Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 9C 963/2012
Zurück zum Index II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012
Retour à l'indice II. Sozialrechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2012


Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente
dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet.
Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem
Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
                                                               Grössere Schrift

Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
9C_963/2012

Urteil vom 25. Juni 2013

II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiber Scartazzini.

Verfahrensbeteiligte
J.________,
vertreten durch Advokat Nicolai Fullin,
Beschwerdeführerin,

gegen

IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Invalidenversicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungs-gerichts des Kantons Aargau
vom 17. Oktober 2012.

Sachverhalt:

A.
Die 1961 geborene, zuletzt als Aussendienstmitarbeiterin tätige J.________, die
im November 2002 einen Auffahrunfall erlitten hatte, meldete sich am 10.
Februar 2011 aufgrund einer HWS-Distorsion, Nacken-, Kopf- und Rückenschmerzen
sowie Ohrensausen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach
Beizug der Akten des Unfallversicherers, u.a. eines polydisziplinären
Gutachtens (orthopädisch, neurologisch, psychiatrisch) vom 29. Dezember 2009
bei der Medizinischen Abklärungsstelle X.________ veranlasste die IV-Stelle ein
weiteres polydisziplinäres Gutachten, wiederum bei der Medizinischen
Abklärungsstelle X.________ (Expertise vom 1. November 2011). Die Gutachter der
Medizinischen Abklärungsstelle X.________ kamen zum Schluss, dass eine leichte
bis mittelschwere, adaptierte Tätigkeit in einem Pensum von 100 % zumutbar sei.
Mit Verfügung vom 3. November 2011 wurde ein Anspruch auf berufliche Massnahmen
abgewiesen. Mit Vorbescheid vom 12. Januar 2012 stellte die IV-Stelle des
Kantons Aargau die Abweisung des Leistungsbegehrens in Aussicht, was sie mit
Verfügung vom 13. März 2012 bestätigte.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher J.________ beantragte, in
Aufhebung der angefochtenen Verfügung sei die Beschwerdegegnerin zu
verpflichten, ihr mit Wirkung ab dem 1. August 2011 mindestens eine
Viertelsrente auszurichten, wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau
mit Entscheid vom 17. Oktober 2012 ab.

C.
Dagegen lässt J.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
führen und das Rechtsbegehren wiederholen, unter Kostenfolge sei die
Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihr mindestens eine Viertelsrente zu
gewähren.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft die richtige Anwendung des Bundesrechts durch den
angefochtenen Entscheid frei (Art. 95 lit. a BGG), wogegen die Kontrolle der
Sachverhaltsfeststellung nach Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG auf
offensichtliche Unrichtigkeit (d.h. Unhaltbarkeit, Willkür; BGE 132 III 209 E.
2.1 S. 211) beschränkt ist. Die im Rahmen der Arbeitsunfähigkeitsbeurteilung
(Art. 6 ATSG) für den Ausgang des Prozesses entscheidenden Elemente der
Invaliditätsbemessung (Art. 7, 8 Abs. 1 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1
und Art. 28 sowie Art. 28a Abs. 1 IVG) nach Feststellung des gesundheitlichen
Leistungsvermögens betreffen Tatsachenfeststellungen, welche der
eingeschränkten Kognition nach Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 105 Abs. 2
BGG unterliegen (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 unten f.; SVR 2009 IV Nr. 22 S.
62). Hingegen ist die Frage nach der im Einzelfall anwendbaren Methode der
Invaliditätsbemessung eine Rechtsfrage (Urteil I 726/06 vom 8. Januar 2007 E.
3.2 mit Hinweis) und vom Bundesgericht frei überprüfbar.

2.

2.1. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheides
vom 17. Oktober 2012 und verlangt die Ausrichtung einer Viertelsrente. Dem
angefochtenen Entscheid liegen im Wesentlichen ein erstes im Jahr 2009 zuhanden
des Unfallversicherers und ein zweites im Jahr 2011 im Auftrag der IV-Stelle
erstelltes interdisziplinäres Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle
X.________ zugrunde.

2.2. Gerügt wird im Wesentlichen eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihre Arbeitsunfähigkeit sei nicht
rechtskonform festgestellt worden, insbesondere sei im zweiten
polydisziplinären Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle X.________
(2011) entgegen der Empfehlung der RAD-Ärztin und der Auftragserteilung der
Invalidenversicherung keine weitere neurologische Abklärung erfolgt. Es liege
ein unauflösbarer Widerspruch zum ersten Gutachten der Medizinischen
Abklärungsstelle X.________ (2009) vor, weil damals aus neurologischer Sicht
eine Arbeitsunfähigkeit von 20 % festgestellt worden war. Im übrigen sei das
Valideneinkommen falsch berechnet worden. Dieses sei auf der Basis des letzten
Lohnes vor Eintritt des Gesundheitsschadens (Auffahrunfall 2002) zu berechnen.

3.

3.1. Es trifft zu, dass das erste Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle
X.________ (2009) eine grundsätzliche Einbusse aus neurologischer Sicht von 20
% vorgesehen hatte, die sich, so der Gutachter Dr. med. Y.________, allerdings
im bisherigen Arbeitsalltag noch nicht ausgewirkt habe. In jenem Gutachten
wurde sodann angefügt, die Versicherte könne bei einer angepassten Arbeit
(keine schweren Koffern tragen) eine volle Leistungsfähigkeit erreichen. Es
kann somit gestützt auf dieses Gutachten nicht ohne weiteres davon ausgegangen
werden, dass die Beschwerdeführerin aus neurologischer Sicht zu 20 % längere
Zeit arbeitsunfähig gewesen sei, dies umso weniger, als die Versicherte im
Gutachtenszeitpunkt (November 2009) voll erwerbstätig gewesen war. Diese Rüge
ist somit unbegründet.

3.2. Es trifft auch zu, dass die zweite polydisziplinäre Begutachtung der
Medizinischen Abklärungsstelle X.________ (2011) kein neurologisches
Teilgutachten enthielt, obwohl im Auftrag gestützt auf die RAD-Empfehlung ein
solches vorgesehen war. Diese Rüge ist allerdings nicht zu hören, hätte sie
doch vorgebracht werden müssen, als die Medizinische Abklärungsstelle
X.________ der Versicherten am 12. August 2011 das Untersuchungsprogramm für
den 13. September 2011 zusandte, worüber die frühere Rechtsvertreterin am 15.
August 2011 orientiert wurde und wovon der neue Rechtsbeistand auf
Akteneinsichtsgesuch vom 26. August 2011 Kenntnis erhielt (für viele: Urteil
9C_503/2012 vom 12. November 2012, E. 2).

3.3. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, es hätten echtzeitliche ärztliche
Berichte Vorrang und es hätte daher der psychiatrische Bericht von Dr. med.
M.________ vom 22. September 2010 als Entscheidungsgrundlage vorgezogen werden
müssen, ist dem entgegenzuhalten - abgesehen davon, dass diese Rüge rein
appellatorischer Natur ist (vgl. Urteile 9C_724/2012 vom 29. Oktober 2012 E.
4.3.3 und 9C_72/2012 vom 21. August 2012 E. 5.2) -, dass die darin von Dr. med.
M.________ der Klinik R.________ attestierte 100 %ige Arbeitsunfähigkeit, wegen
welcher eine 6-8wöchige stationäre Behandlung vorgeschlagen worden war, in der
Folge offenbar nicht umgesetzt wurde. Entsprechende Berichte fehlten
jedenfalls, wie dies aus dem Gutachten der Medizinischen Abklärungsstelle
X.________ 2011 und den Akten der Invalidenversicherung hervorgeht,
insbesondere aus einem Bericht der RAD-Ärztin vom 25. März 2011, in welchem
diese danach fragte, ob die stationäre Behandlung nun stattgefunden habe oder
nicht. Zudem ist zu beachten, dass die dem therapeutischen Auftrag
verpflichteten Ärzte sich über ihre Patienten in einer Weise äussern, die sich
von der Sicht eines medizinischen Untersuchers wesentlich unterscheidet (vgl.
zur Unvereinbarkeit von Behandlungs- und Begutachtungsauftrag etwa Urteil
9C_746/2010 vom 28. Januar 2011 E. 3.1 mit Hinweisen).

4.
Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich, das Valideneinkommen sei unrichtig
festgestellt worden. In der Tat hat die Vorinstanz einen blossen
Prozentvergleich vorgenommen, da die Beschwerdeführerin vor und nach dem Unfall
und dessen Folgen als Aussendienstmitarbeiterin tätig war und ist. Diese
Vorgehensweise entspricht bei erwerbstätigen Versicherten die vor und nach
Eintritt der Invalidität an derselben Arbeitsstelle verbleiben der korrekten
Invaliditätsbemessungsmethode (vgl. BGE 114 V 310 E. 3a S. 313; Urteil 8C_873/
2012 vom 30. April 2013 E. 5.1) und ist - als vom Bundesgericht frei
überprüfbare Frage (vgl. E. 1) - somit nicht bundesrechtswidrig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten in der Höhe von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 25. Juni 2013
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Kernen

Der Gerichtsschreiber: Scartazzini

Navigation

Neue Suche

ähnliche Leitentscheide suchen
ähnliche Urteile ab 2000 suchen

Drucken nach oben