Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 977/2012
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
9C_977/2012

Urteil vom 28. März 2013
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
I.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Christos Antoniadis,
Beschwerdeführer,

gegen

IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons
Zürich
vom 26. September 2012.

Sachverhalt:

A.
I.________, geboren 1949, Architekt, war bis im Herbst 2000 als Teppichhändler
erwerbstätig. Ab 1. Oktober 2000 übte er keine Berufstätigkeit mehr aus. Am 12.
Mai 2004 meldete sich I.________ erstmals bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 7. Dezember 2004 lehnte die IV-Stelle des
Kantons Zürich das Gesuch um eine Invalidenrente ab.
Nachdem der Versicherte in den Jahren 2006 und 2007 erneut ein Teppichgeschäft
betrieben hatte, meldete er sich am 30. März 2009 abermals zum Bezug von
Leistungen an. Im Rahmen der Abklärung über die beruflich-erwerblichen sowie
medizinischen Gegebenheiten beauftragte die IV-Stelle das medizinische Zentrum
X.________ mit der Erstellung einer polydisziplinären Expertise. Auf der
Grundlage dieses Gutachtens der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) vom 12.
Juni 2010 wies die IV-Stelle das Leistungsgesuch mit Verfügung vom 3. März 2011
ab.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde des I.________ blieb gemäss Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 26. September 2012
erfolglos.

C.
I.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen
und unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides die Rückweisung der Sache zur
ergänzenden Sachverhaltsabklärung und neuer Entscheidung an die Vorinstanz,
eventualiter an die IV-Stelle, beantragen. Er reicht einen Austrittsbericht der
psychiatrischen Klinik Y._________ vom 29. Juni 2011 ein.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Die Kognition des Bundesgerichts ist in Streitigkeiten um Leistungen der
Invalidenversicherung auf eine Rechtskontrolle beschränkt (Art. 95 lit. a BGG).
Würdigung und Feststellung der dem streitigen Leistungsanspruch zugrunde
liegenden Tatsachen, wie z.B. die Entscheidung über die Arbeits(un)fähigkeit (
BGE 132 V 393), können vom Bundesgericht nur auf Unvollständigkeit oder
offensichtliche Unrichtigkeit (Unhaltbarkeit, Willkür; vgl. Art. 97 Abs. 1 und
Art. 105 Abs. 2 BGG sowie BGE 135 II 145 E. 8.1 S. 153; 135 III 127 E. 1.5 S.
130; 134 V 53 E. 4.3 S. 62, 129 I 8 E. 2.1 S. 9; 120 Ia 31 E. 4b S. 40) geprüft
werden.

2.
Im Lichte dieser kognitionsrechtlichen Grundsätze ist allein zu prüfen, ob das
kantonale Gericht zur Beurteilung und zur definitiven Verneinung des
Rentenanspruches abschliessend auf das interdisziplinäre MEDAS-Gutachten vom
12. Juni 2010 abstellen durfte. Während die Vorinstanz dies im Rahmen ihrer
Beweiswürdigung, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des
Arztes des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD), Dr. med. E.________, Facharzt
für Psychiatrie und Psychotherapie/Innere Medizin FMH, vom 10. Januar 2011,
bejaht hat, bestreitet dies der Beschwerdeführer unter Hinweis auf BGE 137 V
210. Die neue bundesgerichtliche Rechtsprechung sehe heute im Vergleich zum
Zeitpunkt, in dem das Gutachten in Auftrag gegeben und erstellt wurde,
strengere Anforderungen an die Einholung solcher Expertisen vor. Die
Beurteilung der MEDAS genüge in Bezug auf die neuen Mitwirkungs- und
Verfahrensrechte nicht.

3.
3.1 Mit BGE 137 V 210 hat das Bundesgericht die Vereinbarkeit der
IV-Abklärungen durch die MEDAS mit den Verfahrensgrundrechten unter anderem
davon abhängig gemacht, dass die Expertise bei Uneinigkeit fortan durch eine
anfechtbare Zwischenverfügung anzuordnen ist (BGE 137 V 210 E. 3.4.2.6 S. 256)
und dass sich die versicherte Person vor der Begutachtung zu den Fragen der
Verwaltung an die Sachverständigen äussern kann (BGE 137 V 210 E. 3.4.2.9 S.
258). Wurde ein entscheidungsrelevantes Gutachten früher als am 28. Juni 2011
(Datum des Urteils) in Auftrag gegeben und fanden die in BGE 137 V 210
definierten Verfahrensstandards noch keine Anwendung, so wäre es nicht
verhältnismässig, einem solchen Gutachten, ungeachtet seiner Überzeugungskraft,
den Beweiswert abzusprechen (BGE 137 V 210 E. 6 Ingress S. 266). Bildet ein
nach altem Standard in Auftrag gegebenes Gutachten die massgebende
Entscheidungsgrundlage, so führt dieser Umstand daher nicht zwangsläufig zu
einer neuen Begutachtung, sondern findet vorab Beachtung in der Beweiswürdigung
(Urteile 9C_942/2011 vom 6. Juli 2012 E. 5.2 und 9C_776/2010 vom 20. Dezember
2011 E. 3.3). Erwecken objektive Kriterien erhebliche Zweifel an der
Schlüssigkeit einer solchen ärztlichen Feststellung, muss ein Gerichtsgutachten
eingeholt werden (Urteil 9C_495/2012 vom 4. Oktober 2012, E. 2.2-2.4).

3.2 Mit Schreiben vom 17. Februar 2010 wurde der Beschwerdeführer zur
MEDAS-Begutachtung aufgeboten. Die Untersuchungen für das interdisziplinäre
Gutachten vom 12. Juni 2010 fanden am 29. und 30. März 2010 statt. In
Anbetracht dieses Verfahrensablaufs konnten die Mitwirkungsrechte des
Versicherten nach dem neuen Urteil vom 28. Juni 2011 (BGE 137 V 210 E. 3.4.2.6
S. 256 und E. 3.4.2.9 S. 258) noch nicht zum Tragen kommen.

4.
4.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, das Gutachten der MEDAS widerspreche
zahlreichen ärztlichen Berichten und sei nicht schlüssig, weshalb es an einer
genügenden Sachverhaltsgrundlage für die Prüfung der gesetzlichen Leistung
fehle. Die Vorinstanzen hätten nicht darauf abstellen dürfen.

4.2 Assistenzarzt med. pract. O.________ und Oberarzt med. pract. A.________
vom psychiatrischen Zentrum Z.________ stellten im Austrittsbericht vom 22.
April 2009 (Hospitalisierung vom 3. Februar bis 30 März 2009) nebst
verschiedenen körperlichen Leiden auch eine rezidivierende depressive Störung,
aktuell mittelgradige Episode, fest. Im Bericht des Hausarztes Dr. med.
D.________ vom 6. Mai 2009 wird ebenfalls eine rezidivierende depressive
Episode mit voller Arbeitsunfähigkeit diagnostiziert. Med. pract. C.________,
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, gelangte bezüglich der
psychischen Erkrankung und der Arbeitsunfähigkeit im Bericht vom 24. Juli 2009
zum selben Ergebnis. Oberarzt Prof. Dr. med. W.________ und Psychologin lic.
phil. B.________ von der psychiatrischen Klinik Y.________ äusserten sich in
ihrem Bericht vom 10. November 2010 in dem Sinne, dass die Wiederaufnahme der
bisherigen Tätigkeit als Teppichhändler aufgrund des Krankheitsbildes und des
Verlaufs, auch längerfristig, kaum realistisch sei. Zurzeit könne der
Beschwerdeführer nur einfache, sich wiederholende Arbeit mit reduziertem Pensum
auf dem geschützten Arbeitsmarkt leisten. Auch sie legen der vollständigen
Arbeitsunfähigkeit des Versicherten eine rezidivierende depressive Störung,
gegenwärtig mittel- bis schwergradig, zugrunde.
Gemäss Gutachten der MEDAS vom 12. Juni 2010 leidet der Versicherte an
verschiedenen Erkrankungen, welche die Arbeitsfähigkeit nicht beeinflussten.
Insbesondere sei keine rezidivierende depressive Episode zu erkennen. Was die
diagnostizierten depressiven Episoden in der Vergangenheit betreffe, sei davon
auszugehen, dass es sich dabei um eine rezidivierende Anpassungsstörung,
ausgelöst durch psychosoziale Umstände, handelte. Am 3. März 2011 nahm RAD-Arzt
Dr. med. E.________ zur unterschiedlichen Einschätzung der Arbeitsfähigkeit im
Gutachten des medizinischen Zentrums X.________ und in den Berichten der
behandelnden Psychiater Stellung. Dr. med. E.________ kam zum Schluss, dass die
von der psychiatrischen Klinik Y.________ gestellte Diagnose einer
rezidivierenden depressiven Störung nicht nachvollziehbar sei. Es fänden sich
keine Hinweise auf eine selbstständige depressive Störung. Wie zuvor bereits
Dr. med. univ. T.________ (Stellungnahme des RAD vom 14. Juli 2010) hält auch
Dr. med. E.________ das MEDAS-Gutachten für schlüssig und nachvollziehbar.

4.3 Die Einwände des Versicherten gegen die Expertise des medizinischen
Zentrums X.________ vom 12. Juni 2010 vermögen nicht zu überzeugen und
erschüttern deren Beweiswert nicht. Das Gutachten der MEDAS erfüllt die
Anforderungen gemäss Rechtsprechung: es ist umfassend, beruht auf allseitigen
Untersuchungen, berücksichtigt die Angaben des Versicherten und wurde in
Kenntnis der Vorakten abgegeben. Die Beurteilung der medizinischen Situation
ist einleuchtend und die Schlussfolgerungen sind begründet. Insbesondere
erfolgte eine Auseinandersetzung mit den von den anderen Ärzten aufgeführten
Symptomen (vgl. BGE 125 V 351 E. 3b/bb S. 353).
Beim letztinstanzlich aufgelegten Austrittsbericht der psychiatrischen Klinik
Y.________ vom 29. Juni über teilstationäre Behandlungen des Beschwerdeführers
zwischen Juli und September 2010 sowie von Oktober 2010 bis Mai 2011 handelt es
sich um ein unzulässiges neues Beweismittel im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG,
das der Versicherte bereits im kantonalen Beschwerdeverfahren hätte einreichen
können.
Sodann sind keine objektiven ärztlichen Aussagen erkennbar, welche hinreichende
Zweifel am Gutachten des medizinischen Zentrums X.________ aufkommen lassen
könnten. Auf die vom behandelnden Arzt Dr. med. C.________ geschilderten
Symptome wurde in der Expertise eingegangen, wobei die Ärzte ihre abweichende
Wertung nachvollziehbar begründet haben. Im Bericht des psychiatrischen Zentrum
Z.________ wurden unter dem Titel "Therapie und Verlauf" vor allem
psychosoziale Faktoren namhaft gemacht. Laut Bericht der psychiatrischen Klinik
Y.________, Klinik für Affektive Erkrankungen und Allgemeinpsychiatrie, vom 10.
November 2010 lag seit 5. Juli 2010 bis auf Weiteres eine volle
Arbeitsunfähigkeit vor. Eine einlässliche und einleuchtende Begründung für
diese Einschätzung fehlt. Schliesslich bestätigt RAD-Psychiater Dr. med.
E.________ in seiner Stellungnahme vom 10. Januar 2011 seine früheren Angaben
und damit auch die Feststellungen der Gutachter, indem er darlegt, es sei von
einer reaktiven, psychosozial ausgelösten Anpassungsstörung auszugehen; dafür
spricht im Übrigen auch das jeweils gute Ansprechen des Versicherten auf - vor
allem stationäre - fachärztliche Behandlung.

4.4 Die in der Beschwerde vorgetragenen Ausführungen betreffend ein
Strafverfahren gegen den früheren Chefarzt des medizinischen Zentrums
X.________ sind wenig sachdienlich und für den vorliegenden Fall ohne Belang.
Die nicht näher belegte Behauptung, die Deutschkenntnisse des Teilgutachters
Dr. med. S.________ seien nicht ausreichend, vermag die Beweiskraft des
Gutachtens ebenfalls nicht in Frage zu stellen. Allfällige
Verständigungsschwierigkeiten wären bereits im Rahmen der psychiatrischen
(Teil)Begutachtung zu Tage getreten und geltend gemacht worden. Im Weiteren
erschöpfen sich die Vorbringen in der Beschwerde zur Hauptsache in einer im
Rahmen der gesetzlichen Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (E. 1 hievor)
unzulässigen Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung. Insbesondere ist
die blosse Gegenüberstellung der von den an der Begutachtung beteiligten Ärzten
gestellten Diagnosen und Einschätzungen zu den Angaben der behandelnden Ärzte
nicht geeignet, das Administrativgutachten als zweifelhaft erscheinen zu
lassen; vielmehr bedarf es einer materiellen Würdigung der unterschiedlichen
Auffassungen. Die Rückweisung der Sache zur Anordnung einer weiteren Expertise
an die Vorinstanz oder die Verwaltung ist entbehrlich, da die verschiedenen
Arztberichte keine objektiven Zweifel am MEDAS-Gutachten wecken (vgl. E. 4.2).

5.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 28. März 2013
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Der Gerichtsschreiber: Widmer