierung indes wünschbar wäre. Beim Entscheid, ob ein
Sistierung des Verfahrens sinnvoll und angebracht ist, verfügt die Behörde
schliesslich über ein breites Ermessen, in das die Gerichte nicht ohne Not
eingreifen (vgl. BGE 120 Ib 156 E. 2c S. 160).

3.3 Von einer ungebührlichen Verfahrensverzögerung kann mit Blick auf die rund
dreimonatige Zeitspanne zwischen dem Ablauf der 30-tägigen Rechtsmittelfrist
des Entscheides vom 26. April 2012 (Versand am 11. Mai 2012) und der
Rechtsverzögerungsbeschwerde vom 29. August 2012 respektive dem erneuten
Tätigwerden der Beschwerdegegnerin am 30. August 2012 (Zusicherung der
Akteneinsichtnahme) und 19. September 2012 (Einforderung weiterer Unterlagen)
keine Rede sein. Selbst bei einfachen wirtschaftlichen Verhältnissen wäre diese
Dauer nicht zu beanstanden. Auf die weiteren Einwände, namentlich auch die
sinngemässe Rüge, die Beschwerdegegnerin sei während des Fristenstillstandes
(in der "Ferienzeit") mangelhaft organisiert gewesen, ist nicht weiter
einzugehen.

4.
Der angefochtene Entscheid ist somit in jeder Hinsicht bundesrechtskonform. Die
Vorinstanz hat zu Recht die Sistierung nicht beanstandet und die bis zur
Ergreifung weiterer Verfahrensschritte verstrichene Zeit nicht als
Rechtsverzögerung gewertet. Für die Zusprechung einer Parteientschädigung im
kantonalen Beschwerdeverfahren bestand keine Grundlage.

5.
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im Verfahren nach
Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG erledigt wird. Mit diesem Urteil wird das Gesuch,
der Beschwerdegegnerin seien als vorsorgliche Massnahme - für den
Beschwerdeführer kostenlos - Aktenkopien zuzustellen, gegenstandslos.

6.
Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird verzichtet, weshalb das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege insoweit gegenstandslos wird. Die Gewährung der
unentgeltlichen Verbeiständung fällt bei diesem Verfahrensausgang ausser
Betracht (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der unterliegende Beschwerdeführer hat keinen
Anspruch auf Parteientschädigung.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 4. Februar 2013
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle